23 - Diese komische Pflanze hat eine Katze gegessen!
Dunkelheit.
Haselpfote sah nichts als Dunkelheit. Sie wollte die Augen öffnen, aber es gelang ihr nicht. Ein seltsamer Geruch erfüllte ihre Nase.
Kräuter?
Mühsam öffnete Haselpfote die Augen und schloss sie geblendet wieder, wie damals, als sie als Junges zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt hatte. Beim zweiten Mal blinzelte sie nur vorsichtig. Und sie erkannte die Umgebung.
Diffuses Dämmerlicht beleuchtete die Höhle, den Heilerbau. Sie lag auf ihrem Nest, demselben wie vorher, neben sich ein frischer, nasser Moosball, aus dem sie gierig trank, da ihre Kehle brannte. Ihr Maul war von einem schalen, bitterem Geschmack erfüllt.
Neben ihrem Nest lag ein Blatt mit einem Rest Honig, eine leere Mohnkapsel, Thymian und ein Stengel von Brennesselblättern, von denen mehrere fehlten.
Gegen Schock und Unterkühlung, überlegte sich die Schülerin die Wirkung der Heilkräuter.
Und dann prasselte alles auf sie ein.
Die Versammlung, der Fluss, Dunkelkrähe und Nacht, Düster, Haferstern, der Donnerweg...müsste sie nicht tot sein?
Neben ihr miaute jemand leise. "Haselpfote. Du bist wach!" Sie blickte irritiert herüber und erschrak heftig.
Ahornpfote lag dort, seine Flanken und sein Gesicht waren übel zerschrammt. Er hatte ein Auge zugekniffen, und um eines seiner Hinterbeine waren dicke Verbände aus Gras und großen Blättern gewickelt, geschient von Schilf und Binsen.
Schnell eilte die Schülerin zu ihm. Der Kater schnurrte gebrochen und leise, trotzdem nahm sie es überdeutlich wahr. "Ahornpfote! Was zum SternenClan ist mit dir pa-" Sie unterbrach sich selbst mitten im Satz, als ihr klar wurde, was geschehen war. "Nein, das hast du nicht getan!"
Ahornpfote grinste schief und sah zu ihr hoch. "Wonnach sieht es denn aus?" schnurrte er.
"Aber..." Haselpfote ließ sich neben ihren Freund fallen. "Deshalb bin ich also nicht tot? Wegen dir?" überlegte sie schuldbewusst.
"Genau."
"Aber warum bist du nicht-" Sie biss sich auf die Lippe.
"...tot? Tja, es gibt offenbar auch gute Zweibeiner - der, der im Monster saß, hat so scharf gebremst, dass er mich nicht überfahren hat." erklärte Ahornpfote. "Er ist sogar ausgestiegen und wollte den Tierarzt anrufen oder so, klang richtig besorgt. Haferstern hat ihm aber klar gemacht, dass der Clan schon zurechtkommt. Ich hoffe, die Zweibeiner schauen nicht im Wald nach einem armen, verletzten Kätzchen..."
Haselpfote schnurrte belustigt, dann wurde sie wieder ernst. "Ahornpfote, es tut mir leid, dass du wegen mir immer in Gefahr gerätst..."
"Das ist nicht deine Schuld, ich hätte es ja wie die anderen machen können - stehenbleiben und wegschauen, statt einzugreifen und vielleicht zu sterben." erklärte Ahornpfote sanft. "Aber das habe ich nicht getan." Er leckte ihr tröstend über das Ohr.
In diesem Moment bog Wieselpfote um die Ecke. Der schwarzweiß gefleckte Kater musterte die beiden überrascht. "Super, dann wird Efeusturm wohl recht behalten." meinte er fröhlich. "Ahornpfote kommt wieder auf die Beine."
"Sieht er sehr schlimm aus?" flüsterte jemand um die Ecke, den Haselpfote nicht sehen konnte. Sie spitzte neugierig die Ohren.
"Nö, eigentlich nicht. Kannst ruhig gucken kommen!" rief Wieselpfote über seine Schulter hinweg, und schon lugte Rosenpfote um die Ecke, dann stürmte sie auf ihren Bruder zu und leckte ihm stürmisch über das Gesicht. Ahornpfote miaute heiser und schob sie weg. "Das brennt!" schnurrte er.
"Oh, tut mir leid!" Rosenpfote hielt inne. "Ah, Haselpfote, du bist auch wach! Wie geht es dir?"
"Prima." antwortete Haselpfote fröhlich.
"Fantastisch, dann kannst du gleich mitkommen. Und du auch, Ahornpfote, wenn du willst. Haferstern will den Clan zusammenrufen." berichtete Wieselpfote.
Wie aufs Stichwort ertöhnte draußen Hafersterns Stimme. "Alle Mitglieder dieses Clans mögen sich am Großfelsen versammeln!"
"Kannst du gehen?" quiekte Haselpfote aufgeregt, als Ahornpfote sich vorsichtig auf die Pfoten erhob. Er kniff die Augen vor Schmerz zusammen, sagte aber nichts. Sein Fell zuckte. Rosenpfote und Wieselpfote traten an seine Seiten, und so gelangte Ahornpfote mehr oder weniger bequem nach draußen vor den Felsen. Haselpfote hüpfte hinterher.
Vor dem Felsen waren bisher kaum Katzen eingetroffen. Haferstern saß im heulenden Wind, der ihr Fell zerzauste, und sah mit unergründlicher Miene in die Ferne. Haselpfote zwang sich, still zu halten und -zu sitzen, indem sie den Himmel betrachtete, an dem sich graue Wolken ballten, die vom Wind wieder zerfetzt wurden. Endlich trafen nach und nach die anderen ein.
"HaselClan, hört meine Worte!" begann Haferstern, als hätte sie es eilig. Haselpfote richtete sich auf und schaute sich um, bis sie Frostpfote, Hellpfote, Plätscherpfote, ihre Mutter und Kleintatze entdeckte.
"Ich habe euch gestern von der Versammung berichtet." Was, wann denn? wunderte sich Haselpfote. Na, zum Glück war ich ja bei der Versammlung selber dabei!
"Ich werde jetzt die Schüler ernennen, die morgen bei Anbruch des Tages losziehen werden, um die AhornClanschüler an den sieben Bäumen zu treffen." verkündete die Anführerin. Der Wind verstärkte sich zu einem Kreischen, und die Katzen rückten näher zusammen. Haselpfote versuchte abgelenkt, ein vorbeifliegendes Blatt zu fangen, als Haferstern ihren Namen sagte.
"Haselpfote."
Die gelbbraune Kätzin setzte die Pfote auf das gefangene Blatt und sah zu der Anführerin hoch, während sie die Blicke der Krieger auf sich spürte. "Was ist denn?" fragte sie verwirrt.
Rosenpfote sog scharf die Luft ein. "Haferstern hat dich und Wieselpfote für die Reise gewählt" zischte sie.
Haselpfote riss die Augen auf. "Was?!" rief sie. Haferstern schnurrte amüsiert, das konnte sie selbst fünf Katzenlängen unter ihr hören. "Da Ahornpfote verletzt ist, wirst du auf diese Reise gehen, Tochter der Wunschrose und des Ginsterkralle." wiederholte sie.
Haselpfote starrte verwirrt zu ihr hoch, bis Kleintatze sie anstupste. Die alte Kätzin war humpelnd neben sie getreten. "Eine alte Anrede aus früheren Zeiten, als noch jedes Junge den Legenden über zwei legendäre Clans gelauscht haben, bei denen das wichtig war. Haferstern hat sich schon als Schülerin brennend dafür interessiert, deshalb nutzt sie sie manchmal." erklärte sie leise schnurrend.
Der Damm brach. Frostpfote, Hellpfote und Plätscherpfote rannten auf ihre Schwester zu, um ihr zu gratulieren. Die Katzen riefen Wieselpfotes Namen und den von Haselpfote, dann zerstreuten sie sich schutzsuchend vor dem drohendem Regen.
Nachdem ihre Geschwister und Wunschrose sie mit Ratschlägen und Glückwünschen überhäuft hatten, trat Löwenmähne neben Haselpfote. "Haselpfote, dein Lagerarrest ist aufgehoben. Wir werden jetzt einen Territoriums-Rundgang machen - du hast viel nachzuholen."
Haselpfote versuchte, zu protestieren, dass sie lieber bei Ahornpfote bleiben und über ihre neue Verantwortung nachdenken wollte, aber der ließ sie gar nicht zu Wort kommen. "Geh ruhig." schnurrte der rotbraune Kater. "Es wird dir gefallen."
"Na. wenn du das sagst..." Haselpfote sah ihren Freunden hinterher, die im Heilerbau verschwanden, inklusive Kleintatze. Wieselpfotes Miene wirkte sehr, sehr nachdenklich.
"Kommst du?" fragte Löwenmähne. "Wir gehen mit Abendröte und Tupfenfeder auf Grenzpatroullie."
"Schon unterwegs!" rief Haselpfote, dann holte sie sich etwas vom Frischbeutehaufen - eine Brandmaus. Nachdem sie sich gestärkt hatte, stieß sie zu den wartenden Kriegern. Löwenmähne, eindeutig der Älteste, führte sie den Abhang hinauf und in den Wald hinein.
Da Haselpfote den ersten Teil des Weges kannte, lauschte sie der Unterhaltung von Tupfenfeder und Abendröte. Die jungen Krieger sprachen über den merkwürdigen Beutedieb - genauer gesagt sprach Abendröte, Tupfenfeder schien völlig seiner Meinung zu sein.
Haselpfote lauschte interessiert. Offenbar waren immer wieder Spuren von einer Katze aufgetaucht, die an den Grenzen jagte. Sie meinte sich zu erinnern, dass Korallenstern auch so etwas erwähnt hatte.
Sie dachte an den Auftrag, den sie bekommen hatte. Morgen muss ich mit Wieselpfote und zwei AhornClan-Schülern losziehen! Ohne irgendein Ziel...Wie soll das bloß funktionieren? Am liebsten hätte sie sich irgendwo verkrochen, aber die Zeit drängte. Es war schon ein Tag vergangen, und wenn sie morgen loszogen, blieben ihnen nur noch fünf Tage bis zum prophezeiten Untergang der Sonnenkatze.
Und ein Ziel hatten sie ja doch: Den Schatten des Donners. Was auch immer das sein sollte. Sie versuchte, sich nicht zu sehr darüber aufzuregen. Die anderen mussten alle älter als sie sein, es sei denn, Wellenpfote war dabei. Da konnten die doch das ganze wichtige Zeugs machen, die Erfahrung hatten.
Sie wurde von ihren Gedanken abgelenkt, als die kleine Gruppe an einer seltsamen, hohen Pflanze vorbeikam. Lila Blüten schmückten sie, und ihre Blätter waren spitz und dornig, aber an mehreren Stellen quoll etwas hervor, das aussah, als hätte die Pflanze eine Katze gegessen, die helles Fell hatte.
Haselpfote behührte eine der Stellen mit der Nase. Es fühlte sich wirklich wie warmes, weiches Fell an! Sie betastete die Stelle mit ihren Pfotenballen, bis etwas sie heftig pikste. Schnell zog sie die Pfote zurück und bemerkte die kleinen Dornen überall an dieser Art Knospe ringsrum, mit der sie gekuschelt hatte.
"Haselpfote, kommst du? Wir sind gleich an der AhornClan-Grenze!" rief Löwenmähne. Schnell riss Haselpfote sich vom Anblick der merkwürdigen Pflanze los und lief hinter ihrer Patroullie her.
Der Wald hatte sich verändert - die Bäume standen vereinzelter, der Boden wurde trockener und leerer, die Umgebung dunkler.
"Haselpfote komm her, habe ich gesagt!" miaute Löwenmähne ungeduldig. Die Schülerin konzentrierte sich schnell wieder auf das wirkliche Leben und ließ ihre Tagträumereien hinter sich. Sie schloss zu ihrem Mentor auf und betrachtete neugierig die neue Umgebung.
"Riechst du das? Hier ist die Grenze." Der goldbraune Kater wies mit der Nase auf den Kiefernwald vor ihnen. Haselpfote sog den Duft des Waldes ein und bemerkte einen deutlichen Unterschied.
"Riechst du etwas?" wollte ihr Mentor wissen.
"Ja!" schnurrte Haselpfote aufgeregt. "Es riecht würzig, nach Harz und alten Bäumen. Und irgendwie viel tockener, als im Moor und so!" plapperte sie.
Löwenmähne nickte. "Diese Mischung ist der Geruch des AhornClans. Wenn du nächsten Vollmond auf der Versammlung bist, kannst du ja mal darauf achten. Sprich sie aber nicht darauf an - Die Katzen sind ziemlich reizbar und nutzen fröhlich jeden Konflikt für einen Angriff. In ihrem Nadelwald haben sie große Vorteile: Die Nadeln dämpfen ihre Schritte, und ihre Sicht ist klar und weit. Nur gibt es wenige Verstecke, weil das sperrige Unterholz fehlt.
Ach ja: Korallenstern mag es nicht so gern, kleine, naive Schüler auf seinem Territorium zu sehen. Sein zweiter Anführer Bussardfang ist außerdem ziemlich voreilig und streng gläubig. Mit den älteren Kriegern ist nicht zu spaßen, aber nach allem, was ich so gehört habe, sollten die jüngeren entspannter sein. Wenn du eine dunkelgraue Kätzin mit abgenutztem Halsband siehst, mach ja keine Witze! Flusskehle würde dich in Fetzen reißen. Kristallglitzers erste Jungen sind übrigens Grund für den Krieg damals gewesen, Kleintatze hat dir sicher davon erzählt.
Zurück zum Geruch: Wir können mit ziemlicher Sicherheit jedem Clan etwas zuordnen - AhornClan-Katzen nutzen das Harz ihres Waldes vielfältig, während der WeidenClan jede trockene Stelle mit Katzenminze bedeckte und diese hegte und pflegte. Merk dir das, es könnte wichtig werden auf eurer Reise."
Schon wieder die Reise! Haselpfote schüttelte sich und schob den panischen Gedanken an den Abschied, der ihr bevorstand, auf. Morgen kümmere ich mich darum, das ist früh genug. Jetzt ist Training, das ist wichtig! redete sie sich ein und versuchte, die vielen Informationen zu verarbeiten.
Sie folgte Löwenmähne brav, als der an der Grenze entlanglief, und versuchte, ihre Neugier zu verstecken. Warum war der AhornClan nur so anders als ihr eigener? Wie sah wohl ihr Lager aus? Sie brannte darauf, etwas über das Territorium der Feinde zu erfahren.
"Haselpfote!" knurrte Löwenmähne. "Du tappst mit deinen tollpatschigen Pfoten noch über die Grenze!" Haselpfote riss sich zusammen und schlich mit gesenktem Schweif weiter. Löwenmähne hat ja heute vielleicht schlechte Laune! dachte sie mürrisch. Da ist ja Efeusturm besser...
Sie hob den Kopf, als sie etwas Fremdes roch. Vor ihnen türmten sich Felsen auf, die die mittlerweile wieder erschienene Sonne reflektierten. Sie kniff geblendet die Augen zusammen. "Wo sind wir?"
"Bei den Schlangenfelsen." erklärte Löwenmähne. "Hier leben Schlangen. Ein Teil der Felsen gehört übrigens dem AhornClan! Komm, hilf mir, die Grenze zu markieren." Er sprang geschickt auf einen Stein. Haselpfote folgte ihm und stellte fest, dass die Felsen unter ihren Pfoten echt heiß waren. Sie hüpfte von Stein zu Stein und rieb und wälzte sich immer wieder hin und her, wenn Löwenmähne es sagte, um den HaselClan-Geruch an die Felsen zu heften.
Der goldbraune, mächtige Kater sah sehr zufrieden aus, als die kleine Gruppe die Felsen verließ. Sie folgten der Grenze weiter durch den Wald.
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