Kapitel 48
Stralsund
Ende Januar, ein Montagmittag
Dienstschluss und Dilemma
„Was?" fuhr es aus Jan Holschers Mund heraus. „Das glaube ich jetzt nicht!"
„Doch." sagte Frank Hartung leise, „Und niemand hat es gemerkt, gesehen oder vermutet! Wir halten uns alle für so clever, aber wir sind alle- ich allen voran- solche Idioten gewesen!"
„Raus damit, was hast du gefunden!"
„Nur eine kleine, unscheinbare Rechnung!" sagte Frank Hartung.
„Ja und?" Jan Holschers Ermittlungsoptimismus erfror sogleich wieder. „Davon gibt es eine Menge!"
„Kannst du dich an diesen verborgenen Raum hinter dem Schrank erinnern?" Frank Hartung fragte konzentriert.
„Ja."
„Diese 4 Sessel- superbequem, ein Sessel etwas höhergesetzt im Raum?"
„Na klar."
„Habt ihr bei den Anwohnern im Umfeld ermittelt? Wer fuhr mal zum Grundstück, Personenbewegungen, Besucher und so etwas?"
„Naja. Nur direkt gegenüber. Da fehlte uns irgendwie die Zeit zu." Jan Holscher war es fast peinlich, diesen kleinen Ermittlungsmangel- so es einer war- zuzugeben.
„Egal jetzt." Frank Hartung lehnte sich zurück, kreiste mit seinen Fingern an seinen Schläfen. „Was ist, wenn ich die jetzt- nach so langer Zeit- einfach einmal eine von mir, grade in Bezug auf die Rechnung ausgerichtete, Version – MEINE VERSION- der Geschichte rekonstruiere?"
Jan konnte Frank die Anspannung fast ansehen: „Ja, Frank. Dann höre ich mir DEINE VERSION erstmal an und Werte sie danach!"
"Also. Irgendwie hatte ich schon immer das Gefühl, dass wir irgendeinen Fakt nicht beachtet oder gefunden haben. Bauchgefühl eben. Und ich bin zudem auch bei verschiedensten Gelegenheiten auf offene Fragen gestoßen- Fragen, welche ich mir auch nicht erklären konnte, zum Teil nicht einmal beschreiben konnte mit Worten, aber diese Fragen waren da." Frank zeigte mit beiden Händen vor Sich einen Korridor, den er nunmehr füllen wollte.
Es klopfte.
Ohne dass weder Jan noch Frank 'herein' sagten, erschien Karsten Berg im Zimmer.
„Chef, ich geh kurz raus zu Mittag. Kommst du mit?"
„Ja, warte mal kurz draußen." sagte Jan Holscher.
In diesem Moment ging es Frank Hartung auf, dass er schon weit über seine - durch die Wiedereingliederung festgelegte -Arbeitszeit war. Er wusste, wie peinlich Wilfried Dramenz darauf achtete, dass Frank in der Phase der Wiedereingliederung pünktlich nach Hause ging. 'Schon so spät?', dachte er.
Frank Hartung stand auf.
„Jan, ich denke noch einmal darüber nach. Lass uns morgen noch einmal darüber reden, okay?" sagte er, mit Blick zuerst auf Karsten Berg und dann auf seine Uhr.
Für Jan Holscher war dies zu abrupt. „Was? Und die Po ente?"
„Morgen, Jan. Ich muss mir da noch einmal einige Sachen klar durch den Kopf gehen lassen. Ich muss jetzt auch Schluss machen."
Frank ging an Karsten Berg vorbei aus dem Raum.
„Halt! Warte mal kurz." Jan Holscher wollte es damit für heute nicht enden lassen. Karsten Berg und er kamen aus Holschers Büro, Jan schloss ab. „Karsten geh schon einmal alleine. Ich mache heute mal mit Frank Mittagspause." , sagte er besonnen zu seinem jungen Kollegen. Karsten Berg, vom Hunger angetrieben ging wortlos, noch einen kurzen Blick zu Frank Hartung werfend.
Frank Hartung hatte nach Jan Holschers Angebot der gemeinsamen Mittagspause inne gehalten. Als er die Worte von Jan Holscher vernommen hatte, tat er auch dergleichen, holte seine Tasche aus dem Büro, schloss ab, um zu gehen. Frank Hartung war froh, dass sich Jan Holscher nicht seinen 'Gedankenläufen' verschloss, sogar Interesse daran zeigte.
„Sorry Frank, ich hatte vergessen, dass du ja nur bis Mittag machen darfst zurzeit. Also lass uns mal ein paar Schritte gehen."
Jan Holscher war neugierig geworden. Auch er hatte sich um diese Stalkergruppe oder Scanner viele Gedanken gemacht, immer nach 'dem einen kleinen Puzzlestück' gesucht. Wenn Frank Hartung nun glaubte, dieses Passstück gefunden zu haben, dann musste Jan es auch erfahren. So verließen beide gemeinsam das Gebäude, schlenderten schnellen Fußes gemeinsam und zielgerichtet zu einem Imbiss, zwei Straßenzüge weiter. Auf dem Weg redeten Sie jedoch noch nicht über Frank Hartungs Ideenläufe, vielmehr darüber, dass Jan Holscher es gut fände, darüber noch etwas zu erfahren. Auch über die Schmackhaftigkeit von Döner wurde gesprochen und noch eine weitere bislang offene Frage wurde von Jan Holscher gestellt.
„Hast du dir mein Angebot noch einmal durch den Kopf gehen lassen? Du weißt, ich kann das nicht mehr allzu lange deckeln. "
„Ja, Jan. Ich bin mir da uneins. Das Angebot ist verlockend- ohne Zweifel. Aber tief in mir glaube ich einerseits nicht, dass sich beförderungstechnisch da etwas tut und andererseits bezweifle ich stark, dass mir die Arbeit in der Zwei letztlich persönlich zusagt. Leichen, Brände, Sexualdelikte, Tötungsdelikte- Ich glaube, dies ist nicht so mein Ding. Man sagt ja: Schuster bleib bei deinen Leisten. Die Arbeit bei euch ist zweifelsohne interessant, aber wohl nicht für mich. Ich mache das weiter, was mir in jedem Fall besser liegt. Damit kann ich mir nur selbst einen Gefallen tun. Sorry."
„Ist Okay.", sagte Jan Holscher. „War ja auch nur mein Wunsch. Wenn du sagst, du kannst das nicht machen? Kann ich verstehen. Ist ja auch nicht Jedermanns Sache."
Mit Döner in der Hand suchten beide Männer eine Parkbank aus, um dann in Ruhe zu essen.
Nebenbei fing Frank Hartung an, seinen Ideengang vorzustellen. Das war der Moment- jetzt.
„Folgendes Jan. Nimm nur einmal an, DIR geht es seelisch wahnsinnig schlecht. Burnout, tiefe Depressionen- die durchaus heftiger Natur sind- vielleicht auch Trennung vom Partner, spontane Weinkrämpfe, empfundene Einsamkeit und innerliche Leere. Okay? Kannst du das?", holte Frank Hartung aus. Dabei biss er noch einmal herzhaft ab.
„Ja, okay. Ich versuch es mal." Jan Holscher blickte zu Frank herüber, kaute genüsslich.
„Also so wie es mir vor kurzem ging!" fügte Frank Hartung scherzend noch an. Frank war für sich auch froh, aus dieser Phase herausgetreten zu sein.
„Okay!" merkte Jan Holscher an.
„Was machst DU?"
„Keine Ahnung?", sagte Jan Holscher. „Wahrscheinlich würde ich es wie du machen. Krank schreiben lassen? Blaumachen? Hilfe suchen?"
„Genau! DU versuchst, Händeringend und weil es DIR alle empfehlen – und DU zusätzlich auch der zunehmenden Überzeugung bist, dass dies dann der einzig richtige Weg ist - DEINE Probleme abzuladen. DU willst dich darüber austauschen, welche Probleme es sind und DU versuchst Rat und Hilfe sowie Lösungen zu finden!" Frank lehnte sich zurück und schlägt die Beine über.
„Ja, ich denke, ICH würde das zumindest dann auch so machen. Da ICH so fette Probleme habe, würde ich versuchen an jemanden heran zu treten, in der Hoffnung Hilfe zu bekommen."
„Okay.", sagte Frank weiter. „Du bist also bereit, dich jemanden anzuvertrauen, erwartest Hilfe, willst dich mitteilen, um Lösungen näher zu kommen."
„Ja!"
„Gut. Bis hier sind wir also!", Frank biss erneut ab. „Ich habe mich damals an jemanden gewandt, den ich nicht kannte, aber wo ich schon nach kurzer Zeit merkte: Okay, das passt hier! Chemie scheint zu stimmen! Ich kann mich öffnen und mir wird geholfen!- So lief es bei mir! Und es half mir wirklich, machte mich zufriedener auch seelisch. Stabiler eben." Frank Hartung grinste.
„Okay?" fragte Jan Holscher. „Worauf willst du hinaus?"
„Gut. Jetzt nimm einfach einmal weiter an, du gehst zu solch einer Person- vermeintlich DEINES Vertrauens, DU denkst die Chemie stimmt, ich kann mich hier öffnen und DU tust es dann auch- UND es werden Dir Lösungen geboten und Wege aus Deiner Krise heraus gezeigt, aber DU täuscht Dich in der Person DEINES Vertrauens. DIESE PERSON verfolgt andere, EIGENE INTERESSEN!" Frank blickte fragend zu seinem Kollegen herüber.
„Gut. Du meinst, ich bin beim Falschen gelandet, ohne es selbst zu erkennen. Fühle mich aber extrem sicher in dieser verwundbaren Seelenphase und öffne mich. Aber diese Person, welcher ICH mich anvertraue, hat etwas anderes im Sinn, als eigentlich mir zu helfen?" Jan konnte folgen. Frank spürte Erleichterung.
„Genau! Diese Person erkennt sofort DEINE Schwächen und nutzt das schamlos für sich aus- steuert DICH de facto in eine ganz andere oder neue Richtung!" Frank blickte erneut fragend.
„Du meinst, Ich..?" Jan Holscher stutzte. „Du meinst, die drei Typen wurden einfach so 'um konditioniert'? Quasi 'um fixiert'? Neuausgerichtet?"
„Ja, genau so. Als wenn du Jemandes Willen dahingehend beeinflusst, ein altes ungewünschtes Verhalten abzutrainieren und ein NEUES und GEWÜNSCHTES VERHALTEN- wie auch immer ausgerichtet und gewünscht- anzutrainieren. Wie bei einem Hund! Oder besser noch bei Katzen- bullere nicht hier auf den Teppich- aus !-altes ungewünschtes Verhalten- gehe zu deinem Katzenklo mit der Katzenstreu im Bad- fein!- neues gewünschtes Verhalten!" Frank Hartung gestikulierte mit seinem Dönerrest so, als würde er eine Katze von A nach B dirigieren. Kraut fällt hierbei aus dem Döner heraus.
„Okay, ich weiß, was du damit sagen willst. Aber wie kommst du auf solch einen Gedanken, wegen einer Rechnung?"
„Bislang nur aus zwei Gründen- belanglos für dich im Moment und eigentlich sollte ich es dir auch nicht sagen. Ist sehr privat!" antwortete Frank. „Aber wenn meine Vermutung stimmt?"
„Egal wie 'privat' es für dich ist, Frank- von dem, was du in der Dienststelle aus den Unterlagen gelesen hast, darf kein Sterbenswort an Dritte Ohren gehen!" Jan wurde dienstlich. „Die Ermittlungen sind aus Sicht der Staatsanwaltschaft abgeschlossen und- und das ist viel wichtiger- wenn du mir schon so kommst, wegen VERMUTUNGEN öffnet kein Staatsanwalt die Akten neu. Die wollen Fakten- Frank! Beweisbare Fakten oder objektive Sachen, die sie dem Angeklagten und vor allem auch dem Gegenanwalt um die Ohren hauen können, dass es in deren Ohren klingelt und sie vor lauter bewiesenen Fakten und belegten Tatsachen nicht anders können, als einzulenken!" Jan Holscher tippte mit seinem Zeigefinger auf sein Knie, um die Nachdrücklichkeit seiner Worte hervor zu heben.
„Ja, und das ist gerade das Problem!" Frank wurde kleinlaut.
„Ich muss verrückt sein, dir zuzuhören." Jan lächelte. „Aber genau das finde ich wichtig! DAS ist kriminalistisches Denken- Versionen bilden! Das ist klassische kriminalistische Klippschule!"
Nun musste Frank Hartung auch lachen.
Dann wurde Jan Holscher schlagartig sehr ernst, klopfte seinem Kollegen kurz auf die Schulter und sprach aus, was beide dachten: „Kannst du vergessen! Da geht kein Weg lang- über diese Brücke!"
„Ja. Glaube ich auch nicht dran." schätzte Frank kurz, ruhig und sachlich die Lage richtig ab.
„Rede mal weiter." forderte Jan Holscher. "Und wen hast du im Fokus? Ich meine, als den vierten Mann dieser Truppe, also den Strippenzieher?"
Frank Hartung konnte nun endlich den Trumpf spielen: „Doktor Parz . Herrn Doktor Hans- Peter Parz.!"
Jan Holscher klopfte erneut auf Frank Hartungs Schulter. „Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Vergiss es! Vergiss es und sprich nie wieder darüber!"
Beide Männer lächelten erneut. Vielleicht kamen sie sich in dieser Situation vor, wie zwei Verückte, zwei Spinner mit gleich verrückten Gedanken. Außen stehende Dritte könnten annehmen, beide Männer reden über einen unmöglichen Wettausgang oder den nicht denkbaren Fall eines Untergangs der 'Titanic', oder darüber, dass der Zeppelin 'Hindenburg' in Flammen aufgehen könnte- also klassische, historische Unmöglichkeiten.
„Wieso Doktor Parz?" Jan Holscher wollte diese abwegige Theorie dann doch hören. Frank Hartung hatte schon damit gerechnet, diese Frage gestellt zu bekommen.
„Also!" Frank Hartung warf den Restmüll des Essens in einen Papierkorb, setzte sich wieder zu Jan Holscher. Dann zeigte er mit den Fingern an, dass er Punkte aufzählen würde.
„Also! Parz ist der anerkannteste Seelenklemptner der Stadt und der Region. Wohin wendet man sich, wenn man ein Problem hat? An den Besten! Die Rechnung ist von Doktor Parz an den Marcel Deulert gestellt- Deulert zumindest ist ein Patient bei Parz! Punkt eins! Ich war der Annahme- immer schon, dass ich derjenige war, um den es Konzius ging. das war ein Trugschluss! – Sorry, da bin ich auch erst vorhin darauf gekommen!- Es ging Konzius eigentlich um meine Frau Ellen!"
Frank Hartung hielt kurz in seiner Aufzählung inne. Für einen Moment fragte sich Frank, ob er diesen privaten Aspekt wirklich offen darstellen sollte. Doch dieses Abwägen von Bedenken war hier und jetzt nicht angebracht. Frank Hartung musste mit Jan Holscher jetzt offene Karten ausspielen.
"Dieser Parz ist schon immer in Ellen verknallt gewesen, schon seit der Abiturzeit. Denkbar ist, dass Parz nie aufgehört hat, Ellen zu lieben. Im Zuge dieser ganzen letzten Ereignisse hat sich nun Ellen ja von mir getrennt, wie du ja weißt. Und in wessen Arme hat sie sich zufällig geflüchtet? Na? Genau- Hans- Peter Parz! Parz hat zumindest Andreas Konzius, und vielleicht auch diese Jana und den Marcel so eingenordet und vermutlich über Jahre so abgerichtet, dass ALLE zusammen- und Konzius hierbei ganz speziell und hervorgehoben- Ellens Leben rund um die Uhr ausspionierten und alle Personen, die mit Ellen im Nahbereich zu tun hatten, so wie mich, Ihren Ehemann. Punkt zwei!"
Frank Hartung steigerte sich in seine Gedankenläufe hinein. „Ellen war seit ihrem Burnout vor einigen Jahren immer nur bei dem Doktor Parz in Behandlung. Sie vertraute ihm in vollem Maße. Er war immer für ihre Sorgen da, sie konnte sich immer bei Parz ausweinen, bekam bevorzugte Termine und Herr Doktor Parz konnte mit Ellen dann immer tolle Lösungen für ihr ach so furchtbares Leben finden. Sie hat ihm alle Informationen zugespielt, die er brauchte, um immer über ihr Leben Bescheid zu wissen. Punkt drei! Weil Parz diese Informationen hatte, konnte er seine Handlanger immer neu in die Spur schicken, und dieser Konzius mochte gedacht haben für sich. Aber in Wahrheit immer nur für Doktor Parz. So konnte Konzius diese neckischen Schmuckstücke zusammen tragen. Fotos von Ellen, unsere alte Couchgarnitur- abgeholt von den Möbelpackern Deulert und Konzius, das alte Buffet im Zimmer des Konzius. Punkt vier!"
Frank machte kurz eine Geste mit den Fingern, die Punkt Vier abrechnete.
"Als Psychologe konnte er alle drei Personen vom Gehöft immer neu in Hoffnung setzen, sie aufbauen und in seinem Sinne motivieren. Denk hier bitte einmal an diesen Raum mit den Sesseln- ich schwöre dir, dort hat Parz die privaten Sitzungen mit den Dreien abgehalten- entspannte Atmosphäre, gesichertes Umfeld, lauschige Musik. Vielleicht als Einzelsitzungen, vielleicht mit allen Dreien gleichzeitig- Parz beherrschte alle Drei. Er kannte ja deren Schwächen und ließ jeden für sich diesen Schwächen auch nachgehen, hat aber sicherlich dazu die Regeln vorgegeben. Harte Regeln allerdings- sonst hätte Deulert ausgesagt und diese Frau sich nicht erhängt. Hier vermute ich Konzius als den Schafrichter in Herrn Parz Namen vor Ort, der Regelverstöße sofort ahnden sollte. Punkt fünf! Im Gegenzug wollte Parz natürlich auch etwas für sich erlangen, gab sich vielleicht sogar mit Kleinigkeiten und Informationen zufrieden. Abgerechnet hat er aber nur tatsächliche Sitzungen in der Praxis, um nicht aufzufallen. Als Bonus wurden die kleinen Sonderbetreuungen seiner Schützlinge natürlich nicht berechnet. Diese Streicheleinheiten konnte Parz auch schwer zudem noch begründen. Punkt sechs! Psychisch stark angeknackste Personen, denen man Aufträge gibt, könnten dazu auch eher neigen, Überreaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse oder Situationsveränderungen zu zeigen. Als Konzius zum Beispiel diese Fotos von mir mit einer ihm völlig Unbekannten machte, diese Fotos zudem auch Konzius bis dahin vorliegende Vorstellungswelt kippen lassen, bewegt es Konzius, diese Frau einfach aus dem Rennen zu nehmen. Der Andreas Konzius macht eine Kurzschlussreaktion, um die unbekannte Variable weg zu bekommen- er verursacht absichtlich und absolut kaltschnäuzig einen Unfall. Die Frau ist aus dem Rennen, denkt er. Alles ist wieder so, wie es sein soll- nach Konzius Vorstellung. Konzius ist auch noch so clever, sich selbst noch ein Unfallalibi zu schaffen, um den Unfallschaden zu vertuschen. Dank Tatortgruppe kamen wir ja dann doch noch dahinter. Punkt sieben! Und als das Schiff mit der Verhaftung von Deulert zu platzen droht? Deulert ruft nicht etwa seinen Rechtsanwalt an. Nein! Er ruft den Menschen an, der immer Lösungen geboten hat- seinen Psychologen- Parz! Der tröstet erstmal, lässt ihn aber fallen. Parz informiert die Frau im Gehöft, redet ihr zu keine Auswege mehr zu sehen, da Parz ja auch um die Labilität der Frau weiß und deren Todessehnsucht kennt- richtig motiviert erhängt sie sich. Und Konzius? Konzius ist eine Last für Parz, und sicherlich aus Sicht der Polizei der Hauptbeschuldigte. Erstmal an der langen Leine sich selbst überlassen und vertrösten, dass sich die Wogen schon glätten werden. Dann könne man ja wieder weitermachen. Parz lässt den Konzius in diesem Irrglauben, bleibt erst einmal passiv irgendwo in einem Versteck. Was Konzius nicht weiß- Ellen wendet sich erneut an Doktor Parz! Ellen redet von ihren Belastungen durch das Stalking und das Haus, dass durch die Polizei bereits bewacht wird rund um die Uhr. Für Parz doch wichtige Neuinformationen, die er gleich für sich ausschlachten kann. Sofort reagiert Parz, lenkt Ellen zur Trennung von mir und dem Haus als einzige Chance, sich und die Kinder vor 'dem Unbekannten'- vermeintlich Konzius- zu schützen. Sicherlich zu dem hohen Preis der Ehe mit mir, aber das passt ja in Herrn Parz Gesamtplan hervorragend hinein. Und Ellen- auch von Parz ordentlich motiviert und lange vorbereitet spricht dieses Mal auf Grund der Sachlage willig darauf an. Parz setzte hierbei sicherlich alles auf eine Karte, aber nie war der Moment günstiger als in dieser Phase von Ellens Verunsicherungen. Und Sicherheit wünscht sich jeder für sich und seine Lieben. Danach lässt Parz den Konzius allein, damit Konzius wieder in einem Kurzschlusshandeln in eine – Eure – Polizeifalle tappen kann, und natürlich geht auch dieser Ideengang von Parz dann auf. Probleminhaber sind A, B und C –alle werden nacheinander ausgeschaltet: Knast, Suizid und Unfall- naja Siggi in dem Fall. Punkt acht! Parz hat Ellen und damit nach Jahren endlich seine große Liebe für sich. Plan aufgegangen. Punkt neun! Tore Parz 9: 0 für die Polizei."
Frank ist am Ende- aber erleichtert. Endlich ist es heraus, was ihm alles so durch den Kopf gegeistert war.
„Und dies alles hast du wegen einer Rechnung von Doktor Parz an Deulert abgeleitet?" fragte Jan Holscher.
Frank Hartung ist ausgelaugt. Niemals würde Jan Holscher diese abwegigen Theorien für real halten können.
„Ja, so in etwa." , sagt Frank kleinlaut, macht eine unsichere Handbewegung.
„Du brauchst Hilfe!" lächelt Jan Holscher.
„Na, die habe ich schon. Und eine bessere Hilfe als Parz!" Frank lächelt zurück.
„Da geht aber kein Staatsanwalt mit, dass weißt du?"
„Hmm, ja. Dieser Version folgt niemand. Es müsste wirklich mit dem Teufel zugehen, wenn man hierfür einerseits grünes Licht für Nachermittlungen bekommen würde oder jemand einen Beschluss unterschreibt anhand dieser Theorie."
„Dann hätte Parz ja schon seit Jahren auf Ereignis X hingearbeitet?"
„Japp!"
„Okay. Solltest du für dich behalten. Das sage ich mal als Vorgesetzter, Kollege und Freund. So, ich muss dann mal wieder. Einer von uns hat jetzt noch kein Dienstschluss."
Jan Holscher lächelte, stand auf und streckte sich. Nach zwei Schritten von der Parkbank weg hielt er inne und drehte sich noch einmal zu Frank Hartung um.
„Ist verrückt! Das Schlimme ist..." Jan Holscher machte eine kurze Redepause, „ ...dass ich dir glaube! Behalte es aber alles bitte für dich, wenn du damit leben kannst. Ist wirklich nur ein gutgemeinter ratschlag von mir. Die Ermittlungen sind abgeschlossen, stimmts?"
Frank stand ebenfalls auf.
„Wirklich? Sind sie damit wirklich abgeschlossen?"
„Ja, sind und bleiben sie. Aber ich bin da der Einzige, der dir Glauben schenken wird!"
Dann ging Jan Holscher weiter und ließ Frank Hartung in seinem Dilemma allein.
„Und damit ist es erledigt?" rief Frank Hartung noch.
Jan Holscher drehte sich nochmals im Gehen befasst um.
„Ich fürchte ja."
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