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31 - Hotel Mutiara

✦ MARIANA ✦

Ich mag Luxushotels nicht.

Der Boden der Lobby wurde so blitzblank geleckt, dass man darin sein Spiegelbild erkennen kann. Dabei ist das Marmor — der sollte von Natur aus gar nicht so glänzen.

„Alex. Warum sind wir hier?"

Nach dem Aufstehen hat er mich mit dem Wassertaxi direkt hierher gebracht, ohne mir den Grund zu nennen, weshalb.

„Siehst du, wie viele Leute vom Festland hier arbeiten? Das sind mindestens tausend!", staunt er. „Von solchen Orten profitiert die ganze Region!"

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er mit mir spricht oder ob er einen Vortrag für seine Uni halten möchte. Es herrscht reges Treiben in der Lobby. 

„Was tun wir hier?", wiederhole ich meine Frage, und stemme die Hände in die Hüfte.

Alex hat mir nämlich absolut nichts verraten, sondern nur verlangt, dass ich mich in ein legeres Kleid werfe und meine ganze Taucherausrüstung in eine Tasche packe. Dann sind wir zum Hotel gefahren und nun bin ich hier und verstehe nicht ganz, weshalb wir fürs Tauchen in der edlen Empfangshalle eines Fünfsternehotels stehen müssen.

Er streckt den Zeigefinger in die Luft.

„Warte hier", sagt er und huscht zur Rezeption, die hinter einem marmornen Tresen steht, welcher an den Rändern mit Gold verziert wurde.

Ich fühle mich fehl am Platz und reibe mir die Oberarme. Ein amerikanisches Paar läuft an mir vorbei. Woran ich das erkenne? An den viel zu weiten Shorts des Mannes und seinen weissen Socken, die er sich beinahe bis zu den Knien hochgezogen hat. Und natürlich an ihrem amerikanischen Akzent.

„Great air conditioning!", höre ich den Mann staunen.

Ich verlagere das Gewicht von einem Bein aufs andere. Die Klimaanlage verpasst mir eine Gänsehaut, die sich unangenehm über meinen ganzen Körper spannt. In der Ferne sehe ich, wie Alex mit der Empfangsdame spricht, die ihn übertrieben breit anlächelt, als hätte man ihre Mundwinkel mit Klebstoff fixiert. Das muss schmerzen, die Menschen hier immer so angrinsen zu müssen.

Dann kommt Alex auch schon wieder zurück. Seine Haare schimmern golden im hellen Licht des Kronleuchters über uns. Er hat sie heute extra etwas frisiert. In seiner Hand hält er eine Hotelkarte, weshalb ich misstrauisch den Kopf zur Seite lege.

„Was soll das?"

Er bleibt vor mir stehen, die Karte steckt zwischen seinen Fingern.

„Ich habe uns ein Zimmer reserviert. Penthouse Suite, all-inclusive."

Gerade als ich ihm widersprechen möchte, dass wir hier sicher nicht übernachten werden, kommt er mir dazwischen.

„Nur für den Tag, keine Sorge! Wir werden kurz vor Einfall der Nacht wieder zurück im Bubbles sein, damit du in deinem super billigen, harten Bett ohne Klimaanlage schlafen kannst. So wie es dir gefällt."

Seine Mundwinkel zucken belustigt, als ob er es tatsächlich amüsant fände, dass ich anspruchslos bin. Ich seufze, denn ich finde das wirklich keine gute Idee.

„Ich weiss nicht ..."

Meine Skepsis erkennend, fährt er weiter darin fort, mich von seinem Vorhaben überzeugen zu wollen: „Du meintest ja, ich solle kreativ werden. Das hier ist die einzige Möglichkeit für uns, einen ganzen Tag für uns alleine zu haben. Ohne gestört zu werden."

Seine Augenbrauen wackeln bedeutungsschwanger auf und ab. Er kitzelt ein Schmunzeln aus mir heraus. So ist das also. Alexander hat sich was Schlaues ausgedacht, damit wir unsere Liebelei hemmungslos ausleben können.

„Dafür hättest du doch nicht extra ein Zimmer buchen müssen. In so einem teuren Hotel!", halte ich dagegen. „Wir hätten auch in eine günstigere Unterkunft gehen können."

„Glaube mir, für mich war das hier günstig."

Mir ist bewusst, dass er das nicht zum Angeben gesagt hat, dennoch missfällt mir der Kommentar.

„Alex", seufze ich kopfschüttelnd, „ich gehöre nicht an so einen Ort. Du kennst mich doch."

Er kommt einen Schritt näher und fährt mit der Rückseite seiner Finger über meine Wange. Sein Blick ist verständnisvoll. Ich schliesse genüsslich die Lider. Alexanders Sprache der Zuneigung sind Berührungen und das finde ich so unendlich schön.

„Bitte", flüstert er. „Ich will dich für mich alleine haben. Im Bubbles wirst du ständig gebraucht, da haben wir nicht einmal Zeit für ein richtiges Gespräch. Wir können hier einfach mal reden ..."

Seine Lippen bilden eine schmale Linie. Er benetzt sie mit der Zunge.

„Du hast mir deine Welt offenbart", fährt er fort, „und ich liebe sie. Sehr! Bitte gib meiner Welt nur für einen Tag auch eine Chance. Wenn du dich nicht wohlfühlst, dann kehren wir sofort zurück. Versprochen!"

Während ich seine Worte verarbeite, nicke ich langsam. Er hat recht. Wir sollten uns tatsächlich einfach mal die Zeit nehmen und gemeinsam erkunden, ob sich aus dem, was sich zwischen uns gebildet hat, etwas Nachhaltiges entwickeln könnte — fernab aller Neckereien und Versteckspielchen.

Alex will mich wirklich kennenlernen.

Der Gedanke rührt mich und so lege ich meine Hand auf den Bauch, denn ein unbeschreibliches Flattern bahnt sich dort an. Schon die ganze Woche verspürte ich ein aufgeregtes Ziepen in meinem Inneren, als wäre mein Magen ein Schmetterlingskäfig.

„Das hier ist also eine Art gemeinsamer Urlaub?", frage ich und lasse meinen Blick abermals durch die luxuriöse Lobby schweifen.

„Ganz genau."

„Ein gemeinsamer Urlaub als Pärchen?", hake ich nach und blinzle zu ihm hoch.

Er schmunzelt und senkt den Blick auf seine Schuhe. Für einen Moment vergräbt er die Hände in seinen Hosentaschen, dann hebt er die Augen und raubt mir mit seinem sonnigen Ausdruck den Atem. Wie glücklich er strahlt.

„Wenn du uns als solches bezeichnen möchtest. Dann ja. Als Pärchen."

Ich ziehe meine Augenbraue in die Höhe. „War das jetzt eine Frage?"

Er nickt. „Möglicherweise."

„Aha."

„Und wie lautet deine Antwort?", bohrt er nach. Sein Blick ersticht mich fast, so intensiv erforschen mich seine Augen.

„Meine Antwort auf was?", spiele ich absichtlich dumm. 

„Ob wir ein Pärchen sind", präzisiert er.

Ich grinse, denn es macht mir einfach so viel Spass ihn zu ärgern, ihn zappeln zu lassen.

„Das ist keine richtige Frage", meine ich schulterzuckend und mache Anstalten, aus der Lobby gehen zu wollen, als hätte sich die Sache somit erledigt.

Er lacht leise und nimmt meine Hand in seine, sodass ich mich nicht davonmachen kann. Dann streichelt er meinen Handrücken, übt dabei bloss sanften Druck mit seinen unendlich weichen Fingerkuppen aus.

„Also gut, Mariana. Hier hast du deine Frage", flüstert er und macht eine künstliche Pause, bevor er weiter spricht. Dabei blickt er mir mit seinen ozeanfarbenen Augen so tief in die Seele, dass mir das Herz aufgeht. „Möchtest du meine Freundin sein und mit mir diesen Tag ganz alleine verbringen?"

Ich presse die Lippen fest aufeinander. Das Kribbeln in meinem Bauch ist unerträglich und entlockt mir ein mädchenhaftes Kichern. Wie süss er gerade aussieht, wie er so da steht und mit einem leichten Anflug von Nervosität auf meine Antwort wartet! Lachend werfe ich meine Arme um seinen Hals und küsse ihn.

In aller Öffentlichkeit.

In der Lobby dieses schrecklich überteuerten Hotels.

Ich küsse den Menschen, den ich vor nicht allzu langer Zeit noch als das pure Gegenteil von mir selbst bezeichnet habe. Doch in der Berührung werden wir zu einem. Ich kann es mir nicht erklären, ich habe mich dieser Tatsache schlichtweg gestellt.

Wir passen — trotz aller Unterschiede — einfach gut zusammen.

Alex erwidert meinen Kuss genüsslich seufzend und schlingt seine Arme um meine Taille. Seine Hände ruhen auf meinem Körper, anständig, doch nicht weniger sehnsüchtig.

„Ja", hauche ich, nachdem sich unsere Lippen voneinander trennen.

Ein Lächeln schenkt er mir, ehe er mich aus seinen Armen freilässt. Wir sind schliesslich immer noch in Malaysia und müssen unsere Triebe in der Öffentlichkeit zügeln. Im Hotel sind die Leute zwar bestimmt toleranter, aber dennoch wollen wir kein Aufsehen erregen.

Alexander nimmt meine Hand.

„Dann darf ich dich zur Feier des Tages zum Brunch einladen?", fragt er und deutet in die Richtung des Restaurants. „Ich habe nämlich einen Tisch reserviert. Auf uns wartet ein riesiges Buffet!"

Meine Finger verkeilen sich in seine. Ich nicke.

„Sehr gerne. Nach Ihnen, Herr Rosenberg."

Er lacht, während er mich an der Hand ins Restaurant führt. Der Klang hallt in meinem Brustkorb wieder und erfüllt mein Herz mit so viel Wärme, dass ich einstimmen muss. Wir lachen zusammen. Die Leute um uns herum müssen bestimmt denken, dass wir verrückt sind. 

Oder einfach nur verliebt.

✦✧✦

Der Brunch ist wirklich himmlisch.

Noch nie in meinem Leben stand ich vor einer dermassen grossen Auswahl an Nahrungsmitteln für eine einzige Mahlzeit. Nun. Genau genommen ist der Brunch ja die Fusion von zwei Mahlzeiten, was für mich bedeutet, dass ich zweimal so viel essen darf.

Ich stopfe mir das Maul mit Lachsfilets, Meerrettichpaste, Kroketten, Pastasalat, Banane, Erdnussbutter, Brot mit Honig und Avocadotoast mit Cherrytomaten — alles wild durcheinander gemischt. Das hier ist kein malaysisches Essen und auch nicht unbedingt nachhaltig, doch ich habe dermassen Kohldampf bekommen, dass es mir für heute einfach egal ist. Jemand muss es ja essen.

Alexander mustert mich belustigt von der anderen Tischseite.

„Hunger?", fragt er und schiebt sich eine Ladung Rührei in den Mund.

„Mega!", antworte ich mit voller Luke und nehme einen Schluck aus meiner Kaffeetasse, um alles herunterzuspülen.

„Gar nicht mal so schlecht, dieses Reiche-Leute-Essen, was?"

Ich führe die Serviette an meine Lippen und wische mir den Mund ab.

„Es ist ganz in Ordnung", erwidere ich. „Beim Anblick unserer Tischnachbarn dort drüben allerdings", füge ich an und mache eine nickende Bewegung zu dem Paar neben uns, welches ihre Teller so überfüllt hat, dass sie es nicht verspeisen können und nun all das unangerührte Essen weggeworfen werden muss, „vergeht mir der Hunger augenblicklich."

Alex wirft einen Blick auf das offensichtlich geldschwere Pärchen. Die Frau trägt zwei glitzernde Klunker an ihren dürren Fingern und tippt auf ihrem Handy herum. Der Mann, der sein Leben lang schon grimmig durch die Welt marschiert sein muss, bei dem bösen Gesichtsausdruck, den er an den Tag legt, liest Zeitung.

„Ja, okay. Das sind nicht gerade Vorzeigebeispiele von Wohlverdienern."

„Was du nicht sagst!" Ich lache laut und lehne mich in meinem Stuhl zurück.

„War das eigentlich der Grund, warum du mich von Beginn an überhaupt nicht ausstehen konntest? Weil ich reich bin?"

Seine Direktheit überrascht mich nicht. Das ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die wir haben. Wir sprechen die Dinge an. Seine Augen sind auf mich gerichtet. Geduldig, respektvoll und abwartend. Ich höre keinen Vorwurf in seiner Stimme. Nur Neugierde und möglicherweise eine Prise Unverständnis.

Ich schweige, während ich nach den richtigen Worten suche. Hier haben wir das Thema. Der Elefant, der möglicherweise schon eine ganze Weile im Raum stand, seit ich Alex das erste Mal grundlos angemault habe.

„Wenns nicht das ist, dann muss es was anderes gewesen sein", fährt Alex fort, seine Gedanken laut auszusprechen. „Es gab doch etwas, das dich an mir gestört hat, nicht wahr?"

Er stützt die Ellbogen auf den Tisch und lehnt sich etwas vor, damit er mich besser beobachten kann. Ich winde mich unter seinem forschenden Blick. Das Thema ist mir unangenehm, das muss er spüren.

Seufzend schiebe ich die Kaffeetasse näher zu mir heran und räuspere mich. Selbst wenn mir Ehrlichkeit genauso wichtig ist wie ihm, dieses Thema wiegt schwer auf meinen Schultern.

„Ja." Mehr schaffe ich in dem Moment nicht zu sagen.

„Und was war das, wenn ich fragen darf?"

„Wie du sagtest. Dein Geld." 

Er runzelt die Stirn, doch nicht böse, nur leicht verwirrt. „Mein Geld?"

Ich nicke und fixiere weiterhin die Tasse vor mir, denn ich schaffe es nicht, ihm in die Augen zu blicken. 

„Du bist steinreich und man sieht es dir an, Alex. Ich mag keine Millionäre. Aus Prinzip nicht", murmle ich. 

Der Kaffee in meiner Tasse macht einen leichten Wirbel. Alexander stützt seinen Kopf auf einer Hand ab und taxiert mich. Das spüre ich.

„Ich verstehe beim besten Willen nicht, was daran schlecht sein sollte. Ich habe mir diesen Reichtum hart erarbeitet. Es ist nicht so, dass mir der in den Schoss gelegt wurde und ich nichts dafür tun musste. Im Gegenteil, ich habe mir wirklich den Arsch aufgerissen."

Ich presse die Lippen aufeinander und schweige. Alex streckt seinen Arm aus und berührt mit seinen Fingerspitzen meine Hand, die an der Tasse liegt, als würde er mich damit ermutigen wollen.

„War ich ein schlechter Mensch zu dir?", forscht er nun sanfter nach. „Hast du das Gefühl, dass mein Geld mir meinen Charakter verdorben hat? Bitte, Mariana. Sag es mir. Du musst dich nicht zurückhalten deswegen. Ich kann die Wahrheit ertragen."

Endlich schaffe ich es, meine Augen von der Tasse zu lösen und seinem Blick zu begegnen. Er schenkt mir ein kleines Lächeln.

„Nein", sage ich dann. „Dein Charakter ist sogar ganz in Ordnung — manchmal."

Er lacht leise, aber dann fasst er sich und wird wieder ernster. „Ich verstehe wirklich nicht, was es dann ist."

Natürlich versteht er es nicht, denn ich habe es ihm noch nie richtig erklärt. Es wird Zeit, dass er von diesem Abschnitt meiner Vergangenheit erfährt. Ein schmerzlicher, langer Seufzer entkommt meiner Brust.

„Meine Mutter hat mich verlassen", flüstere ich.

Ich muss schwer schlucken. Diesen Teil meiner Geschichte mag ich nicht gerne erzählen. Doch ich weiss, dass ich Alex eine Antwort schuldig bin. Er muss mehr als das wissen, damit er versteht, warum ich so bin, wie ich bin.

Warum ich die reichen Menschen dieser Welt aufs Tiefste verabscheue und warum unsere Vereinigung eigentlich total gegen meine Natur geht.

Er faltet seine Hände und legt sie auf seinen Schoss ab. Geduldig wartet er darauf, bis ich fortfahre. Also öffne ich mich ihm, fahre die letzte Mauer runter und offenbare ihm eine Seite von mir, die ausser mein Vater und Raya sonst kaum einer kennt.

Meine Stimme zittert leicht, als ich zu sprechen beginne.

„Meine Mutter hat mich und meinen Vater für einen reichen Mann verlassen, als ich drei Jahre alt war. Dieser Mann besass ein grosses Haus mit Pool, viel Land, ein teures Auto, Pferde. Er hat sie mit seinem stumpfen Reichtum geblendet. Offenbar war ihr das wichtiger als ihre eigene Familie und so ging sie zu ihm. Liess meinen Vater mit mir zurück."

Alexanders Ausdruck ist ernst und aufmerksam. Er scheint zu überlegen, meine Worte zu verarbeiten. Für viele ist das unvorstellbar, doch in einem so armen Land wie Kolumbien leider trauriger Alltag.

„Das muss für dich sehr hart gewesen sein. So klein, wie du warst."

Ich nicke. 

„An vieles erinnere ich mich eigentlich gar nicht mehr. Ich war zu jung, um zu verstehen, weshalb meine Mutter gegangen war. Alles, was mir geblieben ist — noch heute — ist das Gefühl dieses Loches in meinem Herzen. Es fehlt etwas und nichts vermag es zu füllen."

Er senkt den Kopf, doch sagt er nichts. Mir ist bewusst, dass ich damit seine Frage, die ihm unter den Nägeln brennt, noch immer nicht beantwortet habe.

„Ich konnte dich nicht ausstehen, Alex, weil du für mich all das repräsentierst, wofür ich verlassen wurde. Wegen meiner Mutter mag ich reiche Menschen nicht und gehe ihnen lieber aus dem Weg. Wegen ihr fühle ich mich an solchen Orten nicht wohl."

Da hat er seine Antwort. Weshalb er mir von Anfang an unsympathisch war. Weshalb ich ihn härter behandelt habe, als alle anderen. Weshalb es länger gedauert hat, bis ich ihm vertraut habe.

Alex nickt langsam. Er wirkt ruhig und gefasst. 

„Lebt deine Mutter noch mit diesem reichen Kerl zusammen? Ist es einfacher für dich zu sagen, sie sei tot, als den Leuten deine Geschichte zu erklären?"

Ich schüttle den Kopf. Das ist zwar eine gerechtfertigte Frage und würde unter normalen Umständen durchaus Sinn machen. Nicht aber, wenn man aus einem Land stammt, das seit mehr als fünfzig Jahren in einem Bürgerkrieg steckt.

„Nein. Sie starb tatsächlich kurz danach. Ein paar Monate später stellte sich heraus, dass der Typ, für den sie uns verlassen hatte, ein berüchtigter Anführer der Paramilitares war — eine Miliz, die in der Region gegen die brutalen Guerillas kämpfte. Meine Mutter wurde am helllichten Tag von einer Guerilla-Gruppe gekidnappt, damit sie den Typen erpressen konnten. Der Kerl wollte das Lösegeld für ihre Befreiung jedoch nicht bezahlen. So wurde sie im Dschungel hingerichtet."

Alexanders bestürzter Gesichtsausdruck brennt sich in mein Gedächtnis. Ich senke die Lider. Da hat er sie. Die Schattenseite meines Lebens aus Kolumbien. Eines Lebens fernab dieses glänzenden Luxus. Ein Leben, das er so überhaupt nicht kennt. Ein Leben, das für viele surreal klingt.

„Mein Vater hätte sein Leben für sie gegeben, aber sie wollte das nicht sehen. Sie war blind."

Ich fahre mit dem Finger über den Rand meiner Kaffeetasse. Ich schweige, während mich die Erinnerungen einholen. Wie ich von meinen Tanten über den Tod meiner Mutter erfuhr und wie es mir das Herz zerriss.

„Es tut mir unendlich leid, dass du so etwas Schreckliches durchmachen musstest." Aus jeder Silbe spüre ich seine ehrliche Fürsorge heraus. Ich ringe mir ein dankbares Lächeln ab. „Und ich verstehe absolut, weshalb du so denkst, wie du denkst", fügt er an. Er schaut mir dabei in die Augen, als ob er sicherstellen würde, dass ich ihm zuhöre. „Geld macht Menschen zu Egoisten. Das kann ich bestätigen."

Ich nicke in stummer Zustimmung. Geld lässt die Menschen vergessen, wer sie sind. Was eigentlich im Leben wichtig ist.

„Es ist zwar nicht annähernd mit deiner Geschichte vergleichbar, aber mein Vater hat durch seine Habsucht ebenfalls vergessen, dass er eine Familie hat, um die er sich kümmern sollte. Sein Arbeitseifer war einer der Gründe, weshalb meine Mutter begann, so viel zu trinken — weshalb sie in die Alkoholabhängigkeit abrutschte. Er hatte keine Zeit mehr für uns, weil er ständig nur noch auf der Arbeit war."

Nun bin ich diejenige, die sich nach vorne lehnt. Alexanders Lebensgeschichte interessiert mich genauso und ich bin dankbar für den Richtungswechsel unseres Gespräches. Im Restaurant vor all diesen Menschen in Tränen auszubrechen, wäre das Letzte, was ich wollen würde.

Nachdem er mir geduldig zugehört hat, bin ich an der Reihe. Ich will ihm dasselbe offene Ohr bieten.

„Wie geht es ihr jetzt?", hake ich nach, wohlwissend, dass die Alkoholsucht eine Abhängigkeit ist, die niemals verschwindet. Man kann sich nie ganz davon befreien.

Er streicht sich mit der Hand über die Bartstoppeln.

„Sie ist in einer Reha-Klinik in Los Angeles. Weit weg vom schlechten Einfluss meines Vaters. An einem Ort, wo die Sonne scheint und die Menschen freundlicher sind, als in Deutschland. Während meiner Weltreise habe ich eine Zeit lang dort gelebt, um ihr näher zu sein. Wir haben jeden Tag etwas unternommen. Es war für mich richtig schön zu sehen, wie gut es meiner Mutter gehen kann, wenn sie von meinem Vater getrennt ist."

Alexanders Augen schimmern traurig.

„Wie war das eigentlich für dich — mit deinem Vater zusammenarbeiten zu müssen?", will ich weiter wissen.

Für meinen Vater zu arbeiten", korrigiert er mich. „Ich habe nicht mit ihm gearbeitet, sondern für ihn."

Sein Kiefer spannt sich an und es ist, als fühlte ich seine Gefühlsregung auf der anderen Seite des Tisches. Als winde sich die Erbitterung über das Verhältnis zu seinem Vater in meinem eigenen Magen wie eine Giftschlange.

„Oh."

Für mich war die Zusammenarbeit mit meinem Vater immer sehr bereichernd. So wie Alex jedoch auf die Tischkante starrt, war seine Erfahrung offensichtlich eine ganz andere.

„Mein Vater ist ein Tyrann. Damals, als ich noch bei ihm angestellt war, hat er mich und meine Kollegen bis an den Rand unseres Verstandes getrieben. Bis wir selbst nur noch die Dollar- und Euroscheine vor unseren Augen sahen und sonst nichts. Das Spekulieren ist eine hässliche Angelegenheit. In der Hinsicht kann ich dir also vollkommen zustimmen. Geld macht blind und niemals glücklich. Ich war kurz davor, mein Leben aufzugeben."

Mein Herz zieht sich zusammen, während ich ihm zuhöre.

„Ich bin rechtzeitig ausgestiegen, bevor es mich ganz ruiniert hätte." Er lacht kurz auf. „Glaube mir, wenn du mich gesehen hättest, du hättest mich nicht erkannt. Ich war abgemagert, sah richtig krank aus, habe mir regelmässig Kokain reingezogen, konnte nächtelang vor lauter Stress und aus Angst, ich könnte den nächsten fetten Trade verpassen, nicht mehr schlafen. Ich bin beinahe verrückt geworden."

Er reibt sich die Stirn. Die Erinnerung an seine berufliche Vergangenheit macht ihm bis heute noch zu schaffen.

„Ich stand eines Tages auf dem Geländer einer Brücke", sagt er und bei den Worten wird mir augenblicklich kalt. „Bereit dazu, alles loszulassen."

Meine Hand schnellt hervor und ich packe sein Handgelenk. „Nein!", hauche ich, während mich ein unheimlicher Schauer erfasst.

„Unter mir die schwarze Elbe", fährt er fort. 

Ich drücke meine Hand fest an seine, als könnte ich ihn festhalten. Als könnte ich damit den vergangenen Alex davon überzeugen, sofort runterzusteigen und nicht zu springen. Seine Augen fallen auf meine Finger, die sich um seine wickeln. Er lächelt. Müde.

„Was hat dich gestoppt?", frage ich mit rauer Stimme. 

„Ich weiss es nicht so genau. Meine eigenen Gedanken", erwidert er und wirkt dabei so nachdenklich. „Vielleicht hatte ich doch mehr Lust am Leben, als ich dachte."

Meine Hand löst sich von seiner. Erleichtert atme ich aus. Nie hätte ich gedacht, dass er so viel Schmerz hinter seiner selbstbewussten, frechen Fassade verbirgt. Ich bin froh, dass er mir einen Einblick gewährt. 

„Ich glaube, ich habe realisiert, dass ich einfach keine Freude daran habe, mein Leben lang hinter einem Bildschirm zu kleben und virtuelle Zahlen herumzuschieben, die am Ende auf meinem Bankkonto enden. Wozu das alles? Ich besass eh schon zu viel davon, es hatte eigentlich kaum noch einen Wert. So beschloss ich — von einem Tag auf den anderen — einfach nicht mehr bei der Arbeit zu erscheinen."

Er streicht sich die Haare nach hinten. Der Stuhl unter ihm knarzt ein wenig.

„Also habe ich ein Ticket nach Mexiko gebucht und sehr wilde Wochen beim Spring Break in Cancún verbracht."

Ich presse meine Fäuste in den Schoss und schlucke leer. So wie das klingt, hat er sich von einem Extrem ins andere gestürzt. Den Gedanken mag ich nicht.  

„Ich bin nicht stolz auf diese paar Wochen, aber das war mein Sprung in die Freiheit", versucht Alex sich zu erklären. „Danach habe ich mich zusammengerissen und bin auf Weltreise gegangen."

„Wie hat es dein Vater aufgenommen?"

Er öffnet seinen Mund, als würde er mir auf meine Frage antworten, doch dann hält er inne. Ich sehe, wie er überlegt und die richtigen Worte sucht, um es mir zu erklären. Seine Hand streicht über die Tischdecke und sammelt die Krümel zu einem kleinen Haufen. Er ist nervös, das merke ich.

„Sagen wir so. Mein Vater ist ein Choleriker. Er nimmt nichts gut auf."

Wir werden unterbrochen. Die Kellnerin möchte uns Kaffee nachschenken. Ich verneine.

An Alexanders verhärtetem Gesichtsausdruck sehe ich, dass es besser ist, wenn wir das Thema und vielleicht auch die Location wechseln. Wir sitzen hier schon seit einer Weile und haben das Essen nicht mehr angerührt. 

„Auf die Penthouse-Suite, bitte", murmelt Alex der Kellnerin zu, ehe sie uns wieder alleine lässt.

Ich strecke meinen Rücken, sodass meine Rippen knacksen.

„So", sage ich, um anzudeuten, dass ich bereit bin, aufzustehen. „Wie wäre es mit einem Szenenwechsel? Willst du mir nicht diese ominöse und unverschämt teure Hotelsuite zeigen, die es hier anscheinend geben soll und dessen Zugang du dir mit deinem Monopoly Geld erkauft hast?"

Ich bin mir sicher, dass wir unseren gemeinsamen Tag nicht in Bitterkeit verbringen wollen. Aufmunternd zwinkere ich ihm zu und werde Zeugin davon, wie sich sein strenger Ausdruck allmählich entspannt und mich ein sanftes Lächeln anstrahlt. Auch ihm ist nicht mehr nach ernsten Themen. Das reicht für eine Weile.

„Ja, das war Programmpunkt Nummer zwei."

„Dann sollten wir die Räumlichkeiten zusammen aufsuchen und ... erforschen."

Ich hüstele in die Faust. Er blickt mich überrascht an, doch dann huscht ein dunkler Schatten über seine Augen.

„Frau Lopez", raunt er und es kommt mir so vor, als sei seine Stimme tiefer geworden. Er streckt mir seine Handfläche hin, damit ich meine Hand darin bette. Ich tue ihm den Gefallen.

„Mir nach", befiehlt er und zieht mich mit sich.

✦✧✦✧✦

Hallo ihr Schnecken 

Mit diesem Kapitel läute ich offiziell den Countdown ein. Es sind noch genau 9 Kapitel, bis zum (bitteren) Ende! ;-) Ich hoffe, ihr freut euch, so wie ich.

Ja, so Hotels eigenen sich gut für ernste Gespräche. Da steht man auf neutralem Grund und ist mehr oder weniger anonym. Was wohl in der Penthouse Suite passieren wird...? Hmmm. Ich sag nur eins: 🔥wird es.

Habt noch eine gute Restwoche! 

(Chapter Photo by Francesca Saraco: https://unsplash.com/photos/_dS27XGgRyQ)

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