49 - Wiedersehen
Vier Katzen jagten durch den vernebelten Laubwald - ein schwarzer Kater mit leuchtend weißem Brustfell, eine hell gefleckte, cremefarbene Kätzin, ein schwarzweißer Kater.
Und hinter ihnen: Eine kleine, gelbbraune Kätzin, die große Mühe hatte, ihren Reisegefährten zu folgen.
Als die Vier am Waldrand anhielten, konnte Haselpfote keine einzige Katze erkennen, so nebelig war es. Sie wollte gerade bei Krähenpfote nachfragen, da zischte der: "Still!"
Und als sie so stillhielten, wie es ihnen möglich war, konnten sie Stimmen hören - flüsterndes Zischen, kaum lauter als der Wind in den Bäumen. Haselpfote erschauderte. "Sicher, dass sie es sind?" flüsterte sie.
Gleich darauf ertönte eine unverwechselbare Stimme: "Hier müssen sie sein!" verkündete Haferstern.
Als hätte irgendetwas nur darauf gewartet, teilte sich der Nebel. Kaum fünf Katzenlängen vor den Schülern standen sie: Haferstern und Korallenstern, und hinter ihnen ihre Clans.
Einen Herzschlag herrschte Stille.
Dann brach der Sturm los.
Noch ehe Haselpfote sich umsah, wurden sie und Wieselpfote von ihren Clangefährten umringt. Da war Hellpfote, die vor Erstaunen ein Kamillenblatt hatte fallen lassen, Frostpfote und Plätscherpfote, die auf sie zujagten. Rosenröte tauchte aus der Masse auf, setzte Purpurjunges ab, die sie getragen hatte, und begrüßte ihren Bruder. Auch Ahornpfote kam herbeigehumpelt. Haselpfote seufzte erleichtert, als sie sah, dass die Wunden des Katers sich nicht verschlimmert hatten.
Dann wandte sie sich ihren Geschwistern zu. Frostpfote musterte sie von oben bis unten, Plätscherpfote hielt sich gar nicht erst damit auf, sie begrüßte die Kätzin stürmisch, während auch Hellpfote mit hoch erhobenem Schweif auf sie zurannte.
"Haselpfote!" miaute die Heilerschülerin. "Ihr habt es wirklich geschafft?"
Haselpfote hob stolz das Kinn. "Was dachtest du denn?"
Frostpfote leckte ihr anerkennend über die Schulter, dann zupfte er etwas aus ihrem Pelz. "Du hast da Klettensamen hängen."
"Nicht Klette!" Eifrig reckte Haselpfote den Hals und versuchte, die Samen aus ihrem Fell zu ziehen. "Die sind für Hellpfote. Die Pflanze hast du bestimmt noch nie gesehen!"
"Da bin ich gespannt." Neugierig betrachtete Hellpfote die mamorierten Samen, die Haselpfote ihr auf einem Blatt hinschob, dann faltete sie das Blatt geschickt zusammen und brachte es in der Art Tasche aus Moos unter, die sie mit sich herumtrug.
Haselpfote wollte gerade weiter erzählen, da bemerkte sie, dass jemand hinter sie trat. Sie drehte sich um - es war Haferstern.
Die sandfarbene Kätzin schaute auf sie herab, und in ihren grünen Augen funkelte Stolz. "Das habt ihr gut gemacht." schnurrte sie.
Haselpfote glühte vor Freude über das Lob, dann schaute sie sich suchend um. "Wo sind Ginsterkralle und Wunschrose?"
Haferstern war es, die ihr Antwort gab. "Ginsterkralle ist noch bei den Kriegern, Wunschrose bei Goldstreif." Sie wies ihr mit dem Schweif den Weg.
Haselpfote vertröstete ihre Geschwister schnell auf später, dann huschte sie davon.
Sie konnte ihren Vater nicht finden - zu viele andere Katzen, darunter auch AhornClan, waren im weg - aber ihre Mutter fand sie schnell. Die graue Kätzin stand neben Rotfuß, die beiden beschäftigten sich mit Langjunges und Kurzjunges, die auf dem Boden herumtollten. Goldstreif kauerte neben ihnen, sie wirkte erschöpft.
Nicht weit entfernt lagerte eine schöne, rotbraune Kätzin mit funkelnden, blauen Augen. Sie hatte ihren Schweif schützend um vier kleine Kätzchen geschlungen - ein dunkelbraun gestreiftes, ein schwarzes mit ungewöhnlich großen Ohren, ein braunes, wuscheliges und ein schlammbraunes, dunkel gesprenkeltes, das ständig entwischte. Das musste eine AhornClan-Königin sein.
Haselpfote beschloss, die kleinen Familien nicht zu stören, wenn sie auch ein wenig enttäuscht war, dass Wunschrose sie nicht einmal begrüßt hatte. Sie sah sich nach Rabenjunges um und entdeckte ihn neben Efeusturm. Die Heilerin wirkte ungewohnt gut gelaunt, sie zeigte dem kleinem Kater ein Kraut, und dieser lauschte interessiert dem, was sie zu erzählen hatte.
Er wird mal ein guter Schüler, dachte Haselpfote ein wenig neidisch. Wen sie aber gar nicht beneidete, war Wieselpfote, denn er als Älterer wurde von den Kriegern umringt, die ihm Fragen zum neuen Territorium und allerlei anderem stellten. Einige, wie Gelbkrale und Grünnase, sahen nicht sehr glücklich aus. Vielleicht hatten sie erfahren, dass der WeidenClan und der EisClan nun ihre neuen Nachbarn waren.
Auch Federpfote und Krähenpfote wurden mit Fragen bestürmt. Haselpfote sah Korallensterns Pelz unter den Katzen und dachte an Hafersterns Besuch bei ihm und ihre Bitte. Sie hielt Ausschau nach den Einzelläufern - ob ihre Anführerin die wirklich mitgenommen hatte?
Unterwegs auf ihrer Suche begegnete sie einer jungen, grauschwarz gestromerten Kätzin mit weißer Schwanzspitze, die sie von der Versammlung wiedererkannte. Hieß sie nicht Wellenpfote?
"Weißt du, wo ich Frostpfote finde?" fragte die AhornClan-Schülerin scheu, nachdem sie gerochen hatte, dass Haselpfote zum HaselClan gehörte.
"Klar, er ist irgendwo dahinten." Haselpfote wies mit dem Schweif in Richtung Haferstern, die noch bei ihren Geschwistern stand. Sie freute sich, dass Wellenpfote wieder aufgetaucht war, immerhin hatten die AhornClan-Katzen den HaselClan ja verdächtigt, sie entführt zu haben.
"Danke!" Wellenpfote huschte davon, und Haselpfote schnurrte amüsiert, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das richtete, was sie gesucht hatte.
Tatsächlich, ein wenig abseits von dem Meer aus Pelzen saß der dunkel gestreifte Kater, dicht neben sich seinen ebenso gemusterten Sohn, dessen silberne Pfoten glänzten, und seine silber-schwarz getigerte Tochter. Dunkelkrähe blickte sehr missmutig drein, während Nacht und Düster das Geschehen neugierig beobachteten.
Und nach einigem Herumirren fiel Haselpfotes Blick auch auf eine fremde, junge Kätzin, die eindeutig aus der Masse hervorstach, auch wenn sie nicht wusste, warum. Diese Kätzin hatte pechschwarzes Fell ohne auch nur irgendein Abzeichen, und ihre Augen hatten eine ungewohnte, orangene Farbe. Sie stand ebenfalls am Rand der Katzen, wirkte nervös und schien mit irgendjemandem zu sprechen, den Haselpfote nicht sehen konnte.
Das musste Schwarzpfote sein, die ehemalige WeidenClan-Schülerin. Haselpfote wurde unruhig, als sie an ihre Nebelvision denken musste - Schneezauber, die sie beauftragt hatte, ihrer Tochter von ihr und ihrer verstorbenen Schwester Graujunges zu erzählen.
Die kleine Kätzin hätte das gern noch aufgeschoben, weil sie sich noch kein bisschen überlegt hatte, was sie sagen könnte. Aber dann dachte sie an Wolkenstern, Schwarzpfotes nahen Vater, und beschloss, einfach zu improvisieren.
Als sie bei der Einzelläuferin angekommen war, bemerkte jene sie gar nicht. Schwarzpfote sah sehr angespannt aus, und ständig blickte sie zum Wald, als könnte sie das Lager in der Hecke dahinter sehen.
"Hallo" miaute Haselpfote. Die Kätzin fuhr herum und musterte sie misstrauisch.
"Ich bin Haselpfote aus dem HaselClan, eine von den Reisenden. Ich hab deinen Vater getroffen." berichtete Haselpfote stockend.
"Meinen Vater?" fragte Schwarzpfote verwirrt. "Wolkenstern?"
"Genau!" Haselpfote redete sich langsam warm. "Er lebt noch als Ältester im WeidenClan."
Die Augen der Kätzin blitzten. "Der WeidenClan?" Ihre Stimme zitterte ein wenig. "Wo ist er?"
"Hinter dem Wald. Du folgst dem Zweibeinerpfad zur Wiese, und dahinter in der Hecke ist das Lager." berichtete Haselpfote ehrlich. Ihr kam es kein bisschen seltsam vor, der Einzelläuferin das zu verraten. Immerhin hatte Schwarzpfote einmal in dem Clan gelebt!
Schwarzpfote erhob sich. "Danke, Kleine."
"Warte!" rief Haselpfote, als sie bemerkte, dass die Kätzin schon gehen wollte. "Es gibt da noch etwas...also...ich habe von einer Katze geträumt, die sich Schneezauber nannte."
Treffer. Schwarzpfote zuckte unübersehbar zusammen. "Du hast von meiner Mutter geträumt?" fragte sie leise, während Zweifel in ihren Augen aufflackerte.
"Ja, und sie hat gesagt, ich soll dir von Graujunges erzählen. Das ist deine Schwester, und sie ist zusammen mit Schneezauber an Grünem Husten gestorben." Haselpfote kam sich mittlerweile sehr komisch vor mit ihrem Wissen.
In sich gekehrt starrte Schwarzpfote an ihr vorbei in das dämmrige Licht, während man in ihren Augen sehen konnte, wie aufgewühlt sie war.
"Schneezauber will, dass du von Graujunges weißt, damit sie nicht verblasst, weil im SternenClan ja Katzen verblassen, wenn keiner mehr an sie denkt." beendete Haselpfote ihren Bericht, ohne sehen zu können, ob das bei ihrem Gegenüber ankam.
Sie winkte zum Abschied mit dem Schweif und ließ die Einzelläuferin dann erstmal mit ihren Gedanken allein.
Einen Vorteil hatte es, als Jüngste mit auf Reise gewesen zu sein: Niemand hielt sie auf, um irgendetwas zu fragen. Haselpfote war ein wenig enttäuscht, dass ihre Clangefährten ihr so wenig zutrauten, aber als sie den Ansturm auf Wieselpfote sah - der kaum dazu kam, seine Geschwister richtig zu begrüßen - freute sie sich doch über ihre einfache Welt.
Die war folgendermaßen aufgeteilt: Ihre Geschwister, ihre Eltern, ihre Freunde, wichtige Katzen (ihr Mentor Löwenmähne, Efeusturm und Haferstern) und der ganze Rest, der ihr gestohlen bleiben konnte.
Ihre Geschwister hatte sie ja nun schon begrüßt, Wunschrose gesehen. Ein Teil der Krieger war vor wenigen Momenten zu einer Erkundungspatroullie aufgebrochen, und sie vermutete ganz richtig, dass Ginsterkralle unter ihnen war.
Rosenpfote hatte sie getroffen, Wieselpfote sowieso - also wurde ihr nächstes Ziel, nach Ahornpfote zu suchen. Und nach Kleintatze.
Zunächst begegnete sie aber Federpfote. "Oh, bist du nicht bei deinem Clan?" fragte Haselpfote neugierig.
Die Ältere schlug mit dem Schweif. "Nein, das habe ich an Krähenpfote abgegeben." Sie zuckte amüsiert mit den Ohren. "Soll er doch auch mal etwas sagen. Aber warum bist du denn nicht bei deiner Familie? Bei deiner Mutter, zum Beispiel?"
"Ich bin doch kein Junges mehr!" fauchte Haselpfote. Dann ließ sie den Schweif hängen. "Wunschrose interessiert sich gar nicht für mich."
Federpfote wirkte überrascht. "Was, hast du auch kleine Geschwister? Meine Mutter, Kristallglitzer, verhätschelt ihre neuen Jungen - Fledermausjunges, Klettenjunges, Pfützenjunges und ihren Ziehsohn Tigerjunges - als wären die irgendetwas wahnsinnig wichtiges oder so, für mich und meine Schwester hat sie gar keinen Blick mehr." erzählte sie ruhig, als wäre das für sie ganz normal.
Nun war es an Haselpfote, überrascht auszusehen. "Oh, wirklich? Ich habe keine kleinen Geschwister", sie schauderte, als sie an ihr Gespräch mit ihren Geschwistern denken musste - weil Wunschrose ja wieder Junge wollte, "aber die beste Freundin meiner Mutter, Goldstreif, hat Junge, und jetzt ist sie immer bei denen."
"Das gibt sich bestimmt." Zuversichtlich sah Federpfote zu ihr herunter, ungewohnt entspannt, nachdem sie auf der Reise immer so gereizt und gehässig gewesen war. Als hätte sie zwei Ichs, und das eine wäre nur für den Clan bestimmt.
Haselpfote wollte etwas erwidern, aber da hob die hübsche Heilerschülerin plötzlich den Kopf und witterte. "Ich muss los, noch meine Schwester Schneeschweif begrüßen." Schon trabte sie davon, und Haselpfote konnte eine dünne, schneeweiße Kätzin sehen, die sie fröhlich begrüßte.
Ein wenig neidisch wandte Haselpfote sich ab. Schneeschweif hatte sie an Schneezauber erinnert, und so schaute sie sich nach Schwarzpfote um, konnte die Einzelläuferin aber nicht entdecken. Es war schon ziemlich dunkel geworden - brach der Abend etwa schon an? Ein wenig Anspannung lag in der Luft wie feiner Nebel. Wie eine dunkle Vorahnung.
Da sah Haselpfote Ahornpfotes rotbraunes Fell aufblitzen. Freude durchflutete ihren kleinen Körper und sie sprang auf ihren Freund zu, hüpfte, wie sie schon lang nicht mehr gehüpft war, den Schweif freudig erhoben.
Ahornpfote wirkte noch schlanker als sonst, fast ein wenig mager. Seine Flanken und sein Gesicht wiesen noch vernarbte Spuren der Schrammen auf, sein Fell war zerzaust und sein rechtes Hinterbein war noch immer geschient. Seine grünen Augen leuchteten, als er die Kätzin bemerkte.
Haselpfote begrüßte ihn laut schnurrend, indem sie ihre Stirn an seiner rieb, dann musterte sie den jungen Kater. "Alles in Ordnung mit dir?"
Ahornpfote grinste gequält. "Ich habe die Reise überstanden, oder?" schnurrte er.
"Zum Glück!" miaute Haselpfote. "Sag mal, hast du Kleintatze gesehen?" Sie wurde langsam müde, und ihr Herz sehnte sich nach der Geborgenheit, die sie in der Nähe ihrer alten Freundin verspürte.
Ahornpfote betrachtete nachdenklich den dunklen Himmel. "Zuletzt gesehen habe ich sie am Fluss, als sie Rosenpfote und Purpurjunges geholfen hatte, dann musste ich mich auf mein Bein konzentrieren..."
Haselpfote wurde unruhig. Auch sie hatte Kleintatzes braunen Pelz nirgendwo entdecken können - der Ältestenwar doch nicht etwa etwas zugestoßen?
Ein lauter Schrei riss sie aus ihren Gedanken und unterbrach sämtliche Gespräche der Clans. Anspannung hing wie eine wortwörtlich rabenschwarze Wolke über ihnen, sodass Goldstreifs gelbes Fell richtig leuchtete, denn sie war es, die geschrien hatte.
"Purpurjunges ist verschwunden!"
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