XXXVIII
Seine Krone ist ein Reif aus Gold und Silber. Seine Augen sind ein helles Blau. Klar und rein. Er sieht mich. Da ist nur ein stilles Verstehen in seinem Blick. Meine Zeit ist gekommen.
Ein Jahr habe ich geschwiegen. Habe meine Schatten ausgeschickt, um seine Nachricht zu verbreiten. Ein Heimatloser hat den Thron bestiegen. Doch er ist weise. Sein Herz ist voller Frieden, Ruhe und Gerechtigkeit. Alle sind gekommen. Alle haben gekniet. Die Zeit der Schatten ist vorüber. Nun muss auch der letzte Schatten gehen.
Die kleinen Hände klammern sich an meine Haare. Winzige Fäuste. Die goldenen Augen meiner Tochter blicken mich an. Es hätte sie nicht geben dürfen. Und doch ist sie da. Verhasst. Eine schmerzhafte Erinnerung. Meine Schritte hallen durch die Flure. Und er lässt mich gehen. Er weiß, was geschehen wird. Er wird mich nicht aufhalten.
Der Weg ist weit. Er führt mich durch verkohlte Wälder. Verbrannt im Feuer der Drachen. Zertrampelt durch schwere Stiefel, zerschlagen durch Schwerter, zerbissen durch Zähne.
Er führt mich an Flüssen entlang. In ihnen rauscht es. Wasser kräuselt sich. Es lebt. Wiedererweckt. Die Nixen sind zurückgekehrt. Haben ihre Heimat erobert. Die Verräterinnen getötet. Der Nataq leuchtet immer noch rot vom vergossenen Blut.
Er führt mich durch den Borga. Durch die schneebedeckten Berge. Durch die gefallene Stadt der Nymphen. Durch die Knochenschlucht des silbernen Schreckens der Berge. Vorbei an den Trümmern Feywors.
Er führt mich zu den zerstörten Ausläufern des Waldes. Die Blätter über mir rascheln. Ehrfürchtig. Neugierig. Meine Tochter lacht. Ihre goldenen Augen huschen hin und her. Treffen auf ein warmes Blattgrün.
»Du solltest nicht hier sein«, flüstert die Frau. Ihre Haut ist Rinde. Alt wie ihre Heimat. Ihr Zuhause. Ihre Haare sind Zweige. Zittern im Wind. Oder vor Ehrfurcht. Sie muss sie spüren. Die Magie. Dunkel und voller Blut. Die Schatten in meinem Herzen.
Meine Lippen sind versiegelt. Kein Laut darf über meine Lippen. Der Schrei kämpft immer noch um seine Freiheit. Wild und ungestüm. Der kleine Körper meiner Tochter sinkt ins Gras. Es kitzelt sie. Kichert dabei. Belustigt. Fröhlich. Vergnügt. Es sieht ihn nicht. Ihren Makel. Sie hätten blaugrau sein sollen. Ihre Augen. Nicht golden. Das Gold der Lüge.
Zögernde Schritte. Ein Mädchen. Jung. Und zugleich alt. Dryaden wachsen schneller. Sie sind Baum, Busch und Gras, Feld, Wasser und Himmel. Zwischen den Zweigen sind feine Hörner. Klein. Fast nicht zu sehen. Und doch da. Finger aus Wurzeln berühren meine Tochter. Zaghaft.
»Sie ist ein Geschenk«, wispert das Mädchen. »Nimm es an, Mutter.«
Die Frau mit den grünen Augen raschelt leise. Das Gras flüstert. Der Wald raunt. Bittend. Er möchte sie haben. Meine Tochter. Er ahnt nicht, wessen Blut in ihren Adern fließt. Doch die Frau mit den grünen Augen weiß es. Sie spürt es. Dennoch weicht sie nicht zurück. Sie ist wie ich. Wie ich damals war.
»Sie wird eine von uns«, flüstert sie. Der Wald zuckt unter ihrer Macht zusammen. Die Blätter zittern. Das Gras klammert sich an meine Tochter. Grüne Fäden auf ihrer Haut. Schützend.
Ich weiß, was ihre Worte bedeuten. Ich drehe mich um. Gehe fort. Ich kann es nicht sehen. Darf es nicht sehen. Die Wurzeln kriechen mir aus dem Weg. Die Äste ziehen sich zurück. Der Wald lässt mich frei. Er kennt meine Aufgabe nicht. Aber er ahnt es.
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