15 - Blöder Husten
Die Versammlung endete mit ausgelassenen Jubelrufen und Glückwünschen für die neuen Krieger. Haselpfote konnte die Stolz in den Gesichtern der frisch ernannten Krieger und ihren Mentoren sehen. Sie selbst fühlte sich in diesem Moment so weit entfernt von all dem Ruhm und der Anerkennung. Doch sie wusste, dass sie noch Zeit hatte, um zu lernen und zu wachsen.
Als die Versammlung sich auflöste, saßen Haselpfote noch eine Weile schweigend da. Sie spürte, wie die Sonne höher stieg und die Wärme langsam ihr Fell durchdrang. Sie wusste, dass sie noch viel zu lernen hatte, bevor sie jemals einen solchen Moment wie die anderen Schülerinnen erleben konnte. Aber sie war nun bereit, all die Herausforderungen anzunehmen, die das Leben als Schülerin des HaselClans mit sich brachte. Ja, sie hatte Heilerschülerin werden wollen.
Aber vielleicht war es als Kriegerin doch nicht so langweilig, sondern auch ganz aufregend.
Und vielleicht, dachte sie, vielleicht würde sie eines Tages auch so stolz und glücklich sein wie Orkanpfo- Orkansturm, Humpeltatze, Fliederlied und Tupfenfeder. Denn sie hatten gezeigt, dass sie bereit waren, für ihren Clan zu kämpfen und zu dienen. Haselpfote sehnte sich nach dem Tag, an dem sie das auch tun konnte. Bis dahin würde sie geduldig warten, lernen und wachsen, um eines Tages selbst eine stolze Kriegerin des HaselClans zu werden.
Auch wenn Geduld jetzt nicht so unbedingt ihre Stärke war.
Haselpfote beschloss, zuerst Goldstreifs Junge zu besuchen und dann Kleintatze zu versorgen. Am besten, während die ihr wieder eine Geschichte erzählte. Sie schnappte sich eine Wühlmaus vom Frischbeutehaufen und tappte dann durch den Schlamm zur Kinderstube, an der Rotfuß stand.
Seine Ohren zuckten, sein Schweif war gesträubt, die vielen Katzen, die einen Blick auf seinen Nachwuchs werfen wollten, schienen ihn ganz nervös zu machen.
"Rotfuß, alles in Ordnung?" nuschelte Haselpfote durch das nach Wald duftende Wühlmausfell.
"Es sind zu viele!" fauchte der rotorangene Kater überfordert, während hinter ihm Wolkenschleier den Bau betrat, die letzte Katze weit und breit, die Interesse an den Jungen zeigte.
"Aber jetzt sind sie doch alle weg." meinte Haselpfote also und wartete am Eingang, bis Plätscherpfotes Mentor wieder herauskam. Er begrüßte sie mit einem höflichen Nicken, während Rotfuß' Stress langsam aus seinem angespannten Körper wich. Haselpfote kletterte in die Höhle hinein, die ihr so gut vertraut und doch in den letzten Tagen so fremd geworden war.
Drinnen bot sich ihr ein gemütliches Bild. Goldstreif lag ausgestreckt in ihrem Nest und ließ sich von den einfallenden Sonnenstrahlen wärmen, ihre vier Jungen dicht an ihrem geschmeidigem, anmutigem Körper. Wunschrose saß danneben und plauderte mit ihr, Haselpfote vermutete instinktiv, dass es um die eventuellen neuen Jungen ging.
"Hier Goldstreif, ich hab dir was mitgebracht." nuschelte sie und legte die Wühlmaus neben der Königin ab. Goldstreif bedankte sich, rollte sich auf den Bauch und begann, zu fressen, während die Schülerin die vier Jungen betrachtete, die sich ähnelten und dann doch wieder nicht. Alle vier sahen noch ziemloich hilflos aus, und ihre Fellfärbung und -musterung ließ sich auf dem kurzen, weichen Jungtierfell nur erahnen. Auch ihre Augenfarbe blieb noch verborgen.
Eins war orangegelb, fast so hell wie seine Mutter, nur einen Ton rötlicher. Es hatte einen deutlich längeren Schweif als die anderen und dunkle Streifen wie sein Vater.
Das zweite hatte einen kurzen, geringelten Schweif, ansonsten war es von der Farbgebung her identisch, nur mit einem anderem Streifenmuster.
Das dritte hatte dunkles, rostrotes Fell mit verschwommenen Streifen und dunkleren Beinen.
Das vierte überraschte Haselpfote, es hatte rotschwarzes Fell und seine winzigen Pfoten waren weiß, Farben, die keines der Elternteile hatte, aber Haselpfote dachte nicht weiter darüber nach. Vielleicht gab es in Rotfuß' Familie ja solche Gene, oder wie sich das schimpfte?
Komisch. Ich hätte schwören können, dass Wunschrose nur von drei Jungen gesprochen hatte. Aber das ist so lange her, bestimmt irre ich mich...
Sie schnurrte bei dem Anblick der süßen Jungen und konnte sich vorstellen, wie stolz Goldstreif und Rotfuß auf ihre Nachkommen waren. Ebenjener, der inzwischen hereingekommen war, setzte sich neben seine Gefährtin und begann, ihr von der Versammlung und den neuen Kriegern zu erzählen. Goldstreif lauschte aufmerksam und räkelte sich in der Sonne.
Haselpfote wollte Wunschrose wegen der Gefährten-Sache ansprechen, aber ihr Husten kam ihr in die Quere. Kaum hatte sie Luft geholt, fühlte sich ihr Hals trocken und krazig an. Sie versuchte, die Luft anzuhalten, um den Husten nicht zu provozieren, aber dann platzte er richtig heraus. Sie begann, rasselnd zu husten, und als es endlich aufhörte, tränten ihre Augen, ihr Kopf und ihr Hals schmerzten und sie war völlig erschöpft.
Goldstreif und Rotfuß sahen besorgt zu Haselpfote herüber, und Wunschrose eilte sofort zu ihr, um sie zu beruhigen.
"Haselpfote, geht es dir gut? Hat Efeusturm recht, ist es wirklich Weißer Husten?" fragte sie besorgt und strich sanft über das Fell der jungen Schülerin.
Haselpfote nickte schwach und versuchte zu lächeln. "Ich denke schon," antwortete sie auf die erste Frage, und als ihr einfiel, dass Wunschrose wegen weißem Husten gefragt hatte, schob sie noch nach: "Und es ist einfach nur ganz normaler blöder Husten."
Ihre Mutter miaute besorgt: "Wir müssen dich sofort zu Efeusturm bringen, damit sie sich das anschauen kann. Komm, ich helfe dir auf die Pfoten." Die Kätzin stützte Haselpfote und führte sie aus der Kinderstube, während Goldstreif und Rotfuß besorgt hinterher liefen.
Haselpfote protestierte: "Aber sie hat heute Morgen gesagt, sie denkt nicht, dass es Weißer Husten ist!" Aber ihre Mutter blieb unerbitterlich.
Auf dem Weg zum Heilerbau konnte Haselpfote sehen, wie die anderen Katzen des Clans sie besorgt ansahen. Sie spürte, wie die Angst in der Luft lag und sie fragte sich unwillkürlich, ob sie wirklich an Weißem Husten erkrankt war. Frostpfote! Plätscherpfote, Hellpfote! Goldstreif und ihre Jungen! Kleintatze!
Es gab so viele, die sie vielleicht angesteckt hatte, und Weißer Husten musste offenbar gefährlich sein, sonst würde Wunschrose nicht so handeln. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum, während sie sich bemühte, ruhig zu bleiben und sich auf ihre Atmung zu konzentrieren. Sie hoffte nämlich, mit flachem, ruhigem Atmen würde sie den Husten unterbinden können.
Als sie schließlich den Heilerbau erreichten, wartete Efeusturm bereits auf sie, und Wolken des Zornes beschatteten ihre Augen.
"Haselpfote! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mit deiner Krankheit nicht einfach in den Bau anderer Katzen spazieren darfst, die das vielleicht nicht überleben?!" fauchte sie und machte Rotfuß nur noch nervöser. "Efeusturm, kannst du dir nachher die Jungen ansehen? Nicht, dass Haselpfote sie angesteckt hat..." meinte er unruhig.
Efeusturm seufzte genervt ob des überführsorglichen Katers und nickte, bevor sie sich Haselpfote zuwandte und dieser bedeutete, ihr in den Bau zu ihrem Nest zu folgen. "Komm her, Haselpfote. Lass mich mal nach dir gucken." Behutsam begann sie, die Schülerin zu untersuchen, während Haselpfote sich schwer tat, ruhig zu bleiben, vor allem, als die schwarze Kätzin ihr mit der Pfote über die Kehle strich.
Nach einer Weile nickte Efeusturm und meinte: "Es scheint tatsächlich nur ein harmloser Husten zu sein. Aber du musst trotzdem Ruhe halten und dich schonen, damit es nicht schlimmer wird." Haselpfote atmete erleichtert auf und versprach, sich an ihre Anweisungen zu halten.
"Und der Abstand gilt immer noch!" erinnerte die Heilerin sie scharf. "Ich weiß, dass Haferstern möchte, dass du den Königinnen, den Ältesten und den Heilern hilfst. Wie immer. Aber sei ja vorsichtig dabei!"
"Ja, ich werde vorsichtig sein." Eingeschüchtert ließ Haselpfote den Kopf hängen und wollte zu ihrem Nest, da hielt Efeusturm sie auf. "Du kannst Kleintatze etwas Beute und neues Moos bringen." meinte sie in versöhnlichem Ton. "Deine Freundin freut sich sehr über jeden Besuch."
Bei dem Gedanke an Kleintatze und ihre Geschichten wurde Haselpfote sofort munterer. Sie tappte nach draußen, wimmelte Wunschrose ab - "Ich hab nur normalen Husten, Mama! Und ich muss einen Abstand einhalten!" - und schnappte sich ein kleines Kaninchen, dann versuchte sie, sich so viel wie möglich Moosfetzen unter das Kinn zu klemmen wie Plätscherpfote.
Sie freute sich schon auf die Älteste, und dennoch regte sich Wehmut in ihrem Herzen, als sie zurück im Heilerbau war und die Kräuter roch, von denen sie als Junges immer geträumt hatte. Weil sie eben Heilerschülerin werden wollte, nicht Kriegerschülerin. Dann fragte sie sich, ob sie Kleintatze irgendetwas erzählen konnte, was diese noch nicht wusste. Bei der Versammlung war Kleintatze ja dabei gewesen...Sie wurde unruhig. Was, wenn Kleintatze überhaupt nicht schon wieder von ihr gestört werden wollte?
Auf dem Weg zu ihrer Freundin dachte sie darüber nach, wie glücklich sie sich im Clan fühlte, auch wenn sie noch nicht genau wusste, wohin ihr Weg sie führen würde.
Wer weiß? Vielleicht würde sie, eines Tages, ihre eigene Familie haben und genauso glücklich sein wie Goldstreif und Rotfuß mit ihren Jungen?
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