11 | good morning sunshine
Ich war davon aufgewacht, dass Hoseok sein Bett verlassen und das gesamte Bettgestell ein Ächzen von sich geben hatte, dass jeden Klingelton eines Weckers ausschlug. Das gleißend helle Morgenlicht fiel in unser Zimmer und schien mir direkt ins Gesicht, doch trotzdem brauchte ich erst einmal eine Weile, um meinen Orientierungssinn zu aktivieren.
„Ich liebe den Morgen in dieser Anstalt", schwärmte Hoseok und schmiss sich auf das rote Sofa. „Alles ist so hell und stinkt nach Schweiß, weil man diese Zimmer nicht richtig durchlüften kann." Mit dem Fuß schob er das Fenster erneut ganz auf, bevor er mich ansah. „Und mein Lieblingszimmergenosse sieht wirklich zum Anbeißen aus, wenn er gerade aufgewacht ist."
Ich rieb mir über meine verklebten Augen und schnitt eine Grimasse in Richtung Hoseok. Dass ich morgens aussah, wie ein zerknautschter Teddybär, musste er mir nicht unbedingt gleich am ersten Tag unter die Nase halten. Außerdem hatte ich verdammt schlecht geschlafen, was diesen Faktor noch einmal zu fünfundsiebzig Prozent steigerte.
Nachdem ich den Zettel und den Stoff gestern Abend noch in Hoseoks Papierkorb entsorgt hatte, hatte ich noch viel zu lange wach gelegen und darüber nachgedacht. Solange, bis ich bei der Möglichkeit einer geheimen Organisation angekommen war, die es, aufgrund meiner so wahnsinnig interessanten Persönlichkeit, auf mich abgesehen hatte.
Letztendlich war ich dabei geblieben, dass Hoseok sich einen Scherz erlaubt haben musste. Einen ziemlich dämlichen Scherz, auf den ich nicht weiter eingehen würde. Einfach um ihm den Triumph nicht zu gönnen.
„Ich mein das Ernst, Jeongguk. Wärst du nicht so... wie soll ich es sagen, ohne dass es allzu gemein klingt?"
„Langweilig? Schwach? Sprich es aus", grummelte ich und bekam sofort schlechte Laune. Nicht weil Hoseok von mir dachte, ich wäre langweilig. Mehr weil ich es tatsächlich war. Und es weder durch irgendwelche Möchtegern-Sprüche und Ironie noch durch andere Auffälligkeiten ausgleichen konnte.
„Ich wollte still sagen. Aber gut... wenn du das Selbstmitleid gerade brauchst", murmelte Hoseok schulterzuckend und legte den Kopf schief, als würde er nachdenken.
„Still?"
„Still... so wie, stille Wasser sind tief. Mein Gott, sind Menschen komisch am Morgen. Ich bin der Meinung in deinem Köpfchen ist mehr als du zugeben willst. Zum Beispiel wo du gestern Nacht gewesen bist."
Ich war im Begriff gewesen meine Decke zurückzuschlagen, doch stattdessen krallte ich mich einfach nur in die Naht des Bezuges, als ich Hoseoks Worte hörte. Jongdaes Stimme hallte in meinem Kopf wider, wie ein Echo, dass sich die ganze Zeit zurückgehalten hatte.
„Wenn du wüsstest, was deine neuen Freunde alles schon getan haben, um sich an uns zu rächen, würdest du nicht mehr so dickköpfig sein."
Was hatte Hoseok getan? Was hatten sie alle getan?
Es versetzte mir einen Stich im Herzen so darüber zu denken, aber irgendwie konnte ich es mir mehr als gut vorstellen, dass die Truppe, die ich gestern kennengelernt hatte, auch noch eine andere Seite hatte.
„Ich musste aufs Klo", erklärte ich Hoseok verkrampft und ließ die Decke los. Der Braunhaarige nickte nur langsam. Sein Lächeln war verschwunden.
Der Tag verlief ereignislos. Zum Frühstück und Mittag saßen Hoseok und ich wieder bei Namjoon und Tao, was mir mehr als lieb war, denn Tao sah genauso verwirrt aus, wie ich, wenn Hoseok und Namjoon über irgendwelche Insiderwitze lachten. Wenn er meinen Blick bemerkte, verdrehte er immer nur die Augen und grinste mich hinter seinem Glas Wasser verschmitzt an. Was das heißen sollte, wusste ich nicht, aber irgendwie war es schön jemanden gefunden zu haben, mit dem Kommunikation so einfach ging.
Hoseok fragte nicht noch einmal nach heute Nacht, er schleifte mich nicht zu Yoongi oder wem anders und ließ mich sogar in Ruhe, als ich meine Schulsachen für den morgigen Tag sortierte und beschriftete. (Die Stundenpläne hatte Namjoon am morgen verteilt. Mein Montag startete um 8:10 Uhr mit Mathe. Besser hätte man es wirklich nicht treffen können.)
Am Nachmittag hatte ich mich hingelegt und als ich wieder aufgewacht war, war Hoseok verschwunden. Ein Zettel lag auf meinem Bauch, auf dem er in ziemlich unsauberer Handschrift geschrieben hatte, dass er mit Lisa verabredet war.
Es war zu warm, um irgendetwas sinnvolles zu machen, weshalb ich eine Weile einfach nur im Bett liegen blieb, bis in mir das tiefe Bedürfnis nach frischer Luft so weit wuchs, dass ich gezwungen war aufzustehen, um das Fenster zu öffnen und einen Schwall warme Luft in den Raum zu lassen. Die Sonne hatte über den Tag gedreht, sodass sie nicht mehr direkt in unser Zimmer schien und ich stand noch eine Weile am Fenster, um auf die Grünfläche hinunterzusehen, auf der sich in den Schatten der Bäume die Schüler tummelten, die heute noch angekommen waren.
Viele kannten sich wohl untereinander schon, da sie sich sofort in die Arme fielen, als sie sich gegenseitig in der Menge entdeckten. Andere allerdings sahen zum Glück genauso verloren aus, wie ich. Ich lächelte sie solange an, bis mir auffiel, dass mich niemand von hier aus sehen würde.
Fast niemand. Ich bemerkte den molligeren Jungen von gestern erst, als es zu spät war und er anfing zu grinsen. Er sah jetzt weitaus weniger zerstreut aus und unterhielt sich sogar mit einem Schüler, der mir den Rücken zugewandt hatte. Allerdings erschloss es sich mir sofort, als ich die roten Haarsträhnen wieder erkannte. Das musste der Typ sein, mit dem Jongdae gestern Nachmittag auf dem Flur geredet hatte. Oder rote Haare waren über Nacht zum letzten Schrei geworden.
Erst als der pummelige Junge mir zuzwinkerte, sich der Junge mit den roten Haaren umdrehte und mich ebenfalls anfing anzustarren, trat ich schnell einen Schritt vom Fenster zurück.
Unangenehm.
Nach ein paar Sekunden machte ich wieder einen Schritt nach vorne, um zu schauen, ob sie mich noch immer beobachteten.
Doch dazu kam ich überhaupt nicht, denn mein Blick fiel auf etwas komplett anderes.
Ein Vorsprung unterhalb meines Fensters, der sich die gesamte Hauswand entlangzog, begleitet von wildem Wein, der sich über Jahre an der Backsteinmauer hochgerankt hatte, und letztendlich an einer Regenrinne endete.
An einer der hervorstehenden Kante des Metalls wehte ein dunkelroter Faden im Sommerwind.
„Meine Eltern sind Büromenschen, wenn du einfach nur dein Hemd mit dem Ananasaufdruck anziehst, werden sie von mir denken, ich hätte einen schlechten Umgang."
„Das hast du doch auch", unterbrach Hoseok Lisas gestresste Forderungen und knallte die Zimmertür hinter sich und seiner Freundin zu.
Ungeachtet davon, dass ich noch immer in meinem Bett lag und alles mitverfolgen konnte. „Und du stehst drauf."
Lalisa seufzte laut und fasste sich kurz an die Schläfe, bevor sie weitersprach. Sie sah ernsthaft verzweifelt aus.
„Warum sind wir zusammen, Hobi?"
Der Junge überlegte nicht lange.
„Weil der Sex gut ist."
„Und?"
„Wie 'und'?"
Das hübsche Mädchen stemmte verzweifelt die Hände in die Hüften und sah ihren Freund böse an.
„Ich will dich nächste Woche Samstag meinen Eltern vorstellen, weil ich denke, dass wir etwas haben, was es wert ist. Was denkst du darüber?"
Für einen Moment sah Hoseok ernsthaft so aus, als würde er nachdenken, doch dann fing er nur an zu grinsen und nahm Lalisas Hand in seine.
„Ich freu mich. Irgendwann hast du mir mal erzählst, dass du bei dir zuhause ein Wasserbett..."
Weiter kam er nicht, da sich das Mädchen sofort aus seinem Griff gerissen hatte und die Tür aufriss. Mit einem hochgehaltenen Mittelfinger und impulsiv lautem 'Fick dich' stürmte sie aus dem Zimmer.
Nach einer Schocksekunde, die selbst Hoseok für kurze Zeit ruhig gestellt hatte, kam sie allerdings wieder zurück, schoss ein letztes Mal mit feurigen Blicken um sich und knallte die Zimmertür so laut zu, dass ich mein Buch über Ciceros Weisheiten fallen ließ.
Ich benutzte dieses Buch seit drei Jahren zur Tarnung, wenn ich andere Leute beobachtete, oder dem Versuch irgendetwas produktives zu machen. Von daher war dieser Verlust nicht einmal halb so schlimm. Erschrocken hatte ich mich trotzdem.
„Sie hat ihre Tage", flüsterte Hoseok, als er es für sicher hielt und kam zu mir rüber, um sich auf die Couch zu setzen. „Nichts Ernstes, du kannst aufhören so verschreckt zu gucken."
Ich glaub, ich sollte lachen, aber irgendwie wollte diese Szene noch nicht wirklich in meinen Kopf hinein. Auch wenn das bestimmt nicht der Fall sein sollte, tat mir Lalisa Leid.
„Hattest du eigentlich schon mal ne Freundin?" Er zog eine Augenbraue hoch, als würde er seine eigene Frage anzweifeln. „Siehst irgendwie nicht so aus."
Ich verkniff mir eine Schilderung meiner drei-Tage-Beziehung mit Yeri, die mich damals sitzen gelassen hatte, weil das Teil einer Wette war.
Dass sie sich niemals trauen würde länger als zwei Tage mit dem seltsamen, uncoolen, nach Zitrone riechenden Streber zusammen zu sein, den keiner leiden konnte, weil keiner etwas von ihm wusste. (Dass der seltsame, uncoole, nach Zitrone riechende Streber automatisch mit Yeri zusammensein wollte, wurde natürlich vorausgesetzt.) (Um ehrlich zu sein, wollte er es eigentlich nicht und dachte damals nur daran, endlich jemandem gefunden zu haben, mit dem er Overwatch spielen konnte.) (Im Großen und Ganzen ein Reinfall.)
„Wenigstens erster Kuss?"
„Die Frage ist nicht schlecht... warum seid ihr zusammen?", lenkte ich ungeschickt vom Thema weg und hoffte, dass es nicht allzu offensichtlich gemacht hatte, dass ich tatsächlich noch nie jemanden näher berührt hatte, als wenn mir etwas heruntergefallen war.
„Alter, ich hab dir doch gesagt, dass du nicht mit mir darüber reden sollst", fuhr Hoseok jedoch sofort dazwischen und ich sah genau, wie ihm die Hitze ins Gesicht schoss. Sensibles Thema. Ich verkniff mir ein Grinsen.
„Liebst du deine Freundin?"
Er schwieg.
„Worüber redet ihr, wenn ihr allein seid?"
„Ich werde nicht mit dir über meine Privatangelegenheiten reden, Jeongguk. Und versuch erst gar nicht mich zum Gegenteil zu bewegen. Das schafft keiner und wir kennen uns gerade mal einen Tag."
Mission angenommen.
„Um einiges interessanter... Wheein ist zur Besinnung gekommen und hat ihrer Kreativität freien Lauf gelassen. Wir tun es."
„Was?"
„Jongdae und seinen Freunden in diesem letzten Schuljahr den Denkzettel ihres Lebens verpassen."
Ich lächelte verkrampft.
„Und wie?"
„Wir fangen einfach an. Ein kleiner Testlauf sozusagen. Ob du uns was bringst."
„Wie... schön?"
„Keine Panik. Du musst nur ein bisschen den unschuldigen, verwirrten Neuling spielen und das war's."
Ich nickte wenig überzeugt. Das konnte auf sonst etwas hinauslaufen. Außerdem verspürte ich ein nicht allzu großes Bedürfnis mich mit Jongdae anzulegen. Nicht nach letzter Nacht. Nicht nach allem, was ich hier schon gelernt hatte.
„Was habt ihr vor?"
„Wir erinnern sie an gute, alte Zeiten."
Ich setze mir als Mindestgrenze an Wörtern pro Kapitel 1000 Wörter... ist das zu viel oder okay?
Und ja, ich frage, weil dieses Kapitel 1700 Wörter hatte...
♡
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