22. Türchen
Vorsichtig drückte sich Hermine an die Wand und schaute um die Ecke. Dort sah sie fünf Todesser stehen, die anscheinend etwas besprachen. Sie flüsterten, deshalb konnte sie sie nicht verstehen und es gab keine Möglichkeit, sich näher ran zu schleichen, ohne entdeckt zu werden.
Es waren drei Männer und zwei Frauen. Einen der Männer erkannte sie als Fenrir Greyback wieder, die anderen zwei waren ihr unbekannt und bei den Frauen reichte ihr Wissenstand auch nur für eine aus - Bellatrix Lestrange. Ihre Minen waren aufgeregt, das von Bellatrix wie immer wahnsinnig. Sie hatte sie oft genug im Propheten gesehen, dass sie sagen konnte, dass ihr Gesicht immer so aussehen musste - aber wenn sie so eine lange Zeit in Askaban verbracht hätte, wäre sie vermutlich nicht besser dran.
Die Fanatikerin diskutierte wild mit Greyback, als eine weitere Person hinzukam - Draco. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus und sie hielt ihren Atem nur mühsam unter Kontrolle. Da war er also. Jetzt hatte sie ihn gefunden.
Er mischte sich in die Diskussion ein, sah dabei aber ziemlich wiederwillig aus. Vielleicht wollte er das alles ja gar nicht. "Dann gehen wir jetzt zum Astronomieturm!", sagte einer der ihr unbekannten Männer und sah alle in der Runde bestimmerisch an. "Wir müssen früher da sein! Draco, jetzt komm, du hast da was zu erledigen!"
Sie wandten sich Richtung Treppe zum siebten Stock, um zu besagtem Turm zu kommen, während die Brünette sich in die komplett entgegengesetzte Richtung begab. Sie kannte das Schloss besser.
So schnell sie konnte flitzte Hermine durch einen Geheimgang und kam noch vor den Todessern am Turm an. Sie hatte zwar keine Ahnung, was diese planten, aber sie musste es erfahren. Hastig rannte sie die vielen Treppen empor und bog schließlich kurz vor der Tür, die zu dem kleinen Raum im Inneren des hohen Turms und dessen Aussichtsplattform führte, auf der der Astronomieunterricht immer stattfand, ab und gelangte somit unter jenen Raum, von wo aus sie alles beobachten konnte, was oben geschah.
Schatten fielen auf ihr Gesicht und es war stockdunkel, doch sie traute sich nicht, ihren Zauberstab als Taschenlampe zu gebrauchen. Sie könnte zu leicht entdeckt werden. Alles war still und sie konnte ihren eigenen Atem hören können, der noch schwer und schnell vom vielen Rennen ging. Unheimlich, vor allem da der Wind um die Ziegel pfiff und sie an einen Gruselfilm erinnerte, den sie vor ein paar Jahren mal gesehen hatte.
Auf einmal hörte sie ein lautes Plopp und zuckte zusammen. Durch den Eingang zur Aussichtsplattform kamen zwei Personen, die sich gerade einen Umhang auszogen - Harry und Dumbledore. Sie atmete erleichtert auf. Na Gottseidank. Das Schloss war gerettet. Dumbledore taumelte, Harry stützte ihn. "Professor? Sie müssen zu Madam Pomfrey!" Was um Gottes Willen war passiert?
Der alte Mann, der bisher aber nie als solcher gewirkt hatte, schüttelte schwach den Kopf. "Nein", sagte er angestrengt, "nicht Madam Pomfrey. Harry, hol Severus. Nur er kann mir jetzt helfen. Hol Severus!" Was wollte Dumbledore mit Snape? Seine schwarze Hand löste sich von Harrys Schulter, als der nickte, seinen Tarnumhang packte und zu der Tür eilen wollte, als Dumbledore plötzlich den Zauberstab zog und ihn lautlos an die Wand schleuderte. Der Umhang fiel auf den Brillenträger und machte ihn unsichtbar.
Hermine unterdrückte ein Keuchen und vermied es, entsetzt nach oben zu stürmen. Der Professor hatte sicherlich seine Gründe.
Und dieser kam auch schon durch die Tür, durch die Harry hatte gehen wollen, entwaffnete Dumbledore und hielt seinen Zauberstab auf ihn gerichtet. Draco.
Sie biss sich auf die Lippe, als ihr Magen sich verkrampfte. Ein Teil von ihr hatte damit gerechnet, dass so etwas passieren würde, nur hatte sie gehofft, dass das nicht der Fall war. Tja, ihr letztes bisschen Hoffnung hatte sich gerade ins Jenseits verabschiedet. Aber wo waren die anderen Todesser?
"Da stehen sie nun", fing der Blondschopf an, "ganz allein und komplett unbewaffnet." Nun, ganz allein war er nicht. Aus seiner Stimme konnte sie Spott und Hohn heraushören, Schadenfreude. Und einen kleinen Funken Nervosität. "Draco." Der Bärtige hatte sich voll aufgerichtet und sprach mit ruhiger und kräftiger Stimme zu ihm, so als wäre nichts gewesen. Das war eine der Sachen, die sie an diesem Mann bewunderte - seine unglaubliche Stärke und Ruhe. Sie wäre vermutlich komplett durchgedreht, aber er stand da und tat so, als wäre das ein ganz normaler Kaffeeplausch. So, als würde alles gut werden und als hätte er das sogar erwartet.
"Nennen sie mich nicht Draco!", zischte Dumbledores Gegenüber zurück. "Aber warum denn nicht? Ich kenne dich seit sechs Jahren."
"Nein, tun sie nicht! Sie kennen mich überhaupt nicht!" Dracos Hand, die den Zauberstab hielt, zitterte, während er seine andere zu einer Faust geballt hatte. Seine Stimme war wacklig und aufgeregt, so als ob er gleich eine Rede vor der gesamten Schule halten müsste. "Und wie kommst du zu dieser Annahme?" Noch immer war Dumbledore die Ruhe in Person. Gott, wie war er denn überhaupt dazu fähig?
Der Blondschopf neigte den Kopf. "Ich denke, dass sie das ganz genau wissen!" Das hier war eine komplett andere Seite von ihm. Sie hatte ihn als das arrogante, verwöhnte Arschloch und den gut aussehenden, klugen, starken Mann kennen gelernt. Und nicht als jemanden, dessen ganzer Körper unaufhörlich zitterte, wenn er den Zauberstab auf eine Person richtete.
Das konnte nur eines bedeuten, denn Draco war nicht feige, zumindest nicht mehr. In ihrem Hals bildete sich ein Kloß. Ein großer Teil in ihr drängte dazu, einzugreifen, doch irgendwie war sie wie gelähmt. Sie konnte sich nicht bewegen, keinen Schritt unternehmen. Nur dastehen und zusehen. Der alte Mann musterte Draco ausdruckslos und neigte dann den Kopf ein wenig. "Auch wenn es dir unwirklich vorkommen mag: Ich kann dir helfen. Du musst das nicht tun."
"Sie verstehen das nicht! Ich muss! Er tötet mich sonst!" Draco war den Tränen nahe und sie musste sich auf die Lippe beißen, um keinen Laut von sich zu geben. Wer? Voldemort? Snape? Der Schulleiter schüttelte den Kopf. "Ich habe schon viele Leute versteckt, die bis heute leben. Niemand würde dich und deine Familie finden." Der Blonde sah noch immer nicht ganz überzeugt aus, sein Zauberstab war weiterhin auf den unbewaffneten Lehrer gerichtet. "Draco, du brauchst dich nicht zu fürchten. Lass dir einfach von mir helfen. Du musst keine Angst haben, es wird alles gut. Er wird dich niemals finden, aber wenn du das jetzt tust, dann wird er es. Du wolltest das doch eh nie. Vertrau mir."
Draco senkte seinen Zauberstab und ihr Magen entspannte sich ein wenig. Er war von Anfang an nicht überzeugt davon gewesen, Dumbledore umzubringen. Und wenn dieser ihn jetzt überzeugt hatte, es nicht zu tun...
Plötzlich stürmten noch mehr Personen in den Raum. Fenrir Greyback, Bellatrix Lestrange und die anderen drei, die sie nicht kannte, jedoch sehr wohl von vorhin wiedererkannte. Und Snape. "Na sieh mal einer an, Dumbledore!", kreischte Bellatrix mit einem irren Lachen, das ihr eine Gänsehaut einjagte, während Draco seinen Zauberstab wieder in die Höhe riss. Verdammt. Perfektes Timing sah anders aus.
Fenrir fletschte vor freudig die Zähne und auch die anderen drei wirkten amüsiert von der Situation. "Bella", antwortete der Direktor ganz ruhig und neigte, wie zur Begrüßung, den Kopf. "Fenrir." Seine Augen wanderten weiter. "Yaxley. Und die Carrow-Geschwister." Gut, dass sie alle Namen kannte. Wenn sie das hier überleben würde, würde sie sofort die Auroren auf die Todesser hetzen.
"Gewährt einem alten Mann wie mir nur eine Frage: Wie?"
"Über das kaputte Verschwindekabinett im Raum, der alles versteckt", antwortete der Werwolf, der so aussah, als würde er jeden Moment irgendjemanden zerfetzen. "Es war die ganze Zeit vor deiner Nase. Und du hast es nicht bemerkt." Sein höhnisches Lachen triefte nur so vor Spott und Schadenfreude. Wenn es Karma gab, dann würde es bestimmt ihn treffen.
Wie hätte sie eigentlich so dumm sein können? Sie hatte zwar schon raus bekommen, dass Draco im Raum der Wünsche an irgendetwas gearbeitet hatte, aber das es im Raum war, der alles versteckte... Nicht nur Dumbledore hatte Grund, sich an der Nase herumgeführt vorzukommen. Scham überkam sie. Wie hätte sie das nicht bemerken können? Gott, sie könnte sich selbst eine Ohrfeige geben!
"Kluger Plan, das muss ich schon zugeben."
"Genug mit dem Geplauder", zischte Yaxley. "Bringen wir es hinter uns." Er sah hinter sich, wo Snape stand, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte und jetzt vortrat. Aus seinem langen schwarzen Umhang zog er seinen Zauberstab.
Hermine biss sich noch kräftiger in die Lippe und umklammerte fest ihren Zauberstab. Er würde es tun. Er würde es tun.
Ihr Atem wurde schneller, Panik stieg in ihr auf. Das konnte er doch nicht machen! Wenn Dumbledore tot war, was würde dann mit dem Schloss geschehen? Mit den Lehrern und Schülern? Mit Harry und ihr?
"Severus." Dumbledores Stimme war kaum zu hören, fast nur ein Flüstern. In seinen Augen blitzte etwas auf, das sie noch nie vorher bei ihm gesehen hatte - Angst. Panik, wie sie sie noch nie vorher gespürt hatte, überkam sie und biss sich auf die Faust, um keinen Schluchzer los zu lassen. Wenn sie jetzt gehört werden würde, würde sie das gleiche Schicksal erwahrten, auch wenn ein Teil in ihr das alles nur für einen makaberen Scherz hielt. Er würde sicher gleich irgendeinen Trick aus dem Ärmel zaubern, der die Situation zum Guten wenden würde. So wie er es immer tat. So wie er es tun musste.
Doch da war kein Trick. Da war gar nichts. Nichts passierte. Nur die pure Todesangst in Dumbledores leuchtend blauen Augen, als Snape mit kaltem Blick auf ihn zu trat, Draco zur Seite schubste und selbst den Zauberstab erhob. Sie hielt ihren Atem an, ihre Lungen brannten. Es wurde still. Der Wind wehte durch Dumbledores lange graue Haare.
"Avada Kedavra!"
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