7. Türchen
Bis auf eines waren alle Betten leer und die Vorhänge nicht zugezogen, wodurch die Morgensonne in den großen, langen Raum schien. Sie konnte zwei rothaarige Personen und einen sehr großen Mann entdecken, die an einem Bett ganz in ihrer Nähe standen. Hermine konnte sich bereits denken, wer das war und schritt eillig auf sie zu, Harry im Schlepptau.
"Ron!", rief sie und trat an sein Bett. Der Weasley hatte fahle Haut und sah sehr schwach aus, ganz passend zu seiner Vergiftung. "Oh Gott. Wie geht es dir?" Sie war zwar immer noch sauer auf ihn wegen der Lavender-Sache, jedoch war es jetzt an der Zeit, diese Streitigkeiten zu vergessen. Zumindest für den Moment. Himmel, er wäre fast gestorben.
"Den Umständen entsprechend", hustete er und kniff vor Schmerz die Augen zusammen. Obwohl die Sonne auf seine feuerroten Haare schien, sahen sie weniger farbenfroh als sonst aus. "Hermine", sagte die andere Weasley und schloss sie in ihre Arme. "Wir haben uns so lange nicht gesehen. Schön dich mal wiederzusehen."
"Schade, dass du Weihnachten nicht da warst", meinte Mr Weasley. "Obwohl", fügte er mit einem bitteren Unterton zu, "war vielleicht doch ganz gut so." Die Weasleys taten ihr leid. Erst war an Weihnachten ihr Zuhause abgebrannt und jetzt war einer ihrer Söhne vergiftet und somit fast umgebracht worden. Das Schicksal meinte es wirklich nicht gut mit ihnen.
"Das, was mit dem Fuchsbau passiert ist, tut mir wirklich wahnsinnig leid. Das muss so schrecklich sein", bekundete sie ihr Beileid, nachdem die mollige Frau sie freigegeben hatte. "Dafür musst du dich nicht entschuldigen, du trägst keine Schuld."
Unbehagliche Stille trat ein. Ron döste auf seinem Bett, der Schmerz war ihm noch immer anzusehen und die Weasleys schauten beide bedrückt auf den Boden. Sie an dieses schreckliches Ereignis zu erinnern, das noch immer nicht verheilt war, war vielleicht nicht die klügste Idee gewesen. Vor allem, da nun wieder etwas furchtbares passiert war.
"Wann kommen die Zwillinge?", fragte Harry in die bedrückene Stille hinein, wofür Hermine ihm dankbar war. "Die kommen erst heute Mittag. Sie sollten in ein paar Stunden da sein, haben viel mit ihrem Geschäft zu tun.", antwortete Mrs Weasley und strich ihrem kranken Sohn liebevoll durchs Haar. "Ich denke, wir sollten die Familie nun alleine lassen", meinte schließlich Hagrid, der die ganze Zeit am Fenster gestanden hatte. Die Brünette nickte und beide folgten ihm durch die große Tür.
"Wo ist eigentlich Lavender?", fragte Hermine Harry neugierig. Nur weil sie Ron jetzt von ihrer Bissigkeit verschonte, bedeutete das nicht, dass sie Lavender mehr mochte. "Ich...", stamelte Harry. "Ich hab es ihr noch nicht gesagt."
"Ist das die mit den Locken, die neuerdings immer bei Ron ist? Die, die sich so albern und kindisch verhält?", fragte Hagrid.
Beide nickten. "Warum?"
"Ich wollte nicht, dass du ausrastest, wenn du sie siehst. Ron brauch Ruhe", sagte der Brillenträger. "Danke." Sie hatte nicht so viel Taktgefühl von ihm erwartet. "Also wenn ihr mich fragt", meinte der Halbriese, "ich mag sie nicht. Sie ist so anhänglich."
"Ganz deiner Meinung", antworteten beide.
"Nun, ich muss euch beiden etwas erzählen. Die Gänge sind leer, weil der Unterricht schon begonnen hat, also können wir ungestört reden." Hagrid fing an, langsam durch den Flur zu schlendern. "Ich kann euch beide dann entschuldigen, Dumbledore wird das verstehen", fügte er mit einem Blick auf Hermine hinzu. "Also - Ich habe neulich ein Gespräch belauscht. Zwischen Snape und Dumbledore. Eigentlich nicht belauscht, eher unabsichtlich mitgehört", erzählte er.
"Und um was ging es?" Harry spitzte die Ohren. "Um die Attentate. Sie haben sich gestritten, weil Snape deswegen anscheinend nicht richtig nach geforscht hat bei den Slytherins."
"Weil er weiß, wer das war. Malfoy. Und weil er ihn schützen will, ist doch klar", warf Harry sofort ein. "Harry, die Diskussion hatten wir schon mal."
"Dann muss ich dir bestimmt nicht noch einmal erklären, dass ich Malfoy für schuldig halte. Und wieso das Sinn macht, entgegen deiner Theorien."
"Dasselbe könnte ich von dir behaupten. Nur weil du ihn hasst, hältst du ihn für schuldig."
"Hört auf zu streiten, das bringt doch nichts", sagte Hagrid und würgte Harry ab, der gerade seinen Mund öffnen wollte. "Vielleicht sind die Slytherines darin verwickelt, vielleicht nicht. Ihr wisst doch, wie Snape ist."
"Ja, ein verlogener Verräter, der Malfoy dabei unterstützt, Dumbledore zu töten."
Sie verkniff sich einen Kommentar.
"Snape meinte auch noch, dass er etwas nicht mehr tun will. Er erwähnte nicht was, aber Dumbledore schien zu wissen, was er meinte."
"Das ist bestimmt wegen Malfoy. Er will ihn nicht mehr unterstützen bei etwas. Aber seine Mordpläne können es nicht sein, also weiß ich nicht, was er meint. Sonst würde es keinen Sinn ergeben."
"Wieso bist du so versessen auf Malfoy und Snape, Harry?", regte sie sich über den Schwarzhaarigen auf. "Wieso bist du so versessen auf das Gegenteil, Hermine?"
"Weil ich Fakten zusammenzähle und nicht nur meine persönliche Meinung. Du solltest nicht jemanden des Mordes beschuldigen, nur weil du ihn hasst. Oder weil er aus entsprechender Familie stammt, das ist nämlich verdampft klischeehaft", fügte sie hinzu, als Harry den Mund zum Widerspruch öffnen wollte. Sie musste ihn unbedingt von seiner Versessenheit abbringen, auch wenn sie sich das nicht einfach vorstellte. Wenn Harry herausfand, wie sie mit Malfoy spielte, würde er ihre Loyalität in Frage stellen. Und das durfte nicht passieren.
"Streitet euch nicht. Ich dachte nur, dass ihr es vielleicht wissen solltest", sagte Hagrid. "Und jetzt geht wieder in den Unterricht."
*
Die Teleskope quitschten, als sie von den vielen Schülern bewegt wurden. Die Astronomielehrerin, die zwischen den Reihen umher ging und die Arbeiten ihrer Schüler begutachtete, hatte ihnen aufgetragen, Zeichnungen von verschiedenen Planeten anzufertigen. Ihr Stift krazte auf dem Pergament, welches nur von einer kleinen Lampe und dem Mondschein erhellt wurde.
Sie kniff ein Auge zu und sah durch das Teleskop, um die ungefären Einzelheiten eines Planeten erfassen zu können. Als sie ihren Blick auf das Pergament richten wollte, schweifte er über die Turmzinnen des Astronomieturmes ab auf die dunklen Ländereien. Sie konnte eine Person erkennen, die sich eilig zum See begab. Mit angestrengt zusammengekniffenen Augen konnte sie einen platinblonden Schopf erkennen, der sich vom dunklen Körper abhop.
Draco.
Doch was tat er um diese Uhrzeit dort unten? Sie hatte ihn den ganzen Tag lang nicht gesehen.
"Professor?" Sie hob fragend die Hand, woraufhin die Professorin zu ihr kam. "Miss Granger?"
"Ich habe Kopfschmerzen. Migräne, die kommen ganz plötzlich und mir ist übel. Ich fürchte, die werden ohne medikamentöse Behandlung nicht weg gehen. Dürfte ich das vielleicht im Krankenflügel bei Madam Pomfrey behandeln lassen, falls diese noch wach ist?"
"Natürlich. Legen sie sich auf jeden Fall hin, Schlaf hilft am besten gegen Kopfschmerzen. Aber holen sie das Versäumte bitte nach."
"Natürlich, Professor", lächelte die Brünette, packte schnell ihre Sachen zusammen und eilte von der Aussichtsplattform die vielen Stufen hinunter. Es widerstrebte ihr, den Unterricht wegen einer Lüge zu verpassen. Erst recht, wenn diese wegen Malfoy ausgesprochen wurde. Doch sie musste herausfinden, was er dort unten um Mitternacht tat.
Da ihr keine Zeit blieb, ihre Sachen wegzupacken, hängte sie sich ihre Tasche einfach um, die bei jedem Schritt gegen ihre Hüfte schlug. Wie sie es erwartet hatte, begegnete ihr niemand auf ihrem Weg zum großen Eichenportal. Sie schlüpfte hinaus auf die Ländereien und achtete darauf, sich möglichst nahe im Schatten des Schlosses zu halten, um nicht gesehen zu werden. Der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln und sie hinterließ Fußabdrücke. Aber ihr blieb keine Zeit, um diese wegzuwischen, deshalb blieb ihr nur zu hoffen übrig, dass der Neuschnee sie verdecken würde.
Sie näherte sich dem See und erkannte schließlich ein paar Fußspuren. Dracos. Auch er war offenbar zu beschäftigt gewesen, um diese weg zu wischen und hoffte auf den baldigen Schneefall. Sie führten in den Wald, was ihr ein wenig Unbehagen bereitete. Bei Nacht in den Wald zu gehen gehörte nicht zu ihren Lieblingsaktivitäten.
Die Blätter raschelten und der Mond erhellte ihr gemeinsam mit dem frischen Schnee den Weg. Sie wagte sich immer weiter in den Wald hinein, die Blätter hielten zunehmend das Mondlicht zurück. Es wurde immer dunkler, jeder Schritt kam ihr gefährlich vor. Doch sie hatte keine Zeit, zu überlegen, wohin sie ihren Fuß setzen sollte.
Hermine betete, dass Draco ihre Schritte nicht hörte, die ihr unglaublich laut vorkamen, genauso wie ihr Herz, das aufgeregt und wild gegen ihre Brust hämmerte. Er musste hier irgendwo sein.
Ein Vogel kam aus einer Baumkrone irgendwo über ihr geschossen und sie musste sich zurückhalten, aus Schreck keinen lauten Schrei auszustoßen. Ihr Herz hämmerte so wild, wenn sie noch irgendetwas erschrecken würde, würde sie einen Herzinfarkt bekommen, da war sie sich sicher. Gott, wie sie nächtliche Missionen hasste.
Das wenige Licht reichte gerade noch dafür aus, um zu erkennen, dass die Fußspuren einen Knick machten und nun nicht mehr in den Wald hinein, sondern zum See führten. Sie schlich den Pfad weiter und versuchte, in seine Fußabdrücke zu treten. Je weiter sie kam, desto mehr lichteten sich die Blätter und es wurde heller. Doch ihre Beunruhigung ließ kein Stück nach, sondern verschlimmerte sich auch noch, weil Draco hier irgendwo sein musste.
Sie strich sich ihre dunklen Haare aus dem Gesicht und pustete ihren warmen Atem in ihre eiskalten Hände. Schließlich trat Hermine ans Seeufer. Der große See war größtenteils zugefroren, das Eis war sogar so dick, dass man sogar bedenkenlos darauf Schlittschuhfahren konnte. Nur am Steg, der in den See hineinragte, war das Wasser eisfrei. Am Steg, auf dem eine blonde Person kniete und im Wasser rumfischte.
"Draco." Sie stieg auf die längliche Plattform, das Holz knirschte unter ihren braunen Stiefeln. Er zuckte zusammen, richtete sich auf und drehte sich um. "Was tust du hier?" Seine Stimme ließ sich, im Gegensatz zu seinem Gesicht, welches sich jedoch sofort wieder glättete, nichts anmerken. Keine Erschrockenheit, keine Angst, garnichts.
"Das gleiche könnte ich dich fragen", erwiderte sie die Frage. "Ich habe dich vom Astronomieturm aus gesehen."
Er zog die Augenbrauen hoch. "Du schwänzt eine Unterrichtsstunde, um mir nachzuspionieren? Hätte ich nicht erwartet."
"Lenk nicht ab. Wieso stocherst du im Wasser herum? Um diese Uhrzeit? Bei dieser Kälte? Angeln im Sommer macht durchaus mehr Spaß", entgegnete sie. "Ich wüsste nicht, wieso ich dir das verraten sollte."
"Ich wüsste nicht, wieso ich dich nicht einem Lehrer melden sollte."
"Und da sind wir wieder. Bei der Hermine, die sich nur an die Regeln hält. Bei der langweiligen Hermine", kam seine Antwort. "Lieber langweilig als wahnsinnig. Du weißt, wie gefährlich es hier draußen um diese Uhrzeit ist."
"Und trotzdem stehst du hier draußen. Mit mir." Er bewegte sich auf sie zu, immer weiter, bis er schließlich hinter ihr stand und sie somit dazu brachte, sich umzudrehen. Sie wollte nicht mit dem Rücken zu ihm stehen. Sie vertraute ihm nicht. Erst recht nicht nachts, weit auf den Ländereien auf einem klapprigen Steg inmitten eisigen Wassers. Ihre Hand schloss sich instinktiv um ihren Zauberstab in ihrer Hosentasche. Der Rock, den sie tagsüber getragen hatte, wäre viel zu kalt für den Schnee gewesen.
"Vielleicht weil ich gelernt habe. Von dir." Er schritt weiter auf sie zu und drängte sie somit immer weiter ans Ende des Stegs. Ihr bildete sich eine Gänsehaut und ihr Atem beschleunigte sich. "Ach. Hast du das?" Seine Stimme wurde immer leiser.
"Warst du das?", fragte sie. "Das Attentat?" Draco legte den Kopf schief. "Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Was denkst du denn?"
"Ich... Ich denke", stammelte sie und nahm all ihren Atem zusammen. "Ich denke, dass du das am besten weißt. Und wie die Konsequenzen dafür sind."
"Und ich denke, dass du weißt, was deine Konsequenzen sind."
Und ehe sie sich versah, hatte er sie in das eiskalte Wasser gestoßen.
Langes Kapitel. Länger als geplant, hoffe es gefällt euch xD
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