2 - Schneeflöckchen
Etwas nasskaltes berührte Haselpfotes Nase. Sie schreckte hoch und riss die Augen auf.
Winzige, weiße Flöckchen fielen vom Himmel und schwebten zu Boden, wo sie bereits eine kleine Decke gebildet hatten. Haselpfote jauchzte leise und raschelte im Gebüsch.
Die kleine Kätzin hatte noch nie zuvor Schnee gesehen und war hellauf begeistert. Sie wagte es, ihren Kopf ein Stückchen weiter hinauszustrecken, um eine Flocke mit ihrer Zunge aufzufangen.
Blitzschnell verschwand sie wieder im Gesträuch und trat damit beinahe in den Bau, wo die anderen Schüler ruhig aneinandergekuschelt schliefen. Die wussten ja nicht, was sie gerade verpassten! Atemlos, mit leuchtenden Augen, bewunderte Haselpfote den Schneefall. Auf ihrer Zunge schmeckte sie noch die winzige, kalte Flocke des herabgefallenen gefrorenen Wassers - zumindest hatte Wunschrose behauptet, dass Schnee nichts anderes als Wasser war. Haselpfote blieb stets skeptisch, denn jetzt wusste sie, dass Schnee viel wundervoller war als der schnöde Regen.
Gleich darauf wiederholte sie ihr Erlebnis. Und so fing sie noch eine Flocke auf, und noch eine, bis sie den gesamten aufdämmernden Morgen damit verbrachte, still und leise Schneeflocken aufzufangen. Und sie war unheimlich glücklich damit.
Die kleine Kätzin war fasziniert von dem Schneefall und genoss es, die kalten Flocken auf ihrer Zunge zu schmecken, und sie bewunderte den Schnee, der langsam den Boden bedeckte, liebte es, so viele Flocken aufzufangen. Also fing sie immer mehr Schnee, während der Morgen anbrach.
Sie fühlte sich so sehr an ihre Zeit als Junges zurückerinnert, dass ihr Herz schmerzte.
Wieso können wir nicht alle nochmal Junge sein? fragte sie sich sehnsüchtig, als die Sonne farbenfroh aufging. Die hellgoldenen Strahlen breiteten sich über die dünne Schneedecke aus, und innerhalb weniger Momente begann es von überallher zu tropfen und zu tauen, während die Schneewolken sich im aufkommendem Wind zerstreuten.
Zwei Fuchslängen entfernt trat Goldstreif aus der Kinderstube. Die Königin wirkte erschöpft, aber auch sehr glücklich. Haselpfote wollte sich in den Schülerbau flüchten, aber da hatte die Freundin ihrer Mutter sie schon gesehen.
"Na, spielst du mit dem Schnee?" fragte sie belustigt. Haselpfote hüpfte fröhlich auf und nieder. "Ja! Es macht richtig Spaß, die Flocken zu jagen." schnurrte sie.
"Das habe ich früher auch gemacht." Goldstreif sah ein bisschen sehnsüchtig den Schneewolken nach. "Als ich noch ein Junges war. Ich habe schrecklich Ärger bekommen, weil ich so früh draußen war, allein, aber es war wirklich schön. Ich hatte zwar später eine Erkältung, aber den Schnee liebe ich noch immer."
"Du hast Ärger bekommen?" fragte Haselpfote verwundert. Sie legte den Kopf schief. Goldstreif war doch perfekt! Warum sollte sie jemand nicht mögen?
"Du kannst ja Kleintatze fragen - sie ist meine Ziehmutter, wusstest du das?" schnurrte Goldstreif.
"Nein!" quietschte Haselpfote vorfreudig. "Ich will sie fragen!"
"Aber nicht jetzt." Goldstreifs Ohren zuckten. "Sonst bekommst du vielleicht auch Ärger."
Die ersten Krieger traten aus ihrem Bau, darunter Haselpfotes Vater Ginsterkralle, der zweite Anführer.
Auf leisen Pfoten flüchtete die kleine Kätzin sich zurück in den Bau und kuschelte sich in ihr Nest mitten unter ihren Geschwistern. Frostpfote brummte unwillig, als sie seine Pfote ein Stück wegschieben musste. "Warst du etwa draußen?" Er blinzelte und schnupperte an Haselpfotes Fell, das nach Kälte und Schnee roch, dessen Flocken auch in ihrem Fell schnell tauten.
"Ja, war ich. Es schneit!" berichtete Haselpfote glücklich.
"Kannst du nicht leiser sein?" knurrte Humpelpfote, der in seinem Nest neben dem Eingang lag. "Wenn du schon vor Freude jauchzen musst, während du diese dämlichen Flocken fängst, dann mach doch wenigstens nicht den ganzen Bau nass mit dem Tauwasser!"
"Schnee ist nicht dämlich!" fauchte Haselpfote empört.
"Haferstern müsste dich in Raschelpfote umbenennen." murmelte Fliederpfote. "Du warst so laut, dass wir uns gefragt haben, ob sich hier irgendwo Beute herumschleicht. Orkanpfote wollte dich sogar belauern! Wenn du das nächste Mal so laut wie ein Zweibeiner herumtrampeln musst, dann verschwinde vorher aus unserem Lager!"
Haselpfote lief ein Schauer über den Rücken. Traurig ließ sie sich in ihr Nest zurückfallen. Wenn sie sogar jetzt so laut war, wie sollte sie dann jemals eine gute Jägerin oder Kriegerin werden?
Das Tropfen draußen wurde jetzt lauter, der Regen setzte wieder ein. Haselpfote sog den Geruch ein und schnurrte, nun etwas aufgeheitert. Bald prasselte das Wasser nur so herab, und sie war froh darüber, dass der Felsvorsprung, der ihnen als Baudach diente, nicht so viel Wasser hindurch ließ wie Sträucher.
Der Regen prasselte weiter auf das Lager herab, und die Schüler kauerten beklommen in ihren Nestern, während das Wasser durch die Bauwände sickerte. Die Mentoren schienen den Regen zu ignorieren und holten ihre Schüler nacheinander aus den Bauen, um mit ihnen das Training zu beginnen.
"Wir müssen auch bei Regen jagen und kampfbereit sein." erklärte Donnerecho, als er Wieselpfote abhohlte. "Der Clan hat ja trotzdem Hunger und möchte verteidigt werden."
Das leuchtete Haselpfote ein. Wehmütig sah sie ihren Geschwistern hinterher, die schon aufgregende Dinge zu planen schienen.
Als sie allein übrig blieb, beschloss sie, ihre Freundin Kleintatze zu besuchen. Doch als sie aus ihrem Bau trat, sah sie die Anführerin Haferstern und ihren Vater Ginsterkralle, den zweiten Anführer, zusammen mit ihrem Mentor Löwenmähne auf sie zukommen.
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