Kapitel 25
Dänemark
Urlaub
Die Karten werden auf den Tisch gelegt
Eine schöne und bislang gute Ablenkung war diese schöne Zeit- hier im sommerlich warmen Dänemark.
Jeden Tag gab es Spaß, Baden, Ausflüge in die Umgebung. Im und um das idyllische Ferienhaus in der Nähe von Blavant herrschte zwischen diesen Ausflügen immer rege Betriebsamkeit. Spielende Kinder, zu denen sich ab und an noch ein kleines dreijähriges süddeutsches Mädchen aus einem der benachbarten Ferienhäuser gesellt hatte. Essen wurden gekocht, Sachen wurden sortiert, Pläne für nächste Ausflüge wurden mit einer Landkarte und mehreren Flyer geschmiedet und nur zum späteren Abend hin flimmerte dann noch der Fernseher im großen Wohnbereich des Hauses. Zumeist jedoch erst, wenn die eigenen Kinder in ihrem Zimmer zur Ruhe kommen wollten.
Diese Ausflüge lockerten immer wieder den Aufenthalt im Haus auf und sorgten für eine positive und überraschend einfach zu erreichende Kurzweil. Alle ließen sich auf diese Ablenkungen ein und es waren auch die Kinder gewesen, die jede Aktivität lobten. Hierdurch hatten Ellen und Frank Hartung immer neue Ideen gesucht und gefunden, wobei Ellen der treibende Ideenfinder war. Es war eine schöne Zeit für alle.
An diesen frühen Abendstunden holten Frank Hartung dann jedoch die dunklen Gedanken wieder ein, welche er in den letzten Tagen durch all das geschäftige Treiben sehr gut verdrängt hatte- die Fragen und die Ängste waren mit einem Schlage wieder da.
Frank Hartung hatte es nun schon über eine Urlaubswoche mit sich herumgetragen- hier am Strand von Esbjerg wollte er sich gegenüber seiner Frau Ellen offenbaren. Die Kinder waren an der Wasserkante und freuten sich, wenn die Wellen ihnen Muscheln brachten- eine schöner als die vorherige Muschel.
Der Tag war bislang sehr schön. Die kleine Familie war in einem Fischerei- und Seefahrtmuseum mit einer sehr schönen Außenfläche, auf der die Kinder viel selbst entdecken und auch ausprobieren konnten. Ein nachgebauter Hafen, ein alter, begehbarer Bunker, Ausstellungsräume, riesige Becken mit Seehunden- die neugierig wirkten und zum Spaß der Kinder ihre Runden im Wasser schwammen. Im dem Bunker auf dem Ausstellungsgelände hatte es Frank Hartung fast erdrückt- beklemmende Enge hatte er gespürt. Wieder eingeschnürt kam er sich vor.
Vorhin war die kleine Familie in einer Pizzeria in der Stadt, um ein vorzeitiges Abendessen zu nehmen. Heute würde niemand mehr Lust auf Kochen haben. Alle waren satt und zufrieden. Nun machten sie zum Abschied von der Stadt noch einen kleinen abendlichen Verdauungsspaziergang am Wasser.
Ellen stand nur einige Meter vor Frank und beobachtete die Kinder beim Spiel. Frank saß auf einer Bank und tat es ihr gleich.
Der Wind wehten Ellen Hartungs schulterlange, braunen Haare hin und her.
Hinter Ihnen waren irgendwelche riesenhaften, weißen Menschenabbilder, die symbolisch aufs Meer hinaus blickten.
Auch Frank sah hinaus auf die befreiende Weite und die Wellen der Nordsee, fühlte sich jedoch gefangen in seinem Körper- belastet mit etwas, was er Ellen sagen musste. Auch an seine Frau Ellen hatte er Fragen. Und er wollte ihr auch einige unschöne Antworten geben- zumindest sich, so möglich auch sein Gewissen entlasten..
Innerlich war Frank in diesem Moment sehr aufgewühlt.
Er stand von der Bank auf, ging zu Ellen hinüber und setzte sich zu ihren Füßen in den Sand der sachten Böschung, versenkte seinen Kopf in den Händen und atmete sehr tief und schwer durch.
Ellen drehte sich zu ihm, strich sich einige vom Wind herumwirbelnde Haare aus dem Gesicht. Sie lächelte Frank zufrieden erst an, wurde jedoch bei seinem Anblick ernster und besorgt.
„Was ist los? Geht es dir nicht gut? Fühlst du dich nicht?"
„Ich habe Probleme." gestand Frank.
„Wieso, haben wir nicht genug Geld eingesteckt?"
„Doch, doch, damit kommen wir schon hin. Ich habe andere Probleme- ernste Probleme!"
„Oh Gott. Was ist denn? Wirst du krank?"
„Nein. Die Probleme sind seelisch."
Frank machte ein ernstes Gesicht. Der Wind schluckte fast seine Worte, dennoch kamen die Worte bei Ellen an.
„Seelisch? Wie meinst du das? Was ist denn? Ist was Passiert?"
Frank nickte lange, machte große Augen.
„Und was noch schlimmer ist, ..." – Frank Hartung schluckte den Kloß im Hals herunter, sprach weiter, „... die Probleme, die ich habe, betreffen UNS alle!"
„Was? Wie meinst du das: 'Die Probleme betreffen uns alle'?"
Ellen wirkte überrascht und fassungslos. Wenn es etwas gab, was unsere Familie belastet, würde sie Frank sicherlich aufmerksam zuhören.
„Du siehst schon die ganze Woche so aus, als kannst du nicht richtig abschalten. Was ist denn passiert?"
Frank musste jetzt ernst werden. Sein Gesichtsausdruck wurde versteinert.
'Ellen hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren. Es geht hier um seelische Verletzungen, die schon über einen langen Zeitraum an uns begangen worden sind. Ellen muss jetzt die Wahrheit erfahren, auch um sich selbst und uns schützen zu können.' dachte Frank für sich, bevor er seine Worte aussprach.
„Jemand hat uns gestalkt- Dich und mich- keine Ahnung- ich weiß es nicht, aber die Sache ist ganz klar und deutlich so, dass Uns allen einer nachgestellt hat."
„Was?" Ellen wurde bleich. Sie setzte sich neben Frank in den Sand.
„Was sagst du da?" wiederholte Ellen jetzt leiser, als könnten Beide belauscht werden.
Frank lehnte sich zurück, auf seine Ellenbogen im Sand, atmete tief durch und sah Ellen sehr besorgt an.
„Wer denn? Wer ist das Schwein?" Ellen Hartung schaute erst Frank an, dann besorgt zu den Kindern.
„Ich weiß es nicht. Ein Mann, denke ich."
„Und der hat mich gestalkt?" fragte Ellen.
„Ja, könnte sein. Ich denke es. Vielleicht hat er auch uns alle gestalkt!"
„Nein!" sagte Ellen ganz langsam, sie nahm die Hand vor den Mund, als verböte sie sich selbst das weiterreden und weiterdenken.
Der Wind wehte um Beide. Die Kinder spielten am Wasser, suchten voller Freude Muscheln und merkten nichts von ihrer Sorge.
„Und was und wen hat er gestalkt? Mich, die Kinder vielleicht?"
„Alles! Dich, mich, die Kinder, unser Leben, unser Haus, auch bei Mutti- einfach alles und überall. Wo auch immer wir dachten, wir sind unter Uns- wir wurden von dem Typen beobachtet, ausspioniert, videografiert, fotografiert."
Ellens Schock wuchs ins Unermessliche.
Beide Hände hatte sie besorgt auf ihre Wangen gelegt.
Jeder, der nun am Strand entlang ging und zu den zwei Eltern schaute, konnte deren Besorgnis- die gemeinsame Betroffenheit erkennen.
„Und der Mann. Den habt ihr geschnappt?"
„Nein, und das ist ja das Schlimme an der Sache. Deswegen habe ich auch keinem zu Hause vertraut, keinem den Schlüssel gegeben, ich wollte einfach nur los- weg in den Urlaub." Frank klang entschlossen.
„Und woher willst du das wissen, dass der Mann grade uns gestalkt haben soll? Vielleicht täuschst Du Dich ja. Unser Leben, mein Leben- das ist doch völlig normal- da ist doch nichts Interessantes für einen Stalker, oder?" Ellen war fassungslos.
„Du bist eine hübsche Frau.", sagte Frank- wohl wissend, dass wohl mehr er selbst im Fokus dieses Verrückten stehen könnte, aber so würde Frank bestimmt die Sache erstmal halbwegs neutral und vielleicht nachvollziehbar für Ellen begründen können. Aber diese Antwort war in diesem Moment die völlig falsche Antwort.
Ellen wurde bleich.
„Oh mein Gott!" sagte sie sehr lang gezogen. Ellens Augen füllten sich mit Tränen- nicht vom frischem Windzug hier am Strand. Es waren Tränen des Entsetzens und der Verzweiflung.
„Das kann nicht sein. Ich hätte so was doch bestimmt mitbekommen! Oder meinst du nicht?"
„Kann man schwer sagen. Der Typ war bislang sehr clever, soweit ich weiß."
„Das gibt's nicht!" Ellen war immer noch bleich- dann wischte sie sich die Tränen weg, rief zu den Kindern: „Heee, nicht so nahe ans Wasser- Christoph pass mal bitte auf, Jaa?", dann wieder zu mir: „Das gibt's nicht. Was ist das für ein Typ?"
„Ich habe einen Namen, aber bitte sei vollkommen offen zu mir, wenn dir der Name etwas sagt – egal was es ist- und dann vergiss den Namen am allerbesten schnell wieder, denn offiziell ist das noch nicht, OK?"
Wieder musste Frank tief die frische Brise einatmen, holte Luft.
„Sag es! Sag mir mal den Namen!" Ellen klang bestimmerisch, jedoch festentschlossen die Sache aufklären zu wollen.
„Andreas Konzius!"
Ellen legte ihren Kopf zwischen ihre Knie, sah nach unten in den Sand.
Frank merkte ihre Angespanntheit. Und es war die gleiche Art von Anspannung, die er selbst durchlebte, als er sich den Namen durch den Kopf gehen ließ.
„Sagt mir nichts. Kennen wir den? Habe ich den schon einmal gesehen?"
„Ich weiß es nicht."
„Oh Gott!" Ellen rang nach Luft. „Oh, mein Gott!"
Die Kinder kamen auf ihre Eltern zu gelaufen, die Hände voller Muscheln und voller Lächeln und Fröhlichkeit im Gesicht. Alexandra taumelte unter der Muschellast in den Händen hin und her. Wie ein kleiner Teddybär kam die kleine zweijährige Maus auf Mama und Papa zugestolpert. Christoph war da schon schneller, wartete aber auf seine kleine Schwester- ein schöner Anblick.
„Wir reden heute Abend weiter, OK?" wies mich Ellen an.
„OK!"
Immer wieder trafen sich auf der kurzen Rückfahrt die fragenden und besorgten Blicke von Ellen und Frank Hartung.
Nun war auch Ellen im Bilde- und in Sorge.
Heute Abend würde Frank ihr vielleicht den ganzen Rest offenbaren- alles sagen.
Alles? Und die Sache in Güstrow? Sollte Frank dies auch aussprechen?
Er lächelte Ellen an.
Aber Ellen hatte ihr sonst so angenehmes Lächeln im Moment verloren.
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