09 | don't feed him with watermelon
Als die grünen Zahlen von Hoseoks Wecker viertel vor zwei anzeigten, gab ich auf.
Ich konnte nicht schlafen. Und das zu achtzig Prozent weil mein herzallerliebster Zimmergenosse (sehr laut!) schnarchte.
Ich lag in meinem Bett. Einen Zipfel der Decke in den Armen, damit ich irgendwas festhalten konnte, in Boxershorts und mit einem weißen T-Shirt, dass ich etwas hochgeschoben hatte, um es nicht auszuziehen zu müssen. Der Raum war noch immer viel zu warm, obwohl die Heizung ausgestellt war und das Fenster sperrangelweit offen stand.
In der Wohnung meiner Mutter in Seoul hatten wir eine Klimaanlage gehabt, deswegen hab ich mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich bei einer solchen Sommerhitze nicht schlafen konnte. Erst jetzt, als ich nichts mehr dagegen tun konnte, war es zu spät.
Auf dem Rückweg zum Zimmer hatte Hoseok wieder wie gewohnt vor sich hin geredet. Mir irgendwelche Fakten zum Internat erzählt, Schülernamen genannt, die ich mir merken sollte, wenn ich mich in Schwierigkeiten bringen wollte, und die Liste der Lehrer heruntergerattert, die ich zu meiden hatte. (So ziemlich alle.) Bis er irgendwann beim Thema Hip Hop angelangt war und ich gänzlich abgeschaltet hatte.
Hoseok war ein leidenschaftlicher Tänzer - ein Gebiet, von dem ich absolut keine Ahnung hatte. Und mich da ins Gespräch einzubringen mit der Aussage, dass ich die Grundschritte von Wiener Walzer beherrschte, schien mir als nicht ganz sonderlich kreativ.
So sagte ich einfach nichts mehr. Solange bis wir an unserem Zimmer angekommen waren, Hoseok sich seiner Klamotten entledigt hatte und er wieder in dem Stadium war, in dem wir uns kennengelernt hatten. Nach einem gemurmelten Gute Nacht schmiss er sich auf seine Matratze, wobei das Gerüst ein hässliches Knacken zu unserer nicht vorhandenen Konversation beitrug. Und dann war es ruhig.
Mein Zimmergenosse war einer dieser Menschen, die innerhalb von einer Minute einschlafen konnten, während ich seit etwa anderthalb Stunden noch wach lag und den Vollmond dabei beobachtete, wie er sich langsam über den Baumwipfeln des Waldes erhob. Immer mit den Gedanken im Hintergrund, dass ein Schüler dieser Schule irgendwo dazwischen ertrunken sein musste.
In meinem Kopf hatte ich mir ausgemalt, wie Jin wohl ausgesehen haben musste, was für ein Mensch er gewesen war, ob er sich genauso mit seiner schrägen Art in das Schema von Hoseoks Freundesgruppe einsortierte oder der Ruhepol des Ganzen gewesen war. Hätte ich ihn gemocht?
Ich schmiss mich von einer Seite auf die Andere, um diese Gedanken loszuwerden. Das Bettgestell knarzte und Hoseok hörte auf zu schnarchen. Die Luft anhaltend kniff ich die Augen zusammen und wartete angespannt, bis mein neugewonnener Freund einen müden Kommentar abgab, doch da kam nichts.
Fast nichts.
„Yoongi, du kannst das Kaninchen nicht mit Wassermelone füttern. Ich hab versprochen auf ihn aufzupassen." Ein lautes, dramatisches Seufzen rundete Hoseoks Kommentar ab. Danach war alles wieder still.
Auf die Wange beißend, um nicht zu lachen, stand ich auf und stellte mich auf Zehenspitzen, um zu sehen, ob bei meinem Zimmergenossen alles in Ordnung war, doch der halbnackte Junge schlief friedlich mit offenem Mund, dessen Winkel ab und zu zuckten, als wäre er versucht zu lachen.
Es war alles in Ordnung.
Beruhigt, aber nicht weniger wach, blickte ich mich etwas im Zimmer um. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich keinen Plan, was als nächstes kommen würde. Ansonsten hatte ich immer einen Plan für die nahe Zukunft. Egal, ob es irgendwelche Aufgaben waren, die ich zu erledigen hatte, oder Probleme, die es zu lösen galt.
Normalerweise hätte ich mir einen Tee gemacht, mir die Zunge verbrannt, wenn ich der festen Überzeugung war, ihn in Windeseile austrinken zu können, wäre auf die Toilette gegangen und hätte mich zurück ins Bett gelegt. Doch jetzt?
Ich hatte weder einen Wasserkocher noch einen Teebeutel in Reichweite. Außerdem bezweifelte ich stark, dass sich das bei der Hitze positiv auswirken würde.
Von draußen wehte eine leichte Brise herein und kühlte den Schweiß auf meiner Stirn ein wenig aus. Ich atmete tief durch, in der Hoffnung nach dieser Brise würde noch eine weitere folgen, doch da hatte sich die Luft wieder gefangen und mich in ihrer lauen Wärme umschlossen.
Nichtsdestotrotz hatte die Frische ausgereicht, um meine Augenlider so weit zu entspannen, dass ich das Gefühl hatte, sie würden sich schließen können, wenn ich mich zurück auf meine Matratze legte.
Nur noch ein paar Sekunden an nichts denken und dann war ich weg.
Auf nichts konzentrieren.
Nicht an Hoseok denken, nicht daran denken, dass dieses Bett einstürzen und mich begraben könnte.
Nicht daran denken, dass du schwitzt, wie ein Puma.
Nicht daran denken, dass du nicht weißt, was morgen kommen könnte.
Nicht daran denken, dass du offiziell bei einem Freundeskreis bestehend aus Irren aufgenommen worden bist.
Ein dumpfes Krachen drang vom Flur her und brachte den Rhythmus meines Herzens aus dem Takt.
Ich stöhnte genervt und setzte mich auf.
Hoseok bewegte sich noch immer nicht und im Haus war es wieder so still, dass ich mein Blut lauter in meinen Ohren rauschen hörte, als das leise Schnuffeln, was mein Zimmergenosse von sich gab.
Den Wunsch nach wenigstens ein paar Stunden Schlaf konnte ich wohl vergessen. Mein Klassenlehrer meinte früher immer als Kommentar auf meine schlechten Noten „Wenn es nicht sein will, dann soll es nicht sein". Ziemlich motivierend für mein Siebte-Klasse-Ich, aber dafür umso passender in dieser Situation. Langsam rappelte ich mich auf und lief zur Zimmertür, um sie zu öffnen. Ich musste sowieso einmal auf die Toilette.
Behutsam um keinen verdächtigen Laut von mir zu geben, schob ich das Holz auf und quetschte mich barfuß auf den kühlen Flur.
Die Nachtruhe wurde hier um einiges strenger genommen, als die Aufgabe die Scharniere der Zimmertüren zu ölen und laut Hoseok gab „Hans" (auch bekannt als Mr. Lee) mehr als gern ein paar Sozialstunden, für unerlaubte Nachtwanderungen.
Mattes Licht von den Fenster am Ende des Ganges ergoss sich auf den glatten Boden und ich genoss es, dass ich leicht frösteln musste, als ich einen Schritt aus unserem aufgeheizten Zimmer machte und die Tür hinter mir schloss. Das Klo lag nur ein paar Zimmer weiter. Genug, um mich soweit abzukühlen, dass die Sache mit der Meditation hoffentlich funktionieren würde.
Ich lief im Schatten und mein Herz pochte mit jedem Schritt ein wenig schneller. Es war mein erster Abend an dieser Schule. Wenn ich erwischt werden würde, wie ich draußen um zwei Uhr nachts herumschlich, auch wenn es nur zur Toilette war, war dieses Jahr gelaufen.
Ein weiteres Krachen ließ mich stehen bleiben. Dieses Mal war es viel präsenter. Die Stille, die darauf folgte, fiepte in meinen Ohren.
Ich unterdrückte den Drang zu fragen, ob dort jemand war, und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Im Dunkeln musste das T-Shirt wirken, wie eine Laterne.
Mein Kopf schrie mir zu, umzukehren und sicherheitshalber Hoseok zu wecken.
Doch noch bevor ich den Gedanken zu Ende denken konnte, strich mir ein Windstoß die Haare aus der Stirn. Das Klicken einer Tür folgte dem Wind. Dann war es wieder still.
„Hallo?"
Es klang wie ein verängstigtes, kleines Mädchen und ich biss mir sofort auf die Zunge, bevor ich mich räusperte.
„Wer ist da?"
Das dumpfe Tappen von Schritten verschlug mir den Atem. Sie kamen vom Treppenhaus her.
Gleichmäßig, als wäre der zugehörige Nachtwanderer durch und durch entspannt.
Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, als versuchte es einen Weg aus meinem Körper herauszufinden und übertönte für einen Moment die immer lauter werdenden Schritte.
Im Stillen dankte ich meiner Mutter für alles, was sie für mich getan hatte, und betete, dass ich im nächsten Leben als ein Pinguin wieder geboren werden würde.
Bis unterhalb der Treppen auf einmal der pechschwarze Umriss eines Kopfes auftauchte und mir wieder Leben einhauchte.
Mit einem unterdrückten Schrei und zitternden Knien drehte ich mich auf dem Absatz um, um zurück zu meinem Zimmer zu rennen. Den Blick von Adrenalin verschwommen, über die Schulter gehalten.
Doch anstatt mir etwas hinterherzurufen, zog der dunkle Schatten nur sein Tempo an, übersprang die letzten zwei Stufen und fing an die Verfolgung aufzunehmen.
Ich hatte zwei Stellen zur Auswahl, was die Cuts anging... die hier schien mir gemeiner xD
♡
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