3 - Kein FKK
✦ MARIANA ✦
In einer geschwungenen, dunkelblauen Schrift lese ich den Namen Undine auf dem Lack. Ich schnaube laut durch die Nase. Dieses Gefährt ist alles andere als eine Nixe. Das monströse Ding gleicht eher dem Loch Ness Ungeheuer als einem zarten Wassergeist.
Ich manövriere mein Boot an den Bug des Sportflitzers. Ein grossgewachsener Kerl mit blondem, wirrem Haarschopf lehnt sich in Erwartung meiner Ankunft über die Reling. Er trägt ein weisses Leinenhemd, welches vorne aufgeknöpft ist und mir somit einen grosszügigen Blick auf seinen vom Training nicht vernachlässigten Oberkörper gewährt. Dazu schmiegt sich eine marineblaue Chinoshorts an seine Hüfte. Die weissen Sneakers runden das Bild des goldenen Surferboys ab.
Ich lege den Kopf in den Nacken, als ich auf seiner Höhe ankomme und werde von einem strahlenden Lächeln begrüsst. Eine dunkle Ray-Ban Sonnenbrille nimmt mir die Sicht auf die Augen, die sich dahinter verstecken.
„Oh yeah, mein Wassertaxi!", sagt der Kerl und schiebt sich die Sonnenbrille auf den Kopf.
Zwei ozeanblaue Augen leuchten mir entgegen. Und Sommersprossen. Unzählige, süsse Sommersprossen, die über seine markanten Gesichtszüge gesprenkelt wurden.
Wenn ich es von den schwedischen, genetisch bevorteilten Touristen, die ich hier auf der Insel schon zigfach gesehen habe, nicht besser wüsste, würde ich das Aussehen dieses Kerles als göttlich bezeichnen.
„Eher Müllabfuhr", murre ich.
Glücklicherweise lasse ich mich von so oberflächlichen Dingen, wie dem Aussehen eines Mannes, nicht beeinflussen. Es sind für mich ganz andere Dinge, die zählen: Moralisches Handeln, ethisches Bewusstsein, eine Verbundenheit zur Natur. Alles Dinge, die dieser Kerl mit hundertprozentiger Garantie nicht besitzt!
Er ist bloss Dreck in einer schönen Verpackung, ermahne ich mich selbst.
Der Typ legt den Kopf schief und mustert mich von oben bis unten. Sein Lächeln verwandelt sich in ein merkwürdiges Grinsen.
„Ist irgendwas?", frage ich.
„Hm ... nein. Ich geniesse nur die Aussicht", antwortet er mir.
Vor Wut befördert es augenblicklich die Hitze in meine Wangen. Mein Körper hat die merkwürdige Angewohnheit, die Wangen rot aufleuchten zu lassen, wenn ich negative Gefühle verspüre. In dieser Situation gerade äusserst unpassend.
Wie ich erwartet habe, deutet der Idiot das Rosa meiner Wangen vollkommen falsch und zwinkert mir sogar noch zu. Als hätte mich sein billiges Kompliment verlegen gemacht. Sowas würde mir, Mariana Osorio Lopez, nie im Leben passieren! Nicht bei so einem Schmierjungen.
„Hast du Gepäck?", frage ich sachlich. Der blonde Adonis soll nicht meinen, dass jede Frau bei seinem Anblick schwach wird.
Er lacht. Es ist ein tiefes Lachen, das von seinem Bauch aus kommt und seinen ganzen Körper zum Vibrieren bringt. Ein anziehendes Lachen und am liebsten würde ich mich für diese Gedanken gerade ohrfeigen.
„Ja, Zuckerherz, aber das wäre zu schwer für dich. Keine Sorge, ich schaffe das ganz alleine."
Ich rolle meine Augen. Mit einer Drehbewegung schnappt er sich zwei grosse schwarze Louis Vuitton Taschen und wirft sie über die Reling auf mein Boot. Dann nimmt er den Schlüssel von der Zündung und klettert von seiner Undine zu mir ins bescheidene Tauchboot ohne Namen.
„Ich bin Alexander Rosenberg", stellt er sich vor und streckt mir die Hand hin.
Sein Name strotzt nur vor deutschem Adel und ich weiss nicht, ob es das ist, was mir missfällt, oder ob meine Abneigung eher dem Geruch seines herben Aftershaves zuzuschreiben ist, das er trägt. Dieser Junge ist mir zu sauber. Ich blicke von seinen langen, gepflegten Fingern zu seinem Gesicht, das meine Skepsis mit einem schelmischen Grinsen quittiert.
„Mariana", antworte ich knapp und ignoriere seine Hand. „Und nenn mich nicht Zuckerherz."
Ich lasse den Motor aufheulen und drücke den Schalthebel nach vorne, sodass Alexander rücklings und hoffentlich unsanft auf die gepolsterte Bank fällt.
„Die Freude ist in dem Falle ganz meinerseits. Zuckerherz", höre ich ihn hinter mir sagen.
Ich schweige und steuere das Motorboot zurück an den Strand. So ein geleckter Snob hat uns hier gerade noch gefehlt. Jetzt ist mir jedoch klar, weshalb Bob mich vorgeschickt hatte. Der hätte diesen Kerl sofort den Brillenaffen geopfert. Es ist mir schleierhaft, was mein bodenständiger Chef von solch einem Schnösel wollen könnte. Innerlich beschliesse ich, bei Gelegenheit ein Wörtchen mit Bob zu reden.
„Geil", bewertet Alexander den Anblick des idyllischen Strandes, als wir uns dem Jetty nähern.
Wir steigen aus dem Motorboot. Obwohl ich mich jetzt lieber in meine Hängematte verziehen würde, um eine Zigarette zu rauchen und den ereignisreichen Tag zu verdauen, erfülle ich pflichtbewusst meine Aufgabe.
„So. Alexander–", beginne ich.
„Für dich bin ich Alex", unterbricht er mich. Seine hellen Augen glänzen vergnügt.
„So. Alex", sage ich durch zusammengepresste Zähne und richte den Blick nach vorne. „Willkommen im Bubbles Eco-Resort!"
Ich breite meine Arme aus und lasse ihn den Anblick des von Palmen umrandeten Strandes einsaugen.
„Wie du wahrscheinlich bereits gemerkt hast, kommt man nur über den Wasserweg an diesen Strand. Die Normalsterblichen unter uns verfügen nicht über ein privates Motorboot. Das bedeutet, dass man normalerweise auf das Wassertaxi warten muss. Dieses schaut hier regelmässig vorbei und legt am Jetty an. An schlechten Tagen kann es allerdings sein, dass man bis zu drei Stunden warten muss - malaysisches Zeitgefühl eben. Gewöhn dich besser daran."
„Keine deutsche Pünktlichkeit also", murmelt er vor sich hin.
„Nein. Das hier ist etwa wie die Deutsche Bahn bei einem Grossstreik. Verlass dich besser nicht darauf", entgegne ich.
Alex lacht leise auf, was für eine Sekunde eine Kurzschlussreaktion in meinem Kopf auslöst. Es klingt so warm und angenehm.
Wo war ich?
„Es ist kein Ort des Massentourismus. Das Schlimmste, was einem hier passieren kann, ist die Ankunft von Gen-Z-Touristen, die nur für ihren Social-Media-Account an den Strand reisen und höchstens zwei Tage unter den Palmen verbringen. Das Inselleben ist für die anspruchsvollen Post-Millennials eben viel zu langweilig. Dieselbe glasklare, türkise Suppe, die einem jeden Morgen entgegen rauscht und zum Abtauchen einlädt. Echt öde, so ein schöner Ozean."
Den zynischen Kommentar konnte ich nicht unterlassen, denn ich schätze Alex genauso ein. Als ein ignorantes, reiches Kerlchen, das die Welt zwar schon gesehen hat, aber nur durch die getönten Gläser seiner teuren Sonnenbrille.
Er hat sie nie im Klaren gesehen, da bin ich mir fast sicher.
Alex reagiert nicht auf meine Seitenhiebe und folgt mir durch den Sand. Mit seinen weissen Schuhen hat er sichtlich Mühe, sich fortzubewegen. Tja, da helfen auch so teure Latschen nicht.
„Die ziehst du besser aus. Hier laufen alle barfuss rum. Schuhe brauchst du nur auf dem Festland", meine ich und führe ihn den gestampften Weg hoch, der an dem überdachten, aber offenen Speisesaal vorbeiführt.
Ein Holzweg schlängelt sich durch die Bungalows der Gäste. Die grossblättrigen Palmen spenden uns Schatten. Über unseren Köpfen raschelt es und ein paar Affen flitzen vorbei. Alex legt den Kopf in den Nacken.
„Das Zweitschlimmste, was hier sonst noch so passiert, sind die elenden Brillenaffen, die die Touristen manchmal mit Kacke bewerfen. Denen wird auch mal langweilig, das muss man ihnen lassen. Mich haben sie zum Glück noch nie getroffen. Sie scheinen mich zu mögen. Mal sehen, ob du ein gutes Ziel abgibst."
„Die laufen frei rum?", will Alex wissen.
„Ja. Wir befinden uns mitten im Dschungel. Was erwartest du ...? Dass wir die irgendwie einzäunen? Wilde Affen?"
„Beissen die nicht?", hakt er weiter nach.
Ich schüttle den Kopf. „Nein, die sind harmlos. Aber Pepe - so nenne ich den frechsten aller Brillenaffen - ist ein wirklich präziser Kaka-Weitwerfer. Wenn du den siehst, würde ich mich ducken."
Schon wieder lacht Alex und löst damit ein Kribbeln in meinem Bauch aus. Ich spanne ganz unwillkürlich meine Muskeln an, um das Gefühl abzuklemmen.
„Da drüben ist unser Notfallraum", sage ich und beschleunige meinen Schritt. „Falls unsere Gäste sich an den scharfkantigen Felsen verletzen, sich beim Tauchen eine Stickstoffvergiftung holen oder mit Symptomen einer Dekompression eingeliefert werden, können wir ihnen hier erste Hilfe bieten."
„Dekompre-was?", fragt Alex.
„Dekompressionskrankheit", wiederhole ich und als ich in seinem dummen Gesicht erkenne, dass er nicht weiss, was das ist, erkläre ich es ihm netterweise: „Dir ist vermutlich bekannt, dass man beim Tauchen einem erhöhten Umgebungsdruck ausgesetzt ist. Das Gewicht des Wassers drückt auf deinen Körper. Da dein Körper mehrheitlich aus Wasser besteht, fühlst du die Veränderung des Umgebungsdruckes nicht auf der Haut. Anders verhält es sich jedoch bei der Luft in deinem Körper. Der Sauerstoff, den du in den Lungen hast, wird durch den Umgebungsdruck so stark zusammengepresst, dass er an Volumen verliert. Je tiefer du tauchst, desto mehr wird die Luft zusammengepresst. Das hat natürlich auch Auswirkung auf den Sauerstoffaustausch in deinem Blut. Bei der Dekompressionskrankheit bilden sich in deinem Blut und Gewebe plötzlich Gasbläschen. Das kann beispielsweise bei einem Druckabfall passieren, also wenn man zu schnell auftaucht."
„Aha", sagt er nur. Wahrscheinlich hat mir der Idiot gar nicht zugehört, geschweige denn verstanden, was ich ihm da gerade erklärt habe.
„Das kann tödlich enden, wenn der Stickstoff nicht abgeatmet werden kann", füge ich dramatischerweise noch hinzu.
Bisher hatten wir Glück, dass uns dies noch nie passiert ist, trotz regelmässiger Tauchgänge und Anfängerkurse. Dennoch müssen wir immer vorsichtig sein, wenn wir besonders tauchfreudige Touristen hier haben. Bob behält dann immer ein wachsames Auge auf sie, um die frühen Zeichen dieser hinterhältigen Krankheit zu erkennen.
„Hier sind die Hotelzimmer und Bungalows der Gäste. Das Personal schläft weiter hinten, etwas abseits von den Touristen in separaten Hütten", spreche ich weiter und führe ihn zum hinteren Teil, wo nur noch das Personal Zutritt hat.
Wir kommen vor unserem Haus zum Stehen. Die weisse Farbe blättert an den Aussenwänden bereits ab. Das Dach besteht aus getrockneten Palmenblättern. An unserer Tür hängt die Zahl 5 etwas schief an ihrem Nagel.
Ich stosse sie auf und trete ein.
Lieke, unsere Yoga-Instruktorin und meine zweite Mitbewohnerin, macht gerade den herabschauenden Hund auf einer Matte mitten auf dem Boden. Ihre knackigen Pobacken, eingepackt in einer engen Yogahose, streckt sie uns dabei begrüssend entgegen. Einen Anblick, an den ich mich schon längst gewöhnt habe. Sie hat ihre Kopfhörer montiert, um ganz in ihrem Dhyana zu versinken.
Enzo liegt frisch geduscht auf seinem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt, seinen Mac auf dem Schoss. Seine Augen kleben am Bildschirm. Er muss sich die Fotos von unserem Tauchgang gerade reinziehen.
Ohne Alexander weiter zu beachten, werfe ich mich bäuchlings neben meinen französischen Kollegen aufs Bett, so dass die Bettlatten empört knarzen. Ich will unbedingt sehen, wie die Fotos geworden sind.
„Und?", möchte ich wissen. Meine aufrichtige Neugierde zaubert ein Lächeln auf seine Lippen.
„Mariana, ich sag es dir. Du hast ganze Arbeit geleistet. Ich glaube, das sind die besten Schnappschüsse, die ich je gemacht habe!", sagt er stolz und schiebt den Bildschirm zu mir, sodass ich sehen kann, was er meint.
Tatsächlich.
Ich erkenne meine Silhouette vor dem Hintergrund des versunkenen Schiffes. Das Licht fällt auf meine sonnengeküsste Haut, die Luftblasen, die sich in die Höhe begeben, formen eine perfekte Spirale. Meine Haare scheinen wie die Arme einer Anemone mit der Strömung des Wassers zu tanzen.
„Ich muss nur etwas am Licht und der Sättigung schrauben", kommentiert Enzo seine geniale Arbeit, während ich mich durch die Galerie klicke und alle Fotos von unserem Tauchgang begutachte.
„Enzo, die sind wundervoll!", komme ich zum Schluss.
Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie Alexander in unser spartanisch eingerichtetes Zimmer tritt und die Luft laut durch den Mund einzieht. Der Sonnyboy ist wahrscheinlich viel luxuriösere Hotelsuites gewohnt, als das hier. Ich schmunzele schadenfreudig, drehe mich auf den Rücken um und stütze mich von den Ellbogen ab.
„Zu klein für den VIP?", frage ich.
„Ihr schlaft zu dritt in dieser Besenkammer?", stellt er mir, oder besser gesagt uns allen, die Gegenfrage.
„Ab heute zu viert", korrigiere ich ihn und zeige mit meinem grossen Zeh auf sein Bett. „Hier schläfst du."
Alexanders Augen fallen auf das säuberlich gemachte Bett. Ich kann es förmlich hören, wie es in seinem Kopf rattert. Er als europäischer Riese wird darin kaum Platz finden: Seine langen Beine wird er nicht strecken können, seine Birne wird er mit grosser Wahrscheinlichkeit am hölzernen Kopfteil anstossen. Ausserdem ist seine Schlafstätte am ungünstigsten Ort in unserem Zimmer platziert: Gleich neben der Toilette und der Dusche. Da ist nichts mit lang schlafen.
Mein innerer Teufel grinst breit.
Seine Brauen jagen in die Höhe und er lässt die Taschen auf den Boden fallen. „Hier soll ich schlafen?" Die Empörung ist ihm nicht nur deutlich anzusehen, sondern auch anzuhören.
Enzo schiebt seinen Laptop zur Seite. „Ist alles ein bisschen gewöhnungsbedürftig!", versucht er den Deutschen zu beruhigen. „Einen Vorteil hat es aber, das Zimmer und die Dusche mit zwei Frauen zu teilen."
Alexander zuckt mit den Schultern. „Ahja und welchen? Sie schnarchen nicht?"
„Sie führen dir regelmässig ihre Titten vor!", grinst Enzo dümmlich.
Dieser Kommentar hat zur Folge, dass ich Enzo eins heftig über den Hinterkopf ziehe, ohne darauf zu achten, ob ich ihm damit ein paar Hirnzellen töte - nein - ich schlage mit voller Absicht fest zu. Hoffentlich habe ich möglichst viele von diesen Zellen erwischt!
„Ey, du Penner!", fauche ich. „Das stimmt gar nicht!"
Er kichert aber nur und springt von seinem Bett. „Es freut mich ganz besonders, endlich mehr Testosteron in diesem Zimmer zu haben!", meint er an den grossen Deutschen gerichtet. „Ich bin Enzo, der Franzose."
„Die Kröte", murmle ich, aber niemand hört mich.
Der blonde Surferjunge schüttelt Enzos Hand. Ein Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln. „Alexander. Freut mich."
„Lass dich von der Zicke", meint Enzo und zeigt mit dem Daumen dabei auf mich, „nicht unterkriegen. Sie ist mit allen so. Ich behaupte ja, sie sei sexuell frustriert, aber–"
„ENZO!", schreie ich wütend.
Schon fliegt das Kissen durch den Raum, knallt jedoch Alex auf die Brust und fällt zu Boden. Eigentlich wollte ich Enzo treffen, aber egal. Alex schüttelt nur grinsend den Kopf. Zu seiner eigenen Sicherheit schweigt er. Ich rechne es ihm in dem Moment gerade hoch an, dass er keinen weiteren Kommentar über Enzos Provokationen verliert. Der Franzose setzt sich wieder neben mich hin.
Alex hebt seine Taschen vom Boden auf und drückt sich an Lieke vorbei, die - wohlgemerkt noch immer in ihrer Meditationstrance - mit geschlossenen Augen in einer spagat-ähnlichen Position verweilt, die jedem Menschen nur schon beim Anblick Schmerzen durch die Gliedmassen jagt.
Mir entgeht dabei nicht, dass er eine unendlich lange Zeit auf ihren schönen Hintern gafft. Da ich es überhaupt nicht gutheisse, dass meine Freundin zum Objekt seiner Begierde wird, fahre ich in der Aufzählung aller wichtigen Informationen über das Bubbles fort, in der Hoffnung, dass er seine Aufmerksamkeit nicht den knackigen Pobacken meiner Kollegin widmet, sondern mir:
„Der Tauchshop ist von 09:00 bis 15:00 Uhr geöffnet. Die Anfängerkurse finden Vormittags und die Profikurse Nachmittags statt. Ich gehe davon aus, dass Bob dich morgen in deine Aufgaben in der Administration einweisen wird."
Das Wort sage ich absichtlich abwertend, denn ich bin noch immer der festen Überzeugung, dass Alex hier eigentlich wirklich nicht gebraucht wird.
„Den Gästen wird Frühstück, Mittagessen und Abendessen am Buffet serviert. Staffmitglieder dürfen sich nicht am Buffet bedienen! Merke dir das. Wir kriegen unsere eigenen Mahlzeiten."
Alex nickt und setzt sich auf sein Bett. Mittlerweile hat Lieke mitbekommen, dass ein neuer Mensch in unser Zimmer eingezogen ist. Sie begrüsst ihn mit einem abwesenden Winken, macht jedoch weiter in ihrem Yoga-Flow. Manchmal beneide ich ihre Fähigkeit, sich so konzentrieren zu können.
„Dir ist bei deiner Ankunft hier auf der östlichen Seite von Malaysia bestimmt aufgefallen, dass die Mehrheit der Bevölkerung streng muslimisch ist."
Ich blicke ihn erwartungsvoll an. Hoffentlich war der gute Junge so intelligent und wusste, worauf er sich einliess, als er dieses Land betrat. Die Hauptreligion in Malaysia ist der Islam und in gewissen Regionen herrschen ganz andere Regeln. Auf der weniger touristischen Ostküste, auf welcher wir uns befinden, ganz besonders.
„Ja. Am Hafen war es voll mit Schulklassen. Die Mädchen trugen alle Kopftücher in derselben Farbe", meint er dann und ich atme erleichtert auf.
Ganz so fest auf den Kopf gefallen ist er also nicht.
„Genau", sage ich und fahre fort. „Deswegen sind die Kleidervorschriften für uns im Resort relativ streng. Aus Respekt sollen wir uns nicht zu freizügig anziehen. Das bedeutet für dich, Alex, kein FKK, und für mich zum Beispiel kein oben ohne."
„Kein skinny dipping", klagt Enzo von seinem Bett aus.
Alex schaut auf sich herab. Sein Oberkörper schimmert von dem leichten Schweissfilm, der sich aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit darauf gebildet hat. Seine Bauchmuskeln stechen selbst in der sitzenden Position deutlich hervor.
„Aber die Touristen dürfen in ihren knappen Badeanzügen im Wasser plantschen?", kommt die berechtigte Frage seinerseits.
„Für die Gäste gelten andere Regeln. Staffmitglieder zählen quasi als Einheimische. So sind nun mal die Regeln. Nicht zu viel nackte Haut, wenn du im Shop arbeitest. Wenn du baden gehen willst, dann ist es okay, aber nicht bei der Arbeit", erkläre ich.
Für einen Moment scheint er zu überlegen, dann zuckt er mit seinen kräftigen Schultern. „Okay. Damit kann ich leben", kommt er zum Schluss und knöpft sich sein Leinenhemd zu.
„Noch was", füge ich an. „Es ist absolut untersagt, sich vor den Gästen zu betrinken. Wenn du feiern willst, dann tue das hier in unseren vier Wänden."
Enzo hebt sein Bettlaken hoch und offenbart Alex den Alkoholvorrat, den er bei dem letzten Trip aufs Festland aus der Stadt ersteigert hat. Alkohol wird in Malaysia teuer besteuert und ist an der Ostküste ein rares Gut. Da Lieke, Enzo und ich ab und zu unsere eigenen Feste feiern, haben wir unser persönliches Alkohollager aufgebaut. Ganz im Unwissen von Chen Lu, die uns dafür gleich dreimal mit ihrer Kelle verhauen würde.
„Ich trinke nicht", meint Alex und zum ersten Mal bin ich erstaunt.
Von dem rich kid hätte ich das Gegenteil erwartet, nämlich dass er hier mit einem Trinkproblem antanzt und meckern wird, dass ein Glas Gin so teuer ist. Aber offenbar steckt der blonde Schönling doch noch voller Überraschungen.
Ich hüpfe zu meinem Bett rüber, das auf der anderen Seite des Zimmers liegt. Der beste aller Plätze: Direkt unter dem Fenster, sodass ich nachts die Sterne durch die Palmenblätter sehen kann und die kühlende Brise als Erstes abbekomme.
Ich mache den Schneidersitz.
„Und zu guter Letzt: Wenn Bob oder Chen Lu dich dabei erwischen sollten, wie du mit weiblichen Gästen flirtest oder gar rummachst, dann wirst du den Haien vorgeworfen."
Das sage ich und blicke Alex dabei bedeutungsschwanger in seine hellblauen Glubscher. Er erwidert meinen durchdringenden Blick, zuckt nicht mit der Wimper.
„Das gilt übrigens auch für andere Teammitglieder", fügt Enzo korrekterweise noch hinzu. „Kein Sex, kein Küssen, kein Fummeln, kein Händchenhalten. Kein gar nichts. Mit niemandem."
Alex' Blick ruht noch immer auf mir. Wir liefern uns ein hartnäckiges Duell, in welchem imaginär die Fetzen fliegen. Ich weiss ganz genau, dass es diesem Widerling unglaublich schwerfallen wird, sich nicht auf die attraktiven weiblichen Gäste zu stürzen. Oder auf Lieke, die er so lüstern angeglotzt hat.
„Das sollte kein Problem werden. Habe bisher eh nichts Leckeres zum Anbeissen gefunden", sagt er und grinst schief.
Ich weiss nicht, was es ist, was mir schon wieder die Wut in meine Wangen schiessen lässt, aber diese Aussage missfällt mir so sehr, dass ich meine Finger in mein Bettlaken kralle. Wahrscheinlich ist es nebst der respektlosen Art, über das andere Geschlecht zu sprechen, sein abfälliger Ton, der mich zur Weissglut treibt.
Zum zweiten Mal an diesem Abend fliegt ein Kissen durch den Raum und trifft den blonden Idioten mitten im Gesicht. Leider bricht es ihm seine Nase aber nicht.
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Hallo meine Lieben
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen.
Alexander ist da und bereit, Marianas Welt so mächtig auf den Kopf zu stellen. Na, was haltet ihr von ihm? Nettes Kerlchen? Blöder Angeber? Schnösel? Sonnyboy?
Eins kann ich versprechen. Er wird Mariana auf die Palme bringen. Mehrfach. (Die Zweideutigkeit dieser Aussage ist natürlich reiner Zufall *hust*)
Habt ein wunderbares Wochenende!
Eure Fleur
(Chapter Photo by Louis Gan: https://unsplash.com/photos/mMxb9uRzJsw)
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