XXXIX
Das Land ist einsam und verlassen. Tot. Gestorben. Wie meine Gefühle. Ich höre die Runen des Urbergs, bevor ich sie sehe. Sie sind aus einer anderen Zeit. Erschaffen, um zu binden. Erschaffen, um einzuschließen. Unsichtbare Ketten. Wo das Böse erschaffen wurde, soll es auch enden. Bis in alle Ewigkeit. Bis zum Ende aller Zeiten soll es hier sein. Aber nicht ich. Nur es.
Meine Finger fahren über die Runen. Uralt. Eingemeißelt, um zu bleiben. Unzerstörbar. Nur erreichbar für die Schatten. Ich lasse sie hinaus. Lasse sie tasten. Lasse sie suchen. Suchen nach den richtigen Wörtern. Den versteckten Wörtern. Wörtern voller Magie. Voller Hass.
»Amera lensis«, flüstern sie. Immer und immer wieder. Lauernd. Abwartend. Und es kommt. Die Gestalt des Dunklen Lichts erscheint. Erhebt sich aus dem Nichts. Es spürt sie. Die Gefahr, in der es sich befindet. Die Schlinge, die sich zuzieht. Quälend langsam. Es zuckt, es zappelt. Es versucht, sich zu befreien. Doch es ist zu spät.
Meine Schatten lassen die Falle zuschnappen. Der Urberg erbebt. Der Fels zittert. Seufzt wohlig auf. Er hat eine neue Aufgabe. Einen neuen Gefangenen. Die Runen leuchten auf. Kurz. Werden zu einem Glühen.
»Du kannst mich nicht töten«, grollt das Dunkle Licht.
Aber ich kann es binden. Kann es einschließen. Kann es daran hindern, weitere Leben zu zerstören. Weitere Gefühle zu rauben, zu verwirren. Seine roten Augen glühen auf. Zwei Kohlen. Heiß. Es wechselt in seine tote Gestalt. Wird zu schwarzem Rauch. Wird zu einem finsteren Nichts. Formlos und ohne Körper. Es möchte verschwinden. Weit fort. Hinaus in die Welt. Doch die unsichtbaren Fesseln lassen es nicht. Glühen auf, brennen und leuchten. Die Runen sind unzerstörbar.
Sein Kreischen, Brüllen und Zischen begleitet mich. Das Dunkle Licht wütet, kämpft um seine Freiheit. Vergebens. Es wird niemanden mehr geben, der es befreien kann. Nein, eine wird es geben. Aber sie ist ahnungslos. Wird es für immer sein.
Meine Füße tragen mich zu den Hügeln. Am Horizont erhebt sich ein schwarzer Schatten. Ein Baum. Ein Sonnenstrahl bescheint ihn. Seine Blätter sind zahlreich und grün. Dazwischen einige bunte Farbtupfer. Wie das Ölgemälde eines berühmten Künstlers steht er da.
Es war ihr Gemälde. Ihre Pinselstriche. Die Erinnerung schmerzt. Sie schmerzt so sehr. Unerträglich. Ich spüre den Dolch in meiner Brust nicht. Nur das warme Blut, das meine Finger hinabfließt. Mein Gewand tränkt. Ich höre das Rauschen der Blätter. Und werde ruhig.
Jehvana. Ich sehe ihre blaugrauen Augen vor mir. Oder ist das nur der Himmel? Wacht er über meinen Tod? Über mich? Ich schließe die Augen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro