Kapitel XV
Die ersten Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch den schmalen Spalt zwischen Gardine und Wand bahnen, wecken mich. Blinzelnd starre ich an die hohe Decke, versuche mir in Erinnerung zu rufen, warum mein Kopf dröhnt und ich mein Nachthemd falschherum trage.
Um mir sicher zu sein, dass ich nicht träume, wackle ich mit dem rechten Zeh, dann mit den Fingern der linken Hand. Etwas Weiches streift meine Fingerspitzen und ich fahre hoch. Ein erschrockenes Japsen entweicht mir, als ich Arkyn erkenne, der an der Seite meines Bettes lehnt und schläft. Er hat den Kopf zurück auf die Matratze gelegt, die Augen friedlich geschlossen. Meine Hand ruht direkt neben seinem Haar. Im nächsten Moment prasseln die Erinnerungen auf mich ein wie eiskalter Platzregen. Sie drücken mich zurück auf das Kissen; ich vergrabe das Gesicht in den Händen. Beim Gedanken an den General stülpt es mir beinahe den Magen um. Alles ist schiefgelaufen, alles, alles, alles.
Wo bin ich eigentlich? Als ich mich aufsetze, schwankt der Raum ein bisschen hin und her, bevor sich meine Sicht schärft. Hübsche Wandtapeten, große Fenster mit dicken Vorhängen und ein Luster direkt über mir. Es muss wohl eins der Gästezimmer sein, das die Königin für mich und meine Freunde vorbereitet hat.
Ich strecke die Hand aus und stupse Arkyns Wange an, sein Kopf sackt zur Seite, bevor er erschrocken die Augen aufreißt. Einen Moment lang sieht er mich so verdattert an, dass ich es mit einem Lächeln versuche.
„Guten Morgen", wispere ich, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll. Als mir die Nähe zwischen uns bewusst wird, ziehe ich mir schnell die Bettdecke bis zum Kinn. Arkyn reibt sich gähnend über die Augen, streckt seine Arme und Beine durch und dehnt seinen verspannten Nacken.
„Scheiße, war das unbequem", meint er. Seine Stimme klingt ganz rau und jagt mir einen Schauer über die Arme. Als er sich ächzend erhebt, um die Vorhänge zurückzuziehen und die ersten Sonnenstrahlen hereinzulassen, jagt ein stechender Schmerz durch meinen Kopf.
„Ich habe das Gefühl, mein Kopf zerplatzt gleich", stöhne ich und will mir durchs Haar streichen, als ich bemerke, dass es immer noch von gestern Abend hochgesteckt ist. Einzelne Strähnen hängen aus der Frisur heraus; bestimmt sehe ich aus wie eine Vogelscheuche.
„Du warst ja auch ziemlich betrunken", meint Arkyn, als wäre das die normalste Sache der Welt, und lässt sich in einem der beiden Chintz-Stühle nieder. Er trägt immer noch seine Sachen von gestern. Ich lasse die Decke sinken, um zu überprüfen, was ich anhabe.
„So betrunken, dass ich mir das Nachthemd falschherum angezogen habe?", seufze ich. Ab einem bestimmten Punkt scheinen meine Erinnerungen gelöscht worden zu sein. Dumpf erinnere ich mich noch an Lavendelduft und Badewasser, doch danach setzen die Gedächtnislücken ein.
Arkyn grinst vorsichtig. „Naja, eigentlich hab' ich es dir angezogen. Du bist beinahe im Stehen eingeschlafen und aus irgendeinem Grund dachte ich, dass die Rüschen hinten sein sollen."
„Was?", entweicht es mir bloß und ich merke, wie mir die Röte in die Wangen steigt.
Arkyn legt den Kopf schief und mustert meinen Aufzug. „Bei Tageslicht sieht es tatsächlich etwas seltsam aus."
Stöhnend vergrabe ich das Gesicht in den Händen, bis mir einfällt, dass sie mit kleinen Schnitten übersäht sind.
„Tut mir leid, Clarice. Ich konnte Panduks und Janaes Zimmer nicht finden und jegliche Bedienstete waren wie vom Erdboden verschluckt", sagt Arkyn, sein Wangenknochen schimmert grünblau, „Wir sind doch ... Freunde."
Ich nicke, als würde mir das Herz nicht bis zum Hals schlagen.
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Als ich vor die Zimmertür meiner Eltern trete, haben sich meine Kopfschmerzen etwas beruhigt, die Haare wurden mir wieder gemacht und ich trage ein frisches Kleid. Nach dem Vorfall von gestern hat mir Königin Charis tatsächlich erlaubt, mit meinen Eltern zu sprechen, jedoch unter einer Bedingung: kein Wort über gestern. Es soll mir recht sein.
Die Tür wird mir geöffnet und ich betrete ein weitläufiges Schlafzimmer. Himmelbett, dunkle Eichenholzmöbel und ein riesiges Gemälde vom Gebirge Alsim an der Wand.
Meine Mutter sitzt am Bett, ein Buch in der Hand. Als sie mich sieht, kommt sie auf mich zu, um mich in die Arme zu schließen. Ich vergrabe mein Gesicht in ihrer Halsbeuge, während sie mich genauso festhält wie früher, wenn ich mir das Knie aufgeschlagen habe oder traurig war, weil ich im Garten einen toten Vogel gefunden hatte. Als ich eine Hand auf dem Rücken spüre, weiß ich, dass mein Vater auch hier ist.
„Setz dich, Liebes", befiehlt mir meine Mutter und drückt mich auf einen bequemen Chintz-Stuhl mit dunkelblauem Überzug. Dann lässt sie sich mit meinem Vater auf dem gegenüberliegenden Diwan nieder. Am Tischchen zwischen uns steht eine Karaffe und ich schenke mir eine Tasse Tee ein.
„Willst du uns erzählen, was alles passiert ist?", fragt meine Mutter vorsichtig und verbirgt ihre zittrigen Hände in ihrem Schoß. Ich nicke. Deswegen bin ich hier. Der Gedanke, dass vielleicht irgendwann wieder zahlreiche Monate vergehen, bis wir uns sehen, schnürt mir die Kehle zu. Sie sollen alles wissen. Ich beginne zu erzählen; schonungslos ehrlich und keine Einzelheiten auslassend. Na gut, fast keine.
Ich berichte von meinen ersten Tagen im Schattenwald, dem Anwesen und meiner Aufnahme in den Dunklen Rat. Ich lasse weder Zinariya noch Magretta, Janae, Xanthio und Panduk weg. Auch Arkyn und meine besonders starken Fähigkeiten sind Teil meines Berichts. Als ich an die Stelle komme, an der Arkyn und ich einen Fluchtversuch aus dem Schattenwald wagen, bleibt meiner Mutter der Mund offenstehen, während mein Vater vor Nervosität, seine Lippe zerkaut. Es folgt die Zeit in Gefangenschaft, die zweite Flucht und Magrettas Tod, das zerstörte Dasos, Xanthios Gefangennahme und der Kampf gegen die Ormonen. Als ich ende, herrscht erstmals vollkommene Stille.
Mein Blick wandert von einem zum anderen, bis mein Vater sich räuspert.
„Ich habe Recht behalten", meint er bloß und als ich fragend die Augenbraue hochziehe, fährt er fort, „Du bist tausendmal stärker, als du aussiehst. Es grenzt an ein Wunder, dass du vollkommen unversehrt hier vor uns stehst. In dir schlummert die Kraft, die die unser Land retten kann."
Als er endet, bricht meine Mutter in Tränen aus.
„Wegen dieser Prophezeiung musste unsere Tochter durch die Hölle gehen", entfährt es ihr und ihre Schluchzer vermischen sich mit den beruhigenden Worten meines Vaters, „Wegen irgendeiner Vision der Königin ist unsere Tochter nicht mehr dieselbe und das wird sie auch nie wieder sein."
Ich merke, wie sich mein Herz bei ihren Worten verkrampft. Auf einmal bereue ich es schrecklich, meine Eltern in diese ganze Sache hineingezogen haben – vor allem meine Mutter.
„Beruhige dich, Camille", meint mein Vater und das Schluchzen meiner Mutter ebbt ab.
Erst jetzt merke ich, dass auch mir die Tränen über die Wangen laufen. Still und heimlich haben sie meine Augen verlassen und meinen Eltern meine innere Gefühlswelt wie auf einem Silbertablett serviert.
„Clarice, ich möchte alleine mit dir sprechen", meint mein Vater und er stellt seine Teetasse auf das Tischchen, bevor er mir deutet, ihm zu folgen.
Durch eine angrenzende Tür betreten wir einen zweiten Raum. Es ist ein großer Salon mit eleganten Möbeln und einem Tisch voller Bücher und Zettel.
„Dein Arbeitsplatz?", frage ich und deute auf das Chaos. Mein Vater nickt und deutet mir, mich zu setzen.
„Deine Mutter hat in den letzten Monaten viel durchgemacht, du musst ihr Verhalten entschuldigen. Sie liebt dich genauso sehr wie vorher und auch genauso sehr, wie ich es tue."
Erneut brennen die Tränen in meinen Augen, aber ich unterdrücke das Gefühl und konzentriere mich auf das Gesicht meines Vaters, das mir seltsam bekannt und unbekannt zugleich vorkommt. Die Haare an seinen Schläfen sind grauer geworden, die Falten auf der Stirn tiefer.
Mein Vater fährt fort: „Ich bin mir nicht sicher, wie ich dir helfen kann. Du bist alt genug, um selbst die Entscheidungen zu treffen, die du für richtig hältst. Aber eines möchte ich dir mitgeben: Lass dich nicht unterkriegen. Was auch immer passiert ist, ist nicht deine Schuld, Clarice."
„Ich habe die Gestaltenwandler auf dieses Land losgelassen, Pa", werfe ich ein und umklammere die am Sessel angewinkelten Beine mit den Armen. Der frische Wind, der durchs geöffnete Fenster bläst, lässt mich frösteln.
„Und das ist genau das, was schon vor hunderten Jahren hätte passieren sollen", weist er mich zurecht, „Dieser Hass gegenüber den Anhängern einer Gabe, dieser grausame Ort, wo sie festgehalten werden? Das sind nicht die Werte, die Duniya vertritt. Dieses Problem muss ein für alle Mal aus dem Weg geschaffen werden."
Seine Worte sind so ernst, dass sich ein beklemmendes Gefühl in meiner Brust ausbreitet, mir die Kehle zuschnürt und die Luft zum Atmen nimmt.
„Meinst du, es wird einen Krieg geben, Pa?"
„Ich fürchte, der Keil, der vor hunderten Jahren durch unser Land getrieben wurde, lässt sich nicht mehr anders entfernen. Wir beide wissen, dass es nur eine Königin geben kann."
„Charis oder Zinariya", wispere ich und mein Vater nickt wie ein Lehrer, dem man die richtige Antwort geliefert hat.
Eine melancholische, den eigenen Gedanken nachhängende Stille tritt zwischen uns ein, während er seine Bücher zusammenklappt und die Mitschriften ordentlich in Stapel aufteilt, deren System nur er selbst versteht.
„Was ist mit deinen anderen Gefährten?", fragt er schließlich, „Kann man ihnen trauen?"
Ich denke an Xanthio, der zu so etwas wie meinem besten Freund geworden ist, an Janae, die nie an mir zweifelt, an Panduk, die nur Arkyn zu durchschauen scheint. Arkyn. Arkyn, der mir die Glassplitter aus der Hand entfernt, der vor meinem Bett schläft, der mir das Nachthemd falschherum anzieht.
„Ja, man kann ihnen trauen", sage ich, als die Pause zu lange wird, und mein Vater mustert die Regungen in meinem Gesicht, „Sie haben alle auf der Flucht ihr Leben riskiert und sind seither nicht von meiner Seite gewichen."
Mein Vater nickt, aber es sieht weder sonderlich beruhigt noch besorgt aus.
„Traue niemandem mehr als dir selbst, Clarice", meint er bloß und ich nicke.
„Du solltest jetzt gehen, sonst kommst du zu eurem Gespräch mit der Königin zu spät", sagt mein Vater und ich erhebe mich widerwillig vom Stuhl. Bevor wir sein Arbeitszimmer verlassen können, greife ich nach seinem Arm.
„Die Königin hält euch nicht nur zu eurem Schutz hier", flüstere ich ihm zu und er lächelt mich wehmütig an.
„Ich weiß", sagt er, „Aber deine Mutter muss es nicht wissen. Sie vertraut unserer Königin mehr, als sie sollte."
Er öffnet die Tür. Ich umarme meine Mutter ein letztes Mal, dann meinen Vater, der mich von der Seite betrachtet, als wolle er sich meinen Anblick noch einmal genauestens einprägen.
„Ich bin stolz auf dich", flüstert mein Vater, als ich die Tür öffne und den Raum verlasse.
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Die Königin erwartet uns in einem der zahlreichen Salons mit Blick auf Satied. Die Tapete, der bestickte Teppich und die hübschen Stühle und Sofas mit ihren geschwungenen Beinen sind alle in cremigen Beige- und Brauntönen gehalten.
Königin Charis sitzt auf einer der zahlreichen Sitzgelegenheiten, den bauschigen Rock ihres smaragdfarbenen Kleids rund um sich drapiert. Erst jetzt fällt mein Blick auf die beiden Personen in den breiten Chintz-Stühlen neben der Königin. Unteroffizier Jami'ins Glasauge blitzt mir entgegen, dann trifft mich der ernste Blick der Leutnantin. Im Gegensatz zur Abendrobe von gestern, trägt sie heute Hosen, Stiefel und Uniformjacke. Das dunkle Haar hat sie streng zurückgeknotet, was ihre hohen Wangenknochen noch schneidender erscheinen lässt.
„Setzt euch bitte", meint Königin Charis und deutet auf die freien Sitzgelegenheiten, auf denen ich mich nun mit meinen Freunden verteile.
„Ich habe heute ein kleines Treffen mit Unteroffizier Jami'in und Leutnant Auia arrangieren können", beginnt die Königin und ich merke, wie Panduk, Janae und Xanthio die ihnen Fremden mustern, „Nach dem kleinen Zwischenfall von gestern ist es mir enttäuschenderweise verwehrt geblieben, euch den Mitgliedern des Rates vorzustellen."
Bis jetzt hatte ich noch nicht die Möglichkeit, meinen Freunden von gestern Abend zu erzählen, doch der Vorfall scheint bereits die Runde gemacht zu haben, denn sie unterbrechen die Königin nicht, um nachzufragen.
„Was passiert mit dem General?", fragt Arkyn, sein Kiefer spannt sich gefährlich an.
„Er ist gerade dabei, seine gebrochene Nase auszukurieren", meint die Königin und lächelt zuerst Jami'in, dann der Leutnantin zu, „Arkyn Andurus rechte Faust ist äußerst treffsicher. Das hätten Sie sehen sollen."
Arkyn schnaubt. „Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich ihm auch noch den Kiefer gebrochen, aber darum geht es hier nicht. Ich will wissen, ob Sie ihn feuern oder einsperren lassen."
„Lass das meine Sorge sein, Anduru", antwortet die Königin und lächelt, „Der General ist kein schlechter Mensch. Was passiert ist, kann nicht bewiesen werden. Aber trotzdem hat sich General Jatus etwas überlegt, um den kleinen Patzer des gestrigen Abends auszugleichen."
Die Worte der Königin fühlen sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Der kleine Patzer? Mir wird übel.
„General Jatus und ich halten es für eine gute Idee, euch für die nächste Zeit einen Unterschlupf in der Armee zu gewähren", ergreift die Königin wieder das Wort, „Unteroffizier Jami'in und Leutnantin Auia aus der Kaserne in Satied haben meinem Vorschlag zugestimmt und werden euch einen Platz in ihren Reihen anbieten."
Kurz ist es still, dann hebt Jami'in die Stimme.
„Ihr habt der Armee mit euren Beschreibungen der Schattenwesen einen großen Gefallen getan. Zurzeit werden zahlreiche Trupps auf der Suche nach den Gestaltenwandlern durchs ganze Land geschickt. Ich habe gemeinsam mit Leutnantin Auia eine Einheit zusammengestellt, die in ein paar Tagen eine Mission in den Schattenwald bestreiten wird. Unser Ziel ist es, das Anwesen der Gestaltenwandlern nach möglichen Hinweisen zu dursuchen. Wir wären bereit, ein paar von euch mitzunehmen. Immerhin ist das wohl der Ort, den ihr am besten kennt. Die anderen können in der Zwischenzeit in der Kaserne bleiben. Wir können euch nicht die besten Posten versprechen, aber es gibt immer etwas zu tun."
Mein Blick trifft den der anderen.
„Das Anwesen?", entfährt es Janae schließlich, sie hat die Fingernägel in den Sofabezug gebohrt, „Sie denken, die Gestaltenwandler sind wieder dorthin zurückgekehrt? Den Ort ihrer einstigen Verbannung?"
Sainika lehnt sich seufzend in ihren Ohrensessel zurück und mustert Janae kurz.
„Wir vermuten, dass die Gestaltenwandler sich längst aufgeteilt und im ganzen Land verteilt haben. Aber der Gedanke, dass eine Splittergruppe wieder an den ihnen am vertrautesten Ort zurückgekehrt ist, ist nicht abwegig. Und sollten sie nicht mehr dort sein, können wir das Anwesen immer noch nach jeglichen Hinweisen absuchen."
Kaum hat die Leutnantin geendet, höre ich Panduk leise lachen, was ihr verwirrte Blicke von der Königin erntet. Es knistert, als ihre Finger durch ihr kinnlanges Haar gleiten.
„Das ist gut", meint sie schließlich und in ihren Augen blitzt es, „Ich wäre sofort dabei."
„Wir werden sehen", sagt Sainika, doch sie lächelt, „Ich werde mich ein bisschen mit jedem von euch unterhalten, um eure Stärken herauszufinden."
Königin Charis klatscht zufrieden in die Hände. Während die anderen den Raum verlassen, bleiben die Leutnantin und ich sitzen. Sie will sich als erstes mit mir unterhalten, ihre strengen Blicke verunsichern mich. Doch nicht nur das – die ganze Situation verwirrt mich. Es scheint, als wolle die Königin uns nach dem gestrigen Vorfall so schnell wie möglich loswerden. Ob das zu unserem Vorteil ist oder nicht, kann ich nicht sagen.
„Nenn mich ruhig Sainika", beginnt die Leutnantin und ich versuche, mir ihren Namen einzuprägen, „Zuerst brauche ich die wichtigsten Daten von dir."
Monoton rassle ich Namen, Geburtsdatum, Wohnadresse und Gabe herunter. Während sie die Information notiert, fasse ich mir ein Herz.
„Darf ich Ihnen ... dir eine Frage stellen?", frage ich zögerlich, die Finger im Schoß knetend, „Wie wichtig ist diese Mission im Schattenwald für uns, für meine Freunde und mich?"
Ich will weitere Fragen anhängen, doch das dunkle Funkeln in den Augen der Leutnantin lässt mich innehalten. Ich merke, wie ihr Blick durch den Raum flattert, als vermute sie einen Spion hinter den bodenlangen Samtvorhängen. Doch wir sind allein.
„Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Du möchtest wissen, ob unser Erfolg im Schattenwald entscheidend über die Wohlgunst der Königin euch gegenüber ist", errät sie meine Gedanken.
„Und wie lautet die Antwort?", wispere ich, meine Stimme zittert kaum merklich.
Sainika zögert, ringt kurz mit sich. Dann merke ich, wie sie nachgibt.
„Soweit ich das beurteilen kann, habt ihr der Königin bis jetzt ziemlichen Ärger eingehandelt. Du musst verstehen, dass sie nicht die Einzige ist, die hinter der Führung Duniyas steckt. Es gibt zahlreiche Minister, Berater, das Heer. Sie ist ebenso von den Meinungen dieser Leute abhängig, von ihren Urteilen euch gegenüber. Der Auftrag im Schattenwald ist nicht nur eine Möglichkeit für euch, sondern auch für die Königin, euch zu beweisen."
Der Chintz-Stuhl knarzt, als sie sich zurücklehnt. Schweigend mustere ich ihr ernstes Gesicht und frage mich, was das nun bedeutet. Sainika räuspert sich.
„Nach dem vermasselten Abendempfang von gestern ist das Gelingen dieser Mission essenziell."
Ihre Stimme hat wieder ihren klaren, unmissverständlichen Klang angenommen.
„Der vermasselte Abendempfang ist aber nicht meine Schuld", sage ich leise.
Sainika schweigt einen Moment lang, dann nickt sie.
„Ich habe es beobachtet", wispert sie, „Nach Arkyn war ich die Zweite und Letzte, die den Festsaal verließ. Ich habe gesehen, wie er den General von dir wegzog, wie er ihm die Nase brach. Königin Charis muss diesen Vorfall vertuschen, aber ihr habt dadurch eine weitere Chance. Vielleicht war es zu eurem Vorteil, dem Großen Rat nicht vorgestellt worden zu sein. Du musst wissen, dass die Mitglieder extrem konservativ sind. Ich denke nicht, dass sie von einem Haufen Gestaltenwandlern als Verbündete viel gehalten hätten."
In meiner Brust zieht es, ich habe nicht den blassesten Schimmer, was ich von den Worten der Leutnantin halten soll.
„Soll ich etwa froh sein, dass der General mich belästigt hat?"
Ein Funken Überraschung huscht über Sainikas Gesicht, ihre Augen blitzen auf. Ihr Chintz-Stuhl knarrt, als sie sich erhebt und mir die Hand reicht.
„Ich bin nicht blind für die Fehler dieses Landes", sagt sie, als ich ihre Hand ergreife, „Wenn ihr um die Gunst der Königin buhlen müsst, werde ich nicht schweigend danebenstehen. Diese Mission ist wichtig für euch, vielleicht sogar lebenswichtig. Und ich habe nicht vor, Leben zu verschwenden. Auch nicht das von Gestaltenwandlern."
Sie lächelt, ihre Augen schmälern sich noch ein Stück mehr.
„Das heißt, du hilfst uns?"
Sie lässt meine Hand los, ihre schlanken Finger umklammern das Klemmbrett.
„Ich tue, was nötig ist, um Gerechtigkeit walten zu lassen."
Das Herz pocht mir in der Brust, als sie mich zur Tür führt, diese öffnet und nach Arkyn verlangt. Zum Abschied ziert ein schmales Lächeln ihre Lippen, das ich vorsichtig erwidere.
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