18. Türchen
Das Licht der aufgehenden Sonne fiel durch das Fenster und brachte Hermine dazu, ihre Augen zu öffnen und ihre müden Gelenke zu strecken. Ihr Kopf lag auf Dracos Brust, der friedlich wie ein Baby schlief. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Er konnte die Welt so aussehen lassen, als wäre alles okay. Und für einen Moment, glaubte sie das sogar selbst.
Sie strich sich eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht und setzte sich auf, um einen Blick auf die Uhr zu werfen. Noch gut eine Stunde bis zum Unterrichtsbeginn. Da sie noch den Aufsatz von gestern Abend beenden musste, sollte sie sich beeilen. Das Frühstück konnte sie ruhig mal ausfallen lassen, sie hatte eh keinen Hunger. Die junge Hexe schwang die Beine über den Bettrand. Den Rest der Nacht hatten sie in Dracos Schlafzimmer verbracht. Da sie diesen Raum immer nur bei Nacht gesehen hatte - bis auf das eine Mal, als sie das Quidditchfeld vom Fenster aus beobachtet hatte - war ihr nie aufgefallen, wie schön er eigentlich war.
Die Farben der Wände, grau und silber, sahen edel aus und die unterschiedlichen Nuancen waren perfekt aufeinander abgestimmt. Die Einrichtung, die aus dunklem Holz bestand, passte gut zum Ambiente. Der Raum wirkte ganz anders auf sie, als ihr eigener, obwohl er im Grunde eigentlich genau derselbe war, nur mit anderen Farben.
Hermine streckte sich noch einmal und zog sich an, ehe sie aufstand und ihre dunklen Haare in einem unordentlichen Dutt hochsteckte, damit ihre ungebürstete Haarpracht nicht auffiel. "Guten Morgen." Sie drehte sich zum Bett um, in welchem sich Draco räkelte und sie mit verschlafenen Augen und lächelndem Mund ansah. "Hey", begrüßte sie ihn. "Habe ich dich geweckt? Das wollte ich nicht."
"Nein." Er schüttelte den Kopf und ein paar helle Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht. Sie hatte ihn noch nie mit ungestylten Haaren gesehen. Irgendwie sah er süß damit aus. "Gib der Sonne die Schuld. Viel zu hell meiner Meinung nach." Sie lächelte. "Ja, find ich auch. Hör mal, ich würde gerne noch bleiben, aber der Unterricht fängt in gut" - sie warf einen Blick auf die Uhr - "einer Dreiviertelstunde an und ich muss noch einen Aufsatz beenden, also..."
"Wieso schwänzt du nicht einfach? Viel wirst du nicht verpassen und ich würde viel lieber Zeit mit dir verbringen als mit Professor Flitwick", sagte er und sah sie mit einem schiefen Lächeln an. "Ja, ich auch, aber ich will nächstes Jahr die Prüfungen mit Bestnoten abschließen und dafür brauche ich den Stoff vieler Jahre. Die jetzigen Unterrichtsstunden sind wichtig dafür."
"Ich bin mir sicher, dass deine Prüfungsergebnisse so oder so die besten sein werden. Egal, ob du eine Unterrichtsstunde verpasst oder nicht." Sie legte den Kopf schief. "Aber diese eine Stunde ist wichtig. Wir haben heute Nachmittag Zeit."
"Na gut. Bekomme ich wenigstens noch einen Kuss?" Er sah sie flehend an, sodass sie sich runterbeugte und ihm einen kurzen Abschiedskuss gab. Sie war schon fast an der Tür, als er sie zurück rief. "Hermine? Ich möchte dir ja nicht den Tag vermiesen, aber steht das mit der Übungsstunde noch? Die, die wir vor ein paar Wochen abgemacht haben." Sie kniff die Augen zusammen. Damit hatte sie gerechnet und doch hatte sie immer gehofft, dass er es vergessen hatte. Was aber leider nicht der Fall war.
Die Hexe atmete tief ein, öffnete die Augen und drehte sich um. "Ja klar. Natürlich. Wie wäre es heute Nachmittag nach der Schule?" Sie stotterte ein bisschen und hoffte, dass ihr Unwohlsein ihr nicht allzu sehr anzusehen war. Doch Draco ignorierte das und nickte nur mit dem Kopf. "Das ist eine gute Zeit."
*
"Hey." Hermine begrüßte Draco mit einem Kuss nachdem sie den Raum der Wünsche betreten hatte. "Hey. Ich hoffe, du bist nicht eins dieser Mädchen, die Angst vor Mäusen haben und sich vor ihnen ekeln?" Er holte eine schwarze Maus aus seiner Jackentasche. Sie schüttelte den Kopf und befreite ihre Locken aus ihrer Frisur. "Nein, im Gegenteil. Ich finde die sogar echt süß. Aber die ist doch noch nicht lange in deiner Tasche, oder?", fragte sie und spürte, wie sich ihre Ader für Tierschutz meldete. "Nein, erst seit ein paar Minuten. Ich hab sie aus Slughorns Zaubertränke-Vorrat gestohlen. Also quasi gerettet, weil für keinen Zaubertrank lebende Mäuse benötigt werden. Also fangen wir an?"
Sie nickte. "Ja. Fangen wir an."
Draco setzte die Maus auf einem Tisch ab. "Wenn du jemanden mit dem Imperiusfluch belegen willst, musst du das auch wirklich wollen. Bei einer kleinen Maus, so wie dieser hier, ist kein großer Wille nötig, weil sie klein und leicht zu kontrollieren ist. Sie besitzt keinen großen Widerwillen. Wenn du aber einen Menschen verfluchen willst, musst du es mit jeder Faser in deinem Körper wollen. Obwohl - nicht mit jeder Faser, aber mit den meisten. Genau wie bei den anderen zwei unverzeihlichen Flüchen. Verstanden?"
Sie nickte. "Gut. Ich mache es einmal vor." Er richtete seinen Zauberstab auf das kleine Wesen. "Deine Hand muss locker sein, aber den Zauberstab trotzdem fest und stabil halten. Er muss sicher in deiner Hand sitzen und dir auf keinen Fall runterfallen. Ungefähr so. Und dann sagst du die Formel. Du kannst sie auch nur denken, aber das ist schwieriger. Wenn du sie ausgesprochen hast, dann reicht es aus, nur zu denken, was du die jeweilige Person - oder das jeweilige Tier - tun lassen willst. Und sie oder es wird es tun. Imperio!"
Ein grüner Strahl kam aus seiner Zauberstabspitze geschossen und traf direkt auf die Maus, die nur Sekunden später damit anfing, sich willenlos auf dem Tisch hin - und herzurollen. Es machte ihr ein wenig Angst, wie einfach es zu sein schien, doch sie hatte keine Wahl, als Draco den Fluch von der Maus aufhob und sie aufforderte, es selbst zu probieren.
Sie atmete tief ein und aus, nahm ihren Zauberstab in die Hand und sprach die Formel. "Imperio!" Es geschah nichts. Kein grüner Lichtblitz kam aus ihrem Zauberstab geschossen und die Maus blieb unverändert auf dem Tisch sitzen. Draco lächelte. "Keine Sorge. Niemand hat es bisher bei seinem ersten Versuch geschafft. Versuchs einfach noch ein paar Mal." Auch bei ihren nächsten gefühlt hundert Versuchen passierte nichts. Bis die Maus auf einmal auf dem Tisch im Kreis zu laufen begann.
"Siehst du", lobte er sie. "Du kannst es doch. Wie fühlt es sich an?" Gut. Es fühlte sich gut an, sehr gut sogar. Dieses Gefühl war das letzte, was sie erwartet hatte und es fühlte sich verdammt falsch an. Und auf irgendeine absurde und abartige Weise auch verdammt gut. Die Macht über ein Lebewesen zu haben - das war so ungewohnt und neu. Aber irgendwie reizte es ihre Nerven in aufregender Art auf Weise. Sie wollte mehr.
Plötzlich hörte die Maus auf, Kreise auf der dunklen Holzplatte zu ziehen und blieb einfach stehen. Der Fluch hatte aufgehört, sie hatte ihn nicht aufrecht erhalten können. Erleichterung strömte durch ihren Körper. Und Frustration, als sie sich zu ihm umdrehte. "Gut. Es fühlt sich gut an."
"Nur gut?" Er zog fragend die Augenbrauen hoch. "Großartig." Hermine verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und küsste ihn stürmisch. Es war, als würde sie in einem Rausch sein, als wäre ihr die Faszination zu Kopf gestiegen. Doch sie wollte nicht wirklich etwas dagegen machen, da es sich so gut anfühlte. Jeder Nerv in ihrem Körper war so empfindlich wie noch nie, als er ebenso leidenschaftlich erwiderte und sie hoch auf den Tisch hob. Die Maus sprang von Tisch, während sie so schnell wie möglich sein Hemd aufknöpfte.
*
Sie verließ den Raum ein paar Minuten nach Draco. Sie wollten nicht riskieren zusammen gesehen zu werden. Harry konnte immerzu auf seine Karte schauen und die Hauselfen sie jede Sekunde beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Es war einfach gefährlich. Ein kleiner Rest ihrer Euphorie war noch in ihrem Körper, als sie den von Kerzenschein erhellten Gang entlang lief, da es in der Zwischenzeit dunkel geworden war. Es machte ihr Angst, so ein Gefühl zu empfinden. War das sie? Jemand, der es genoss andere Lebewesen zu kontrollieren? So jemand wollte sie nicht sein. Himmel, sie verstand sich selbst nicht.
"Hermine? Hermine!" Ron kam aufgeregt auf sie zu gerannt. "Wo warst du denn? Ich hab überall nach dir gesucht!" Sein Atem ging schnell und sie bekam ein Deja-vue von dem, was vor gut zwei Monaten passiert war. Hoffentlich hatte Ron nichts angestellt. Oder Harry. "Ron? Was ist los?", fragte sie verwirrt und musterte ihn. Keine Spur von Blut war auf dem Rothaarigen zu finden. Gut. "Dumbledore hat Slytherines Medaillon gefunden. Den Horkrux. Er ist in irgendeiner Höhle am Ozean. Harry und er sind zu ihr aufgebrochen und Harry hat mir aufgetragen, alle Mitglieder der DA zu mobilisieren, um das Schloss zu beschützen. Da Dumbledore weg ist, ist das Schloss ohne Schutz. Wir müssen verhindern, dass Todesser hier eindringen!"
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