Kapitel 37
Güstrow
Montag- früher Nachmittag, Eine Woche später
Identitätssuche
Frank Hartung fühlte sich allein. Zu Hause fiel ihm die Decke in der Ruhe des Gebäudes schon nach 3 Tagen der Krankschreibung auf den Kopf. Er wollte sich selbst mit Energie betanken und war am Mittwoch der letzten Woche auf die Insel Rügen gefahren. Dort ging er lange allein durch die waldreiche Stubbenkammer spazieren, mischte sich unter die zahlreichen Urlauber, traute sich sogar, hier und dort mit anderen Spaziergängern kurze und belanglose Gespräche zu führen. Am Ende des Tages war er völlig erschöpft zurückgekehrt nach Stralsund.
Auch am Donnerstag zwang er sich am Vormittag aus dem Haus, ging zu Fuß einkaufen in der Nähe des Tierparks in einem Einkaufszentrum. Den Donnerstagnachmittag verbrachte er zu Hause über unzähligen selbst geschriebenen Notizen und Skizzen. Alles drehte sich in Franks Kopf um diese Gruppe auf dem Gehöft, immer noch versuchte er seine Konzentration auf all die Details zu lenken, welche er dort gesehen oder vielleicht übersehen hatte. Dies war seine Art, sich auf das erneute Gespräch mit der Ärztin, Frau Dr. Freiliggrath in Warnemünde vorzubereiten.
Das Gespräch am letzten Freitag hatte Frau Dr. Freiliggrath jedoch ganz bewusst- und dies hatte sie auch zu Beginn Ihrer Sitzung gesagt- auf die Familie von Frank Hartung gelenkt. Die eigene Kindheit hatte er darstellen müssen, seine Kontakte zu Dritten, zur Familie seines Bruders, zu seiner Mutter, hinsichtlich der wenigen befreundeten Personen und zu seinen Freizeitgewohnheiten wurde Frank befragt- immer auch mit kleinen Hinweisen, wie man Wege beschreiten können, andere und neuere Kontakte zu suchen und zu finden. Frau Dr. Freiliggrath war mit sehr viel Interesse an Frank Hartungs Erlebten auch in diese zweite Gesprächseinheit gegangen. Frank fühlte sich in der Praxis erneut gut betreut und aufgehoben- es war wie warmer Zuspruch in der jetzigen Krisensituation.
Insbesondere beschäftigten sich mit dem Auszug von Ellen und den Kindern. Hier machte Frau Dr. Freiliggrath Hoffnung auf eine Möglichkeit eines gemeinsamen Problemlösungsprozesses, aber sie erwog mit Frank auch andere Optionen- zwar weit weg im Moment, jedoch auch nicht auszuschließen. Wenn sich Ellen auf Dauer mit den Kindern von ihm weiter entfernen wollte, könne dies auch das Ende der Ehe sein- dann müsse Frank sich auch einem Leben nach dieser gescheiterten Ehe stellen. Nur noch Freundschaft akzeptieren zu seiner Ellen und auch- was Frank ebenfalls für schwierig hielt, den Abstand zu den Kindern annehmen lernen. Frau Dr. Freiliggrath betonte, dass dies aus ihrer Sicht jedoch nur Optionen des 'wenn- dann' darstellten, man erst einmal Wege zum Kitten der Beziehung finden wolle. Hierbei versuchte sie auch Ellens Position und Gefühle mit Vorsicht zu werten, ohne ihrem Patienten zu sehr in Unsicherheiten zu bringen. Frau Dr. Freiliggrath war sehr taktvoll in den Gesprächen, das Verständnis schien aus Frank Hartungs Blick sehr groß zu sein. Obwohl noch jung an Jahren und auch sicherlich mit noch nicht so viel Erfahrung im Beruf war sie die Richtige, um Franks Problemen Hilfestellung zu geben.
So ließ sich Frank auch auf die von ihr angeregte 'Politik der kleinen Schritte' ein. Frank Hartung sollte danach die ihn bewegenden Sachen einzeln angehen- mit viel Ruhe. Über diese Schritte und deren Ergebnis sollte er dann immer kurz berichten.
Für Frank Hartung hieß einer dieser Schritte auch 'Güstrow'.
Im hier und jetzt spazierte Frank durch das sommerlich warme Städtchen- langsam und darauf bedacht, alles für sich in Ruhe Revue passieren zu lassen.
Das Auto hatte er in der Innenstadt geparkt.
Da schon Mittagszeit war, hatte er ganz bewusst nach dieser kleinen Gaststube von damals gesucht, in welche er mit dem Kollegen vom Landeskriminalamt- dem Kollegen Soldat Schwejk und der Kollegin damals gegangen war und wo er das Mädchen Ina getroffen hatte. In der Geschäftigkeit des Mittagstisches hatte auch er dort gespeist.
Nun versuchte er den Weg von damals in Gedanken als auch real noch einmal abzugehen.
An der Kirche vorbei, entlang am Schloss und dem jetzt im Sommer sehr farbenfrohen Garten, die Kreuzung, der Weg durch das Wohngebäude- Rondell aus Altneubauten.
Vor seinem gedanklichen Auge hatte er hierbei die, von ihm auf dem Gehöft, gesehenen Foto. Vielleicht fällt ihm dazu noch etwas ein? Heute nach so langer Zeit?
Plötzlich stutzte Frank, blieb auf dem Gehweg stehen.
Ein älterer Herr räumte auf seiner Höhe einen Einkaufskorb in seinem Kofferraum ein und weiter vorn ging ein Herr mit seinem Hund auf dem Gehweg langsam weiter auf ihn zu. Auch diesen Beiden war der Fremde aufgefallen. Das Frank hier seinen Schritt stoppte musste seltsam wirken. Frank tat so, als suchte er etwas in seinen Hosentaschen, um nicht auffällig zu sein. Er holte eine Taschentuchpackung hervor und schnäuzte sich. Blickte weiter suchend um sich.
Ja, auch damals war irgendwo weiter vorn eine Dame mit einem Hund an einem Hauseingang, aber hier?
Hier war eines der Fotos von damals entstanden, als er mit Ina hier im Schnee langschritt. Die Aufnahme zeigte ihn und Ina von hinten! Und was noch?
Das Foto musste aus einem Fahrzeug hier heraus entstanden sein.
Ja, genau.
Und damals hatte auch in Etwas hier ein Fahrzeug hinter Ihnen eingeparkt. Wenn Frank heute darüber nachdachte- ein Tür zuschlagen war damals ja nicht zu vernehmen gewesen. Frank blickte zurück in den Straßenzug hinter sich- als ob dieses Fahrzeug noch hier stehen könnte.
Ja, dort in etwa muss es gestanden haben- hatte auch in der Tat ein gutes Blickfeld auf seine jetzige Position gehabt. Aber was für ein Fahrzeugtyp war das damals? Frank strengt sich an, kann es aber nicht aus der Erinnerung sagen.
Frank setzt seinen Weg im Rondell langsam fort, steckt das Taschentuch ein.
Ja, so war es damals.
Nach wenigen Gehminuten erscheint das Haus und der Eingang in Sichtweite, vor dem Ina damals umsonst Einlass erbat. Wie damals hatte Frank Hartung jetzt die Situation wieder vor Augen, blickte zu den Fenstern hoch. Die Wohnung stand leer. Hatte er insgeheim gehofft, noch jemanden wieder zu treffen? Ina, die ihn vielleicht wiedererkennt? Ja, das wäre eine sehr große Überraschung – einmal vielleicht sogar im positiven Sinn. Oder ihre Freundin von damals? Die beiden jungen Frauen hatten jetzt bestimmt schon ihren Abschluss und sind sicherlich auf irgendeiner Dienststelle im Land- wo sie dort den männlichen Kollegen den Kopf verdrehen. Seltsam- Frank hat nie versucht, nach Ina zu suchen auf dem polizeilichen Portal oder irgendwelchen Mail- Adresslisten.
Aus den Augen- aus dem Sinn? Eigentlich für Frank Hartung nicht, denn sehr oft hatte er schon an diesen eigenartigen Abend und den Verlauf damals gedacht- immer nur Gutes damit verbunden und hitzige Gefühle, obwohl Ina und auch er damals sehr unterkühlt waren.
Frank traut sich bis an die Hauseingangstür, um einen Blick auf die Klingelleiste zu erhalten- die Namen von damals fehlen. Schade. Frank tritt von der Tür zurück und blickt noch einmal nach oben. Die Geschehnisse von damals sind wieder da- Inas Niedergeschlagenheit und beider Enttäuschung.
Frank wendet sich vom Haus ab, schlendert weiter.
An der Hauptstraße angekommen blickt er zum Schulkomplex hinüber. Aber dort gibt es heute nichts für ihn zu hinterfragen.
So geht er zurück in Richtung Innenstadt.
Nach einigen Metern ein erneuter Gedankenblitz- Fußspuren! Damals, als sie hier langliefen – Runde um Runde- war hier eine feste Schneedecke. Frank erinnerte sich, dass sie ihre Fußspuren seinerzeit hier wieder erkannt hatten- und unbekannte Spuren im Schnee. Also wurde Ihnen damals vielleicht ja doch gefolgt.
Unbeschreiblich! Was trieb diese wildfremden Leute nur an, so etwas zu tun? Warum macht ein Mensch so etwas? Er kannte diesen Herrn Konzius doch in keinster Weise. Oder vielleicht doch irgendwoher? So viele offene Fragen! Und Konzius würde keine Antwort mehr geben können.
Das ist schlimm für mich- denkt Frank Hartung.
Nur offene Fragen....
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