11
Ich hatte mich geirrt. Es gab weder ein Massaker, noch ein Blutbad. Im Gegenteil, es war sogar verdächtig ruhig in den wenigen Straßen des the Heavens. Gut, die Sonne war gerade erst aufgegangen, jedoch sah ich weder Angestellte, die auf dem Weg zu ihren jeweiligen Jobs waren, noch die ständig übermüdeten Männer der Nacht Security, die sich auf dem Weg in ihr Quartier befanden, nachdem sie abgelöst worden waren.
Aber das eine Katastrophe leise war und nicht mit Explosionen á la James Bond Filmen einbrach, hieß noch lange nicht, dass sie nicht schlimm war. Sehr, sehr schlimm. Nach den Mienen meiner zwei nun stillen Wächter zu urteilen, die mich zuerst in eine schwarze Limousine verfrachtet hatten (welch Ironie, sich mit den Farben des Feindes zu bedecken) und dem Fahrer, der mir nicht bekannt war, anschließend aufgetragen hatten, zum Krankenhaus zu fahren. Ich wollte mich selbst davon überzeugen, dass Gabriel und Hades uns sicher und wohlauf, soweit das eben möglich war, folgen würden. Die Limousine bog scharf rechts ab und das Krankenhaus kam in Sichtweite. Auch hier erschien zunächst alles ruhig. Nur war ich die einzige, die es wirklich zu stören schien. Auch wenn die greifbare Spannung deutlich etwas anderes sagte. "Mademoiselle?"
Thomas hatte sich mit gerunzelter Stirn vorgebeugt und sah mich fragend an. Ich sah runter auf meine Hände und bemerkte, dass sie bereits Blut leer waren, so fest hatten sie sich ins Leder des Sitzes gekrallt. Unter Zwang entspannte ich sie und legte sie mir in den Schoß. "Euer Schweigen macht es nicht gerade besser", murmelte ich leise. Die Luft war zum schneiden dick! Aber mir sagt ja niemand was. Vielleicht weil ich es unterbewusst auch gar nicht wissen möchte? Das Auto hielt und ich stürmte ohne auf den Fahrer oder eine Antwort zu warten raus. Ich war schwach, in vielerlei Hinsicht. Ich war in irgendeinen Mist hinein geraten, der aus einem gestörten Spiel bestand, in dem ich wortwörtlich nur eine Schachfigur war. Aber vielleicht ging ich die Sache ja auch ganz falsch an. Vielleicht war ich selbst ja einfach nur zu verkrampft, genau wie meine Hände vorhin und irgendwann würde ich unbewusst Blut leer und innerlich taub sein. Mit neuen Mut trat ich durch die Drehtür und stolperte.
Auf dem ersten Blick, wirkte alles normal, auch wenn es unnatürlich still war. Eine Stille, die ich bereist kennen gelernt und seit jeher zu hassen bereitet war. Die Ruhe vor dem Sturm. Und der Sturm entpuppte sich als eine rote Spur die sich verzweifelt um den Tresen zog. Ich hätte nach schauen können, wären da nicht roten Abdrücke auf der kahlen weißen Wand gewesen. Ohne mein wirkliches Zutun, rannte ich zu den Fahrstühlen. Mein Körper präsentierte mir gerade selbst einen Riesen großen Mittelfinger, in dem er einfach, ohne Rücksicht auf Gefahren, direkt in ein Minenfeld rannte. Die Türen öffneten sich mit einem Pling und ich hämmerte wie eine verrückte auf die Stockwerkzahl. Ich konnte von draußen gerade noch ein "Mademoiselle, nicht!" hören, bevor die Türen sich wieder schlossen.
Ich zitterte am ganzen Körper, als sich die Türen wieder öffneten und ich in dem sterilen Flur stolperte. Nur dass er diesmal nicht ganz so steril war. Dunkle Flecken breiteten sich auf jeder erdenklichen Oberfläche aus. Manche waren größer, manche kleiner, ließen jedoch keinen Zweifel daran, was sie waren.
Schritt für Schritt ging ich weiter, wobei ich krampfhaft versuchte, meine Atmung still zu halten.
Hades Zimmer sollte, nach Thomas, am Ende des Ganges liegen. Also zwei Zimmer weiter von Gabriel. Die gespenstische Stille fuhr mir durch Mark und Knochen und ich versuchte erst gar nicht daran zu denken, wo die Schwestern und Ärzte waren, die sonst den, jetzt leeren, Flur bevölkerten. Die...Spuren sprachen für sich. Sollte ich noch auf meinen mentalen Zusammenbruch warten, der auf jeden Fall noch kommen musste, oder sollte ich ihn einfach versuchen selbst herbei zu führen, damit ich es endlich hinter mir hatte. Denn in Ernst? Die Wartezeit war schlimmer als der Anfall an sich. Und kein normaler Mensch würde bei diesem ganzen Drama, dass sich zurzeit tagtäglich in meinem Leben abspielte, nicht nicht die Kontrolle verlieren. Hinzu kam die nicht gerade geringe Anziehungskraft die ich zu einer gewissen Person verspürte, die womöglich ein Psychopath war. "Wenn das alles hier vorbei ist", murmelte ich leise zu mir selbst, "werde ich mir wohl den Kopf rasieren und in irgend einem Tempel fern ab der Zivilisation ansteigen müssen." Wer weiß, vielleicht wurde ich ja sogar Nonne.
Da Gabriels Zimmer näher lag, und ich im leeren Flur langsam unruhig wurde, schlüpfte ich so leise wie möglich hinein und hoffte, dass mich kein Serienkiller, Attentäter oder was weiß ich noch mich dabei beobachtet hatte. Irgendwie mussten diese...Flecken ja entstanden sein. Als ich mir sicher war, vom Flur aus keine Schritte zu hören, drehte ich mich um...und erstarrte. Nein. Nein. Bei allem was heilig auf dieser Welt war...
"Hallo Mia, schön dich so schnell wieder zu sehen."
Vollkommen gelassen lehnte Ethan am Fenster, eine Zigaretten zwischen seinen vollen Lippen, in einer Hand ein Feuerzeug, welches er immer wieder aufschnappen ließ, und sah mich aus dunklen, bodenlosen Augen an. In ihnen spiegelte sich absolute Dunkelheit, kein Anzeichen von Emotionen. Aus seinem Hosenbund ragte deutlich der Griff einer Pistole heraus.
Ich schluckte. Paralysiert vor Angst und...Ja und vor Faszination, was in Teufels Namen stimmte nicht mit mir, konnte ich mich die ersten Sekunden kein Stück bewegen, bevor die Erkenntnis mich traf. Mein Blick flog zum Krankenhausbett. Dem leeren Bett. Wusste er es. Wusste er, wessen Zimmer das war. Oder hatte er einfach aus Zufall in genau diesem Raum auf mich gewartet? Wohl kaum. Ich wirbelte herum um die anderen so schnell wie möglich zu warnen, kam jedoch nicht weit. Ein scharfer Schmerz jagte mein rechtes Bein empor und es gab kläglich unter mir nach. Blut tropfte auf den Boden, aber bei genauerem Blick stellte ich erleichtert fest, dass er nur ein Streifschuss zu sein schien. Und trotzdem. Ohne zu zögern hatte er mich einfach...
Die Waffe lag nun locker in seiner Hand. Ein Schalldämpfer war ans Ende geschraubt worden, den Finger immer noch auf dem Abzug. Ich sah ihn aus großen Augen an.
"Wir haben uns gerade wieder gesehen und du willst schon gehen?"
Er schnalzte mit der Zunge. "Ziemlich...unhöflich, findest du nicht."
Mein Gesicht verzog sich zu einer verzerrten Grimassen. "Und das vom denjenigen, der mich gerade angeschossen hat", krächzte ich. Zitternd zog ich mich an der Wand hoch, wagte es aber nicht, noch mal auch nur einen Blick zur Tür zu werfen. Ethan legte den Kopf schräg, wirkte fast neugierig. Neugierig worauf? Ob ich es schaffen würde, auf einem Bein auf und ab zu hüpfen.
"Du befindest dich nicht gerade in der Lage, dich so zu...Verhalten", sagte er mit milder Interesse. Als wäre ein blutiges Krankenhaus, ein verschwundener Patient und ein Streifschuss nur ein Spiel für ihn. Vermutlich war es das. Und in erster Linie war ich selbst für meine jetzige Situation verantwortlich. Notiz an mich selbst: renne niemals wieder in ein verlassenes Gebäude ohne nach Links und Rechts zu gucken. Meine aufsteigende Wut verlieh mir neue Kraft und neuen Mut. Mom hatte mit ihrer Vermutung, dass mein Temperament vermutlich eines Tages mein Grab sein würde, gar nicht mal so falsch gelegen. Wobei sie wahrscheinlich nicht so was im Sinn gehabt hatte. "Ach nein? In welcher Lage befinde ich mich denn genau, Mr Serienkiller." Seine Augen verdunkelten sich auf unheimliche Weise wieder und ich wusste verdammt genau, dass ich mich gerade auf einem sehr schmalen Grad bewegte. Ablenken, Mia. Bis dir was einfällt, wie du Thomas und Magred hier raus bekommst. Falls Sie nicht schon längst mit dem Gesicht voran in ihrem eigenen Blut lagen. Panik durchflutete mich. Wobei ich immer noch versuchte, rational zu bleiben. Ein kreischendes Häufchen Etwas wird Ihnen nicht weiter helfen. Aber ein gewisser Ring könnte es vielleicht.
"Ich bin ein Killer, kein Serienkiller", sagte Ethan in diesem Moment, ein träges Lächeln zierte seine hübschen Lippen. Die Zigarette lag rauchend auf dem Boden. "Wo ist da der Unterschied", schnaubte ich. Während Ethan über eine Antwort nachdachte, dachte ich darüber nach, wie ich diesen Key-Schlüssel zum laufen bringen sollte.
"Du bist Klug, Chérie. Klüger als andere, als du denkst."
Ich wusste nicht, ob Mom wirklich damit recht hatte. In diesem Moment schienen diese Worte nie ferner zu sein. Aber Mom war klug gewesen. Also musste ja zumindest etwas wahres daran sein. Der Ring reagierte auf meinen Körper, meinen unausgesprochenen Befehlen. Dass hatte er zumindest getan, als ich verletzt wurde und mich automatisch geheilt hatte. Wenn ich ganz tief in mich ging und mich konzentrierte, konnte ich das leichte Vibrieren war
"Ein penny für deinen Gedanken."
Erschrocken riss ich den Kopf hoch. Er war mir näher gekommen. Viel näher. Die Spitzen seiner Haare streiften meine Wange. "Oder noch besser." Seine Lippen näherten sich meinem Mund. "Einen Kuss für einen Gedanken."
Ich schluckte hart und mein verräterischer Körper neigte sich ihm leicht entgegen. Gefährliches Gebiet, teuerste! Dieser Mann war mein persönliches Schlachtfeld, meine persönliche Schlacht, die ich zu schlagen hatte. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich mit jeder noch intakten Gehirnzelle auf meinen Ring. Schaff sie hier raus! ,schrie ich ihn wortlos an. Sie müssen entkommen! Mein Ring fing an zu Vibrieren, im gleichen Moment, wie seine Lippen die meine trafen. Nicht sanft oder weich. Das waren unsere Küsse nie. Sondern hart, fordernd und einer Leidenschaft, die mich jedesmal zu übermannen drohte. Der Tempel seiner Lust bohrte sich hart in meinen Bauch, während meine Libido schon jetzt ein Freudentänzchen vollführte. Mit aller Macht und dem noch letzten Funken Verstand in mir, biss ich ihm hart auf die Lippe und riss mich los. Er stolperte zurück, eher aus Überraschung als dass ich ihn wirklich hätte weg drücken können, aber diese paar Sekunden reichten mir vollkommen. Schnell wie der Blitz schoss ich auf die Tür zu und stolperte in den Gang hinaus. Ich hätte zum Fahrstuhl rennen sollen. Mein Gefühl riet mir jedoch, erst nach Hades zu sehen. Mein "Gefühl" war für die Tonne, aber das war ich ihm Schuldig. Also flitzte ich zur letzten Tür und öffnete die Tür nur einen schlüpfte durch. Auf den ersten Blick erschien das Zimmer leer. Auf den zweiten sah ich mit einer Pistole konfrontiert, die sich kühl gegen meine Stirn drückte. Nach Luft schnappend sah ich in das bandagierte Gesicht hoch. Nur einzelne Flecken Haut waren daraus zu erkennen und zwei tiefe Höhlen, wo die Augen sitzen musste. Seine Klamotten hingen in blutigen Fetzen an ihm hinab und gaben den Anblick auf einen erstaunlich....stattlichen Oberkörper frei. In Gedanken verpasste ich mir eine Ohrfeige. "Hades?", fragte ich leise, da man das Gesicht schlecht durch das ganze Verbandszeug erkennen konnte. Mein Gott! Wie schlimm hatte es ihn denn erwischt? "M...Mia?" Seine Stimme war ein wenig heller, klangvoller, als ich sie in Erinnerung hatte, aber vielleicht lag das ja auch mit der Explosion zusammen. Von Medizin hatte ich so überhaupt keine Ahnung, außer eines mickrigen Erste-Hilfe Kurses, den ich mal absolviert hatte. Aber auch so konnte ich das Ausmaß des ganzen erkenne.
"Oh Himmel, Hades!" Leise schluchzend zog ich ihn an mich und drückte ihn fest. "Es tut mir so Leid!"
Erst schien er irritiert über meinen Ausbruch zu sein, im nächsten Moment jedoch umarmte er mich ziemlich ungelenk zurück. Bevor er sich schnell wieder zurück zog und mich prüfend musterte.
"Was machst du hier?"
Was ich hier machte. Gute Frage! Denn wir hatten keine Zeit für Tränen, wenn nur ein paar Räume weiter ein gefährlich Sexy Killer nur darauf wartete, uns mit Kugeln zu durchlöchern. Hastig wischte ich mir übers Gesicht und eilte zurück zur Tür. Angestrengt presste ich mein Ohr dagegen. "Was ma-"
"Pschht!" Mahnend presste ich einen Finger auf die Lippen und als ich nichts hörte, wagte ich mich ihm zu zu flüstern: "Wir müssen so schnell wie möglich hier weg, Hades! Gabriel war nicht in seinem Zimmer und Thomas und Magred habe ich unten im Erdgeschoss zurück gelassen" Idiotin! "Und außerdem....Außerdem ist er hier."
"Thomas? Gabriel? Und wer ist er?"
Er machte sich nicht die Mühe zu flüstern, woraufhin ich ihm einen bösen Blick zu warf und noch leiser sagte als zuvor, beinah nur die Worte mit dem Mund formte: "der Black King."
Obwohl ich sein Gesicht nicht sehen konnte, wusste ich, dass es jetzt in diesem Moment alles an Farbe verloren haben musste. Seine Hände ballten sich Angestrengt zu Fäusten und sein Blick erdolchte die Tür, als könne er dadurch auch die Person dahinter erdolchen.
"Er spielt seine Spielchen, weshalb er wahrscheinlich noch nicht hier rein gebrochen ist, aber wir müssen hier unbedingt weg! Vielleicht ja durch ein Fenster oder wir verstecken uns, wobei ich nicht denke dass das etwas nützen würde." Ich war zum Fenster gegangen und rechnete den Abstand zum Boden aus. Wir würden uns gut und gerne ein Bein, Arm oder was sonst noch brechen. Es war zu hoch, was nicht hieß, dass wir uns nicht einfach runter hangeln könnten. Eine Tür wurde krachend aufgeschlagen und ich duckte mich alarmiert, bis ich bemerkte, dass Hades derjenige war, der jetzt rausmaschierte. Mit großen Augen beobachtete ich, wie er die Waffe zog und schoss.
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