Kapitel 9
Güstrow
Unterkunft
Die Nacht zum Donnerstag
Der Teufel schließt die Tür zur Hölle auf. Dieser Gedanke schoss Frank Hartung ein. Und nun ging er voraus in sein Zimmer- der Teufel bat den Engel darum einzutreten. Und der Engel in Person von Ina tat dies wirklich.
Ina schaute sich vorsichtig um. Frank war die verhaltene Unordnung im Raum genau so peinlich, wie diese Situation an sich und der Tatsache, dass Ina sich hier umschaute.
Frank Hartung zog seine Jacke aus und hängte die Jacke über einen der beiden Stühle. Den Stuhl schob er in Richtung der Heizung, denn so konnte die Jacke trocknen und- falls Ina und er gleich wieder gehen würden- könnte sich auch die Jacke dort kurz aufwärmen.
„Also, ich verschwinde dann mal kurz." Sagte Frank und ging in die kleine Toilette.
Hinter sich schloss er die Toilettentür ab.
Frank tat also, was er hier im Badezimmer tun musste. Sein Geschäft.
Seine Gedanken jedoch kreisten um das 'Außerhalb' dieses Badezimmers.
Er ließ sehr lange das warme Wasser über seine Hände laufen, benetzte immer wieder sein Gesicht, schaute sich selbst lange im Spiegel an. Die Hitze des Wassers tat sehr, sehr gut und verbreitete Wohligkeit und Müdigkeit gleichermaßen. Wäre Ina nicht vor der Tür in seinem Zimmer und Frank wäre hier allein, hätte er sicherlich trotz der nächtlichen Uhrzeit eine schöne, heiße Dusche genommen und sich danach sofort zu Bett begeben.
Die Kälte und der Schnee hatten seine kurzen Haare völlig durchnässt, sie sahen platt und durcheinander zugleich aus.
Wenn er schon die ganze Zeit beim Herumlaufen in der Kälte so aussah, machte es nun auch keinen Sinn, die Haare jetzt zu kämmen, darum ließ er es. Frank trocknete sich wieder ab. Auch das Gesicht. Das Handtuch schien grob, wie ein Gesichts- Peeling zu wirken. Es erfrischte, belebte und befreite Franks Gesicht spürbar. Noch einmal sah er sich im Spiegel an, stützte sich auch den Beckenrand des Waschbeckens auf. Fast schien es so, als fragte er sich selbst, was er hier grade tat und wie es nun weiter gehen sollte.
Frank verließ sein Spiegelbild, ging zurück zu Ina.
Ina hatte ihre Jacke abgelegt, saß mit in die Schenkel gefalteten Händen auf dem einzigen Holzstuhl, der im Raum noch frei war.
„Ich würde jetzt auch gern noch gehen wollen." Sagte Sie und zeigte mit dem Zeigefinder der rechten Hand auf die Badezimmertür.
„Fühl dich, wie zu Hause." Sagte Frank und machte eine Geste, als wolle er ihr das Badezimmer auf einem Tablett servieren.
„Danke."
Ina sprang auf und war im Bad verschwunden. Sie schloss die Tür auch ab.
Frank ging im Zimmer umher, sammelte diese und jene Bekleidungsstücke schnell ein, um sie danach in seiner Reisetasche verschwinden zu lassen. Dann widmete er sich seinem Laptop, den er schnell herunter fuhr und ausschaltete, dann zuklappte. An Informationen hatte er heute genug gehabt, auch alles andere reichte ihm für einen Tag. Morgen- besser gesagt- heute, in wenigen Stunden galt es wieder, sich zu konzentrieren. Auf den Lehrstoff, auf die Referenten, auf seine Abläufe.
Ina war noch im Bad. Offenbar ließ auch sie sich das wärmende Wasser gefallen.
Frank setzte sich auf den Rand seines 'Schlafbettes'. Wie soll es jetzt weitergehen?
Er wusste sich keine Antwort auf diese Frage, rieb mit beiden Händen seine Wangen. Auch dies brachte ihm keine Erleuchtung, keine Eingebung, keinen Gedankenansatz und schon gar keine Idee zur Lösung des Dilemmas. In seinem Hirn schien nur Leere zu sein, es schien ihm so, als wollte sein Körper nur die Wärme des Zimmers aufsaugen.
Der Schlüssel vom Badezimmer bewegte sich im Schloss, jedoch wurde noch nicht geöffnet.
Hatte Frank noch Zeit zum Grübeln? Ja- aber es kam keine Eingebung.
Er setzte sich vom Rand des Bettes hinter auf die Matratze, streckte sich kurz lang aus und lehnte seinen Kopf an die Wand hinter dem Bett. Immer noch keine Idee. Er schloss die Augen.
Die Badezimmertür ging eine Minute später auf.
Ina hatte ihren weißen Pullover ausgezogen und über ihren Arm gehängt, sie kam lautlos, fast schleichend aus dem Bad. Unter dem Pullover hatte Sie also noch ein weißes T-Shirt angehabt. Sie blinzelte Frank freundlich zu. Ihre Wangen zeigten Rötungen- von der Kälte dort draußen und dem Wärmeumschwung auf hier drinnen im Raum verursacht. Sie legte den Pullover auf das andere Bett.
Sie war von Frank abgewandt, so dass er nur ihre Rückseite sehen konnte.
Nachdem sie den Pullover abgelegt hatte, hob sie beide Arme hoch in die Luft, verknotete beide Arme auf unfassbare Art und sie streckte sich dabei sehr lange und genussvoll in eine Hohlkreuz- Überstreckung. Hierbei schien sie genussvoll zu knurren.
Was für eine Figur!
In diesem Moment stellte sich Frank Hartung bildhaft vor, wie es sein müsste, wenn Ina in seinem Zimmer auf Arbeit sitzen würde, vielleicht als Praktikantin auf Manfreds Platz, ihm gegenüber. Und alles im Sommer- sie vielleicht noch leichter bekleidet, als jetzt grade. Ein schönes, wunderschönes Bild- den ganzen, lieben, langen Tag- Ina gegenüber sitzend. Andererseits wäre das eine Katastrophe, denn Frank hätte nie und nimmer seine Arbeit in gewohnter Qualität und Menge erledigen können. Er würde wahrscheinlich den ganzen Tag über die Bildschirme hinweg auf diese junge Frau starren, Mund offen und vermutlich auch widerlich sabbernd. Er würde nur starren- bis zum Feierabend und morgens wäre er wieder der Erste auf Arbeit, um erneut zu starren. Einfach unglaublich.
Ina beendete ihre Rekeleien, sie nahm die Hände wieder an den Körper. Schlimmer noch, ihre Hände rieben jetzt über die Hintertaschen ihrer Jeans. Dabei war sie immer noch abgewandt von Frank.
Wäre er selbst nicht so verfroren, würde Frank spätestens jetzt furchtbar anfangen zu schwitzen. Langsam drehte sich Ina nun zu ihm um. Das war genau so furchtbar, denn nun sah Frank ihre wohlgeformten Rundungen langsam in seinen Augenfokus wechseln, er sah ihre superschlanke Figur. Unbeschreiblich. Jede Partneragentur oder jeder Partnervermittler hätte sich wohl auf die Schenkel geklopft und die Welt nicht mehr verstanden, wenn Ina sich bei Ihnen angemeldet hätte.
Ina legte den Kopf leicht auf die Seite und sah Frank wortlos an, wie er da so ausgestreckt auf dem Bett quer lag. Irgendwie erhoffte sich Frank, dass ihr bewusst war, dass er sie von oben bis unten grade musterte. Aber Frank erhoffte sich in diesem Augenblick wahrscheinlich soundso schon viel zu viel.
Dann blickte Ina in Richtung zu dem kleinen spartanischen Tisch an der Fensterseite des Raumes.
„Oh, ja, ich habe deine Mütze mal auf die Heizung gelegt."
„Das ist gut." Sagte Frank. Irgendwie klang er – für sich selbst gesehen- sehr müde und seine Stimme etwas kratzig, so dass er sich räsperte.
Ina schritt ein wenig durch sein Zimmer. Jetzt verschränkte sie beide Arme vor ihrem Körper, während Sie langsam den Raum abschritt.
Aha, dachte Frank, eine Abwehrhaltung. Naja.
„Was machen wir jetzt mit diesem angebrochenen Vormittag?" fragte er.
Ina zuckte mit den Schultern, schritt weiter kreuz und quer durch sein Zimmer.
„Wir könnten hier bleiben, bis Manuela sich daran erinnert, dass Du vermeintlich noch im Kalten stehst. Oder wir gehen wieder raus, unsere Runden drehen."
Ina zuckte wieder mit den Schultern, schien jedoch- genau wie Frank- zu überlegen, wie sie nun das Beste aus der verfahrenen Situation machen könnte.
Frank lehnte sich vor, weg von der Wand.
'Na, Ina? Wie soll es jetzt weitergehen?' fragte er Sie in Gedanken. Sie würde diese Botschaft jedoch nicht hören können, dessen war er sich schon bewusst.
Momente des Schweigens im Raum- Frank auf der Bettkante- Ina mit langsamen Schritten im Raum umherwandernd. Frank machte sich lang, so dass er zu dem kleinen Nachttisch kam. Dort angelte er sich ein Taschentuch, schnaubte kräftig hinein. Dann wieder Ruhe im Raum, nur leicht tänzelnde Schritte von Ina. Nach einer Minute des Schweigens stand Frank nun vom Bett auf, ging zum Nachtisch des leeren Bettes und machte dort die Nachttischlampe an, dann ging er zur Zimmertür und löschte das Zimmerlicht, so dass nur noch gedämpftes Licht den Raum erhellte. Ina stutzte.
„Ich möchte nur nicht, dass Jemand unser Dilemma sieht. Schließlich ist es nachtschlafende Zeit. Wenn morgen Jemand fragt, wer hier des Nächtens spazieren gegangen ist, kann ich immer noch auf meine Nachbarn links und rechts zeigen und sagen: 'Ich nicht. Ich bin ein Braver gewesen.'" Dabei versuchte Frank zu lächeln, aber es schien bei Ina nicht die geringste Emotion oder Reaktion auszulösen.
Ina schritt weiter den Raum ab, schien tief in ihrer Gedankenwelt zu sein.
Frank setzte sich wieder auf seine Bettkante, faltete die Hände über den Knien und beobachtete Ina.
Hierbei erst fiel ihm auf, dass sie sich wohl ihre langen, blonden Haare vorhin im Bad grob getrocknet haben musste, denn sie wirkten wieder ein wenig voller und voluminöser als vorhin noch. Auch waren sie nicht mehr so durchnässt.
So vergingen weitere, wortleere Minuten.
Ina drehte weiter ihre Runde, jetzt jedoch ihre Hände in die hinteren Jeanstaschen eingesteckt.
Frank Hartung stand auf, gewillt, diese wortlose Situation zu durchbrechen.
Er ging zu dem Stuhl an der Heizung hinüber, dort wo seine Jacke hing. Entschlossen nahm er diese Jacke herunter und legte sie über seinen linken Arm.
Ina stand jetzt mit weit aufgerissenen Augen vor mir. Sie hatte Ihre Bewegung gestoppt, sah Frank fragend an.
„Naja." Sagte Frank leise im Dämmerschein der Nachttischlampe, senkte dabei den Blick zum Fußboden. „Wir sollten dann lieber wieder gehen, bevor ich noch auf schmutzige Gedanken komme, hier in meinem trostlosen Einzelzimmer."
Ina sah Frank immer noch fragend an, jedoch schien ihr Mund bei dieser Andeutung leicht zu lächeln.
„Tja, ich dachte nur so."
Frank sah tief in Inas Augen. Sie sagte immer noch nichts, auch ihrer Mimik nach konnte man nicht entnehmen, was sie vielleicht dachte. Sie schien jedoch sanft zu lächeln und mit Ihren Gedanken weit entfernt zu sein.
Leise, fast schon flüstern sprach Frank weiter zu ihr- und fragte seinen Verstand, warum er diese Worte einfach so sagen konnte und ihm sein sonst so rationelles Gehirn dies auch erlaubte und nicht unterband: „Weil es ist nämlich so, dass es mir vorhin irgendwie sehr gut gefallen hat. Ich meine, dass du dich einfach an meinem Arm festgehalten hast."
Ina blieb immer noch wie erstarrt stehen, sagte nichts, lächelte sanft und sah Frank an.
„Das fand ich vorhin sehr schön." Sagte Frank langsam flüsternd. Er versuchte die Sanftheit, die aus Inas Gesicht und Lächeln grade auf ihn wirkte, ihr in diesen Worten zurück zu geben.
Ina sah Frank immer noch wortlos an. Ihre schönen, tiefblauen Augen wanderten auf seinem Gesicht umher.
„Und ja." Sagte Frank langsam weiter flüsternd, „diesen schönen, vertrauten Moment hätte ich jetzt gerne wieder zurück."
Ina sagte immer noch nichts, sie lächelte jedoch ein wenig intensiver. Beide sahen sich weiter in die Augen, waren kaum ein Meter von einander entfernt. Ina hatte immer noch ihre Hände in ihre Gesäßtaschen vertieft. Was sie jetzt grade dachte, hätte Frank brennend interessiert. Vielleicht, dass er kokett wirkte auf sie? Vielleicht, dass er sie einfach aus seinem, warmen Zimmer haben wollte, um nicht ins Gerede zu kommen? Vielleicht, dass der 'alte Knacker' lustig ist? Frank wusste es nicht, es war nichts zu erahnen.
„Natürlich nur, wenn es dir recht wäre." Fügte er hinzu, genau so leise und sanft. Dabei zog Frank, obgleich er lächelte, die Augenbrauen ein wenig hoch.
„Wir könnten auch hier im Zimmer eingehackt umhergehen, dass wäre auch akzeptabel für mich." Schlug Frank nun vor.
Ina reagierte wiederum nicht.
Frank Hartung kam sich schon langsam albern vor, wie ein Kind, dass alles versprechen würde, um sein Spielzeug wieder zu bekommen- dachte er. Nur das er wohl hier das Kind war.
„Du könntest aber auch..." flüsterte Frank weiter und wollte Ina grade vorschlagen, sie könnte ja ihr Handy nehmen und Manuela etwas mitteilen, um an ihr Dilemma zu erinnern.
Aber dazu sollte es nicht kommen.
Es geschah etwas Anderes.
Etwas Unerwartetes.
Etwas den ganzen Abend vielleicht Erhofftes und ständig wieder aufs Neue wegen der Unmöglichkeit der Sache an sich Verworfenes.
Etwas Lösendes und zugleich Bestimmendes.
Ina machte nun in unveränderter Haltung einen Schritt nach vorn auf Frank zu, streckte sich ein wenig hoch und presste ihre wunderschönen Lippen auf Franks unvorbereiteten Lippen. Und sie ließ ihre Lippen auf seinen Lippen einfach bewegungslos stehen.
Frank ließ es zu.
In diesem Moment überzogen ungeahnte Lustwallungen seinen ganzen- wie erstarrt von dem Geschehenen wirkenden- Körper.
Sagen konnte er nichts.
Er wollte nur still halten, einfach sich nicht bewegen, es geschehen lassen und genießen, was hier grade passierte.
Diese wunderschöne, junge Frau mit der wundervollen Figur und dem vollen, blonden Haar hatte ihn geküsst und tat dies noch, die eben hier im Raum noch vermisste Vertraulichkeit war abrupt just in diesem Moment wieder da- potenziert um ein Tausendfaches. Offen gezeigtes Gefühl und Zuneigung anstatt Jux und Dallerei.
Inas warme, sanfte und weiche Lippen waren immer noch auf seinen.
Frank konnte kurz wahrnehmen, dass sie beim Kussbeginn die Augen geschlossen hatte, ansonsten hatte sie sich nicht weiter in der Haltung verändert, ihre Hände waren immer noch hinten, in den Jeansgesäßtaschen vergraben.
Frank versuchte, seine Jacke irgendwo nach links loszuwerden. Ohne zu sehen wohin, klatschte die Jacke lautstark hinter ihm links auf den Fußboden.
Frank- dachte er nur für mich- du hast Hände. Benutze sie. Trau Dich, diese Frau auch anzufassen. Und bewege dich etwas. Lieber Frank, du bist so starr, als wenn du völlig verschreckt bist- sagte eine Stimme in seinem Kopf auf einmal und alles ging durcheinander.
Langsam und sehr sanft bewegte er seine Hände auf Ina zu.
Inas Lippen waren immer noch auf seinen Lippen.
Frank schloss jetzt auch die Augen.
Seine Hände berührten Ina an ihren angewinkelten Armen, dort wo kein T- Shirt war- auf ihrer Haut an den Unterarmen. Obwohl Frank eine Gänsehaut zu spüren schien, fühlte sich ihre Haut sehr weich und sanft an. Langsam strichen seine Hände über die Armbeugen erst nach oben, zum T- Shirt- Ärmel, dann wieder hinunter, dort wo die Hände in die Gesäßtaschen hineingingen. Sehr sanft- als wollte ich etwas Zerbrechliches vorsichtig ertasten- berührte Frank die junge Frau.
Der Kuss hielt an.
Seine Hände wanderten über Inas Hände in den Taschen herüber. Dann bewegten sie sich durch ihre gebeugten Arme hindurch auf ihren Rücken zu.
'Oh mein Gott, Sie lässt sich anfassen. Sie lässt es zu, dass ich sie anfasse, ich sie küsse.' Frank Hartungs Gedanken fuhren zusammen mit seiner Gefühlswelt Achterbahn.
'Was ist hier los? Ich stehe mit dieser jungen, wundervollen, hübschen Frau in meinem schwach beleuchteten Zimmer- mitten in der Nacht- wir kennen uns nur einige Stunden- jetzt hat sie angefangen mich zu küssen, ich küsse immer noch zurück und sie lässt es zu, dass ich ihren Körper ertaste und sie berühre? Was ist hier los?'
Franks Kopf war wie leer, alles spielte völlig verrückt.
Er streichelte sanft Inas Rücken hinauf und wieder hinunter. Wieder spürte er die Gänsehaut an ihren Armen. Restkälte oder Freudenschauer?
Noch immer waren ihre Lippen auf seinen Lippen. Und noch immer waren seine Augen und wohl auch ihre Augen geschlossen.
Beide waren in diesem Moment nun ganz nahe.
Dieser Kuss dauerte jetzt immer noch an, es schienen Stunden vergangen zu sein.
Es war wie in einer zeitlosen Geschehensschleife- so kam es Frank zumindest vor- als Ina sich aus dem Kuss löste.
Frank öffnete jetzt seine Augen und sah, dass Ina ihrerseits auch ihre Augen geöffnet hatte, wenige Zentimeter von seinen Augen entfernt.
Ihr Blick lachte.
Langsam berührten sich ihre beiden Nasen und die Stirnpartien.
Und noch ein Kuss.
Frank merkte, dass Inas Lippen anfingen sich zu einem Lächeln noch im Kuss zu verbreitern. Auch er lächelte zurück.
Ina lächelte noch stärker, so dass seine Lippen kurz auf ihre Zähne sanft stießen.
Kurz lösten sie ihre Lippen, wurden beide wieder ernster und ein Dritter Kuss folgte.
Hierbei schien Ina deutlicher Leidenschaft zeigen zu wollen, denn ihr Mund öffnete sich mehrfach sanft, als erwartete sie von Frank einen Zungenkuss oder eine Zungenberührung..
Man hört und liest ja immer in den Kitsch- Romanen so etwas. Eine Situation wie diese zu erleben, ist unbeschreiblich. Auch wird in den Kitsch- Romanen von 'feurigen, brennenden Lenden' geschrieben und von 'sich gierig aufbäumender Wolllust'.
Frank Hartung mochte es ungern zugeben, aber diese Leute scheinen sich wirklich sehr mit diesem Thema auszukennen. Frank zumindest spürte all dies, das Brennen, diese Gier nach Mehr, die Wolllust.
Der ältere Doktor Faust und das junge Gretchen- der Wolf und das Lamm, der Seeadler und der Fisch- ihm schossen tausende Vergleiche durch den Kopf.
Wie motorisch gaben sie sich nun einen erneuten, langen Kuss.
Die Kälte der nächtlichen Runden durch die Stadt und das Neubaugebiet war vergessen. Manuela und Torsten waren aus dem Gedächtnis gelöscht.
Jetzt und hier standen Ina und Frank, eng umschlungen und in tiefes Küssen und beginnendes gegenseitiges Erforschen und Betasten eingetaucht.
„Piep-Piep. Piep- Piep." diese lauten Signaltöne- irgendwo im Raum an einem Mobiltelefon produziert- zerstachen alle aufsteigenden Gefühle, zerschnitten die Luft im Raum genau so scharf, wie die Enge von Frank zu Ina und die bestehende Vertraulichkeit.
Ina beendete den Kuss.
Sie senkte ihren Kopf, sah Frank lächeln von unten herauf an. Kurz legte sich ihr Kopf auf seiner Brust ab, so dass er einen wohligen Geruch ihrer Haare wahrnehmen konnte. Dann sah sie ihn wieder lächelnd an.
„Ich glaube, Das ist Manu."
„Kann sein, muss es aber nicht." Sagte Frank Hartung, wusste aber innerlich schon, dass es nur Manuela sein konnte. Wer sonst hatte uns den Abend vorhin verdorben? Wer sonst konnte es sein, der uns nun nicht einmal diese Momente der Zweisamkeit gönnt? Es konnte nur Inas Freundin Manuela sein.
„Ich möchte mal kurz schauen?" sagte Ina sanft und mit einem verstohlenen Lächeln.
Dann zog Ina schuldbeladen die Augen hoch, biss sich sanft auf ihre Lippen.
„Nein. Das möchtest du nicht." Sagte Frank Hartung ruhig. Schon als Ina diesen fragenden Satz , ich möchte mal kurz schauen?' gesagt hatte, war ihm jedoch klar- dies könnte das Ende dieses schönen und sehr intim werdenden Intermezzo sein. Indem er versuchte, Inas Willen über seinen Antwortsatz zu steuern, versuchte er nur, eine von Frank selbst in diesem Moment nicht gewünschte, ungewollte Entwicklung abzuwenden.
Ina gab Frank einen kurzen und festen Kuss, ihre Umarmung löste sich.
Sie löste sich wortlos von Frank und seiner Nähe.
„Nur mal kurz schauen?" sagte sie dabei und entwand sich mir in einer sanften, langsamen Fortbewegung.
Die Illusionen platzten.
Wie der Arm eines Plattenspielers, der durch eine äußere Energieeinwirkung nur einen kleinen Hieb bekommt und über die Schallplatte kratzt, dass es einem die Trommelfelle im Ohr zerreißen möchte. Wie aufsteigende rosa Luftballons, die sich einem Nagelbrett an der Decke nähern. Wie Ina, die sich ihm entwand und zur Jacke hoppste.
Ina hockte sich auf den Boden, fingerte das Handy aus der Jackentasche. Als sie anfing, auf dem Handy mit den Fingern hin- und her zu wirbeln, warf sie all ihre blonde Mähnenpracht mit einer kurzen Kopfbewegung auf ihre rechte Seite, zeigte Frank ihren Hals.
Noch verklärt und noch lustgesteuert, ging Frank zu ihr.
Vielleicht konnte er alles noch einmal zurückholen?
Aber Ina war gedanklich bei ihrem Handy und der Nachricht, welche sie grade las.
„Torsten ist wohl grade gegangen. Sie hat jetzt grade für mich und sich einen Cappuccino angesetzt, will sich entschuldigen, hat mich lieb."
„Das habe ich auch." Sagte Frank zu seiner eigenen Überraschung sanft hauchend in ihr Ohr.
Ina versuchte vorsichtig und langsam aufzustehen, es gelang ihr.
Denn schon als dieses Piepsen die Stimmung zerrissen hatte, waren alle Hoffnungen auf andere Entwicklungen dieses Zusammensein zerstört worden.
Ina stand, hatte sich aus seinen Annäherungsversuchen entwunden. Sie zog den Pullover über. Kurz warf sie die Haare vor und zurück, wuschelte sich eine Frisur. Hierbei hatte sie schon die Jacke im Blick.
Frank gab sie ihr.
„Hier, deine Jacke."
„Danke schön. Ist übrigens Manus Jacke, nicht meine."
„Aha."
„Du brauchst nicht mitkommen, ich brauche doch nur über die Straße hüpfen. Keine 2 Minuten, dann bin ich dort." sagte sie, streichelte mit der freien, rechten Hand sanft Franks linke Wange. Nun drückte sie ihm einen festen Kuss auf die Lippen, sah ihm lächelnd in die Augen. „Danke schön, dass war sehr lieb von dir."
Ein letztes Mal sah sie Frank tief in die Augen, drückte ihre Stirn an seine Stirn.
„Von Dir auch." Sagte Frank leise. Noch einmal spürte er kurz ihre Lippen auf seinen.
Dann löste Ina sich, sah auf ihre Armbanduhr.
„Oh Mann. Schon kurz vor 03:00 Uhr."
Leichtfüßig, fast schon spielerisch hüpfend, bewegte sie sich im weiteren Anziehen der Jacke bereits zur Zimmertür. Frank trottete ohne Worte und langsam die Situation erfassend hinterher.
Sie öffnete die Tür, blickte links und rechts in den dunklen Flur- als ob sie Angst hatte, hier entdeckt zu werden.
Dann drehte sie sich um und flüsterte leise „Bis morgen- Ciao.".
Ihr Handkuss und ein Lächeln war das Letzte, was Frank diese Nacht von Ina sah. Er schaute ihr noch auf dem Flur hinterher, bis sie leichtfüßig und schnell im Treppenhaus verschwand und er nur noch eine Korridortür ins Schloss fallen hörte.
'Ja. Bis morgen. Oder besser heute.', dachte Frank Hartung bei sich selbst und ging allein in seinen fremden, leeren Raum zurück, schloss die Tür. Absolute Stille umfing ihn.
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