7 - Marvin
"Wohin fahren wir?" fragte sie als Alexandr genau in die entgegengesetzte Richtung wo es eigentlich zu ihrer Wohnung ging fuhr.
"Wir holen Marvin ab!"
"Marvin?" hakte sie nach.
"Kyles Bruder!" antwortete Alexandr. Aber das musste er gar nicht mehr, genau als sie die Frage aussprach wurde ihr ein riesiger Strom von Informationen über Marvin geliefert, den sie kaum zu verarbeiten mochte. Sie drehte sich zu Kyle um, um ihn direkt an zusehen. "Marvin ist dritte Klasse?! Die hat doch nur vier oder fünf Stunden am ersten Schultag!" warf sie ihn vor. Stille herrschte. Alexandr sah auf die Uhr und trat dann aufs Gas.
Er raste durch die Straßen und drängte sich durch jede noch so kleine Lücke, im Straßenverkehr, wodurch sie fast zwanzig Minuten Zeit sparten. Alexandr stieg direkt vor der Schule auf die Bremse und schon riss er die Tür auf. Wie hatte er das nur über sehen können? Gott verdammt, Marvin sprach noch nicht mal zwei Monate Deutsch. Er konnte nur das was er bei seinen Bruder aufgeschnappt hatte und was sie ihn noch hatten beibringen können. Es war eben das nötigste. Bisher war er immer in einem kleinen Dorf in England gewesen wo jeder, jeden kannte. Nicht in einer Millionenstadt. Er und Kyle hatten ihm versprochen das sie ihn abholten.
Alexandr machte sich selbst die schlimmsten Vorwürfe wie hatte es so eine entscheidende Kleinigkeit außer achtlassen können. Hoffentlich hatte Marvin hier gewartet und sich nicht selbst auf den Weg nach Hause gemacht.
Die Schule sah genau so leer aus wie an dem Tag wo er und Kyle Marvin hier angemeldet hatten. Die Türen und Fenster waren alle geschlossen und es waren nur ein paar Lehrer da. Trotz der eile in der er war, bemerkte er das Alice und Kyle im Gleichschritt auf den Eingang zuliefen und Kyle hielt ihr die Tür auf. Sie schien gar nicht zu bemerken das sie auf ihn wartete, nur damit sie gemeinsam weiter laufen konnte. Kyle legte einen Arm um ihre Hüfte und zog sie näher zu sich. Alexandr knurrte leise. Er wusste selbst nicht warum, er es tat, aber sie in den Armen eines anderen zu sehen störte ihn. Auch wenn es ihr Bruder war. Gott sei Dank, bemerkten die beiden es nicht. Alice sah zu Kyle hoch, ihr Blick vorwurfsvoll. Sie unterhielten sich wieder telepathisch, kein Wunder das er Kopfschmerzen hatte. Er folgte den beiden dicht auf den Fersen.
Alice klopfte an die Tür wo Lehrerzimmer dran stand und nach dem sie das Klappern von Absätzen hörten, machte eine ältere Frau die Tür auf.
Als sie Kyle und Alexandr sah, legte sie auch schon los. "Was denken Sie sich eigentlich? Einen kleinen Jungen der noch nicht mal die deutsche Sprache beherrscht hier einfach so zu vergessen! Er wartet nun schon gut drei Stunden auf Sie, ich will mal wissen was Sie bis jetzt getan haben?!" Die Frau war eine richtige Furie "Ich hoffe Sie haben sich schön im Bett gewälzt! Wenn das nochmal vorkommen sollte rufe ich das Jugendamt!"
Okay das ging jetzt zu weit. Alice reichte der Lehrerin, die sie noch nicht mitbekommen hatte mit einem besonders freundlichen Lächeln die Hand "Hallo ich bin Alice Laneford. Es tut uns wirklich leid, das wir Marvin nicht rechtzeitig abholen konnten, aber wir hatten selbst bis vor kurzem Unterricht und wie waren der Annahme das wir alle nur bis um eins Unterricht hätten." Sie sah der Frau direkt in die Augen, da sie wusste das das bei den meisten Menschen zu einer allgemeinen Verwirrung oder Sprachlosigkeit führte. Sie wusste nicht woran es lag, aber manchmal war es ganz nützlich. Wie jetzt. "Wir haben immer wieder probiert Sie an zurufen, aber es war immer wieder besetzt!" diese Lüge ging ihr ohne Probleme über die Lippen. "Wir haben uns wirklich beeilt!" Und wenn ich von Marvin gewusst hätte, hätte ich einer gewissen Person Feuer unterm Hintern gemacht! fügte sie in Gedanken hinzu und wusste das Kyle es gehört hatte.
Die Frau schlug die Augenlider nieder und schüttelte den Kopf, um wieder klarere zu denken. "Marvin, komm her! Your brother and sister are here!"
"I haven't a sister!" kam die Antwort von drinnen und ein paar Sekunden später erschien ein kleiner, blauäugiger Blondschopf hinter der Lehrerin.
"Boh, it's crazy!" rief er aus und trat vor um Kyle seinen Ranzen in die Hand zu drücken, während er Alice eingehend betrachtete und sie dann mit einen breiten Lächeln angrinste, welches sie erwiderte. Alice reichte der Lehrerin erneut die Hand "Auf Wiedersehen!" sagte sie, bevor Marvin sie noch mehr verraten konnte.
Alexandr und Kyle verabschiedeten sich ebenfalls. "Komm, wir gehen!" Er schob Marvin vor sich her und sie folgten Alice zur Tür heraus, die sie für alle offen hielt.
"Nein!" wiedersprach Alice und drehte sich zu Kyle und Alexandr um. Einzelne Haarsträhnen wehten ihr vom Wind getrieben ins Gesicht und sie strich sie mit einer raschen Geste hinters Ohr. Ihre Wangen waren zornig gerötet und in ihren Augen blitzte Wut, für so viel Verantwortungslosigkeit. Alexandr fand das sie so im Zorn unwiderstehlich aussah und er sah das Alice sie beide, Kyle und ihn, am liebsten angeschrien hätte, um ihrer Fassungslosigkeit und Missbilligung Luft zu machen. Wahrscheinlich tat sie es nur wegen Marvin nicht. Etwas dunkles, primitives regte sich in ihm und er erkannte es als genau das was es war. Verlangen, Begehren, Gefährlich. "Wir können ihn nicht jeden Tag abholen und die alte Schachtel wird dann wirklich noch das Jugendamt einschalten."
"Was schlägst du vor?" fragte Alexandr und warf ihr einen äußerst arroganten Blick zu, um zu verbergen das er sie am liebsten an sich gerissen geküsst und noch viel, viel mehr getan hätte. Das Verlangen kam so unerwartet und plötzlich. Jedes Mal wenn er sie an sah. Er war es nicht gewöhnt so eine starke Reaktion von einem Moment zum anderen, das er einfach nicht wusste wie er damit umgehen sollte.
Alice hätte ihm in dem Moment am liebsten erwürgt, aber sie begnügte sich damit als Erwiderung ihm einen ihrer hochnäsigsten Blicke zu zuwerfen. Dann wandte sie sich Kyle und Marvin zu und ignorierte Alexandr. "Wir sind hier in München!" sagte sie "Was gibt es hier an jeder Straßenecke?"
"U-Bahnstationen!" sagte Kyle, betont heiter dem die Anspannung zwischen Alexandr und Alice nicht entging "Na klar!" Er sprach kurz mit Marvin und der nickte dann.
"Ich will ja nichts sagen aber wir haben in einer halben Stunde einen Termin!" erinnerte Alexandr ihn, seine Stimmung war auf einmal von einer Minute zur anderen in den Keller gezagt. Mit dem Verlangen nach Alice hatte er schon den ganzen Tag zutun, aber es wurde von Minute zu Minute immer schlimmer und vorerst wollte er sich erst mal über einiges klar werden.
"Alice?"
"Sicher!"
Kyle unterhielt sich noch mal mit Marvin. Erklärte ihm das sie mit ihm mit der U-Bahn nach Hause fahren würden. Nachdem Marvin sie gemustert hatte und anscheinend zufrieden war mit dem was er sah, nickte er.
"Wir sehen uns später!" sagte Alexandr zu Alice. Das klang fast wie eine Drohung.
"Mmh!" antwortete sie unbestimmt und ging dann mit Marvin in die Richtung wo sie zuvor eine U-Bahnstation gesehen hatte.
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