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1 - Wasser atmen

✦ MARIANA ✦

„Man kann auf verschiedene Arten ertrinken."

Es ist neun Uhr in der Früh und die Touristen, welche erst gestern hier im Bubbles Eco-Resort angekommen sind, blinzeln mich durch ihre geschwollenen Augen an. Sie sitzen auf ihren Plastikstühlen im Halbkreis vor mir, die PADI-Arbeitsbücher auf den Schössen.

Die morgendlichen Sonnenstrahlen stehlen sich durch die Palmenfächer und führen uns ein sanftes Schattenspiel auf dem Boden vor. Heute wird es schwül, das spürt man an der Feuchtigkeit, die wie ein unsichtbarer Schleier in der Atmosphäre hängt.

Wenn man tief Luft holt, dann fühlt es sich so an, als würde man Wasser atmen.

Ich lasse meinen Blick über die neuen Tauchschüler schweifen. Die blonde Australierin gähnt auf ihrem weissen Stuhl. Sie ist bis hinter die Ohren geschminkt und ich frage mich, ob ihr bewusst ist, dass Tauchen unter Wasser stattfindet und man dort sowas wie Make-up und Lippenstift eigentlich nicht benötigt. Barbie scheint sich jedoch keine Gedanken darüber gemacht zu haben.

Neben ihr sitzt ein Businesstyp. Er trägt ein grünes Poloshirt zu seiner Badehose, seine Brille ist von der tropischen Schwüle an den Rändern angelaufen. Anders als in der Megametropole Singapur, aus der er kommen muss, gibt es hier weit und breit keine Klimaanlage.

Rechts daneben hockt ein Elternpaar. Aus Amsterdam schätze ich am Klang der Worte, die sie murmelnd austauschen. Die zwei Erwachsenen widmen ihre volle Aufmerksamkeit nicht mir, sondern ihrem quengeligen Baby.

Ich seufze leise. Aus Erfahrung weiss ich, dass diese Truppe anstrengend wird. Sie alle wollen während ihres Urlaubs hier auf der malaysischen Insel Pulau Perhentian Besar den Tauchschein machen. Offensichtlich waren sie jedoch nicht darauf vorbereitet, dass ein fünftägiger Tauchkurs mental anspruchsvoll werden könnte und dass man dafür sogar früh aufstehen muss - Urlaub hin oder her.

Unbeeindruckt von den müden Gestalten, fahre ich mit meinem Einführungskurs fort. Ich selbst habe eigentlich wenig Lust, hier zu sein, denn wenn es nach mir ginge, sässe ich jetzt schon auf dem Motorboot in Richtung Divers Cove, auf der Suche nach dem Walhai, der gestern dort gesichtet wurde.

Pflichtbewusst, wie ich bin, stehe ich aber dennoch hier vor den Touristen. Ich werde schliesslich für deren Belaberung bezahlt. Bob - mein Chef - würde mir den Kopf abreissen, wenn ich mich für Spass-Tauchgänge davonschleichen würde.

Was sein muss, muss eben leider sein.

„Merkt euch die folgenden sechs Punkte", fahre ich mit seriöser Stimme fort.

Meine Schläfen pochen. Das zu viele Rauchen und Trinken gestern Abend hat meinen Kopf in eine trübe Wolke gewickelt. Ich versuche, trotz Brummschädel, nicht zu streng und mürrisch zu wirken. Die Touristen sollen ja nicht bereits an ihrem ersten Tag vergrault werden. Sie zahlen schliesslich viel Geld, um hier ihren Traumurlaub zu verbringen.

Im hinteren Bereich des Tauchshops lehnt sich mein französischer Kollege Enzo in den abgesessenen Bürosessel. Auf seinem bärtigen Gesicht hängt ein triumphierendes Grinsen, wofür ich ihm am liebsten den Kopf umdrehen würde.

Nur wegen ihm stehe ich verkatert vor den neuen Gästen. Diese kleine Pariser Kröte hat mich gestern in eine Wette verwickelt und mich ziemlich provokant auf ein Pokerspiel herausgefordert.

Der Wetteinsatz: Ein freier Morgen.

Da ich sehr ungern verliere, musste ich mich auf das Spiel einlassen und nach einem harten Kampf habe ich entgegen aller Erwartungen verloren. Enzo, dieser elende Bluffer hatte nur ein neuner Paar! Normalerweise bade ich beim Pokern im puren Glück, aber Fortuna hatte mich gestern zeitweilig im Stich gelassen.

Wenn ich mich nicht auf diese Pokerrunde eingelassen hätte, stünde Enzo jetzt hier an meiner Stelle und müsste den Anfängerkurs für Taucherfrischlinge durchführen. Stattdessen sitzt er in meinem Bürostuhl, mit einer Tasse frisch aufgebrühten Kaffees vor der Nase und betrachtet mich amüsiert, während ich für heute und morgen die Arschkarte gezogen habe.

Ich lächle zwar etwas künstlich, jedoch so breit wie es nur möglich ist.

Das würde die Frau von meinem Boss - eine kleine Malaysierin, die mit allen Wassern gewaschen ist - jetzt garantiert stolz auf mich machen. Chen Lu ist nämlich die wahre Machthaberin auf dieser Insel. Bob ist hier nur symbolisch der Chef. Wer sich nicht an Chen Lus Regeln hält, kriegt von ihr eins mit der Holzkelle über den Kopf gezogen und da Gewalt immer gewinnt, gehorcht ihr hier jeder. Sie nimmt es eben mit dem strahlenden Lächeln sehr genau und bestraft jeden, der auf der Stirn Kummerfalten wirft. Ihr Überleben hängt schliesslich vom Erfolg dieses Eco-Resorts ab - und somit auch von meinem Lächeln.

Erstens:", sage ich und hebe meinen Zeigefinger in die Luft, „Die meisten Menschen, die versaufen, sinken ab, weil sie zu erschöpft sind. Ihr geschwächter Körper kann den Kopf nicht mehr über Wasser halten. Menschen ertrinken also klammheimlich, im Stillen. Man merkt es kaum oder meist viel zu spät, wenn ihre leblosen Körper dann schon an irgendein Ufer gespült wurden."

Die blonde Australierin vor mir rutscht auf ihrem Plastikstuhl hin und her. Ihr ist das morbide Thema nicht geheuer. Das niederländische Pärchen ist in dem Moment wahrscheinlich auch froh, dass ihr Kind die englische Sprache nicht beherrscht.

Wer spricht schon gerne über den Tod, wenn man sich auf einer Trauminsel mitten im südchinesischen Meer befindet und einfach nur im kristallklaren Wasser baden wollte? Natürlich niemand. Nur gehört das dazu, wenn man hier einen Tauchschein machen möchte.

Mir gefällt es, die reichen Touristen von ihrer rosa Wolke zu reissen. Tauchen kann gefährlich sein. Dessen müssen sie sich bewusst werden und da ist mir jedes Mittel recht - auch Schocktherapie.

Den zweiten Finger strecke ich in die Luft.

Zweitens: Alle Instinkte schalten auf Überleben und da gehört Schreien und nett Winken nicht dazu. Warum schreien Ertrinkende nicht, fragt ihr euch? Das ist ganz einfach: Wenn ihr zu viel Wasser atmet, dann kann sich die Stimmritze in eurem Kehlkopf verkrampfen. Das ist eigentlich ein Schutzmechanismus unseres Körpers, um die Lunge vor einem Fluten zu schützen. Ich weiss nicht, ob ihr schon jemals einen Krampf im Bein oder an einer anderen Stelle hattet, aber Muskelkrämpfe lassen sich schwer lösen. So ist es auch beim Stimmritzenkrampf: Lässt sich nicht lösen, dieser Bastard. Mit anderen Worten: Bei einem Kehlkopf-Stimmritzenkrampf erstickt man, selbst wenn man bereits aus dem Wasser gezogen wurde. Haben Krämpfe so an sich, dass sie schei–", will ich sagen, aber da kommt Chen Lu um die Ecke gehuscht und bevor sie mich vor versammelter Gruppe fluchen hört, kriege ich gerade noch die Kurve gekratzt.

„... schrecklich lange dauern! Dann redet man vom trockenen Ertrinken, weil kein Wasser in die Lunge kommen konnte. Also merkt euch Folgendes: Bei einem Stimmritzenkrampf erstickt man – egal ob unter oder über Wasser. Toll, nicht?"

Keiner der Gäste reagiert zustimmend, weswegen mein Blick wieder auf den hinterhältigen Franzosen an meinem Schreibtisch fällt.

Enzo lehnt sich nach vorne und stellt seine schmutzige Kaffeetasse auf meine säuberlich dokumentierten Unterlagen ab. Das gibt sicher wieder einen schrecklichen Kaffeerand! Als seien meine alphabetisch sortierten Aufzeichnungen keine wissenschaftlich wertvolle Arbeit.

Seinen Blick hat er auf mich gerichtet und selbst von Weitem kann ich das verschmitzte Grinsen sehen. Er weiss, dass ich Unordnung in meinen Forschungsdaten hasse.

Ich knirsche mit den Zähnen.

Schon wieder provoziert der Kerl mich, obwohl er weiss, dass ich mich vor den Gästen - und insbesondere vor Chen Lu, wo sie jetzt auch da ist - beherrschen muss. Diese französische Arroganz geht mir so sehr auf den Keks, dass ich an gewissen Tagen wirklich mit dem Gedanken spiele, Enzo an einen Betonklotz zu befestigen und ihm im Meer zu versenken.

Er wendet den Blick vor mir ab, als Chen Lu vor ihm zum Stehen kommt und ihm etwas zuflüstert. Die zwei murmeln im Hintergrund.

„Ähm", räuspere ich mich im kläglichen Versuch, mich nicht von den beiden ablenken zu lassen, obwohl ich wirklich gerne wissen wollen würde, was sie ihm zu sagen hat.

Ob der Walhai in unserem Riff gesichtet wurde?

Ob wir wegen einer Proviantlieferung wieder in die Stadt fahren dürfen? Ich müsste dringend mal zur Post.

Ich wische mir den Schweiss von der Stirn und versuche meinen Fokus wiederzufinden. Einen weiteren Finger strecke ich in die Luft.

Drittens: Irgendwann wird man wegen des Sauerstoffmangels ohnmächtig. Nach so circa fünf Minuten bewusstlos unter Wasser verabschieden sich schon die ersten Gehirnzellen. Wenn man danach gerettet wird und überlebt, kann es gut sein, dass der Kopf und die Organe langfristig geschädigt sind. Man endet sozusagen als Gurke."

Normalerweise lachen die humorvollen Touristen bei diesem Teil. Nur heute scheint keiner in guter Laune zu sein.

Ob das am schwülen Wetter liegt?

Viertens: Bei sehr wenigen Personen kann sich dieser Kehlkopf-Krampf wieder lösen und dann wird erstmal mächtig Wasser inhaliert. Man kriegt ja Panik und schluckt ziemlich viel. Das Wasser verklebt sodann die Lungenbläschen. Hier spricht man auch vom nassen Ertrinken. Fünftens: Menschen, die kurz vor dem Untergehen waren und von einem David Hasselhoff gerettet werden konnten, jedoch zu viel Wasser eingeatmet haben, sterben Stunden später an den Folgen der Feuchtigkeitsinhalation. Warum? Weil der Sauerstoffaustausch in den Lungenflügeln nicht mehr richtig funktioniert. Hier spricht man vom sekundären Ertrinken, weil das erst an Land passiert und sich unglaublich hinterlistig verhält. Passiert übrigens oft bei Kindern, die im Wasser toben."

Ich blicke vielsagend auf das Baby. Die Augen der holländischen Mutter werden untertassengross. Sie schlingt ihre Arme um den kleinen Antichrist, als könne sie ihn damit vor allem Unglück dieser Welt bewahren.

Sechstens: Seid einfach vorsichtig und springt nicht bei warmem Wetter ins eiskalte Wasser. Dann könntet ihr euch nämlich einen Herzkreislaufschock holen und dann sind wir wieder bei Punkt eins."

Mein Klugscheisser-Monolog ist zu Ende und ich blicke fragend in die Runde meiner Tauchschüler. Niemand regt sich.

„Konntet ihr mir soweit folgen?", möchte ich wissen.

Sie starren alle betreten zu Boden und lassen meine Worte auf sich wirken. Nur das schrille Surren der Insekten im Urwald hinter dem Tauchshop erfüllt die Luft.

Mir ist bewusst, dass Ertrinken nicht das verdaulichste Thema so früh am Morgen ist, doch auch hier gilt wieder: Was sein muss, muss sein. Als Tauchschule sind wir verpflichtet, unsere Schüler über die Risiken zu informieren. Wir wollen ja keine Klage am Hals, wenn sich einer der reichen Touris selbst in Gefahr begibt und uns dann dafür beschuldigen will.

Der asiatische Geschäftsmann hebt vorsichtig die Hand, er denkt wohl, er sei hier in der Schule.

„Ja?", sage ich auf Englisch und ringe mir ein freundliches Lächeln ab.

„Punkt sechs kann uns bei den Temperaturen hier aber nicht passieren", meint er höflich und schiebt sich seine Brille wieder aufs schwitzende Nasenbein.

Der Typ hat aufgepasst. Immerhin einer.

„Korrekt. Malaysia liegt zwar in den Tropen, Punkt sechs ist aber trotzdem wichtig zu wissen", antworte ich. „Sonst noch Fragen?"

Keiner wagt es.

„Gut. Dann schauen wir uns jetzt die Ausrüstung an. Hier lang, bitte", murmle ich und steuere auf den hinteren Teil des Dive Shops zu.

Die Tauchschüler folgen mir wie kleine Entlein ihrer Mutter. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich Enzo vom Schreibtisch erhebt und zur Hängematte schlurft, um sich eine Zigarette anzuzünden.

Wie gerne würde ich das jetzt gerade auch tun!

Frustriert knurre ich in mich hinein. Seit einem Monat hatte ich schon keinen freien Morgen mehr. Es ist höchste Zeit, dass ich mir mal eine Auszeit nehme. Bei dem Touristenandrang in den letzten Tagen gleicht das jedoch einem Ding der Unmöglichkeit.

Wir Tauchlehrer werden täglich gebraucht. Bobs Geldbeutel freut es, meine Tränensäcke nicht so. Ich müsste dringend mal ausschlafen.

„Mariana!", höre ich Chen Lus hohe Stimme rufen.

Ich drehe den Kopf fragend in ihre Richtung. Normalerweise stört sie mich nicht bei der Arbeit, denn ihr ist Professionalität vor unseren Gästen extrem wichtig.

Die asiatische Frau steuert zielstrebig auf mich zu, ihre hüftlangen, rabenschwarzen Haare baumeln im Takt ihrer Schritte. In dem blumigen Kleid, das sie trägt, sieht sie aus wie ein Kind, da würde man ihr die vierzig Jahre auf dem Buckel niemals geben. Ihre kleine Körpergrösse hilft dabei auch nicht sonderlich. Schnell habe ich jedoch gelernt, dass bei Chen Lu der Schein trügt. Sie sieht zwar unschuldig und harmlos aus, ist es aber keinesfalls. Mit ihr legt man sich besser nicht an.

„Was gibt's?", frage ich verwundert und in der leicht unsicheren Erwartung, dass mich gleich eine Standpauke erwartet. Von Weitem habe ich es ihr schon angesehen. Sie ist schlecht gelaunt.

„Heute Nachmittag kommt ein wichtiges Teammitglied in Kota Bharu an. Du wirst ihn einweisen, sobald er am Jetty landet. Verstanden?"

Mit Chen Lu ist nicht zu diskutieren und man hat ihr nicht zu widersprechen. Jedes Wort ist Gesetz, deswegen nicke ich ganz automatisch.

„Verstanden", sage ich etwas überrumpelt.

Mir war nicht bewusst, dass wir schon wieder ein neues Staffmitglied erwarten. Das klingt für die überarbeitete Tauchlehrerin in mir allerdings nach guten Neuigkeiten. Wir sind seit Wochen vollkommen ausgelastet. Neues Personal könnte potenziell entlastend auf uns alle wirken.

Dennoch ist es höchst ungewöhnlich, dass wir unser Team mitten in der Hauptsaison erweitern. Die ganze Einarbeitung wird Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen. Beides Dinge, die wir eigentlich nicht zur freien Verfügung haben. 

„Was wird er—?", will ich wissen, da fällt mir Chen Lu ins Wort.

„Administrationsarbeiten im Tauchshop."

Ich runzle die Stirn. „Kein Tauchlehrer?"

Chen Lu schüttelt energisch den Kopf. „Administration. Im Shop", wiederholt sie und deutet auf den Papierkram auf dem Bürotisch – auf meinen Papierkram.

„Seit wann brauchen wir denn sowas?", hinterfrage ich etwas zu schnell.

Ich kann meine Verwirrung wirklich nicht verbergen. Wir benötigen mehr Tauchlehrer und ganz bestimmt keine Büroangestellten!

Chen Lu zieht ihre bedrohliche Augenbraue hoch. Das tut sie immer, wenn sie einen zum Schweigen bringen will. Ich beisse mir auf die Unterlippe und verkneife mir den Kommentar, dass wir keine solch unnützen Jobs vergeben sollten.

„Bob hat das entschieden", gibt sie mir dennoch Antwort. „Das freie Bett in eurer Unterkunft wurde frisch bezogen. Der Neue wird bei euch im Bungalow schlafen. Kann ich mich darauf verlassen, dass du ihm alles zeigen wirst?"

„Warum eigentlich wichtig?", platzt die nächste Frage aus mir heraus, was eine irritierte Zuckung in Chen Lus Gesicht auslöst.

Ihre mandelförmigen Augen verengen sich. Instinktiv ziehe ich den Kopf ein, obwohl ich weiss, dass sie ihre Strafkelle nicht dabei hat. Die böse Augenbraue hätte mich eigentlich zum Schweigen bringen sollen, aber ich kann es halt einfach nicht unterlassen, die kritischen Fragen zu stellen. So bin ich nun mal gestrickt.

„Was meinst du?" Die Worte zischen nur so über ihre Lippen.

„Warum er wichtig sein soll, will ich wissen. Ist er irgendwie berühmt oder was? Hat er ein Heilmittel gegen Krebs erfunden?"

„Was weiss ich schon!", antwortet sie und läuft davon.

Perplex schaue ich ihr nach. An ihrer Stimmungslage habe ich gespürt, dass sie nicht begeistert ist von diesem "wichtigen" neuen Teammitglied und ich kann es nicht vermeiden, deswegen neugierig zu werden.

Wen hat Bob da wieder auf die Insel eingeladen und was heckt er aus? Allzu gerne würde ich dieser Frage jetzt nachgehen wollen.

„Entschuldigung", holt mich die australische Touristin auf den Boden der Tatsachen zurück. „Wo ist hier die Toilette? Ich muss dringend pinkeln."

Ihr Akzent trieft vor lauter Down Under. Mit dem Kinn zeige ich ihr die Richtung an. Sie verschwindet für einen kurzen Augenblick um die Ecke, während ich mit der Einweisung der anderen Touristen fortfahre.

Meine Gedanken rund um Bob und seine mysteriösen Gäste schiebe ich für den Moment zur Seite.

„Zur Standardausrüstung eines Tauchers gehören: Maske, Gewichte, Tauchflaschen, Tarierjacket, Flossen, Atemregler, Tauchcomputer und Anzug. Du da, komm mal her!"

Der Niederländer schlurft näher zu mir heran. Ich suche eine pinke Maske in der passenden Grösse für ihn heraus aus und fische ein Paar Flossen aus dem Regal. Das Gleiche mache ich mit all den anderen Tauchsprösslingen. Mit Mühe und Not schlüpfen sie in ihre Neoprenanzüge, während ich genüsslich eine Zigarette anzünde und sie dabei beobachte.

Als Barbie wieder zu uns stösst, satteln wir uns die Sauerstoffflaschen auf den Rücken und watscheln über den weissen Sand ins Meer. Im hüfthohen Wasser bleiben wir stehen. Es schwappt und blubbert um uns herum.

Anfängerkurse sind mühsam. Man dümpelt im seichten Wasser und feilt an den Grundlagen:

1) Wie flute ich meine Maske, ohne dabei in Panik zu geraten?

2) Wie tariere ich meine Jacke, so dass ich nicht wie ein Stein auf den Meeresgrund stürze, sondern elegant wie ein süsses kleines Blatt dem Boden entgegen schwebe?

3) Wie lese ich meinen Tauchcomputer?

4) Wie produziere ich kleine Bläschen mit dem Atemregler?

Als Tauchprofi kommt es mir so vor, als müsse ich den Leuten das Atmen und selbstständige Denken neu beibringen.

Die Stunde verstreicht zu meinem Glück relativ schnell und sobald ich alle Gäste mit einem überfreundlichen Lächeln verabschiedet habe, schmeisse ich mich in meine Hängematte, die zwischen zwei tiefliegenden Palmen montiert wurde und den besten Ausblick aufs Meer bietet.

Ich will die Füsse hochlegen, dem rhythmischen Seufzen des Meeres zuhören und mir eine kühle Kokosnuss gönnen.

✦✧✦

Eine Weile liege ich da und geniesse das sorglose Inselleben. Um mich herum herrscht reges Treiben. Am Strand holen sich die neuen Gäste bereits fleissig ihren ersten Sonnenbrand, einige schnorcheln bei den Felsen und die Familien begutachten die Schildkrötennester, welche wir sorgfältig eingezäunt haben.

Enzo gesellt sich nach seiner Fortgeschrittenenstunde zu mir und zupft an seiner verstimmten Gitarre. Seine schwarzen, mittellangen Haare sind zwar noch nass, trocknen bei der Hitze jedoch in Windeseile.

Pirates Bay, heute Nachmittag?", fragt er mich, ohne von seinem Instrument aufzublicken.

Ich blase den Rauch meiner Zigarette durch die Nase aus. „Meh", antworte ich.

Der Franzose hebt den Blick und kräuselt flehend die Stirn. „Allez-y, Mariana! Ich habe Lust auf das Schiffswrack."

Ich seufze laut. Enzo will an seiner Tauchfotografie feilen, das weiss ich ganz genau. Das rostige Schiffswrack im südlichen Atoll hat es ihm angetan, denn es bietet bei klarem Wasser und helllichtem Tag eine spektakuläre Kulisse.

Weisser Sand, Korallen, farbige Fische und ein totes Schiff.

„Muss ich wieder Model spielen?", frage ich und zünde mir eine weitere, selbst gedrehte Zigarette an.

Er nickt grinsend. „Du weisst, dass du halt einfach toll aussiehst. Meine persönliche, kolumbianische sirène ..."

„Halt die Fresse!"

Ich bin alles andere als eine Meerjungfrau. Wenn, dann bin ich ein Barrakuda. Starre Augen, grosses Maul und scharfe Fangzähne. Mir kommt man lieber nicht zu nahe, sonst beisse ich und lasse meine Opfer im Wasser verbluten.

Enzo kichert leise. „Dafür kriegst du zehn Schachteln Zigaretten, ma chère", meint er dann nur.

Ich überlege einen kurzen Moment, denn eigentlich hatte ich von Chen Lu ja die Aufgabe bekommen, diesen bedeutenden Neuling zu empfangen, der später irgendwann hier ankommen soll. Aber wenn ich auf mein Ozeanherz höre, dann gibt es da eigentlich nichts mehr zu überlegen. Ins Wasser zieht es mich immer. Da hält mich auch kein wichtiger Gast davon ab.

Der kann warten.

„Okay. Heute Nachmittag", gebe ich nach.

„Cool."

„Cool."

✦✧✦✧✦

Hallo ihr schönen Menschen

Wir sind auf der Schildkröten-Insel angekommen und ich hoffe, ihr habt euch soweit gut eingelebt. Setzt euch in den Schatten, denn es wird heiss. Ich will ja nicht, dass ihr euch gleich am ersten Tag einen bösen Sonnenbrand holt.

Wie gefällt euch Mariana soweit?

Ich muss gestehen, sie hat leider einen etwas schlechten Tag erwischt, aber ich verspreche, es wird nur besser. Besonders mit der Ankunft dieses wichtigen Menschen. ;-)

Wer von euch war eigentlich schon einmal in Asien oder will da mal hin?

Macht's gut und bis bald ❤️

Sonnige Grüsse

Eure Fleur


(Chapter Photo by FleurDeCel)

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