III
Der Himmel ist grau. Von finsteren Wolken bedeckt. Als würde der gestrige Schrei noch nachhallen. Was ist passiert? Da fällt es mir wieder ein. Die Flucht... Es ist vorbei. Kein Schmerz. Keine Dunkelheit. Die Wolken reißen auf und ein schmaler Lichtstrahl scheint auf die Hügel. Ein Windstoß lässt die hohen Gräser hin und her wiegen. Ein Schwarm Krähen fliegt von irgendwo auf und verschwindet in der Ferne.
Ich stehe auf. Mein helles Gewand ist zerfetzt und an einigen Stellen blutverkrustet. Mein eigenes Blut. Die Wächter haben mich mit ihren ledernen Peitschen geschlagen. Ihre Klauen haben mich verletzt. Jedes Mal, wenn sie gekommen sind, habe ich gezittert. Ich habe vor Schmerz gezittert, nicht vor Angst. Denn Angst schwächt mich. Ich habe nur den Schmerz gefühlt. Noch bevor sie meine Zelle betreten haben. Und dann nicht mal mehr ihn.
Ich hocke mich hin. Mir ist kalt, obwohl es nicht schneit. Die Sonne scheint, doch ich fühle keine Wärme auf meiner Haut. Vorsichtig streiche ich mein Haar zurück und richte meinen Blick in die Ferne.
Die Krähen sind schon lange verschwunden. Am Horizont erhebt sich ein schwarzer Schatten. Ein Baum. Ein Sonnenstrahl bescheint ihn. Seine Blätter sind zahlreich und grün. Dazwischen einige bunte Farbtupfer. Wie das Ölgemälde eines berühmten Künstlers steht er da. Es gibt tatsächlich so ein Bild. Jemand hat es mir erzählt. Wer? Wer, wer, wer?
Meine Liebe. Ich muss sie vergessen. Sie ist weg. Das Dunkle Licht hat sie geholt. Ich darf nicht daran denken. Keine Trauer. Trauer schwächt mich, so wie Angst mich unvorsichtig macht. So viele Erinnerungen. Ich muss weg. So viele Gefühle...
Ich schaue wieder in die Ferne zu den Hügeln. Die Krähen sind nicht wiedergekommen. Sie haben Angst. Angst vor mir. Tränen steigen mir in die Augen. Ich streiche sie weg. Keine Trauer. Durch den verschwommenen Schleier erkenne ich nichts. Doch ich spüre ihn. Ein Schatten. Er kommt näher, immer näher.
Ich spüre seine Gegenwart. Er umringt mich. Ich bin gefangen. Gefangen in der Dunkelheit. Das Böse ist schon fast bei mir. Es jagt mich. So wie ein Jäger seine Beute jagt. Ich hocke mich hin. Ziehe die Beine an meinen Körper und erwarte mein Schicksal.
»Dies ist nicht dein Weg!«, zischt plötzlich eine Stimme in mein Ohr. Rau und alt. »Dies ist nicht dein Schicksal!«
Der Schatten wogt um mich herum. Nimmt flüchtige Formen an, die sofort wieder verschwinden. Die Luft scheint zu vibrieren.
»Dein Schicksal liegt in der Ferne!«, zischt die Stimme wieder. Dann verschwindet sie. Für immer. Ich habe sie nie wieder in meinem Leben gehört. Es war der Tod selbst, der an diesem Tag zu mir sprach.
Die Schatten verflüchtigen sich. Werden vom Licht vertrieben. Besiegt. Doch nichts währt eine Ewigkeit. Wolken ziehen vor die Sonne. Der Wind weht über das Land und lässt die Gräser wiegen. Ein Schwarm Krähen fliegt hoch in die Luft und verschwindet am Horizont.
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