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Kapitel 1 - Küstennächte

Wie erstaunlich waren doch die Zeiten, als wir noch Kinder waren. Jung und unverstellt, tollten wir durch diese Welt, und wild und unbedarft, trug der Tag uns sanft davon, die Nacht war uns're Wiege.

Ich erinnere mich nicht mehr an den Moment, als alles zerbrach. Wie kaputtes Glas gab mein Herz nach, der Wind vertrieb die schwarzen Scherben. Der Herbst wirft nun Blätter tot von Bäumen, in einem Land, in dem der Frühling starb. Der Regen fällt wie taube Tränen, im Norden frieren sie zu weißen Perlen. In der Wüste liegst du nun begraben, noch immer fällt stumm Staub auf dich. Ich greife nach den Sternen.

Wie schön wäre es doch, noch einmal Kind zu sein, hätte ich dich nicht verloren.

- Aura, letzter Psalm vor der Hinrichtung


„Glaubst du, es wird wieder jemand sterben?"

Lupus hüllte sich enger in seinen vom Regen durchnässten Umhang, als ein weiterer Windstoß durch die schmale Gasse fegte und die Kälte der Küste mit sich brachte.

Moira antwortete nicht. Stattdessen schlich sie die steilen Straßen hinauf, dicht gefolgt von ihren beiden Begleitern, während der Regen ihre Umhänge benetzte und in Rinnen den Hang hinunter über das Kopfsteinpflaster floss.

Hier oben, in den höheren Vierteln, hatte man einen hervorragenden Blick auf die Stadt, und tief darunter peitschte das Meer gegen die Klippen. Auf den ersten Blick wirkte Klippenzunge fast wie eine friedliche Stadt, in der Kinder tagsüber spielten, die Straßen geschmückt und die Läden gefüllt waren. Auf den zweiten Blick sah man vorbei an den Vorgärten und den herrschaftlichen Bauten der Magier, dorthin, wo die gepflasterten Straßen endeten und die Fäkalien aus den Kanälen in die Gosse rannen.

Sie kannte den Ort nur zu gut. Dort gab es Hütten aus Lehm und Holz, die kaum über der Erde hervorragten. Einmal, im Winter, hatte sie miterlebt, wie Ratten in die Behausung gekrochen und einem Säugling die Ohren abgenagt hatten.

Ein Schauer durchlief sie bei der Erinnerung und trieb ihr den Gestank von Abwässern und Unrat in die Nase. Das Leben in den Slums war bedauernswert und hart. Es war die Art von Leben, die Moira bestens kannte.

Sie hielt inne und überlegte, welche Abzweigung sie als nächstes zu nehmen hatten. Warum mussten diese Wegbeschreibungen immer so irreführend sein?

Lupus sah sie erwartungsvoll an. In normalen Verhältnissen hätte aus ihm ein großer, stämmiger Mann werden können, denn er überragte Moira um ganze zwei Köpfe. Stattdessen war er von hagerer Statur, die Augen in ihren Höhlen eingefallen, und der dunkle Mantel, der ihm viel zu groß ausfiel, umwob ihn wie einen Fächer.

Sie seufzte. „Irgendwann ja, Lupus. Aber nicht heute."

Ihre Stimme klang gefasst, aber sie wich seinem Blick aus, als sie sich an ihm vorbei in die nächste Gasse zwängte. Sie hatte gelernt, Blickkontakt zu vermeiden, wenn sie log. Und dass es besser war, mit einer Lüge zu leben, als für die Wahrheit zu sterben. Doch Augen waren wie Fenster, die Licht in eine finstere Kammer ließen, und jede ihrer Lügen entlarvten.

Denn die Wahrheit war, dass sie es nicht wusste. Woher auch? Wenn Nigros, Gott des Todes und der Schmerzen, sein Spiel mit ihnen gewann, dann mochten sie sehr wohl heute Nacht sterben. Aber diese Art von Gedanken behielt sie stets für sich.

Also schlich sie weiter. In den wenigen Fenstern, die sie passierten, brannte kein Licht mehr, und die Straßen waren verwaist.

"Sind wir bald da?" Lupus folgte ihr dicht auf.

"Es dauert nicht mehr lange", versicherte sie ihm. „Flinn wartet bestimmt schon auf uns."

Flinn war ein Laufbursche ihrer Diebesbande und ein guter Freund von ihr, seit sie ihn in den Slums entdeckt hatte. Manchmal kam er zu ihr, nannte ihr einen Treffpunkt, einen Auftrag, aber darüber hinaus blieb er sehr verschwiegen, bis sie sich an Ort und Stelle trafen.

So wie auch heute Nacht. Es war eine riskante Vorgehensweise, denn je länger sie sich draußen aufhielten, desto größer liefen sie Gefahr, während der Sperrstunde von einer Stadtwache entdeckt und verhaftet zu werden.

Aber ich habe keine Wahl, dachte Moira benommen, während sie die eng beieinanderstehenden Häuser passierte. Das hier war ihr Alltag: herumschleichen, stehlen und sich gegen andere, konkurrierende Diebesbanden behaupten. Auch wenn es bedeutete, dafür täglich ihr Leben zu riskieren.

Plötzlich hielt Moira an der nächsten Kreuzung inne, sie kam ihr bekannt vor. War sie irgendwo falsch abgebogen?

„Hast du dich verlaufen?", fragte Lupus besorgt.

Augenscheinlich war es auch ihm nicht entgangen, dass sie im Kreis gelaufen waren.

„Nein, ich hab' alles im Griff." Moiras Ton war rauer, als sie beabsichtigt hatte.

„Und wenn wir zu spät kommen?"

"Hör auf so zu jammern", zischte eine Stimme hinter ihnen, „oder ich sage den Gargylen, sie sollen dich holen. Ich habe gehört, sie fressen Nervensägen ganz besonders gern."

Moira drehte sich um. Nala verbarg das Gesicht in ihrer Kapuze, doch ihre Augen blitzten schelmisch darunter hervor. Sie hatte die gleichen blonden Haare und mageren Gesichtszüge wie ihr Bruder, doch nicht einmal die Dunkelheit konnte die vielen Narben in ihrem Gesicht verbergen. Die Wunden auf der Haut hatten sie rau werden lassen, aber auch authentisch. Sie war wie ein Scheunentor, das im Wind unerbittlich knarrte, aber selbst im Sturm nie aus den Angeln riss.

"Darüber macht man keine Scherze", murmelte Lupus beleidigt und lehnte sich tiefer in die Schatten der Hausfassaden, stets darauf bedacht, seine linke Seite zu verbergen.

Nicht alle von ihnen waren nur mit Narben davongekommen.

Eines nachts, als die Wachen ihn durch die Docks gejagt hatten, war er so weit in die Enge getrieben worden, dass er, nur um seinen Peinigern zu entkommen, in eine Fischpresse geklettert war. Irgendwie hatte er es überlebt, aber seine linke Hand war ihm im Getriebe wie ein Stück Obst zerquetscht worden.

Dann erreichten sie ihr Ziel. Am Ende der Gasse war ein Gesicht mit Kreide an die Hauswand gemalt worden, nicht mehr als die Zeichnung eines Kindes, wenn man seine Bedeutung nicht kannte. Von hier aus konnte man unbeobachtet auf ein Lagerhaus sehen, das am südlichen Kanal lag. Der Platz davor lag in Finsternis. Nur das Bellen eines Hundes - Wachhunde? - und das Prasseln des Regens waren zu hören.

„Verdammt", fluchte Moira.

Zu ihrer Enttäuschung war Flinn nirgends zu sehen.

"Was ist, wenn er... nicht kommt? Wenn sie ihn geschnappt haben? Und er ihnen gerade verrät, wo wir uns treffen?"

Moira antwortete nicht. Stattdessen behielt sie das Lagerhaus genauestens im Auge.

„Er hätte längst hier sein müssen... Findest du nicht? Es ist gefährlich, wenn wir noch länger warten."

"Wir können nicht einfach abhauen, das weißt du ganz genau", mahnte Nala mit vorgehaltener Hand. "Garrit duldet keine Deserteure. Wenn Flinn auftaucht und wir sind nicht hier, wird es so aussehen, als hätten wir gekniffen. Dann hetzt man uns die Assassinen auf den Hals. Hast du das etwa vergessen?"

Lupus sah sie erschrocken an. „Glaubst du wirklich, Flinn würde uns verraten?"

Nala warf ihm einen vielsagenden Blick zu.

„Zumindest wird er nicht für uns lügen, wenn Garrit ihn danach fragt."

"Dann haben wir also gar keine Wahl?", stöhnte Lupus. "Also wenn ich mich schon erwischen lassen muss, dann lieber von den Assassinen als von den Blutmagiern."

"Vielleicht fragst du dich besser nicht ob, sondern wofür du sterben willst."

Moira hatte nicht so harsch klingen wollen, aber sie war es leid, seine Sorgen zu ihren eigenen werden zu lassen.

„Was willst du damit sagen?" Sein Blick war der eines Hundes, der in die Enge getrieben worden war. In seinen Augen lag so viel Wahrheit.

Sie seufzte. Warum konnte er es nicht auf sich beruhen lassen?

„Es tut mir leid, dass deine Verletzung nicht verheilt ist, aber manchmal kommt es mir so vor, als ob das nicht das einzige ist, das dir die Blutmagier genommen haben." Sie deutete auf seinen Arm, der in der Dunkelheit lag. "Seit dem Vorfall bist du nicht mehr derselbe... Du bist ängstlich, nervös und hinter jeder Ecke vermutest du Dämonen. Hörst du dich überhaupt selbst reden?"

„Was willst du von mir, Moira? Reicht es nicht, zu wissen, was wir jeden Tag durchmachen?" Seine Stimme klang heiser, offenbar hatten ihre Worte ihn tief getroffen. „Musst du nun auch gegen mich sein, so wie du gegen den Rest der Welt bist?"

Trotzig hob sie das Kinn. Sie wusste, dass sie ihm Unrecht tat, aber Moira war noch nie gut darin gewesen, ihr Mundwerk im Zaum zu halten.

„Spuck' es schon aus", forderte er sie auf und warf dabei seine Kapuze zurück, damit sie seinem stechenden Blick nicht länger ausweichen konnte. Regen tropfte von seinen blonden Haaren. „Sag schon, wie du über mich denkst. Du vertraust mir nicht?"

„Ich glaube", sagte sie unnachgiebig, „zwischen dem Schmerz und der Scham, die der Verlust deiner Hand mit sich gebracht hat, haben sie dir auch deinen Mut und deine Zuversicht geraubt. Ja, ich glaube, du bist ein Feigling, Lupus."

Bei ihren Worten sah sie den Schmerz in seinen Augen. Warum nur mussten Augen so ehrlich sein?

„In all' den Jahren, die wir uns kennen, habe ich nie deine Zuverlässigkeit angezweifelt." Plötzlich wurde ihre Stimme sanfter. „Aber wenn ich dich so reden höre, bin ich mir nicht sicher, ob wir weiterhin auf dich zählen können. Oder ob du uns nicht im Stich lässt, wenn du eines Tages vor der Wahl stehst."

„Hör auf, so mit meinem Bruder zu reden!", zischte Nala und drängte sich zwischen die beiden. Ihr Gesicht war wutverzerrt. „Mach dir lieber über deine eigenen Loyalitäten Gedanken!"

„Was?"

Drohend beugte sie sich so weit vor, dass ihre Lippen fast Moiras Ohr berührten.

„Auch über dich wird gemunkelt, Moira." Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Man sagt, die Leute in deiner Gruppe sterben einer nach dem anderen, aber du scheinst jedes Mal auf magische Weise unbeschadet davonzukommen. Du bringst Geld mit in die Unterkunft, um deine Schwester freizukaufen, während andere von uns auf der Straße verhungern oder abgeschlachtet werden."

Moira bebte vor Zorn, aber bevor sie etwas erwidern konnte, wich Nala einen Schritt zurück.

„Dein Glück ist das Unglück anderer. Aber deinen Erfolg teilst du mit niemandem." Abschätzig musterte sie Moira unter ihrer Kapuze. „Glaube ja nicht, dass das ohne Konsequenzen bleibt. Du bist nicht die einzige, die Zweifel an der Aufrichtigkeit ihrer Mitmenschen hat. Wenn es darauf ankommt, traut dir niemand über den Weg."

„Vertrauen muss man sich auch verdienen", knurrte Moira. "Und das hat Lupus nicht."

Nalas Augen blitzten herausfordernd auf, als warte sie nur darauf, dass Moira ihr einen Grund lieferte, sie anzugreifen.

„Ich dulde dich, weil wir in der gleichen Misere stecken", fuhr sie unbeirrt fort. „Aber wenn ich meine Wahl treffen muss, weiß ich, wen von euch beiden ich versuchen werde, zu retten."

Bei den Worten spürte Moira einen Stich in der Brust. Wieder und wieder war sie dem Tod entgangen, aber sie hatte bisher nicht gewagt, den Gedanken weiter zu verfolgen; zu sehr fürchtete sie sich davor, was es bedeuten mochte. War es so, hatte sie bisher einfach nur Glück gehabt? Und wann würde das Glück sie verlassen?

Für Magielose wie sie kannte die Welt nicht nur keine Magie, sondern auch kein Erbarmen. Noch dazu war Moira eine Gesetzlose, Menschen wie sie fielen aus dem System. Wenn nicht im Gefängnis, dann endeten sie am Haken oder in der Gosse.

Oder sie endeten wie Hobbs letzte Nacht, als er auf der Flucht über den Dächern von einem Gargyl geschnappt und zerfleischt worden war. Sie hatte nur knapp neben ihm auf den Dächern gestanden. Sie war dem Tod so nahe gewesen, und doch waren Nigros' Würfel nicht auf sie gefallen.

Oder wie Janis in der Woche davor. Er hatte Schmiere für sie gestanden, während sie in einen Vorratskeller eingebrochen war. Sie hatte ihn schreien hören, als ihm das Blut aus allen Körperöffnungen gepresst worden war, bis die Schreie schließlich verstummt waren. Dann hatten die Stadtwachen ihn weggebracht. Nur eine große Blutlache war von ihm geblieben. Aber auch diese war mit dem nächsten Regenschauer weggespült worden.

Vielleicht hatte Nala Recht. Vielleicht war ihr Glück tatsächlich das Unglück anderer.

Vorsichtig wagte Moira sich aus ihrer Deckung und blickte sich auf dem Platz um. In der Ferne konnte sie Stimmen hören, die näherzukommen schienen. Eine Patrouille?

"Ich glaube, hier können wir nicht bleiben", flüsterte Nala wie zur Bestätigung. Ihr Zorn war dem Überlebensinstinkt gewichen. „Die Stadtwachen gehen die Straßen hier die ganze Nacht ab, und immer haben sie diese roten Fackeln dabei. Wenn sie hier vorbeikommen, können wir uns nirgendwo verstecken."

Plötzlich ertönte ein Schaben vom Dach über ihnen. Instinktiv ließ Moira den Blick hochschnellen und griff nach dem Messer an ihrem Gürtel. Ihr Herz begann zu rasen. Waren sie so schnell entdeckt worden?

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