15. Türchen
Viel Spaß mit diesem langen Kapitel!
Ihr Instinkt brauchte ihr nicht sagen, dass irgendetwas nicht stimmte, auch wenn sich alle Haare an ihrem Körper aufrichteten. Was sollte sie tun? Sie konnte ja schlecht einfach weitergehen und so tun, als wäre nichts gewesen. Harry folgen? Sie bezweifelte, dass er zu der Quelle seiner Panik rannte. Sie musste ihm folgen, nur umgekehrt.
Hermine ging eilig um die Ecke, aus der Harry gekommen war. Der Gang führte zu einer Treppe, die sie runter rannte. Sie kam zu einem Gang, der wieder in einer Ecke endete. Der Korridor danach war sehr lang und endete wieder in einer Treppe. Sie eilte sie herunter, doch in der Mitte der Stufen blieb die Brünette stehen. Ein seltsamer Singsang drang aus einer offenen Tür zu ihr, von der sie wusste, dass es die Tür zum Klo der Maulenden Myrte war. Ein schlechtes Gefühl beschlich sie. Was hatte Harry getan?
Sie schlich die restlichen Stufen herunter und drückte sich an die Wand neben der Tür, um unauffällig einen Blick hinein werfen zu können. Der Raum war von Blut überflutet. Der Boden war eine riesige Blutlache, an den Wänden klebten rote Blutspritzer. Ihr wurde übel. Die maulende Myrte schwebte nah an einer Kabine, die Hände vor das erschrockene Gesicht geschlagen und klagend. "Er hat ihn angegriffen! Er hat ihn angegriffen!", schrie sie immer wieder entsetzt, während durchsichtige Tränen über ihr Gesicht liefen.
Ihre Augen wanderten nach unten, weg von Myrte. Und weiteten sich vor Schreck.
Draco lag inmitten der Blutlache, leblos, das Gesicht weiß wie Schnee. Sein helles Hemd war von Blut durchtränkt und er wirkte eher tot als lebendig. Was zur Hölle war passiert? Draco lag in seinem eigenen Blut. Snape hockte über ihm und führte seltsame Bewegungen aus, die zu den noch seltsameren Lauten passten, die aus seinem Mund kamen. Anscheinend heilte er ihn.
Die junge Hexe spürte, wie ihr Atem schneller wurde. Wenn Draco starb... dann würde Harry in Askabab landen. Und sie würde nie herausfinden, was er im Raum der Wünsche tat und wieso er Dumbledore umbringen wollte. Sie presste sich die Hand gegen den Mund. Nur die Ruhe bewahren. Plötzlich hörte sie wieder Schritte, genauso schnell wie die vor ein paar Minuten.
Harry kam zurück.
Sie eilte in den Schatten und drückte sich weiter in den Schatten. Wie sie erwartet hatte, kam Harry die Treppe hinunter gerannt, in der Hand ein wohlbekanntes Buch. Ein Zaubertrankbuch. Er übersprang die letzten beiden Stufen und eilte mit panischem Gesichtsausdruck in die unbenutzte Toilette.
Snape wollte also offenbar sein Zaubertrankbuch sehen. Das Buch des Halbblutprinzen. Hermine erinnerte sich, dass auf den Seiten nicht nur Anleitungen für Zaubertränke standen, sondern auch ganz andere Dinge. Wie Zaubersprüche, die in keinem anderen Buch zu finden waren. Hatte Harry etwa...? Sie wiederstand nur mühsam dem Drang, sich die Flache Hand auf die Stirn zu schlagen. Harry hatte Draco mit einem Zauberspruch aus jenem Buch angegriffen. Und da Snape nicht dumm war und ihm aufgefallen war, dass Harry sich rasant verbessert hatte in Zaubertränke, hatte er das natürlich auf das Buch geschoben.
Nun war der schwarzhaarige Brillenträger endgültig dran.
"Won Weschly?", drang Snapes Stimme zu ihr vor. "Ja", kam Harrys nervöse Antwort, "so nennen meine Freunde mich manchmal. Ein Spitzname, den ich einfach da rein geschrieben habe." Er lachte nervös auf. Gott, er konnte definitiv nicht lügen. "Und wieso glaube ich ihnen das nicht, Potter?", fauchte Snape zurück. "Holen sie ihr Buch!"
"Das ist mein Buch. Ernsthaft." Er musste ihm Rons Buch gegeben haben, denn Rons Schrift war mehr als unordentlich und durch die vielen Tintenflecken konnte aus Ron Weasley schnell mal Won Weschly werden. "Ich werde das alles Dumbledore sagen. Dann werden sie ja sehen, wie sehr er noch in sie glaubt." Nur eine Sekunde nach diesen Worten trat Snape aus der Toilette und ging eilig den Gang entlang, Draco auf einer Liege hinter sich schwebend.
"Harry." Sie eilte in den Raum. "Er ist ein Mörder!", brüllte Myrte. "Mörder! Mord! Hier in der Schultoilette! Mord!" Wahrscheinlich regte sich Myrte deswegen so auf, weil sie selbst in dieser Toilette zu Tode gekommen war. Mit dem Unterschied, dass Draco nicht tot war. Zumindest hoffte sie das.
Sah wohl so aus, als wollte das Universum nicht, dass sie den Imperius-Fluch lernte.
"Harry! Komm!" Die Brünette packte ihn am Arm und zerrte den wie betäubten Harry auf den Gang hinaus. "Niemand darf dich hier sehen! Komm schon!" Sie schleppte ihn die Treppe hinauf. "Wo gehen wir hin?" Sein Blick war verwirrt, irgendwie verschleiert. So als hätte er die Situation gar nicht begriffen.
"Zum Gryffindorturm. Du wäschst dich, zieht dich um, erklärst mir was passiert ist und dann überlegen wir weiter."
*
"Du hast ihn angegriffen?", Ron sah Harry schockiert an. Die beiden Jungs, Ginny und Hermine saßen im Jungenschlafsaal, Harry geduscht und umgezogen, sodass nichts mehr von Dracos Blut auf ihm zu finden war. "Ja. Und auf einmal lag er blutend am Boden und dann kam Snape und..."
"Fang einfach vom Anfang an", unterbrach Ginny ihn. "Okay?" Er nickte etwas zögernd. "Okay. Ähm... Ich... ich wollte zum Gryffindorturm, um meine Quidditchsachen zu holen, um noch etwas trainieren zu können für das anstehende Spiel. Dann habe ich ihn in die Toilette der Maulenden Myrte gehen sehen und da die nicht benutzt wird, erschien mir das seltsam. Also bin ich ihm gefolgt."
"Und hast ihn dann angegriffen?", wollte Ron wissen, der jedoch gleich mit einem Zischlaut von Hermine zum Schweigen gebracht wurde, die dem Schwarzhaarigem bedeutete, weiter zu reden. "Ich wollte ihn belauschen. Er hat angefangen, sich mit Myrte zu unterhalten", fuhr er fort, "und sie hat ihn getröstet. Es hat so geklungen, als ob sie sich schon mehrmals unterhalten hatten. Also muss Malfoy Myrte wohl in seine Pläne miteinbezogen haben, weil sie sprachen von etwas."
"Von was?, fragte Ginny. "Ich weiß es nicht. Malfoy hat mich entdeckt und mich angegriffen."
"Also hat er den ersten Zug getan?", hakte Hermine nach. Er nickte. Innerlich säufzte sie. Das sah Draco ähnlich. Nicht dazu in der Lage, seine Aggressionen zu zügeln. "Wir haben uns duelliert. Und dann wollte er mich foltern. Er hat mich mit dem Cruciatus-Fluch angegriffen!" Er sah alle in der Runde nacheinander an. "Er hat einen unverzeihlichen Fluch gewirkt." Ein Schauder fuhr ihr den Rücken herunter. Wenn er wüsste.
"Er hat mich verfehlt, zum Glück, und dann habe ich einfach die nächstbeste Formel gesprochen, die mir einfiel. Sectumsempra. Dann ist er zusammengebrochen und seine Haut wurde grau und er hat geblutet am ganzen Körper, so als wäre er von einem Schwert durchstochen worden."
"Sectumsempra? Ist das nicht der Spruch aus dem Buch des Halbblutprinzen?", bemerkte der männliche Weasley im Raum. Harry nickte. "Ja. Und dann kam Snape, der verlangt hat, mein Zaubertrankbuch zu sehen. Ich hab ihm deins gegeben, Ron, aber er hat mir nicht geglaubt. Aber da er keine Beweise hatte, ist er einfach mit Malfoy zum Krankenflügel gegangen. Aber warum wollte Snape mein Buch sehen? Ich versteh es nicht."
"Ganz einfach", antwortete die Brünette. "Ihm ist nicht entgangen, wieso du so gut in Zaubertränke geworden bist. Dafür hat er das Buch verantwortlich gemacht." Er schüttelte ungläubig den Kopf. "Das könnte auch einfach am Lehrerwechsel liegen."
"Nein, könnte es nicht. Niemand im Kurs hat sich großartig verbessert bei Slughorn."
"Vielleicht bin ich ja ein besonderer Einzelfall." Sie sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. "Was machen wir jetzt?", kam Ginny auf die wichtigen Dinge zurück. "Du wirst doch jetzt bestimmt bestraft? Snape meinte, dass er es Dumbledore erzählen wird." Harry zuckte mit den Schultern. "Bestimmt. Aber ich weiß nicht, was mich erwarten wird." Bedrückende Stille trat ein. Hermine konnte die Vögel draußen zwitschern und den Wind durch die Bäume fahren hören. Der Frühling war in vollem Gange.
"Und... tut es dir leid?", fragte sie vorsichtig nach. Wieder ein Schulterzucken. "Keine Ahnung. Er wollte mich foltern."
"Und du hast ihn fast umgebracht!" Ihre Stimme wurde lauter. "Ja, er hat einen verbotenen Spruch benutzt, aber du auch! Und du wusstest nicht einmal, was er bewirkte, es hätte auch ein Spruch sein können, der den sofortigen Tod auslöst und dich zum Mörder macht!" Sie konnte es nicht fassen. Gerade Harry sollte wissen, wie sich Schuld anfühlte. Bei all den schrecklichen Dingen, die ihm angetan wurden. Dass seine Eltern gestorben und so viele andere in Gefahr geraten waren. Wegen ihm. Hatte er all das etwa vergessen? Das konnte doch nicht wahr sein!
"Wieso regt dich das so auf?", kam seine ebenso laute Antwort. "Ich habe nur mich selbst verteidigt! Hättest du lieber mich tot gesehen als ihn? Und er ist nicht mal tot, er wird bestimmt wieder gesund werden! Eigentlich ist es seine Schuld, er hat mich angegriffen, nicht ich ihn!" Hermine schüttelte den Kopf. "Es geht ums Prinzip. Du hast einen Spruch verwendet, den du nicht kanntest, der vielleicht noch schlimmeres hätte anrichten können! Außerdem hast du ihn belauscht, nicht er dich. Er hat nur seine Privatsphäre geschützt!"
"Nimmst du gerade etwa Malfoy in Schutz? Hermine, ist das dein Ernst?", mischte Ron sich ein und sah sie mit zugekniffenen Augen an. "Okay Leute, kommt runter", unterbrach Ginny die Streitenden und stoppte somit Hermine, die gerade zu einer bissigen Antwort ansetzen wollte. "Das bringt uns auch nicht weiter. Also - wird Malfoy auch bestraft werden oder nur Harry?" Die Brünette schluckte ihren Ärger runter und atmete tief durch. "Keine Ahnung, kommt darauf an, wer dir glauben wird. Snape bestimmt nicht und inwifern Malfoy die Wahrheit sagen wird, ist unklar. Klar ist nur, dass du ihn schwer verletzt hast, wer angefangen hat, hängt von euch beiden ab."
"Was ist mit dir, Hermine? Du warst Zeugin."
"Ja, aber ich habe nur den Snape Teil mitbekommen. Außerdem... würde ich lieber nicht benannt werden." Dann könnte Draco ihr Vorwürfe machen und das konnte sie im Moment wirklich nicht gebrauchen. Harry zog eine Augenbraue hoch. "Warum? Willst du mich etwa nicht verteidigen? Hermine, wenn..." Seine lauter werdende Stimme wurde erneut von der weiblichen Weasley gestoppt: "Harry, jetzt schrei sie nicht an! Das bringt uns kein Stückchen weiter! Fest steht nur, dass das Buch weg muss."
"Und wohin?", fragte der Schwarzhaarige ein wenig frustriert. "In den Raum, der alles versteckt", sagte Ginny. "Du weißt davon?", fragte Ron seine jüngere Schwester. "Natürlich, Ron, ich bin nicht dumm. Also - das Buch muss so schnell wie möglich verschwinden. Bevor Dumbledore dich befragt. Gehen wir?" Sie stand auf und zog die Augenbrauen fragend hoch. Der schwarzhaarige Brillenträger nickte. "Okay."
"Ich geh dann besser", meinte Hermine und erhob sich ebenfalls. "Ja, weil du ja nicht mir gesehen werden willst", fauchte Harry sie bissig an. Sie schüttelte den Kopf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
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