Kapitel 14
Dreh dich mal mit dem Rücken zu mir!, befahl Shak ihm. Jacky gehorchte. Alles in Ordnung, meinte der Schlangenwandler, nachdem er seinen Rücken gründlich untersucht hatte. „Aber von wem ist es denn dann? Von Manou bestimmt nicht..." Shaks Kopf zuckte unruhig hin und her und seine Zunge zischelte, schließlich schlängelte sich sein Körper auf den Baum zu, an dessen Stamm Jacky noch vor einer Minute gelehnt hatte.
Nach eingehender Untersuchung rief er Jacky schließlich zu sich, der bis dahin noch immer auf das blutverschmierte T-Shirt gestarrt hatte, so als würde es ihnen von ganz alleine sein Geheimnis offenbaren. Shak deutete mit dem Kopf auf den Stamm. Siehst du diese rötliche Färbung? Jacky nickte. Das scheint Blut zu sein. Jacky horchte auf. „Aber wie ist es denn dahin gekommen? Meinst du es könnte ein verletztes Tier gewesen sein?" Er sah Shak fragend an.
Als Mensch hätte dieser jetzt vermutlich mit den Schultern gezuckt. Ich habe keine Ahnung, aber so weit ich das erkennen kann, ist es noch gar nicht so alt, jedenfalls strahlt es noch ein wenig Wärme ab. „Fühlst du das etwa?", fragte Jacky erstaunt. Nein, ich sehe es. Jedes Wesen strahlt Wärme aus. Normale Menschen können diese nicht sehen, doch mit den Gruben an den Seiten meines Kopfes kann ich sie sehen. Auch Blut ist warm und das Blut hier kann höchstens ein paar Stunden alt sein. Wenn ich schätzen müsste, so um die 2-3. Wären wir hier ne Stunde später hingekommen, wäre das Blut wahrscheinlich schon geronnen und wir hätten es nicht einmal bemerkt.
Jacky verstand davon nichts, vorallem nicht was „geronnen" war, aber es gab viel wovon er nichts verstand und hätte er wegen jeder Kleinigkeit nachgefragt, so würde er nie fertig werden. Die Welt der Zweibeiner war ein komplizierter Ort, die er wahrscheinlich nie würde ganz verstehen können. Nur eine Frage konnte er sich nicht verkneifen zu stellen. „Wieso weißt du so viel darüber?"
Als Shak nicht sofort reagierte, wiederholte Jacky seine Frage, was den Schlangenwandler aufschrecken ließ. Einen kurzen Moment schien sich sein Körper anzuspannen, dann meinte er betont gleichgültig: Ach ich interessiere mich einfach für Krimis. Von Krimis hatte Jacky zwar kaum eine Ahnung, doch er glaubte sich zu erinnern, dass es etwas mit Mordgeschichten zu tun hatte. Warum Menschen so etwas jedoch toll fanden, verstand er wiederum nicht, schließlich war es etwas völlig anderes, wenn eine Katze einen Vogel tötete, als wenn ein Mensch einen anderen Menschen umbrachte. Aber er hatte keine Lust noch weiter darüber nachzudenken, denn dazu fehlte ihm die Konzentration.
„Was machen wir jetzt?", wollte er von Shak wissen. Wir sollten Mr. Clearwater Bescheid geben, meinte dieser nach einigem Überlegen.
Mr Clearwater betrachtete die beiden Jungs nachdenklich. Shak hatte sich wieder zurückverwandelt und starrte gedankenversunken auf seine Schuhspitzen. Ohne Vorwarnung kehrte das Bild des blutverschmierten Baumstamms in Jackys Kopf zurück und er fragte sich unwillkürlich, ob es dem verletzten Tier gut ging. Weshalb wusste er nicht, aber irgendwie hatte er das unbestimmte Gefühl, dass es sich um ein verwundetes Tier handelte.
Und dann, drängte sich noch etwas anderes in sein Gedächtnis. Eine Erinnerung, die er schon wieder fast Vergessen hatte. Die Erinnerung an ein nächtliches Erlebnis, ein schwarzer Lieferwagen, schwarz gekleidete Männer, einer rauchte. Wie hatte Sky sie nochmal genannt? Er versuchte sich daran zu erinnern und dachte angestrengt nach, doch das Wort wollte und wollte ihm einfach nicht einfallen, schließlich gab er es auf.
Doch diese Leute hatten etwas ganz bestimmtes ausgestrahlt, Gefahr! Er war selbst überrascht, als ihm der Gedanke kam, dass der blutverschmierte Baumstamm irgendetwas mit dieser Nacht zu tun haben musste. In diesem Moment bemerkte Mr. Clearwater, dass Jacky irgendetwas zu bedrücken schien und er sprach ihn drauf an. Jacky zögerte kurz. Sollte er es ihm erzählen?
Wären Sky und Luna damit einverstanden? Egal, selbst wenn sie nicht damit einverstanden wären, es war wichtiges und es hatte irgendetwas mit dem dem Baumstamm zu tun. Und so erzählte er dem Schulleiter, von ihrem nächtlichen Erlebnis, dabei ließ er nichts aus und der Schulleiter und sogar Shakeel hörten seinen Schilderungen aufmerksam zu.
Nachdem Jacky geendet hatte, herrschte erstmal Stille. Als Kyle Clearwater schließlich anfing zu sprechen, war seine erste Frage: „Warum habt ihr mir nicht früher davon erzählt?" Beide Jungs starrten ihn ungläubig an. Meinte er das Ernst? Kyles blaue Augen wirkten noch dunkler als sonst und er blickte Jacky scharf an. „Hast du eine Ahnung wie gefährlich das war. Was wäre passiert, wenn die Männer euch entdeckten hätten?", blaffte er plötzlich und Jacky schien mehrere Zentimeter zu schrumpfen. Kyle wischte sich mit der Hand übers Gesicht. In diesem Moment wirkte er unglaublich erschöpft, als wäre er von der einen auf die andere Sekunde um zehn Jahre gealtert.
„Tut mir Leid, dass ich dich angeschrien habe", sagte er mit traurigem Blick. „Nur, euch hätte so viel passieren können und es wäre meine Schuld gewesen, dabei trage ich doch die Verantwortung für euch." Sein Körper war in sich zusammengesackt, Jacky hatte plötzlich Mitleid mit ihm. „Manchmal denke ich, es wäre besser, ich wäre nie Schulleiter geworden." Er sagte es mehr zu sich selbst, und es schien so, als hätte er völlig vergessen, dass sich Shak und Jacky noch im selben Raum befanden.
„Nein!", ergriff zum ersten Mal Shak das Wort. „Sie sind der beste Schulleiter, den man sich wünschen kann." Es waren nur ein paar einfache Worte und sie hätten genauso gut einfach nur so daher gesagt sein können, doch Shaks Blick sprach Bände. In Kyles Augen flackerte es kurz, nur leicht. Er blickte Shak in die Augen und man sah regelrecht, wie seine Hoffnung neu entfacht wurde. Jacky bemerkte, eine Art unsichtbares Band zwischen den Beiden, das ihn beeindruckte, ohne dass er hätte sagen können wieso. Es schien irgendein Geheimnis zu sein, das nur sie kannten und sie gleichzeitig miteinander verband. Etwas persönliches, das Jacky faszinierte.
Bevor sie sich von Kyle verabschiedeten, versprach dieser, dass er eine Besprechung mit allen Lehrern einberufen wolle, in der sie sich über das zukünftige Vorgehen, wegen der merkwürdigen Vorkomnisse, beratschlagen würden. „Eure Strafe werde ich ebenfalls aufheben und ich möchte, dass ihr vorerst keine nächtlichen Wanderungen mehr unternehmt. Das könnt ihr auch den anderen mitteilen. Wer weiß, wer dort im Wald sein Unwesen treibt, da will ich euch lieber in Sicherheit wissen." Die Jungs grinsten sich an. „Aye aye, sir", sagte Shak und salutierte.
Jacky hatte zwar keine Ahnung, was diese Geste zu bedeuten hatte, machte sie Shak aber nach. „Nun werdet bloß nicht frech, sonst denke ich mir doch noch eine Strafe für euch aus", sagte Mr. Clearwater gespielt böse, verriet sich jedoch durch sein Grinsen. „Ach ja und Jacky...", fügte er noch an, als die Jungs schon fast aus der Tür waren, „ich habe ein paar zusätzliche Unterrichtsstunden für dich organisiert, dort kannst du noch einiges lernen, was dir auf der Straße bislang vorbehalten war. Unter anderem lernst du dort, richtig lesen, schreiben und noch einiges anderes, dass dir in der Menschenwelt weiterhelfen wird. Ich werde dir in den nächsten Tagen einen extra Stundenplan vorbeibringen, auf dem du sehen kannst, wann du welches Fach hast. Also dann Jungs, zischt ab, ich hab noch einiges wichtiges zu erledigen."
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