31 - Die Reise beginnt
Haselpfote stakste durch die zerbrochenen Äste, die von der Zerstörung des Ältestenbaus übrig geblieben waren. Sie witterte wieder, und das sagte ihr, dass sie auf der richtigen Spur war.
Tatsächlich stand ihr schwarzweiß gefleckter Freund an der Stelle, wo seine Mutter umgekommen war. Sein Schweif lag entmutigt auf dem Boden, seine Ohren waren mutlos angelegt, und er presste die Stirn gegen den toten, bemoosten Stamm.
Als Haselpfote ihn so sah, erinnerte sie sich daran, wie schrecklich es für Wieselpfote gewesen war. Wie er nach dem Wolfangriff immer zu seiner Mutter gehalten hatte. Und wie sie von ihm wollte, dass er sich mit ihr beschäftigte. Sie war enttäuscht. Und sie schämte sich.
Wieselpfote spitzte die Ohren, dann drehte er sich zu ihr um. Er bemühte eine fröhliche Miene, aber Haselpfote sah den fliehenden Schmerz in seinen Augen. "Wieselpfote...Wenn die Reise nichts für dich ist, dann kann ich gern mit Haferstern reden." schlug sie spontan vor. Zu ihrer Erleichterung schüttelte Wieselpfote energisch den Kopf.
"Nein. Glanzrose ist im SternenClan, sie wird mich sehen und stolz auf mich sein." Geschickt trat er aus dem gefährlichen Zweigwirrwar heraus und legte ihr den Schweif auf den Rücken. "Ich habe in der Nacht ihr Grab besucht, gemeinsam mit Rosenpfote. Ahornpfote hat von ihr geträumt. Alles wird gut."
Haselpfote nickte ergriffen, dann tat sie es dem Größeren gleich und hob den Kopf. "Wir werden eine neue Heimat für den Clan finden." miaute sie mutig. Dann überwog ihre Neugier. "Ach ja, was glaubst du, wer aus dem AhornClan dabei ist?"
"Viel Auswahl haben die ja nicht." stellte Wieselpfote fest und sah zum Himmel empor. "Ach, wir müssen los. Kommst du?"
Haselpfote kletterte hinter ihm her den Abhang hinauf und traute sich nicht, nach hinten zu schauen. Erst, als sie oben angekommen waren, warf die kleine Kätzin einen letzten Blick auf ihr Lager, der Ort, wo sie geboren und aufgewachsen war. Wie sie alle.
Schnell wandte sie sich ab, bevor ihre Pfoten sie noch verraten und wieder in den Schülerbau tragen konnten.
Ich bin mutig, ich bin nicht allein, der Clan glaubt an mich!
"Kommst du?" Wieselpfote schnippte mit dem Schweif. "Die anderen werden schon warten."
Ergeben nickte die Schülerin und folgte ihm tief in Gedanken versunken.
Am Donnerweg machten sie Halt. Wieselpfote kauerte mit flach angelegten Ohren am Rand und lugte nach beiden Seiten. Erst, als er ihr zunickte, sprang Haselpfote aus dem Gebüsch und rannte, so schnell sie konnte, über den kühlen, vernebelten Pfad. Dannach liefen sie durch das taunasse Gras. Haselpfote ging langsam die Puste aus, aber sie traute sich nicht, etwas zu sagen, so zügig schritt ihr Freund voran.
Als sie den Fluss erreichten, wurde die Kätzin unruhig. Aber Wieselpfote zeigte ihr genau, wie sie gefahrlos über die trockenen Steine gelanten konnte, und so schaffte sie es ohne Unglück an das andere Ufer.
Endlich kamen die sieben Bäume in Sicht. Die Sonne schickte ihre warmen Strahlen über die Wiesen und trocknete den funkelnden Tau. Haselpfote hechelte, als sie mit peitschendem Schweif neben Wieselpfote ankam, der zum Versammlungsort hinunter sah.
Unten standen zwei ältere Katzen - ein schwarzer, stämmiger Kater mit weißem Latz und eine cremefarbene, hell gefleckte Kätzin. Haselpfote kramte verzweifelt in ihrem Gedächtnis, aber sie wusste nicht, wer die beiden Schüler waren. Wieselpfote offenbar schon. Seine Augen verdüsterten sich, dann nahm er Anlauf und preschte den sanften Abhang hinab. Haselpfote folgte ihm stolpernd.
Als sie wieder zu ihm aufgeholt hatte, musterten die beiden Fremden sie kritisch. Haselpfote kam sich noch kleiner vor als sonst schon. Die cremefarbene, hell gefleckte Kätzin musste viel älter als sie sein, Haselpfote konnte sich kaum vorstellen, dass sie überhaupt noch Schülerin war. Der schwarze Kater neben ihr war nicht viel älter als Wieselpfote und nur ein wenig größer, und er sah gelangweilt aus.
"Endlich kommt ihr! War nicht die Morgendämmerung ausgemacht?" knurrte er missmutig. Haselpfote konnte ihn sofort nicht leiden. "Es gab noch etwas zu tun." erklärte sie diffus und verkniff sich ein Schnurren, als sie die Augen der Kätzin neugierig funkeln sah. "Was war denn los?"
"Nichts, das euch angeht." beendete Wieselpfote den Bluff seiner Clangenossin elegant. "Habt ihr Hinweise erhalten, wohin wir reisen sollen?"
Der Schwarze verneinte, die Cremefarbene antwortete ziemlich beleidigt: "Nein. Ihr?"
Wieselpfote zuckte nervös mit dem Schweif. "Nein. Nur das übliche, Schatten des Donners und so, ihr kennt die Prophezeiung ja." Nun sahen alle Haselpfote an. Ein grässliches Gefühl.
"Ich..." Haselpfote versuchte, sich zu sammeln, was unter den bohrenden Blicken der anderen nicht leicht war. Ihr Gedächtnis erschien wie leergefegt, und statt einer sinnvollen Erinnerung erkannte sie die beiden Schüler wieder. Sie hatte sie auf der Versammlung gesehen, die Cremefarbene war die Heilerschülerin - hieß die nicht Federpfote? - die mit Hellpfote gesprochen hatte. Das erklärte, warum sie so beleidigt gewesen war, als sie keinen Hinweis vom SternenClan erhalten hatte.
Ein Hinweis.
"Denk an meine Geschichte..."
"Merk dir das, hörst du? Das ist wichtig!"
"Ja, ich habe einen Hinweis erhalten!" verkündete Haselpfote mit vor Aufregung aufgeplustertem Fell. "Folgt der Sonne nach Süden. Ihr müsst die erste Katze um Hilfe bitten, die ihr trefft. Sie wird Bescheid wissen."
Federpfote schnaubte verächtlich, der schwarze Kater musterte sie misstrauisch. Selbst Wieselpfote sah unsicher aus. "Bist du sicher, dass das eine Botschaft vom SternenClan ist?"
"Ja, bin ich!" fauchte Haselpfote. "Und wenn ihr nicht bis heute Nacht hierstehen wollt, um ihn persöhnlich zu fragen, dann sollten wir jetzt nach Süden gehen." Sie hob das Kinn und stolzierte so arrogant wie möglich den Abhang hinauf. Es dauerte nicht lange, bis sie Pfotenschritte hörte.
Wieselpfote holte sie ein. "Du hast recht. Wir sollten es zumindest versuchen." Als sie die Bäume erreicht hatten, kniff er die Augen zusammen. "Süden ist dort, wo die Sonne zum Sonnenhoch steht. Das müsste etwa hier sein." Er wies mit der Nase wage nach vorn.
"Das ist Unsinn." knurrte Federpfote, die hinter ihnen aufgetaucht war. "Diese Katze ist noch ein halbes Junge! Warum sollte sie einen entscheidenen Hinweis erhalten?"
"Bist du beleidigt, weil du als Heilerschülerin nicht zuerst informiert wurdest?" fauchte Haselpfote genervt zurück. "Ich gehe jetzt jedenfalls da hin, und wenn ihr nicht mitkommen wollt, erklärt es Korallenstern eben." Sie wandte den Blick nach vorn und lief stur los, ohne sich noch einmal umzuschauen.
Sie lief über die Wiese und machte große Bögen um die Zweibeinernester, die sich immer dichter drängten, sodass sie ihre Schatten auf die kleine Kätzin warfen, die nur mit Mühe über das hohe Gras schauen konnte. Als sie den starken Geruch der Grenze roch, vermischt mit dem des AhornClans, blieb sie stehen.
Es dauerte nicht lange, bis Wieselpfote mit federnden Pfoten neben ihr landete. Das Gras raschelte, und Haselpfote sah Federpfotes helles Fell. Die Kätzin schimpfte mit ihrem Clangenossen, dem schwarzen Kater.
"Der heißt übrigens Krähenpfote." informierte Wieselpfote sie netterweiße, als ob er ihre Gedanken gelesen hätte. Gleich darauf erreichten die AhornClan-Schüler ebenfalls die Grenze. Federpfote warf der kleinen Kätzin einen wütenden Blick zu, dann ignorierte sie sie. Krähenpfote meinte, viel freundlicher als vorher: "Wir sind an der Stelle, wo die Grenzen beide aufhören. das müsste die richtige Richtung gewesen sein."
"Natürlich." antwortete Wieselpfote geschmeichelt. "Und jetzt laufen wir einfach geradeaus weiter, bis wir irgendeine Katze treffen." Er markierte die Stelle außerhalb der Grenze als Zeichen für die Clans.
Das war leichter gesagt als getan. Die Katzen stapften schweigend durch das Gras, jeder hing seinen Gedanken nach. Die Zweibeinernester mieden sie, und schließlich wich die Wiese unter ihren Pfoten einem schmalen, ausgetretenem Pfad, dem sie durch unter der brennenden Sonne folgten, ungeschützt für alles, was von oben hätte kommen können.
Einmal meinte Federpfote plötzlich: "Von so einem Monster wurde mein Vater getötet.", als ein Riesenmonster über die Wiese neben ihnen fuhr, weit weg, aber deutlich zu riechen und zu hören.
Haselpfote, der inzwischen einiges an Federpfote aufgefallen war - dass die Kätzin nie richtig Blickkontakt hielt, sehr ordentlich war und keine Ironie verstand - dachte an ihren eigenen Vater. Ginsterkralle. Und da fiel ihr etwas auf:
Wo war er gewesen, als die anderen ihr gute Ratschläge gegeben, Glück gewünscht und sie an verschiedene Dinge erinnert hatten?
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