Kriminelle Vereinigung aufgedeckt
Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, gehe nach dem Frühstück trainieren und gebe mir die ganze Zeit die größte Mühe, nicht an den gestern geschmiedeten Plan zu denken, um auf keinen Fall verräterische Signale zu senden. Trotzdem sind meine Gesten fahrig und mein Zielvermögen für meine Verhältnisse schlecht. Es hält sich jedoch in einem Rahmen, in dem die anderen es auf meine Aufregung wegen meiner anstehenden ersten Mission schieben können.
Severin und Mirea gehen nach dem Training noch einmal meinen Plan mit mir durch und wir klopfen noch einmal alle Schwachstellen ab. Alle außer Geheimtüren. Perfekt. Als sie zufrieden sind mit meiner Planung und auch die Pläne B und C formuliert und detailreich geplant sind, ist es bereits Nachmittag. Während ich zu Mittag esse, überprüfe ich die Nachrichten und stolpere über eine Meldung: Kriminelle Vereinigung aufgedeckt. Drei gesuchte Mörder wurden heute früh gefesselt mitten im Regierungsbezirk aufgefunden. Die bewusstlosen Männer hatten jeweils einen Aktenordner mit Beweismaterial über ihre Taten im Schoß. Unsere Journalisten waren aufgrund eines anonymen Hinweises als erste zur Stelle. Die Polizei will noch keine Stellungnahme abgeben. Wir werden weiter über die Ermittlungen berichten.
Jubilierend spüle ich meinen Teller ab und beginne mich fertig zu machen. Heute schaffe ich es meine Nase und meine Wangen zu modifizieren, sodass ich nur noch die Maskenteile für Kinn und Stirn und die Fingerabdrücke und Kontaktlinsen brauche. Meine Kleidung muss möglichst unauffällig sein, weshalb ich das anziehe, was ich zu der vorgestrigen Mission mit Kaz anhatte. Ich packe alles ein, was ich eigentlich für meine Mission bräuchte, obwohl ich es nicht brauchen werde, inklusive der selbstkontrahierenden Kabelbinder, mit denen ich Mara fesseln würde.
Im Wohnzimmer wartet Mirea bereits auf mich, um meine Ausrüstung zu überprüfen und gibt mir schließlich das Okay, loszulegen.
Ich begebe mich zu Fuß zu der Boutique, in der ich Mara treffen soll und gebe vor, eine Kundin zu sein. Durch die Kleiderständer stöbernd begutachte ich die Kleidung, nehme immer wieder mal ein Teil in die Hand und mustere es ausgiebig, während ich sie die ganze Zeit im Auge behalte. Sie ist schließlich bereits informiert darüber, dass ich komme, um sie scheinbar zu entführen, weiß aber nicht wie ich aussehe und darf sich auch nichts anmerken lassen, damit die Überwachungsvideos alle meine Geschichte bestätigen. Sie macht ihre Sache gut. Sie räumt die Regale ein, faltet hier und dort ein Kleidungsstück ordentlich zusammen, spricht Kunden an und kassiert. Zwischendurch blickt sie sich unsicher im Laden um. Vermutlich wirkt sie aber nur auf mich unsicher, weil ich weiß, dass ihr bewusst ist, dass sie verfolgt wird. Auf einen Außenstehenden würde es vielleicht eher wirken wie eine Verkäuferin, die immer wieder nachsieht, ob alles in Ordnung ist. Als ihre Schicht zu Ende ist, warte ich, bis sie in der Mitarbeiterumkleide verschwindet, kaufe bei ihrer Kollegin ein Oberteil, das ich vorgegeben habe zu betrachten und warte, bis Mara den Laden verlassen hat, bevor ich ihr, das Shirt in meine Manteltasche stopfend, folge. Ich gebe mir Mühe, mich stets im Aufnahmebereich der Kameras zu halten, ohne dass es bewusst wirkt. Als Mara das Gebäude erreicht, in dem Sona und Nyx auf sie warten, folge ich ihr mit einem Abstand, der vernünftig groß erscheint. Sie biegt um die Ecke, ich gehe hinterher und weg ist sie. Ich gebe mir alle Mühe überrascht auszusehen und mache eine Show daraus, wie ich alle Wege rund um den Block absuche, wie ich das System hacke, um die Aufnahmen der Überwachungskameras zu überprüfen. Eine ganze Stunde spiele ich diese Farce, bis ich die Meister kontaktiere und ihnen mit gespielter Aufregung berichte, dass es schon wieder passiert ist. Estera zitiert mich umgehend nach Hause.
***
„Wie kann das möglich sein? Und dann gleich zweimal in einer Woche!", rufe ich aufgebracht. Ich mische Wut und Verzweiflung in meine Stimme. Entsetzt will ich klingen, ein bisschen ängstlich, dass ich bestraft werden könnte, aber auch wütend darüber, dass mein erster Auftrag durch so ein Geschehen behindert wird. Es soll auf keinen Fall jemand auf die Idee kommen, dass meine Anwesenheit bei den beiden Aufträgen der verbindende Faktor ist. Dieser Gedanke wird aber im Laufe des Tages sowieso zerstreut werden, da auch Leandras und Odos Zielpersonen heute spurlos verschwinden werden. Spätestens dann wäre ich aus dem Schneider. Bis dahin muss ich mir aber trotzdem Mühe geben, dass keine Zweifel aufkommen. Bisher sieht es aus, als wäre ich erfolgreich. Estera sieht misstrauisch aus, aber nicht mir gegenüber. Sie überprüft alle Aufnahmen mehrfach, geht auf der Stadtkarte alle Wege durch, die zu dem Platz und von ihm wegführen und überprüft sogar das Kanalisationsnetz. Als sie nicht fündig wird, sieht sie mich frustriert an.
„Was auch immer da los ist. Wir werden es herausfinden", sagt sie bedrohlich und ich merke, wie mir ein Schauer über den Rücken läuft.
„Ich werde gerne helfen, wie auch immer ich kann", biete ich an. Estera nickt nachdenklich und entlässt mich aus dem Büro. Früher Abend. Zu früh, um rauszugehen, aber zu spät, um irgendetwas anzufangen. Ich fläze mich also erst einmal auf eins der Sofas im Wohnzimmer und gebe vor, über Stadtplänen zu brüten, während ich eigentlich versuche die Form meiner Fingerabdrücke zu verändern.
„Ich hab gehört, heute ist bei dir wieder jemand verschwunden", sagt Kaz, der wie immer plötzlich aus dem Nichts hinter mir auftaucht. In seiner Stimme liegt etwas Lauerndes. Ich mache mich darauf gefasst, von ihm ausgefragt zu werden. Er lässt sich neben mir auf die Couch fallen und begutachtet die ausgebreiteten Stadtpläne.
„Hab ich verpasst, dass wir einen Termin miteinander haben?", fahre ich ihn von der Seite an. Kaz dreht sein Gesicht zu mir und hebt die Augenbrauen.
„Ich hab doch gesagt, dass ich rausfinden will, was da vorgestern passiert ist. Und wenn es dir heute nochmal passiert, scheint es ja irgendein Muster zu geben, was wir bisher übersehen haben", erklärt er. Dieses Mal will ich meinen Standpunkt jedoch deutlich machen und stehe auf, um mich auf das ihm gegenüber liegende Sofa zu setzen. Kaz schnaubt verächtlich. Er scheint etwas sagen zu wollen und es sich dann doch anders zu überlegen, da er den Mund kurz öffnet, ihn dann aber augenrollend wieder schließt.
„Was war an beiden Orten zu beiden Gelegenheiten ähnlich?", fragt er laut nachdenkend und tippt sich mit dem Zeigefinger gegen die Unterlippe. Ich schlucke, versuche mir aber nichts anmerken zu lassen. Man könnte meinen, dass wir uns gestern gut verstanden haben, hätte etwas an seinem Misstrauen geändert.
„Das habe ich mit Estera schon alles durchgesprochen: Es war eine ähnliche Gegend, was die Lage angeht, die Uhrzeit war ähnlich und der Zeitraum dazwischen ist sehr kurz. Sonst gibt es keine ersichtlichen Gemeinsamkeiten", gebe ich die Liste, die ich mit Estera erarbeitet habe, mit überzogen gelangweilter Stimme wieder. Kaz nickt die einzelnen Punkte ab und mustert mich dann eingehend.
„Was?", blaffe ich ihn an.
„Nichts", antwortet er und verengt die Augen, die mich immer noch mustern, zu Schlitzen. Ein Lächeln beginnt seine Lippen zu kräuseln.
„Vielleicht nichts", setzt er hinzu, bevor er aufsteht und in seinem Zimmer verschwindet.
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