Thirty-Eight ~ Dylan
„Wirklich? ...sicher, dass es alle sind? ...natürlich! ...ah, super ...danke, wir sprechen uns, Sir!"
Mein Vater ließ unser Netztelefon sinken und drückte auf dem roten Knopf, das sich mit einem piepen bestätigte. Sobald er den Anruf beendete, legte er das Telefon weg.
Seine Augen wanderten kalt zu mir und er verflocht die Finger ineinander. Unruhig fing ich an im Stuhl ihm gegenüber zu zappeln. Mir machten seine Laune seit dem Unfall Angst.
Die braunen Augen, die sonst Fröhlichkeit, Wärme und Liebe strahlten, waren seit Wochen steinhart und kalt, undurchdringlich. Er litt. Doch er zeigte es nicht offensichtlich. Nicht wie ich.
Meine Augen waren bestimmt vom Weinen angeschwollen. Die Tränen, die ich die letzten Wochen in meinem Zimmer, allein, vergossen hatte, waren auf meine Wangen getrocknet. Ich hatte seit lange keinen Appetit und wollte auch nichts trinken. Doch ich konnte nicht anders. Ich vermisste sie.
Ich vermisste sie so sehr, dass es schmerzte. Sie war das Kleber, das diese Familie zusammenhielt. Doch seitdem meine Mom wegen dem Unfall im Koma, gebunden an unzähligen Schläuchen, dass es mir Angst machte, zerbrach etwas in unserer Familie.
Meine große Schwester schwänzte hinter Dads Rücken die Schule, um sie zu besuchen, die Zwillinge, die eigentlich von Mom zum Kindergarten gebracht werden sollten, blieben Zuhause, da niemand sie fuhr. Sie verstanden nicht, was los war und fragten jedes Mal, wo sie sei.
Und ich? Ich versteckte mich genau wie Vater vor der Realität.
„Was ist los, Dad? Geht ...geht es um Mom?", fragte ich und ein Hoffnungsschimmer spiegelte sich in meinen Augen, während ich unbewusst den Atem anhielt.
Er hatte mich vor seinem Anruf hierhergebeten, doch seitdem mir gegenüber geschwiegen. Das tat er jetzt auch. Mich aus seinen braunen Augen kalt anschauen, ohne ein Wort zu sagen, ohne eine Regung, dass er wie eine Statue wirkte.
Doch als ich die Frage aussprach, spannte sich sein Kiefer an. „Dylan, du weißt, wer deine Mom verletzt hat, dass sie jetzt nicht mehr bei uns ist, nicht wahr?" Ich wusste nicht, ob ich auf seine leise Frage antworten, oder den Mund halten sollte.
Als sein Blick mich jedoch fragend anblickte, schluckte ich schwer und krächzte: „Die Leo's." Doch, obwohl es stimmte, war das nicht die Antwort, die er hören wollte.
Ein paar Leute von der Mafia hatten uns überfallen, als Dad in der Arbeit war und sie hatten meine Mutter schwer verletzt. Weil sie eine Rechnung mit ihm freihatten. So hatte ich es jedenfalls mitbekommen.
Dads Faust schnellte auf der Tischplatte und das Geräusch, als seine Hand das Holz schnallend traf, ließ mich erschrocken zusammenzucken. Wimmernd lehnte ich mich so weit ich konnte an dem Stuhl hinter mir und sah mit vor Angst geweiteten Augen zu meinem Vater hoch.
Ich hatte ihn noch nie so wütend und außer sich erlebt. Er war immer der Ruhige gewesen. „Und warum zur Hölle waren sie hier?", brüllte er mich an und funkelte mich zornerfüllt an.
„Dad!", flüsterte ich entsetzt, unfähig auf seine Frage zu antworten. „Es waren sie! Wegen ihnen und diese verdammte Mafia, in der ich arbeite!", schrie er mich an.
Er sah mich an und der Zorn verschwand, als er meine Angst bemerkt. Seine verhärteten Gesichtszüge lösten sich langsam und er ließ sich zurück in seinen Stuhl vor dem Schreibtisch fallen. Seine Wut wieder gezügelt, sah er mich mit kalten Augen an.
„Sohn, du solltest wissen, dass wir den Zustand deiner Mutter der Schach Bande verdanken", sagte er schneidend, stürzte die Ellenbogen auf die Holzfläche vor ihm und rieb seine Hände aneinander.
Entsetzt schüttelte ich den Kopf und als ich meine Stimme wiederfand, flüsterte ich: „aber ...aber Dad, das sind doch deine Freunde, oder? Deine A-arbeit?"
Der Mann vor mir, in dem ich immer weniger von meinem Vater sah, warf den Kopf in den Nacken und stieß ein kaltes, humorloses Lachen aus, das mir Gänsehaut verursachte.
„Das waren sie. Vergangenheit. Wegen ihnen sitzt meine Frau in diesem verdammten Gebäude und nicht einmal die Ärzte wissen, ob sie überhaupt irgendwann wieder ...normal sein wird", sagte er, seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern.
Wieder einmal in dieser Woche füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich hatte seit meinem siebten Lebensjahr nicht mehr so viel geweint, doch es schmerzte so sehr. „Wird sie nicht mehr gesund?"
Doch mein Vater ignorierte entweder meine Frage, oder er hatte sie gar nicht gehört, was mich nicht wundern würde, da ich ganz leise gefragt hatte. „Sie hatten mich gedrängelt, bis ich diese Aufgabe machen musste und was habe ich davon? Dass die Leo's Rache an mir wollen", zischte er, den Blick in die Ferne gerichtet.
Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte, weshalb ich schweigend seine Worte lauschte und mich davor hütete, eine falsche Bewegung zu machen.
„Sie sind schuld, dass sie nicht mehr hier bei uns ist!" Wieder wurde er laut und sein Blick huschte zu mir. Ich schluckte schwer und wisperte: „hast du es ihnen gesagt?"
„Nein und ich kann es auch nicht mehr, Sohn", sagte er sanft und ein grausames Lächeln umspielte seine Lippen. „Sie sind tot. Genau wie ihre Kinder es einmal werden. Mit deiner Hilfe."
~~~
×Dylan×
Während wir auf die Whites gewartet hatten, war ich in Gedanken ganz woanders. Ich würde gerne sagen, ich gehe schöne Momente nach, doch über was ich nachdachte, war ein einziger grässlicher Albtraum.
Die Gespräche mit meinem Vater.
Die Gespräche, die einen Loch der Leere in meinem Herz brannten. Er hatte mein Inneres jahrelang mit Hass und Lügen gegossen, bis ich anfing ihm alles abzukaufen, ihm blind zu vertrauen und seine Marionette zu spielen, dessen Fäden nur er führen konnte.
Ich hatte anfangs gekämpft. Ich wusste, dass mein Vater den falschen Weg, einem Licht nachging, der ihn nicht ins Freie führte, sondern in einem Loch der Verzweiflung, der ihn nicht mehr gehen lassen würde.
Ich hatte gekämpft. Um Moms Wille, die bestimmt nie gewollt hatte, dass aus Dad so ein Monster entstand. Um die Zwillinge, meine kleinen Geschwister, die schließlich von ihrem eigenen Vater umgebracht wurden. Um meine Schwester, die mich am Ende verließ und mit ihrem Freund das Monster, zu meinem Vater wurde, verließ und mich mit ihm alleinließ.
Zwei Jahren, nach der Zerstörung der Schach Bande, hatten meine Mutter weiter im Koma verbrachte, schlafend, als wäre sie Dornröschen, die auf ihren Prinzen wartete, der sie wachküsste. Doch dieser Prinz kam nie in dieser Geschichte. Und das Leben verließ ihren zärtlichen Körper, der eingewickelt in einem weißen Krankenhauskleid war.
Ihre Geschichte nahm wie die wahre Geschichte von Dornröschen ein hässliches Ende. Sie starb. Ob glücklich oder nicht, würde ich wohl nie wissen.
Das war der Punkt, an dem ich aufgab, mich meinem Vater vollkommen überließ. Mittlerweile, Jahre nach seinem Selbstmord, geisterte er immer noch in meinem Kopf herum. Es wäre gar nicht so schlimm, wenn es seine schöne Seite war, die mir Dinge zuflüsterte, doch es war das Monster, das in mir geisterte.
Ich hatte nachgegeben. Er hatte mich in einem Meer aus Gift ertränkt, aus dem ich nicht mehr rauskommen konnte, geschweige an einem anderen Ufer schwimmen.
Er hatte gewonnen. Ich wurde zu dem Monster, zu dem er wollte, das ich wurde. Ich lernte mit der Zeit, dass es meine Bestimmung war. Ich war so wie er mich erzogen hatte. Für unzähligen Jahren.
Manche Leute mit gutem Herzen wie Bella, Alex und Jake würden wahrscheinlich glauben, dass es eine Chance geben würde, mich zu heilen. Das dachte ich anfangs auch. Doch ich hatte mich selbst enttäuscht. Denn ich war nicht mehr zu retten und hatte mich an dem Gedanken gewöhnt.
Bist du stolz auf dem Ungeheuer in mir? Bist du stolz, dass du dein Ziel erreicht hast?
Mit leeren Augen sah ich Jake an, ein winziges Lächeln auf die Lippen.
Ich war mir sicher, dass er es herausfinden würde. Herausfinden, was ich getan hatte. Ich bereute es nicht. Keineswegs. Dafür war mein vergiftetes Herz zu stolz auf meine Arbeit.
Es sollte mich beunruhigen, dass er es mich aufgedeckt hatte, doch es tat es nicht. Denn egal, wie viel er wusste, es war bereits zu spät.
Dylans Kapitel ist absichtlich verspätet ✨
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