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26 - Normal

26 - Normal

Hope hatte gerade ihr Frühstück mit Grischa beendet. Nicht, dass sie wirklich Appetit gehabt hätte. Sie hatte die ganze Nacht wachgelegen, mit sich selbst gerungen. Das Ergebnis war gewesen, dass sie jetzt nur noch entschlossener war, sich selbst und allen anderen zu beweisen, dass alles in bester Ordnung war. Sie war mit Grischa zusammen. Sie war keine Enttäuschung für ihre Eltern und keine genetische Sackgasse, sie war verdammt nochmal normal. Selbst wenn sie möglicherweise ein bisschen was für Frauen empfand, dann hieß das ja noch lange nicht, dass sie sich nicht bewusst dagegen entscheiden konnte. Sich für Grischa entscheiden konnte – denn das würde sie. Sie hatte sich für morgen mit ihm verabredet – seine Zimmergenossen waren wie fast jedes Wochenende nach Hause gefahren. Sie würden das Zimmer für sich haben und Hope würde ihm und sich selbst gegenüber ein für alle Mal klarstellen, dass sie selbst entscheiden konnte, mit wem sie zusammen sein wollte, vielen Dank.

„Wohin genau bist du eigentlich unterwegs?", fragte Clara. Die Neuntklässlerin, die Hope mittelgut kannte, weil sie die beste Freundin ihrer jüngeren Cousine Louise war, lief neben Hope durch die Korridore. Die beiden hatten sich gerade im Speisesaal getroffen, wo Clara versucht hatte, die Küchenhilfen zu bestechen (Hope wusste nicht, womit oder weshalb, nur dass es nicht geklappt hatte). Aber sie hatte als Trost ein Stück Kuchen bekommen, was beim Frühstück übriggeblieben war.

„Das ist eine gute Frage.", erwiderte Hope. Sie hatte in ihrer Hand ebenfalls zwei Stücke des Desserts, eins für sich und eins für Jela, mit der sie sich gleich treffen wollte. Wobei gleich hier relativ war, da Hope keine Ahnung hatte, wie spät es gerade war. Nach elf auf jeden Fall, denn da war Grischa aufgesprungen, weil er zum Training musste und zu spät war.

Die beiden Mädchen erreichten die Eingangshalle, in der eine große Uhr hing. „Ich bin in einer dreiviertel Stunde verabredet. Also werde ich mir vermutlich bis dahin irgendwo die Zeit totschlagen."

Clara nickte und sah ebenfalls auf die Uhr.

„Ich sollte vermutlich zu meinen Mathehausaufgaben zurückkehren.", seufzte sie und ergänzte in einem jammernden Tonfall: „Ich habe keine Lust..."

Hope schnaubte belustigt.

„Tja, da müssen wir alle durch.", meinte sie. „Was macht ihr gerade?" Was war in der neunten Klasse dran gewesen – Quadratische Funktionen? Oder noch Lineare? Oder schon Exponentielle? Hope erinnerte sich nicht mehr, es war zu lange her. Clara lachte verzweifelt.

„Wenn ich das wüsste!" Sie sah Hope kurz an. „Mit wem triffst du dich?"

„Mit Jela.", erwiderte Hope. „Warum?"

„Das hatte ich gehofft!", verkündete Clara. „Warum wartest du nicht bei uns im Gemeinschaftsraum auf sie, dann können wir uns noch ein bisschen unterhalten und ich kann Mathe weiter vor mir herschieben." Sie sah Hope bettelnd an. „Außerdem musst du dir unbedingt anschauen, was Louise letztens gemalt hat!"

Hope wog unsicher den Kopf hin und her. Sie wusste ja nicht einmal, ob Jela im Zimmer war oder vielleicht in der Bibliothek. Oder draußen. Andererseits hatten sie sich bei Jela verabredet, also würde sie ja auf jeden Fall dorthin zurückkommen.

„Lou würde sich sicher auch freuen!", überredete Clara sie weiter. „Komm schon, wir haben seit Ewigkeiten nichts mehr zusammen gemacht!"

Hope seufzte – überdramatisch tief, um zu zeigen, dass sie es im Grunde für keine gute Idee hielt.

„Na gut.", meinte sie. „Aber ich kann es nicht gutheißen, dass du deine Hausaufgaben aufschiebst!"

Sie erreichten Haus 9, das Hope ja mittlerweile kannte. Trotzdem war es noch immer ein seltsames Gefühl, hier zu sein. Besonders jetzt, ohne Jela. Wie Clara vorhergesagt hatte, freute sich Louise wahnsinnig, sie zu sehen und erklärte sich auch sofort (völlig uneigennützig, natürlich) bereit, ihre Chemiehausaufgaben auf später zu verschieben. Hope unterdrückte ein Lächeln. Sie verbrachte viel zu wenig Zeit mit ihrer jüngeren Cousine, wenn sie in der Schule waren. Dabei mochte sie sowohl Louise als auch Clara eigentlich ziemlich gerne.

„Was machst du denn hier?", fragte Louise fröhlich und drängte sie auf eines der Sofas am Kamin. Clara folgte ihnen und schnappte sich unterwegs noch ein Stück Papier und einen Stift von ihrer beten Freundin.

„Ich bin mit Jela verabredet.", erklärte Hope und fühlte sich ein bisschen, wie eine kaputte Kassette, da sie genau diesen Satz heute schon zu Amélie gesagt hatte, dann zu Alina und Sophia, dann noch einmal zu Amélie, weil diese ihr vorher nicht zugehört hatte, weil sie noch im Halbschlaf gewesen war, dann zu Grischa und eben zu Clara. Letztere nahm auf Hopes anderer Seite Platz und kritzelte auf dem Papier herum. Louise schnappte sich den weißen König von einem herumstehenden Schachspiel und begann, damit herumzuspielen.

„Ich wusste gar nicht, dass ihr so gut miteinander befreundet seid.", meinte sie und ließ den König ihren Unterarm entlang marschieren. „Auch letztens warst du ja hier." Hope zuckte mit den Schultern und beobachtete die Figur.

„Naja, so oft sind wir jetzt auch nicht zusammen.", protestierte sie. Clara gab einen leisen „Pft"-Laut von sich und unterbrach ihre Kritzeleien.

„Ich meine, ihr macht schon viel zusammen. Ist ja nicht verboten.", ergänzte sie auf Hopes verwirrten Blick schnell. „Es ist uns nur aufgefallen. Das ihr wirklich auffällig viel Zeit miteinander verbringt, dafür dass du ja eigentlich einen Freund hast."

Hope starrte sie entsetzt an. Was sollte das denn bitte heißen?

Mit einem dumpfen Geräusch fiel der König von Louise' Hand auf den Fußboden.

„Also ich find's cool.", erklärte sie. „Sie ist cool. Sie macht einfach ihr Ding und schert sich nicht, was andere sagen. Ich kann verstehen, dass du sie magst."

Hope war vollkommen überfordert. Wann hatte das Gespräch eine solche Wendung genommen? Und wie hatten diese beiden Vierzehnjährigen herausgefunden, dass...irgendetwas zwischen ihr und Jela war. Nicht mal ihre Zimmerkameradinnen schienen auf die Idee gekommen zu sein, dass sie irgendetwas anderes als Freunde waren. Waren sie ja auch nicht. Hope wollte gerade zu einer Verteidigung ansetzen, die sie vermutlich noch tiefer in Teufels Küche gebracht hätte, als sie jäh unterbrochen wurden.

„Na Hope, auf Spionage?" Tessa, Jelas Mitbewohnerin, ließ sich breit grinsend in einen Sessel fallen. Hope war ihr ein paarmal auf dem Weg zu oder in Jelas Zimmer begegnet.

„Gibt es denn was zu spionieren?", erwiderte Hope, in der Hoffnung, das Thema auf etwas anderes zu lenken. „Coole Braids.", ergänzte sie dann noch und deutete auf einige kleine Zöpfe, die über Tessas Ohr geflochten worden waren. Offenbar hatte Jela den gestrigen Abend tatsächlich dafür genutzt. Tessa fuhr sich grinsend durch ihre Haare.

„Wir sind nur unbeteiligte Zivilisten.", erklärte sie. „Wir wissen von nichts."

Hope lachte und drehte sich wieder zu den anderen um.

„Ist Jela oben?", fragte sie, da ihr jetzt auffiel, dass sie im Grunde sonst auch einfach hochgehen könnte, statt hier unten auf ihre Freundin zu warten. Tessa nickte.

„Wenn du uns schon überhast, kannst du gerne hochgehen.", schlug Clara scheinheilig vor. Hope sah auf die Uhrzeit auf einem herumliegenden Handy und schüttelte dann den Kopf. Eine Viertelstunde zu früh war ihr dann doch unangenehm.

„Ich glaube die paar Minuten halte ich noch aus.", meinte sie.

„Prima." Louise griff wieder nach dem weißen König. „Dann können wir ja weiter über dich und Jela reden."

Hope stöhnte auf.

„Andererseits", verkündete sie, „Wollten wir dann vermutlich eh hochgehen. Also kann sich Jela den Zwischenschritt auch sparen." Sie sprang wie von der Tarantel gestochen auf, wollte diesem Gespräch einfach nur aus dem Weg gehen.

Tessa schien etwas verwirrt, Louise und Clara tauschten einen wissenden Blick.

„Tut nichts Unanständiges!", meinte Louise zum Abschied und Hope beeilte sich noch mehr, ins stille Treppenhaus zu kommen.

Dort angekommen lehnte sie sich erst einmal gegen die Wand und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Clara und Louise wussten...etwas. Oder sie vermuteten. Oder sie hatten gescherzt und Hope hatte sich durch ihre Reaktion gerade selbst verraten. Sie schlug sich die Hand gegen die Stirn. So hatte sie das nicht geplant.

Sie wusste noch nicht einmal, was überhaupt Sache war und schon hatte sie zusätzliche Probleme. Denn im Gegensatz zu der Sache mit Jela wusste sie eines ganz sicher: Gerüchte in der Baer-Abent-Familie breiteten sich schneller aus als ein Lauffeuer. Außerdem war sie ja immer noch mit Grischa zusammen und sie wollte auf keinen Fall, dass irgendwelche falschen Dinge über sie erzählt wurden. Vielleicht sollte sie doch einfach mal mit Grischa auf dem Schulhof herumknutschen, wie es alle anderen Paare zu tun schienen. Dann würde zumindest niemand mehr die Realität ihrer Beziehung hinterfragen oder völlig unmögliche Andeutungen bezüglich ihr und Jela machen.

Seufzend stieg sie die Treppen hoch. Sie schob ihre Gedanken weit nach hinten. Das war ein Problem für später, jetzt wollte sie einfach nur einen netten Nachmittag mit ihrer Freundin verbringen. Sie straffte die Schultern und erreichte den Gang auf dem auch Jelas Zimmer lag. Die Tür stand einen Spaltbreit offen und als Hope an sie herantrat, hörte sie leise Musik.

Sie wusste, sie sollte klopfen, aber sie konnte nicht widerstehen, durch den doch recht breiten Türspalt zu schauen.

Jela tanzte (alles andere als elegant) durch das Zimmer, in der Hand eine Haarbrüste, wie ein Rockstar. Aus der kleinen Musikbox auf ihrem Nachtschrank ertönte Musik aus den Neunzigern und sie sang begeistert und ziemlich schräg mit. Ihre Zöpfe wippten und sie trug einen von Hopes Pullovern, den sie ihr mal geliehen hatte, als sie im November draußen gewesen waren.

Hope musste unwillkürlich Lächeln, als ein warmes Gefühl sich in ihr ausbreitete. Und auf einmal traf es sie wie ein Stromschlag und sie verstand, warum ihre Beziehung mit Grischa eben doch eher eine Freundschaft mit gelegentlichem Händchenhalten war. Sie liebte Grischa nicht. Sie hatte gedacht, dass sie es täte, weil sie ihn wirklich, wirklich gerne mochte. Aber sie hatte keine romantischen Gefühle für ihn. Und das erkannte sie jetzt, als sie begriff, in wen sie stattdessen verliebt war.

In ihrem Kopf arbeitete es wie wild. Was sollte sie jetzt tun? Sie konnte nicht einfach verschwinden, schließlich war sie mit Jela verabredet und da sie unten schon alle gesehen hatten, konnte sie auch keine Krankheit mehr vorschieben.

Nein, sie atmete tief durch. Sie konnte damit umgehen. Jela war ihre Freundin. Das eben, das war kein...keine Verliebtheit gewesen, sondern nur Zuneigung. Für eine Freundin. Sie war mit Grischa zusammen. Sie würde das morgen beweisen.

Und jetzt würde sie sich einfach so verhalten, wie immer. Egal was passierte, Jela durfte das auf keinen Fall merken. Hope schloss noch einmal kurz die Augen, zählte gedanklich bis zehn, dann setzte sie ein breites Lächeln auf.

Sie lehnte sich gegen den Türrahmen, jetzt ohne sich zu verstecken, und wartete darauf, dass Jela sie bemerken würde. Diese war immer noch zu beschäftigt mit Singen und Tanzen, um sie zu sehen, wirbelte herum und sah dabei (objektiv gesehen) ziemlich lachhaft aus. Aber Hope betrachtete sie ja nicht objektiv und sowieso war Tanzen ja absolut keine objektive Sache, also könnte man genauso gut sagen, sie tanzte schöner, als es je zuvor jemand getan hatte (nicht dass es für Hope einen Unterschied gemacht hätte, oder für Jela, wenn wir schon dabei sind).

Sie hüpfte von einem Bein aufs andere, wippte mit den Schultern auf und ab, ihre Arme schwangen in ungeahnte Richtungen und ihre Haare flogen. Iljitsch wippte mit. Zu dem Pullover von Hope (einem ziemlich furchtbaren, hellblauen Teil mit einem orangefarbenen H darauf – von ihrer Oma Hedwig) trug sie eine pinke Schlafanzughose und sie war barfuß auf dem eiskalten Fußboden, was sie jedoch nicht zu stören schien. Hope hätte sie stundenlang beobachten können und spürte, wie ihr aufgesetztes Lächeln langsam echter wurde. Sie überlegte, sich zu räuspern, um auf sich aufmerksam zu machen, aber entschloss sich dann dagegen.

Erst nach einer vollen weiteren Minute, als das Lied vorbei war, kam Jela zum Stehen. Ein neues Lied begann zu spielen und Jela fiel offenbar ein, dass sie sehr bald verabredet war, auf jeden Fall schaute sie auf den Wecker auf dem Nachtschrank einer ihrer Mitbewohnerinnen und erschrak, bevor sie hektisch zu ihrem Bett lief und darauf herumwühlte. Erst als sie sich suchend umsah, entdeckte sie Hope und hielt erstaunt inne. Hope grinste. Sie lehnte noch immer am Türrahmen, hatte die Arme verschränkt und fühlte sich fast so cool, wie sie aussah.

„Hi.", sagte sie und gab sich innerlich zehn High-Fives für diese filmreife Darstellung einer coolen Person. Für wenige Sekunden konnte man an Jelas Gesicht genau ablesen, was sie dachte (Oh Mist, schon so spät – oh, hey, was macht Hope in meinem Schlafzimmer – oh shit, sie hat mich tanzen sehen – oh verdammt, jetzt ist es auch egal), bevor sie locker sagte:

„Hey, du bist früh. Und nicht unten, wo wir verabredet waren."

„Du bist spät.", erwiderte Hope. „Und auch nicht dort."

Jela biss sich grinsend auf die Unterlippe.

„Touché.", meinte sie und sah an sich herunter. „Ich habe möglicherweise ein bisschen die Zeit vergessen und sollte mir schleunigst etwas Richtiges anziehen."

„Also mich stört es nicht.", erklärte Hope locker. Verdammt, war das schon ein Schritt zu weit? War das schon flirten? Nein, konnte es nicht sein, man flirtete ja nur mit Leuten, an denen man interessiert war und das war sie ja absolut nicht.

„Das glaube ich dir sofort." Jela schnappte sich trotzdem eine Jeans und ein Shirt aus der Schublade ihrer Kommode. „Ich bin gleich wieder da." Sie verschwand im Bad.

„Schicker Pullover!", rief Hope ihr noch hinterher. „Wo hast du den nur her?"

Sie hörte Jela lachen und das Geräusch eines sich schließenden Reißverschlusses. Hope ließ sich auf Jelas Bett nieder und sah sich um. Vielleicht konnte sie ja auch einen Pulli mitgehen lassen? Aber sie sah keinen herumliegen und irgendwie war es auch seltsam, sich einen zu klauen. Die Regeln hatte Amélie ihr mehrfach erklärt: Man tat so, als wäre einem kalt, man bekam einen Pulli, man vergaß, ihn zurückzugeben und schwupps, hatte man einen neuen Pulli. Sie hatte das mit Grischa ein oder zweimal ausprobiert und war jetzt tatsächlich auch einen Pulli reicher.

Mit Jela war das natürlich anders gewesen, sie waren ja kein Paar. Sie waren wirklich draußen gewesen und Jela war kalt gewesen und Hope hatte ihr einen Pulli geliehen und...oh verdammt, Jela hatte sie gespielt, wie eine billige Kazoo!

Wenn man vom Teufel sprach, oder, in diesem Fall, dachte – Jela betrat, jetzt vollständig in gesellschaftlich akzeptierter Kleidung, den Raum.

„Also, du dachtest einfach, du brichst in ein fremdes Haus ein und kommst dann hoch, wo du mich heimlich in meinem Zimmer beobachtest.", sagte sie amüsiert und begann, ihre Schlafsachen zu falten und unter ihr Kopfkissen zu stecken. „Ich meine, ich hätte auch nackt sein können." Hopes Pullover wanderte wie selbstverständlich in Jelas Schrank zurück.

„Die Tür war offen.", erklärte Hope süffisant und spielte mit den Knöpfen von Jelas Bettbezug. „Ich wäre dann also nicht schuld gewesen."

„Du wirkst auffällig wenig peinlich berührt.", bemerkte Jela belustigt, schloss die Schranktüren und die Schubladen der Kommode und setzte sich zu Hope aufs Bett. Die rutschte ein Stück, um ihr Platz zu machen.

„Ich bin nicht diejenige von uns, die eben gerade getanzt hat, wie eine betrunkene Giraffe.", erwiderte sie trocken, aber noch immer im scherzhaften Tonfall. Jela schlug ihr gegen die Schulter, sodass Hope hinten über aufs Bett fiel.

„Wann bist du so schlagfertig geworden?", beschwerte sich Jela und beugte sich über sie. „Bisher konnte ich dich immer an die Wand spielen, weil du sofort rot geworden bist und angefangen hast, zu stottern. Es war süß." Hope hob ihren Kopf an und stützte sich auf ihre Unterarme, kam Jela damit noch ein ganzes Stück entgegen.

„Willst du mir etwa vorwerfen, ich wäre jetzt nicht mehr süß?", fragte sie gespielt verletzt. Jela lachte leise. Für einen Moment verharrten sie in dieser Position, die Gesichter vielleicht eine Armlänge voneinander entfernt.

Dann änderte sich das Lied aus der immer noch laufenden Musikbox. Hope richtete sich auf, Jela wich zurück.

„Ich liebe dieses Lied!", verkündete Hope und sprang auf. Jela schien einen kurzen Moment zu brauchen, um die Situation zu verarbeiten, aber Hope war längst auf den Beinen. „Komm, tanz mit mir!"

Jela zögerte kurz, dann erschien ein entschlossener Gesichtsausdruck auf ihrem Gesicht und sie stand auf. Es war für einige Momente ein bisschen seltsam, sie wippten beide vor sich hin, noch zu beschämt, um wirklich zu tanzen. Dann jedoch kam der Refrain und Hope warf alle Vorsicht über Bord – schämen konnte sie sich später noch.

Also tanzte sie – und es war vermutlich wieder einmal gut, dass man das nicht objektiv betrachten musste. Es war...kreativ. Und lustig. Und chaotisch. Und ansteckend – Jela ließ sich von ihr mitreißen, und sie tanzten mit- und übereinander lachend, bis sie völlig außer Atem waren.

„Kannst du auch richtig tanzen?", fragte Jela provozierend, als ein neues, ruhigeres Stück zu spielen begann und sie hielt Hope auffordernd ihre Hand entgegen.

„Klar.", log Hope. Ihr Vater war der Meinung gewesen, dass eine junge Dame tanzen können sollte. Ihre Mutter hatte diese Meinung nicht geteilt. Hope war vierzehn gewesen und hatte keine Lust aufs Tanzen gehabt, aber noch weniger Lust, ihrer Mutter recht zu geben. Also hatte sie tanzen gelernt, wenig motiviert. Dann war sie in die zehnte Klasse gekommen und hatte die Tanzschritte zugunsten neuer Origami-Faltanleitungen, Gitarrengriffe und der ein oder anderen Russischvokabel aus ihrem Gedächtnis aussortiert. Jetzt ergriff sie Jelas Hand und kramte in den Tiefen ihrer Erinnerung danach, wie man herausfand, welchen Takt ein Lied hatte.

Die ersten Schritte waren dem entsprechend chaotisch. Hope und Jela vergaßen, dass sie beide die Frauenschritte tanzten und gingen erst einmal beide einen Schritt zurück, prallten dann gegeneinander, weil sie beide einen Schritt vor traten und Jela stolperte, als Hope versuchte, eine Art Drehung in ihre Bewegung zu bekommen. Sie mussten beide lachen.

„Wer führt?", fragte Hope. Jela zuckte mit den Schultern.

„Wer führt denn normalerweise?" Sie lächelte ein bisschen, aber Hope verstand nicht so genau, was sie damit sagen wollte.

„Ich glaube, du tanzt besser als ich.", gestand sie also. „Führ du."

Hope legte ihre rechte Hand in Jelas ausgestreckte linke. Ein leichtes Kribbeln breitete sich von dort über ihren ganzen Körper aus und sie spürte, wie ihr Herz ein Stück schneller zu schlagen begann. Sie griff vorsichtig nach Jelas Schulter, eine ungewohnte Berührung. Jela sah ihr kurz in die Augen und Hope lächelte aufmunternd. Sie bemerkte, dass Jela kleine rote Flecken im Gesicht hatte und es stand zu vermuten, dass sie diese Situation ebenso wie Hope für recht ungewohnt hielt. Deren Gedanken wurden jäh unterbrochen, als sie eine vorsichtige Hand an ihrer Taille spürte.

Sie sahen sich in die Augen und Hope nickte. Zum nächsten Takt begannen sie vorsichtig mit den Schritten, zunächst unsicher, beide konzentriert auf ihre Füße schauend, bis sie sich nach einigen Schritten sicher genug waren, um wieder hoch zu schauen. Vorsichtig begann Jela, sie von einem Quadrat in einen kleinen Kreis zu führen und Hope musste gestehen, dass sie tatsächlich deutlich besser tanzte als sie selbst.

Im Lied begann wieder der Refrain und der Takt wurde schneller, Hope und Jela folgten ihm und ihre Griffe wurden immer fester, jetzt, wo die Vorsicht wich. Damit rutschte aber auch Jelas Hand von Hopes Taille auf ihren Rücken und Hopes Hand von Jelas Arm zwischen ihre Schulterblätter. Sie wirbelten durch den Raum, ihre Tanzhaltung glich einer Umarmung und ihre Augen waren aufeinander gerichtet.

Das Lied, das sich dem Ende näherte, wurde wieder ruhiger und auch Jela und Hope kamen wieder zum Stehen, von ihrer Haltung änderte sich jedoch nichts. Die Musik war langsam, sie hatten aufgehört, die Schritte einzuhalten und wippten nur noch von einem Fuß auf den anderen, die Gesichter nah, die Körper näher, gefangen in einer Umarmung und den Augen des anderen.

Und plötzlich schoss Hope ein merkwürdiger Gedanke durch den Kopf: Haben wir uns vorhin auf dem Bett fast geküsst? Sie erschrak. Sicher würde Jela sie nicht einfach so küssen, oder? Sie wusste schließlich, dass Hope mit ihrem Bruder zusammen war. Dann kam ihr ein zweiter Gedanke: Wir könnten uns jetzt küssen.

Hope erstarrte in ihren Bewegungen und löste sich dann ruckartig aus Jelas Armen.

„Ich...ähm...tut mir leid.", stammelte sie und brachte schleunigst einige Schritte Abstand zwischen sich und Jela. Was tat sie hier? Wieso dachte sie darüber nach, ihre Freundin zu küssen? Sie hatte einen Freund, sie war normal.

Hope atmete zittrig ein und aus. Sie musste diese Gedanken loswerden, sie konnte nicht länger durch die Gegend laufen und auf diese Weise über Mädchen nachdenken, insbesondere nicht über Jela. Es war nicht richtig. Sie hatte kein Problem mit Menschen, die...so waren, sie war froh, dass Jela sich endlich selbst zu akzeptieren zu haben schien. Aber sie selbst war nicht so, sie konnte nicht so sein, es passte überhaupt nicht in das Bild, was sie von ihrem Leben hatte.

Sie konnte nicht länger verleugnen, dass sie Gedanken hatte, die in diese Richtung gingen. Aber sie würde den Teufel tun, ihnen auch nur einen Millimeter mehr Raum in ihrem Kopf zu geben. Sie war normal. Und das würde sie beweisen.



ES TUT MIR LEID, OK? Ich mach's wieder gut, versprochen. Ich bin trotzdem suuuuper neugierig, was ihr denkt. Spekulationen, wie es weitergeht, sind gerne gesehen!

Ich werde euch den Titel des nächsten Kapitels nicht verraten. Aber ich sage euch, dass es mein absolutes, ab-so-lu-tes Lieblingskapitel dieser gesamten Geschichte ist. Seit ich es im Sommer geschrieben habe, habe ich es unzählige Male nochmal gelesen, weil ich es so sehr liebe. Und als ich im Herbst angefangen habe, die Geschichte zu posten, habe ich mich am meisten darauf gefreut, dass ihr irgendwann Kapitel 27 lesen werdet. Ich bin echt neugierig auf eure Reaktionen! Seid gespannt, ich freu mich auf Dienstag!

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