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Inoffiziell war das Treffen damit beendete gewesen. Was so viel hieß wie: Ethan ist nach dieser Bombe einfach aufgestanden und gegangen.
Und ließ mich an einem Tisch voller Raubtiere zurück, die aussahen, als würden sie mich am liebsten in Stücke reißen.
Als immer noch amtierende weiße Königin hätte ich gerne meinen Mann gestanden und hätte ihnen gesagt, wo sie ihre Blicke und die auf ihren Zungen liegenden Kommentare hinschieben sollten.
Stattdessen war ich aufgestanden und hatte die Flucht angetreten. Erbärmlich. Ich schämte mich selbst, dass ich vor diesen Leuten, die mir Verachtung entgegenbrachten, ohne mich wirklich zu kennen, kein Rückgrat beweisen konnte.
Das Anwesen von Ethan war riesig und, entgegen aller Erwartungen, ziemlich hell eingerichtet. Helle Möbel, Creme farbende Tapeten und weißer Marmor. Die Möbel waren zwar alt, aber äußerst Luxuriös. Das Einzige, Was man hier als dunkel bezeichnen könnte, war der Westflügel. Sein Herrschaftsgebiet. Er schien die Dunkelheit ja förmlich anzuziehen und neben all dem hellen hier, erschien der Gang zum Westflügel wie ein klaffender Abgrund, in den man unweigerlich stürzen würde, wenn man wagte diesen Weg zu gehen.
Also nein... selbst mit all meinem nicht vorhandenen Mut würde ich diesen Weg gehen können und so stürmte ich die Treppen in die entgegengesetzte Richtung. Der Ostflügel war von all den Dingen hier besonders schön. Die Wände und Gänge waren mit Bildern und Vitrinen ausgestellt, in denen wunderschöne Vasen oder Juwelen zu sehen waren. Nicht, dass ich in diesem Moment dafür auch nur im mindesten in der Lage war.
Bevor ich die Türen in meine Gemächer aufreißen konnte, wurden die Türen von innen geöffnet und eine rundliche alte Dame sah mir überrascht entgegen, bevor sich ihr Gesicht zu einem regelrechten Strahlen verzog. "Lady Lockheart! Wie schön sie zu sehen. Ich wollte gerade nachschauen, ob sie noch lange brauchten! Ihr Bad ist bereits eingelassen und ich habe mir die Freiheit genommen, ihnen einen Teller meiner selbst-gemachten Kekse auf den Nachttisch zu stellen." So sehr ich diesen Ort auch hassen wollte, diese Frau zerschlug jede negativen Gefühle bereits im Keim. "Vielen Dank Mrs Huston", murmelte ich und trat an ihr vorbei in einen wahren Prinzessinnen Traum. Die Wände waren in zarten rosé gehalten, während die Möbel überwiegend weiß waren. Es gab einen Kamin vor dem eine Sofalandschaft aufgebaut war, dass Himmelbett hatte Queen Size Größe und und vier große Fenster ließen einen eine fantastische Aussicht auf den Park haben. Die Decke war unglaublich hoch und mit allerlei Stuck verziert, so dass es schon beinahe kitschig wirkte. Eine Wand nahm ein ganzer Schrank ein, der fast bis zu Decke reichte und teils musste man mit einer Leiter hantieren, um an die oben hängenden Klamotten zu kommen.
Eine weitere Tür führte in ein großes Badezimmer.
"Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, Mrs Huston, aber ich möchte jetzt am liebsten einfach nur ins Bett." Ich warf der alten Dame einen zerknirschten Blick zu und konnte gar nicht anders, als mich schlecht zu fühlen. Aber Mrs Huston wäre nicht Mrs Huston, wenn sie nicht sofort anfangen würde, mir dieses Kleid vom Körper zu schälen und mir anschließend eines meiner vielen Nachthemden überzuziehen. "Essen sie wenigstens noch die Kekse, Nervennahrung hat noch niemanden geschadet!" Ich konnte nichts dafür, meine Lippen verzogen sich ohne mein Zutun zu einem kleinen Lächeln. Ich versicherte ihr, zumindest eigenen zu Essen und mit den Worten, sofort nach ihr zu rufen, sollte ich etwas brauchen, verabschiedete sie sich. Kurz zögerte ich, bevor ich ihr doch noch hinterherrief. "Also....eigentlich wäre ein Glas Wein jetzt nicht schlecht..."
Mrs Huston war stehen geblieben und musterte mich eine Weile. Uns war beiden klar, dass ich eine furchtbare Trinkerin war und kaum Alkohol vertrug. Dass hatte der Vorfall letzte Woche mehr als bewiesen. Aber gerade jetzt dürstet es mich nach innerer Stärke, der mir der Alkohol normalerweise verlieh. Mrs Huston musste meine Verzweiflung spüren, denn sie nickte und eilte auf ihren kurzen Beinen davon.
Es dauerte nicht lange, da kehrte sie zurück. Ihre eingefallene und traurige Miene hätte mich bereits warnen sollen. Spätestens beim Anblick einer ganzen Flasche Wein hätte ich skeptisch werden müssen. Aber...normalerweise konnte mich nichts und niemand auf einen schwarzen Brief von ihm vorbereiten. Ja, Ich und mein Ehemann kommunizierten nicht. Und wenn, dann taten wir es über Briefe. Mrs Huston stellte die Flasche zu den Keksen auf den Nachttisch und überreichte mir mit leicht zitternden Fingern den Brief. Verübeln konnte ich es ihr nicht. Der letzte hatte mich dazu aufgefordert, an einer Exekution teilzunehmen und als ich mich geweigert hatte, hatte er mich einfach von seinen Männern an einen Stuhl Fesseln lassen und mich gezwungen, zuzusehen.
Ich starrte auf den edlen schwarzen Umschlag in meiner Hand und bat noch im selben Atemzug Mrs Huston das Zimmer zu verlassen. Sie zögerte kurz, bevor sie sich entschuldigte. Als die Tür wieder ins Schloss fiel riss ich den Umschlag auf und zog eine schwarze Karte heraus.
Ich werde verreisen.
In meiner Abwesenheit erwarte ich, dass du dich Benehmen wirst.
Dass war alles. Im ersten Moment dachte ich, ich wäre erleichtert. Ich sollte erleichtert sein. Abwesenheit? Hieß das, dass ich seine Gegenwart für eine unbestimmte Zeit nicht mehr ertragen müsste? Ich schnappte mir die Falsche Wein, dessen Korken bereits gezogen war, und genehmigte mir einen großen Schluck.
Immerhin! Ein guter Grund zu feiern und zu trinken. Aber irgendetwas in mir war bei seiner Botschaft zu Bruch gegangen. Das Wort "verlassen" fing an durch meinen Kopf zu schwirren und um nicht weiter darüber nachzudenken, trank ich noch einen Schluck und schob mir anschließen einen von Mrs Hustons köstlichen Schokoladenkeksen in den Mund.
Hatte ich schon erwähnt, dass ich Alkohol nicht besonders gut vertrug?
"Dem zeigen wir es!", flüsterte ich der leeren Flasche, die ich auf James Maximilian Al Abdul von Lichthof getauft hatte, verschwörerisch zu. Leichter gesagt als gesagt. "Bin das nur Ich oder war der Gang schon immer schrääääg?" James Maximilian Al Abdul von Lichthof antwortete nicht und zog es vor zu schweigen. Zustimmend nickte ich ihm zu. "Ein Gentleman gießt und schweigt", sagte ich feierlich und setzte meinen Weg in den Westflügel fort.
Der Gang setzte sich schier endlos fort, aber James Maximilian Al Abdul von Lichthof war ein ausgezeichneter Führer und als wir schließlich den Westflügel betraten, schienen meine Füße genau zu wissen, wohin sie mussten. Vielleicht hatte ich mich das eine oder andere Mal bereits hierhin verirrt, nur um dann schleunigst wieder die Flucht zu ergreifen. Aber heute nicht! Heute würde ein glorreicher Tag für alle Frauen werden, die von ihren Männern nur als Accessoire behandelt wurden.
Die Doppeltür die zu seinem Zimmer führte ragte wie das Tor zur Hölle vor mir auf. Kurz ließ ich meinen Blick schweifen, auf der Suche nach seinen Höllenhunden, bis mir auffiel, dass diese einem nichts taten, wenn man seine Seele bereits an den Teufel verkauft hatte. Ich Glückspilz. Ich holte einmal tief Luft, machte mich auf alles gefasst, was ich möglicherweise hinter dieser Tür vorfinden würde (eine Orgie, ein gruseliges Labor oder eine Sammlung mit Gefäßen in denen gefallene Seelen festgehalten wurden) und öffnete mit dramatischen Schwung beide Türen. Eigens für diesen Zweck hatte ich mir extra einen Morgenmantel übergeworfen, der bei meinem eintreten eigentlich hinter mir herflattern sollte.
Die Türen krachten mit einem Schlag gegen die Wände. Ich war auf alles gefasst. Auf wirklich alles. Nur nicht auf einen im Sessel schlafend Ethan, den noch nicht mal mein wirklich Oscarreife Auftritt hatte wecken können.
Ich blinzelte ein paar Mal, um zu begreifen was ich da sah. Dass Zimmer war zerstört. Das Bett war komplett in seine Einzelteile zerlegt worden. Überall lag zersplittertes Holz. Die Vorhänge sind zerrissen worden, die Wände wiesen Dellen auf, die von den Wenigen Kerzen im Raum schaurig erleuchtet wurden. Mir glitt James Maximilian Al Abdul von Lichthof aus der Hand und es war nur Dank des dicken Teppich, dass er nicht in seine Einzelteile zersprang.
Das Bild was sich hier vor mir auftat war zugleich fürchterlich und...erschreckend schön. Inmitten dieser Zerstörung saß Ethan, friedlich schlafend auf dem noch einzigen heilen Möbelstück. Meine Beine fühlten sich auf einmal an, als würden sie auf der sinkenden Titanic stehen. Nässe benetzte meine Wangen und ein kalter und zugleich Warmer Schauer fuhr durch mich hindurch.
Wie magnetisch angezogen ging auf Ethan zu. Sein schönes Gesicht war von Schatten gezeichnet und ließen seine scharfen Wangenknochen noch deutlicher hervorstechen. Seine Lippen waren einen Spalt breit geöffnet und sein leiser Atem schien mich irgendwie zu beruhigen.
Dass heißt, bis ich seine aufgeschlürften Knöchel sah, an denen noch immer Blut lief. Mehr Nässe benetzte mein Gesicht und ich fiel vor ihm auf die Knie. Keine Ahnung wieso mir dieser Anblick so wehtat, aber ich hatte das Gefühl, als würde ich ebenfalls bluten.
Schniefend streichelte ich sanft über seine geschundenen Hände. Ich konnte mir vorstellen dass sie furchtbar wehtaten und es brennen musste. Wieso musste er auch so ein herzloser Idiot sein.
Ein prickeln jagte mir den Nacken herunter und einer plötzlichen Eingebung folgend sah ich auf. In ein paar wunderschöner Smaragdaugen. Vielleicht lag es am Alkohol, aber diesmal wirkten diese Augen nicht kalt und Emotionslos. Vielmehr schienen sie sich bis in mein innerstes zu brennen. Ich ließ seinen Brief, den ich wohl die ganze Zeit über fest in meiner Faust umklammert gehalten hatte fallen, und schmiegte meinen Kopf in seinen Schoß, wobei ich nicht auch nur eine einzige Sekunde von seinen Augen abließ.
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