3 - Eine harte Strafe und ein fieser Plan geraten in Vergessenheit
Haselpfote spürte sofort, dass etwas nicht stimmte, und ihr Herz begann schneller zu schlagen.
"Haselpfote, wir müssen reden." begann ihr Vater streng. "Es sind nun mehrere Tage vergangen, aber du hast bei eurem Training Fliederpfote verletzt und das können wir nicht einfach so hinnehmen, immerhin wurdet ihr belehrt - keine Krallen im Training."
Haselpfote schluckte schwer. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, Fliederpfote verletzt zu haben. Aber die Blicke der anderen Katzen ließen keinen Zweifel daran, dass etwas Schlimmes passiert war. Ein wenig Trotz keimte in ihr auf.
Ich habe doch nicht das Gesetz gebrochen! So schlimm kann ein Kratzer ja nicht sein, oder?
"Du sollst für deine Unachtsamkeit bestraft werden, Haselpfote." fuhr Haferstern fort. "Du wirst die nächsten drei Tage in der Nähe des Lagers bleiben und weder Jagd noch Training bekommen. Außerdem wirst du den Ältesten helfen, den Königinnen, Ältesten und Heilern Beute bringen und den Bau der Königinnen aufräumen. Du musst lernen, achtsamer zu sein und die Konsequenzen deiner Taten zu tragen."
Haselpfote war schockiert. Sie hatte eine Strafe erwartet, aber diese Strafe war schlimmer als alles, was sie sich vorgestellt hatte. Die Vorstellung, drei Tage ohne etwas zu tun im Lager zu verbringen, war für die junge Kätzin einfach unerträglich.
"Dann muss der Rundgang durch das Territorium eben warten." Auch Löwenmähne sah nicht gerade glücklich darüber aus.
Tränen stiegen in Haselpfotes Augen, als sie ihren Blick senkte. Die Strafe war hart, aber sie wusste, dass sie es verdient hatte. Sie fühlte sich schrecklich schuldig und schämte sich zutiefst für ihren Fehler, und der Trotz war verflogen.
Sie murmelte nur ein stilles "Ja, Vater" und senkte den Kopf. Sie würde die Strafe ohne Widerrede akzeptieren und versuchen, daraus zu lernen. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, achtsamer zu werden und sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden.
Als sie den Kopf hob, um den ranghöheren Katzen ein Zeichen des Respekts zu geben, sah sie in Hafersterns Augen Mitleid. Ginsterkralle hatte sich bereits abgewandt, Löwenmähne verschwand im Kriegerbau, und nun drehte auch sie sandfarbene Kätzin sich um, nachdem Haselpfote den Kopf respektvoll geneigt hatte. Innerhalb weniger Augenblicke war sie wieder allein.
Mit schwerem Herzen drehte sie sich um und ging zum Ältestenbau, um mit ihrer Strafe zu beginnen. Es würde eine harte Lektion sein, aber sie war bereit, daraus zu wachsen und sich zu verbessern. Und vielleicht würde sie auch irgendwann die Chance bekommen, sich bei Fliederpfote zu entschuldigen und es wieder gut zu machen. Obwohl sie Fliederpfote seit heute Morgen gar nicht mehr so sehr mochte.
Sie blieb stehen. Ja, überhaupt! Fliederpfote war so fies gewesen, und nun hatte sie diesen Kratzer, von dem man bestimmt nichts mehr sah, auch noch gepetzt!
Haselpfote konnte die Wut in sich aufsteigen fühlen, als sie an Fliederpfote dachte. Wie konnte sie es wagen, sie zu verraten und sie für etwas zu bestrafen, was vielleicht gar nicht so schlimm war? Nein, Haselpfote würde sich nicht einfach so geschlagen geben. Sie würde einen Weg finden, sich zu rächen und Fliederpfote das gleiche Leid zufügen, das sie ihr angetan hatte, so!
Der Ältestenbau schien plötzlich sehr weit entfernt zu sein, als Haselpfote mit entschlossenen Schritten weiterging. Sie würde sich nicht einfach so einsperren lassen, und sie würde Fliederpfote zeigen, dass sie nicht mit ihr spielen konnte. Denn Haselpfote war entschlossen, sich zu wehren und sich nicht länger unterdrücken zu lassen.
Sollte Ginsterkralle mit seinen Strafen doch bleiben, wo er wollte! Er war ein schlechter Vater, nie da, wenn man ihn brauchte. Und Wunschrose auch nicht. Seit Goldstreifs Junge da waren, schien sie ihre eigenen Junge regerecht vergessen zu haben!
Die Traurigkeit, Scham und die Beteuerungen, es wieder gut zu machen, rückten in weite Ferne.
Rache!
Haselpfote würde sich an Fliederpfote rächen, das stand fest. Sie würde es ihr zeigen! Mit jedem Schritt, den sie weiterging, wuchs die Entschlossenheit in ihr. Sie würde einen Weg finden, um ihren Plan umzusetzen. Wenn sie denn mal einen hätte.
Als Haselpfote schließlich am Ältestenbau ankam, war ihr Entschluss festgelegt. Sie würde sich jetzt nicht einfach so einsperren lassen, sondern sie würde handeln.
Ein Ruf von Kleintatze holte sie jedoch sehr plötzlich wieder in die Realität zurück.
"Haselpfote! Möchtest du Glanzrose noch die Zunge geben? Wir werden nicht alle mitnehmen können zum Begräbnis, deshalb verabschieden sich die anderen schon jetzt."
"Muss ich?" Haselpfote sah zu Kleintatze, aber als sie deren bittenden Ausdruck in den Augen sah, setzte sie ein trauriges Gesicht auf und lief an ihr vorbei zum Großfelsen, unter dem Glanzroses Leichnahm lag, säuberlich geputzt und nach Kräutern duftend.
Die Katzen versammelten sich um den leblosen Körper von Glanzrose, der Ältesten, deren Augen vom Wolf ausgekratzt worden waren. Der Anblick war erschütternd und jeder spürte die Trauer in der Luft liegen. Haselpfote stand abseits, unfähig zu begreifen, warum die anderen so traurig waren. Für sie war Glanzrose nur eine Älteste gewesen, die sowieso bald gestorben wäre. Doch für die anderen Katzen musste sie eine respektierte Kriegerin gewesen sein, die nun auf brutale Weise ums Leben gekommen war.
Viel mehr interessierte sie, was die Krieger erzählten, bevor sie sich wieder entfernten: Dass Beute im Wald verstreut lag, die nach Hund und Wolf stank und definitiv nicht von Katzen gefangen sein konnte.
Nachdem alle Katzen der rotgoldenen Kätzin die Zunge gegeben und ein paar letzte Worte gesprochen hatten - Haselpfote hatte nur schnell über ihr Ohr geleckt und versucht, nicht in die leeren, vorwurfsvollen Augenhöhlen zu schauen - trat Kleintatze wieder neben sie.
"Willst du mitkommen? Das Wasser ist endlich genug gefallen, um sie zu begraben." erklärte die Älteste.
"Gern!" Freudig sprang Haselpfote ihrer Freundin hinterher, entschlossen, jede Gelegenheit zu nutzen, um aus dem Lager zu kommen. Sie folgte Kleintatze, die sich einer etwas merkwürdigen Prozession anschloss. Haferstern war dabei und Löwenmähne, außerdem Gelbkralle und Grünnase, die Glanzroses Leichnahm trugen. Ihre Schüler Orkanpfote und Humpelpfote waren nirgends zu sehen, dafür aber Haselpfotes Freunde Ahornpfote, Wieselpfote und Rosenpfote, die nun mit gesenkten Köpfen still neben den Trägern ihrer toten Mutter herliefen.
Haselpfote sprang zu Wieselpfote und wollte mit ihm spielen, aber er wandte sich ab. Enttäuscht lief Haselpfote nun wieder eng neben Kleintatze weiter, die mittlerweile wie eine Ersatzmutter für sie war, den Abhang hinauf und durch den Wald.
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