XXXIV
Es ist so still. So still wie in einem Grab. Das Schloss ist ein Grab. Und es wird sein Grab sein. Die Nacht ist meine Verbündete. Das Sichelzeichen auf meiner Stirn brennt. Es spendet mir Licht. Licht dort, wo sonst nur Schatten sind. Eine tiefe Dunkelheit. Aber die Dunkelheit des Elfen war anders. Sie hat ihm geschmeichelt, hat ihn umsorgt wie ein Kind.
Meine Schritte sind geräuschlos. Der Boden kalt unter meinen Füßen. Das Kleid ist schwarz. Wie der Himmel, der den Mond umgibt. Sterne funkeln darauf. Eine feine Schicht aus Sternenglanz. Erinnerungen.
Die Blitze streichen über den Knauf. Schmelzen ihn zu einem glühenden Klumpen. Zucken um ihn herum. Die Tür löst sich, schwingt auf. Der Zauber lässt mich hindurch. Ich bin nur ein Strahl des Mondes, der in das Zimmer scheint. Silber glänzend und unaufhaltbar. Umgeben vom Nachthimmel voller Sterne. Funkelnde Splitter.
»Was bist du?«, raschelt das schwarze Buch. »Komm näher. Komm. Ich will dich fühlen. Will dich kennen.«
Meine Finger streichen über das Leder. Getaucht in helles Mondlicht. Es brummt, zufrieden. Es summt eine Melodie. Es schnurrt.
»Du bist der Tod«, murmelt es. »Was willst du? Sag es und ich gebe es dir. Ich gebe dir alles.«
Ein Funken entzündet die Kerze. Die kleine Flamme zuckt. Hin und her und hin und her. Sie ist hungrig. Sie spürt das Papier. Ganz in ihrer Nähe. Sie züngelt. Freudig. Erwartungsvoll. Die Wärme gleitet über meine Haut.
»Du wirst es nicht wagen«, flüstert das Buch. »Ich sehe, was du willst. Ich sehe, wen du dir zurück wünschst. Ich kann sie dir geben. Jetzt gleich.«
Die Seiten flattern, bewegen sich, gleiten übereinander und aneinander entlang. Verführerisch. lockend. Sie wissen alles. Ich höre die Wörter in meinem Kopf. Die Versprechen. Die Zauber. Magie in den Schatten. Magie mit Blut. Magie des Todes. Und des Lebens. Ich höre ihr helles Lachen. Klar wie der Sternenhimmel in einer wolkenlosen Nacht. Als wäre sie direkt neben mir. Ich atme ihren Duft ein. Der Geruch nach Gewitterluft.
Dann sehe ich sie vor mir. Ihre blaugrauen Augen sind voller Liebe zu mir. Bedingungslos. Die Schuppen ihrer Rüstung schillern im Mondlicht. Sternenglanz. Sie lächelt mich an. Streckt ihre Hand nach mir aus. und verschwindet.
»Ich kann sie dir geben. Sie wird leben. An deiner Seite. Zusammen mit dir.« Die Blätter rascheln verführerisch. »Lies nur die Wörter. Siehst du sie? Siehst du sie?«
Ich schmecke die Buchstaben schon auf meiner Zunge. So süß und frisch. Und durchtränkt von Gier und Bosheit. Von zerrissenen Seelen. Von Trauer und Sehnsucht. Das Leder des Dolches liegt warm in meiner Hand. Die Klinge streicht zart über meine Haut. Nur ein Schnitt. Ein Blutstropfen. Sie wird wieder leben. Es wird so sein wie damals. Das Funkeln in ihren Augen. Ihre Liebe. Aber ich werde ihr keine Liebe geben können. Nicht mehr. Ich bin der Tod. Der Tod spürt nichts.
»Nun komm! Sprich es aus!« Das Buch fleht. Fleht um sein Leben. Verzweifelt. Doch die Hitze streift weiter über seinen Einband. Ich höre das Kreischen. Voller Schmerz. Voller Angst. Die Flammen zucken freudig. Ein Himmel aus Feuer über dem Meer aus Buchstaben. Knistern. Brodeln. Ein Glühen in der Dunkelheit. Ein schwaches Glimmen. Die Seiten kräuseln sich. Schwarz und verbrannt. An den Rändern ein glühender Faden.
Die Asche ist warm. Ich zerreibe sie zwischen meinen Fingern. Nehme die Magie in mir auf. Neue Schatten gesellen sich zu meinem Herzen. Umklammern es mit festen Griff. Lassen es nicht los. Lassen es nicht gehen.
Ich schlüpfe hinaus. Zurück in den Gang. Der Dolch liegt kühl an meiner Haut. Schwarzer Stoff wirbelt umher. Ein Abbild meines Inneren. Bedeckt mit zersplitterten Sternen. Ich werde an sie denken. Nur an sie.
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