𝟙𝟟. ℤ𝕖𝕣𝕓𝕣𝕠𝕔𝕙𝕖𝕟
"For heaven's sake, Potter! Do you really think this is about truth or lies? It's about keeping your head down and your temper under control!" ~ Minerva McGonagall
𝕄𝕖𝕣𝕒
𝔇ie Verwandlungs-Stunde zog an ihr vorbei und auch ihre darauffolgende Freistunde bekam Mera gar nicht wirklich mit. Sie spürte wie sich ihre Eingeweide immer mehr zusammenzogen je näher sie der Doppelstunde Zaubertränke kam. Sie wollte ihn nicht sehen, sie konnte es nicht.
Mit einem Kissen vor den Bauch gepresst saß sie im Gemeinschaftsraum neben Ron, der sich damit abmühte, seinen Aufsatz für Zauberkunst am nächsten Tag fertig zu schreiben und immer wieder genervt stöhnte.
Sie dachte daran, wie er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen und sie angelächelt hatte und daran wie hingegen die nächste Stunde ablaufen würde – kalt, mit seinen Beleidigungen in der Luft oder, noch schlimmer, einer messerscharfen Stille zwischen ihnen. Mit der aufsteigenden Galle kamen ihr die Tränen. Sie spürte plötzlich Hermines Blick auf sich und mit ihren Worten auch die Blicke von Ron und Harry.
„Mera, du bist ganz blass! Geht es dir gut?"
Sie konnte nur matt den Kopf schütteln und in einer schnellen Bewegung saß Harry neben ihr auf der Sofalehne und beugte sich über sie, wischte ihr eine Träne von der Wange. Nicht einmal jetzt konnte sie ihren Freunden erzählen wie es ihr ging und was ihr so zusetzte. Sie hasste sich dafür und sie hasste sie und sie hasste Draco, und eigentlich wusste sie, dass nichts davon stimmte.
„Ich gehe zu Madam Pomfrey", brachte sie mit kratzender Stimme hervor, „entschuldigt ihr mich bei Slughorn?"
Sie stand auf und ihr Körper schoss eine weitere Welle der Übelkeit durch sie und sie schwankte kurz. Sofort stand Harry neben ihr und legte ihr haltend den Arm um
„Ich bringe dich", sagte er entschieden und nickte Hermine und Ron zu, die begannen, ihre Schulsachen zusammenzupacken und auch seine mitnahmen.
Madam Pomfrey blickte überrascht vom Schreibtisch in ihrem kleinen Büro im hinteren Teil des Krankenflügels auf, als sie durch die geöffnete Bürotür die großen Flügeltüren des Krankenraumes aufschwingen sah. Sogleich eilte sie den Schülern entgegen und half Harry, das Mädchen auf eines der zurzeit leeren Krankenbetten zu setzen.
Mera sah die Heilerin nach einem kurzen Blick auf Harry leicht flehend an und die alte Hexe verstand sofort. Sie schickte den Jungen zu seinem nächsten Unterricht, der dem jedoch nur zögerlich nachkam. Mera atmete sichtlich auf, als er weg war. Sie konnte sein besorgtes Gesicht nicht ertragen mit ihren unerzählten Wahrheiten auf dem Herzen.
Langsam und schluckend schilderte sie der Schulkrankenschwester das Gefühl der Übelkeit in ihrem Magen und den Wunsch nach Ruhe und Schlaf. Sie war dankbar für ihre offensichtliche Blässe und Abgeschlagenheit, die Madam Pomfrey wohl mit dazu bewegten, ihr einen leichten Kräutertrank gegen die Übelkeit zugeben und sie die nächsten zwei Tage vom Unterricht zu befreien. Ehrlich gesagt musste sie sogar ziemlich schrecklich aussehen, wenn die Heilerin ihr erlaubte, dem Unterricht doch so lange fernzubleiben, um sich zu erholen.
Das bestätigte sich, als Mera wenig später im Badezimmer vor dem Spiegel stand und ihre Schläfen mit Wasser befeuchtete. Ihre Wangen waren gerötet, die Augen glasig und müde und ihre Lippen platzten spröde auf, weil sie vor lauter Schwere auf der Brust vergaß zu trinken.
Den Rest des Tages und auch den nächsten verbrachte sie damit, sich vor jedem und allem zu verstecken. Sie war so sehr mit sich und ihren Gedanken beschäftigt, dass sie die sich sorgenden Blicke ihrer besten Freundin gar nicht mitbekam und ließ nur Cassiopeia an sich heran, die ihr schnurrend ein wenig Wärme spendete.
Sie hatte gedacht, es könnte nicht noch schlimmer werden, aber seine erneuten Schläge mit Worten hatten sie zu Boden gerissen, so unerwartet, so schmerzhaft. Sie hatte sich nie für jemanden gehalten, der schnell kleinzukriegen war, aber Draco traf sie so tief, dass sich ihr Herz bei jedem Atemzug anfühlte, als bohrte er mit seinem Zauberstab darin herum. Und der Blick, mit dem er sie angesehen hatte, weigerte sich, sich aus ihrem Gedächtnis löschen zu lassen. Die klaren, aber kalten Augen, die sie so hasserfüllt gemustert hatten, ein sonst schimmernder doch plötzlich zugefrorener, eisiger Bergsee.
Sie hatte ihm doch nur die Wahrheit sagen wollen. Dass ihre Freunde ihn nicht leiden konnten, ihn hassten und so viel Böses zutrauten. Dass sie es nicht mehr aushielt, zu hören wie sie über ihn sprachen. Dass sie es leid war, sie anlügen zu müssen. Und dass es ihr sogar Angst machte, wie sehr sie ihre gemeinsame Zeit genoss, aber dass sie sie definitiv genoss!
Was hatte sie die letzten Wochen bloß in ihm gesehen? Und wo war es jetzt? Hatte sie sich geirrt? War sein Kampf tatsächlich schon nicht mehr zu gewinnen und sie würden niemals auf derselben Seite stehen?
Du bist genauso auf mich herein gefallen wie ich auf dich. Was hatte er damit gemeint?
Ein Schluchzen überrollte sie wieder und sie fiel unter den zuckenden Schultern in sich zusammen. Er hatte Recht. Sie war eine feige Heuchlerin. Zu feige, ihren Freunden die Wahrheit zu erzählen: dass sie ihn mochte, den Feind. Selbst wenn er sie verletzte.
Mittwochmorgen wartete sie hinter ihren schweren Bettvorhängen ab, bis ihre Mitschülerinnen zum Frühstück und in den Unterricht losgezogen waren. Dann schwang sie die Füße über die Bettkante und schloss bei der Berührung ihrer nackten Fußsohlen mit dem kalten Dielenboden die Augen. Als sie schließlich in den Gemeinschaftsraum hinunterstieg, der ihr ausgestorben, aber mit bereits prasselndem Feuer entgegenlächelte, fand sie eine dampfende Tasse Tee, eine belegte Scheibe Brot und einen Apfel auf einem der Tische. Obwohl sie sich ihr nicht öffnete, war Hermine ihrer Freundin nicht böse, sondern sorgte sich umso mehr. Mera lächelte, als sie ihre kalten Finger um das warme Porzellan legte und sie zu Kribbeln begannen.
Heute fühlte sie sich um einiges besser. Immer noch stiegen in ihr die Verzweiflung und auch Wut hoch, wenn sie an ihn dachte, aber es kamen ihr nicht mehr die Tränen. Sie sah von ihrem Buch auf, in das sie sich vertieft hatte, um sich abzulenken, als Ron, Harry und Hermine nach Verteidigung gegen die Dunklen Künste wieder in den Gemeinschaftsraum traten, um dort ihre Freistunden zu verbringen. Sie lächelte sie zaghaft an und Hermine umarmte sie kraftvoll und ließ sich ebenfalls lächelnd neben Mera auf die Couch fallen.
„Keine Sorge, du hast bisher fast nichts verpasst, außer ein paar Wiederholungen, Snapes schlechter Laune und dass Harry und Malfoy sich gestern fast geprügelt hätten."
Ihr Herz verschluckte sich bei Hermines Worten und erst jetzt fiel ihr die leichte Verfärbung um Harrys rechtes Auge auf, als sich dieser ihnen gegenüber in den Sessel fallen ließ.
„Wir haben uns nicht nur fast geprügelt, Hermine. Ich hoffe, sein Kiefer tut ihm immer noch weh."
Die Braunhaarige zuckte mit den Schultern. „Keiner der Lehrer hat es bemerkt, bevor Ron dich zurückgezogen hat, und ihr habt keinen Ärger bekommen, also nur fast. Und nächstes Mal denkst du hoffentlich nach, bevor du sowas dummes machst!"
Immer noch überrascht betrachtete Mera Harrys Veilchen und augenblicklich musste sie daran denken, wie Draco wohl aussehen mochte, schüttelte aber schnell den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben.
„Tut es noch weh, Harry?" Er schüttelte den Kopf und grinste selbstgefällig, als er sie ansah.
„Malfoys Kiefer sieht viel schlimmer aus und seine Lippe hat richtig schön geblutet, du hättest ihn sehen sollen!" Doch seine Worte munterten sie in keinster Weise auf, auch wenn er das vielleicht gedacht hatte. Und genau das realisierte er bei ihrer nächsten Frage.
„Warum hast du ihn geschlagen?"
Das Grinsen erlosch und er starrte sie nur noch an. „Rache."
„Rache wofür?"
„Es ist Malfoy. Wir wissen alle, dass er bald wieder irgendetwas nerviges tun wird. Dafür."
Sie hielt seinem festen Blick stand und sah, dass Harry anfing an ihr zu zweifeln. Ihr bester Freund, mit dem sie seit fünf Jahren die besten Abenteuer erlebt und der immer an ihrer Seite gestanden hatte. Ausgerecht dieser Junge musste Draco so sehr hassen. Mehr als er sollte und viel mehr als sie selbst es je könnte.
Donnerstag und Freitag merkte Mera, dass sie die Unterrichtsstunden vermisst hatte und erst, als sie mit Hermine, die froh darüber war, dass ihre Freundin nicht mehr nur schwieg und alleine sein wollte, den Kerkerraum betrat, und ihr Blick auf den schwarzen Kessel am hinteren Tisch fiel, wurde ihr wieder ein wenig schlecht.
Die Person, die bereits danebenstand und ihr Buch aufschlug, blickte nicht auf, aber machte automatisch zwei Schritte zur Seite und schuf so mehr als genug Platz zwischen ihnen. Es war die erste Zaubertrankstunde, in der sie ihn einfach machen ließ, schließlich hatte er den Trank bereits Montag und Dienstag angefangen und um sich auf den aktuellen Stand zu bringen, hätte sie ihn ansprechen müssen. Das tat sie nicht.
So verging die Doppelstunde, ohne dass Mera und Draco auch nur ein Wort wechselten und erst, als er das fertig abgefüllte Glasfläschchen vor sie hinstellte und sich in der Bewegung ein wenig weiter zu ihr drehte, schimmerten ihr die blaugrünen Farben von seinem Unterkiefer entgegen und instinktiv streckte sie die Hand aus und griff nach seinem Gesicht, zwang ihn, sich vollends zu ihr zu drehen und sie anzusehen. Während ihr Blick über seinen Kiefer und seine aufgeplatzte Lippe fuhr, hielten sich seine Augen an ihren fest, sehnsüchtig, bevor sie wieder erkalteten.
„Tu doch nicht so erschrocken. Deinetwegen ist Potter doch auf mich losgegangen!", sein Zischen ließ sie ihre Hand zurückziehen, als hätte er sie bei etwas Verbotenem ertappt.
Professor Slughorn, der in die Hände klatschte und die Stunde beendete, bewahrte sie vor einer Antwort, die sie nicht gehabt hätte, und erst Hermines Ruf, die gemeinsam mit Ron und Harry an der Tür stand, riss sie aus ihren verwirrten Gedanken und eilig raffte sie ihre Schulsachen zusammen.
Sie holten sich ihre Mäntel von oben und wollten ein wenig an der frischen Luft spazieren gehen, bevor sie sich an die vielen Hausaufgaben machen mussten. Harry fixierte Mera immer wieder seltsam verstimmt, aber sie bemerkte seine Blicke nicht. Erst, als sie vor dem Schlossportal den Weg zu Hagrids Hütte einschlugen und er anfing zu sprechen, fiel den Freunden seine schlechte Stimmung auf.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass Malfoy noch mit uns zur Schule geht und nicht wenigstens rausgeschmissen wird, selbst nachdem Katie ins Sankt Mungos Hospital verlegt werden musste!"
„Aber, Harry," fing Hermine vorsichtig an, „es gibt keinerlei Beweise dafür, dass er etwas mit Katies Verfluchung zu tun hat! Nur welche, die dagegensprechen."
Auch Ron legte ihm besänftigend eine Hand auf die Schulter. „Du weißt wie sehr wir das alle unterstützen würden, aber Hermine hat recht."
Harry schnaubte nur, „Ach ja, würden das wirklich alle?" und sein Blick durchbohrte Mera.
Es dauerte einige Sekunden bis sie ihre Sprache fand: „Was willst du von mir hören, Harry?"
Er verschränkte die Arme vor der Brust und sein Ton wurde noch anklagender. „Du bist diejenige, die ihn die letzten Wochen immer verteidigt hat, die wusste, dass er angeblich nachsitzen musste, die plötzlich nicht mehr erträgt, wenn er uns mit seinen blöden Sprüchen beleidigt wie er es seit Jahren tut."
Er holte tief Luft und die Wut sprudelte nur so aus seinen Worten. „Und du bist es, die heute Mitleid mit ihm hatte, als du sein Gesicht gesehen hast! Was ist los mit dir, Mera? Malfoy gehört verdammt nochmal zu den Bösen und es gibt nichts Gutes in ihm, für das es sich lohnen würde, Mitleid zu haben. Dafür hat sein Vater all die Jahre gesorgt, die der schon ein Todesser ist, und jetzt ist der Sohn genauso einer!"
Ohne nachzudenken schrie Mera Harry beinahe an, „Draco ist nicht sein Vater!", und erst als sie die Worte bereits ausgesprochen hatte, wurde ihr bewusst, dass sie ihn bei seinem Vornamen genannt hatte.
Alle drei Freunde sahen sie überrascht und Harry zudem mit wütendem Triumph an: „Ich wusste es."
„Gar nichts weißt du, Harry! Du prügelst doch nur ständig auf ihn ein, ob mit Worten oder mit Fäusten, und gibst ihm nicht mal die Chance zu beweisen, dass er anders ist. Dass er nicht wie sein Vater denkt und dass er sich zu ändern versucht. Dass er auch Gefühle hat und es ihn verletzt aber auch abhärtet, wenn man ihn vorverurteilt. Du weißt gar nichts und du versuchst auch nicht, es zu verstehen."
Mittlerweile liefen ihr die Tränen über das kalte Gesicht, doch sie ignorierte sie. Versuchte zu verdrängen, dass auch Rons und Hermines Blicke sich ungläubig verfinsterten.
„Ja, ich habe Mitleid mit ihm. Weil er nichts dafür kann, aus welcher Familie er kommt und wo sie ihn mit hineinzieht. Aber ich sehe auch, wer er gerne wäre, wenn man ihn darin unterstützen würde und nicht immer nur zurückdrängt, ihn auf seinen Nachnamen reduziert! Und ich finde es traurig, dass gerade du das nicht siehst, Harry Potter!"
Sich dessen bewusst, dass sie gerade so vieles zwischen ihnen zerbrochen hatte, drehte sich Mera auf dem Absatz um und eilte mit von einem Tränenschleier überzogener Sicht davon.
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