17 | ... over thirty years, Taehyung
Wenn man in der Grundschule neben ein Mädchen oder jemand anderen, den man nicht leiden konnte, gesetzt worden war, ist man immer an die äußerste Kante des Tisches gerutscht, um jeglichen potenziellen Kontakt mit dem Nachbarn zu vermeiden.
Ungefähr so ließ sich meine und die Sitzposition des Rotschopfs beschreiben.
Auch wenn es der Inbegriff von Lächerlich war.
Mr. Park hatte vorne angefangen den Text zu erläutern, allerdings spürte ich schon die ganze Zeit diesen Blick auf mir. Dass meine Lippe wieder angefangen hatte wehzutun, machte die Sache auch nicht wirklich erträglicher.
Bisher konnte ich diesen Menschen so gut es ging aus dem Weg gehen, doch mit diesem Kurs hatte ich wohl einen Volltreffer gelandet.
Mr. Park bemerkte meinen verkrampften Blick und zog eine Augenbraue hoch.
Ich lächelte wissend und mit schmerzenden Kiefer.
„Du hast es also verstanden, Jeongguk?"
„Was?"
„Die Eigenschaften von Säuren und Laugen."
Ich blinzelte mehrmals, in der Hoffnung doch noch aus diesem Albtraum aufzuwachen können, und nickte dann langsam.
Taehyung neben mir musste ein Lachen unterdrücken. Arsch.
„Also stimmst du zu, jetzt gleich darüber eine Kontrolle zu schreiben? Theoretisch müsstet ihr das bereits im letzten Jahr gehabt haben und daran könnte ich erkennen, wie weit ihr alles über die Ferien vergessen habt..."
Mir rutschte das Herz in die Hose.
Ja, Säuren und Laugen im Bezug auf Chemie kam mir irgendwie bekannt vor, aber da hörte das Ganze auch schon auf. Zu allem Überfluss hatte Taehyung nicht aufgehört zu grinsen, als Mr. Park die Blätter anfing zu verteilen, was meinen Stresspegel nicht wirklich sinken ließ.
Es waren nur drei Aufgaben, aber dadurch, dass Taehyung sich darauf stürzte, als wäre der Auftrag sie zu lösen, der Weg zu seinem persönlichen Nirvana, wurde mir nur einmal mehr bewusst, was für eine Niete ich in Chemie war.
Ich verdrehte die Augen und fing an mir den Text durchzulesen.
Vergeblich.
Vielleicht lag es an meinem Magen, der gerade festgestellt hatte, dass die Fast Food Varianten des Kantinenessens wohl weitaus unverträglicher waren, als das normale Essen, aber keines der Worte wollte in meinen Kopf rein.
Taehyung war schon bei der zweiten Aufgabe und Mr. Park hatte angefangen an der Tafel irgendetwas mit bunter Kreide anzuzeichnen.
Ich hätte heulen können, doch das hatte ich in der Anwesenheit meines aktuellen Sitznachbarn schon einmal zu oft getan.
Er musste sonst etwas von mir denken.
Der kleine, schwache Junge, den Jongdae aus irgendeinem Grund zu bekehren versuchte. Ein einfaches Experiment, dass zum Scheitern und Auslachen verurteilt worden war. Schon in der ersten Stunde, als man diesen jämmerlichen Haufen Knochen gesehen hatte.
Ich ließ meinen Kugelschreiber energisch klicken und legte ihn zurück in mein Mäppchen. Das Geräusch hallte durch die konzentrierte Stille des Raumes und ließ den Jungen in der Reihe vor mir erschrocken zusammenzucken.
Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu grinsen.
Mr. Park wollte wissen, was ich konnte?
Konnte er gerne haben.
Chemie würde dann wohl mein Fach werden, in dem ich mir die fünf auf dem Zeugnis erlauben durfte. Und ich hatte nicht einmal in allen den Unterricht besucht.
Ein Fuß landete an meinem Schienbein und ich holte tief Luft, um mich nicht sofort zu beschweren.
Taehyungs Blick war konzentriert, während er mir mein leeres Aufgabenblatt aus der Hand zog und gegen sein Ausgefülltes austauschte.
Mr. Park stand noch immer mit dem Rücken zu uns und "Jeon Jeongguk' in krakeliger Handschrift, die meiner erschreckend ähnlich sah, auf der Linie für den Namen. Darunter alle Aufgaben, die Taehyung in den letzten fünf Minuten bearbeitet hatte.
Und soweit ich das als Unwissender überprüfen konnte, waren die meisten korrekt.
Verblüfft schielte ich zu ihm herüber und beobachtete voller Faszination, wie er anfing auf mein ehemaliges, leeres Blatt, das zu schreiben, was er gerade eben schon einmal geschrieben hatte.
Dieses Mal nur in sauberer Handschrift.
Und seinem eigenen Namen in der obere linke Ecke.
Er wurde zwei Sekunden vor Mr. Parks Schlusswort fertig und reichte mir breit grinsend seinen Zettel, damit ich ihn mit abgab.
In seinen Augen erkannte ich das schelmische Funkeln eines jeden Menschen, der gerade etwas Verbotenes getan hatte, sich allerdings nicht im geringsten dafür schämte.
Zu irritiert, um zu antworten nahm ich seinen Zettel und reichte ihn weiter an Mr. Park, der sie nur mit schief gelegtem Kopf entgegennahm und einen Blick über meine Schulter zu Taehyung warf.
Der allerdings polierte nur unschuldig, verträumt die Gläser seiner Brille und beachtete uns überhaupt nicht.
Die Stunde über verschwand weder meine Verwirrung, noch Taehyungs zufriedener Gesichtsausdruck.
Erst als Mr. Park uns ohne Hausaufgaben entließ und meinen und den Namen meines Sitznachbarn aufrief, als Schüler, die kurz noch da bleiben sollten, zeigte sich ein Hauch von Schock in seinem Blick.
Hilf niemals dem Kerl, dem du am Abend zuvor noch verbluten gelassen hättest. Ich wusste, dass mir Ärger bevorstand, aber dass ich in dieser Sache nicht allein war, machte das Ganze weitaus erträglicher.
„Ich bin nicht blöd, Taehyung. Und ich mache diesen Job schon seit über dreißig Jahren..."
In seiner Hand hielt er unsere beiden Blätter und ich musste grinsen. Das war für die Sache mit meinem Gesicht.
Arsch.
„Der Test wird nicht gewertet und rettet somit deine, als auch Jeongguks erste Note. Wenn du allerdings wirklich so darauf aus bist, deine Chemie-Begabung an unsere neuen Schüler weiterzureichen, dann gib Jeongguk doch lieber Nachhilfe, als seine Tests zu schreiben. Aus welcher Motivation auch immer. Er wäre bestimmt mehr als froh darüber..."
Mr. Park machte eine kurze Pause und sah mich dabei direkt an, weshalb ich automatisch die Mundwinkel nach oben zog und ihn ziemlich gequält anlächelte.
„Und du würdest einen Vermerk auf dem Zeugnis bekommen..." Jetzt schien Taehyungs Aufmerksamkeit geweckt. Er sah von seinem Händen auf.
„Zählt freiwillige Nachhilfe überhaupt dazu?", fragte er leise. Es war das erste Mal, dass ich ihn sprechen hörte, aber man hörte ihm an, dass er nervös war.
„Ach da lässt sich bestimmt etwas machen", zwinkerte Mr. Park ihm zu und fing an die Tests zurück in seinen abgetragenen Rucksack zu stopfen. „Ich unterrichte seit über dreißig Jahren an dieser Schule. Die könnten mich selbst dann nicht rausschmeißen, wenn ich anfange Schüler zu bevorzugen. Und jetzt verschwindet. Ich hab Feierabend."
Taehyung gehorchte sofort.
Ich erst nach zwei Sekunden.
Das war ein Witz. Taehyung musste sich einen Scherz erlaubt haben, um seine Sozialverhaltensnote aufzubessern. Wenn er immer an den Prügeleien von diesem Capulet und Montague Krieg beteiligt war, würde es um diese bestimmt nicht gut stehen.
Allerdings konnte ich mir bei diesem Lehrpersonal sehr gut vorstellen, dass solche Kloppereien sie nicht im Geringsten interessieren würden. Irgendwie hatte ich mich noch nicht so ganz zwischen viel zu streng und viel zu entspannt entschieden.
Vielleicht war es eine Kombination, die sich gegenseitig aufwog. Wie bei Kuchenrezepten.
Apropos Kuchen-...
„Samstagabend nach dem Essen in der Bibliothek? Ich hab vorher keine Zeit."
Taehyung hatte angehalten und mich genervt gemustert.
„Klar...", nuschelte ich und überlegte in welcher Himmelsrichtung man auf diesem Campus eine Bibliothek finden konnte, wenn es nicht einmal Ausschilderungen für Duschen gab.
Auf meiner Zunge lag ein 'Wir sehen uns' oder so etwas in die Richtung, allerdings hinderte mich meine geschwollene Lippe rechtzeitig daran es auszusprechen. Zum Glück, denn Taehyung nickte nur als Antwort und verschwand dann in die andere Richtung des Chemietraktes.
Seine roten Haare hüpften etwas, als er das Treppenhaus erreicht hatte und zwei Stufen auf einmal ins nächste Stockwerk nahm.
Hat irgendjemand Buchempfehlungen für mich (echte Bücher, kein Horror, Psycho Thriller oder anstrengendes Fantasy)?
Ich muss meine Thalia Gutscheine loswerden...
♡
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