Kapitel 23
Dänemark
Blavant
Ferienhaus und Urlaub
Ablenkung, das war das Zauberwort, das 'Ziel des Seins' für Frank Hartung im Moment.
Durch die gewollte und von Wilfried diktierte Freizeit hatte Frank die Urlaubsvorbereitungen schnell und perfekt durchführen können. Schon Freitag Abend war das Auto beladen und betankt, die Fahrtstrecke war noch einmal angesehen, Ziele in der Umgebung des Ferienhauses recherchiert worden.
Die Fahrt war angenehm. Franks Ehefrau Ellen war als Erste gefahren, hinter Wismar tauschten sie dann bei einer Rast und Frank bewältigte die restliche Strecke. Zwei Pausen gaben auch den Kindern Zeit, sich zu bewegen und gegen Mittag waren sowohl Alexandra als auch Christoph so erschöpft, dass die Kinder im Auto einschliefen und Frank ohne Märchen oder Verkehrsfunkdurchsagen weiter fahren konnte. Das Büro der Hausvermittlung am Ort war schnell gefunden, das Haus dann auch binnen kurzer Zeit.
Jetzt war es Abend. Die Kinder spielten mal im Haus oder mal im Garten, entdeckten das neue Spielareal für sich. Das Abendessen- mitgebrachte Würstchen und der Rest der Schnittenpakete- war bereits verputzt.
Es war Zeit, sich zurück zu lehnen.
Allein hier in dieser freundlichen, friedlichen Atmosphäre kann Frank Hartung und können sie alle nun zwei Wochen relaxen.
Ellen und Frank hatten sich zwei hohe Lehnstühle auf die Veranda des Hauses geschoben und relaxten. Dabei sahen beide den spielenden und zufriedenen Kindern zu. Ellen nippte an ihrem Weinglas und Frank genoss eine große Tasse Cappuccino.
Schön so, dachte Frank. Einfach frische Luft atmen, eine Gedankenleere im Kopf, die Wärme des Abends am Körper, glückliche und entspannte Frau und spielende, fröhliche Kinder. Besser kann er sich den Einstieg in den Urlaub nicht wünschen.
„Vielleicht hätten wir den Glaves doch den Hausschlüssel geben sollen, nur falls etwas mit dem Haus ist?" Ellen Hartung klang besorgt.
„Ach, was soll schon sein. Ist schon in Ordnung so!" versuchte Frank sie zu beruhigen.
„Ich habe mir gedacht, es reicht doch, dass Familie Glaves mal gießt ab und an. Die Post nehmen sie doch auch raus."
„Naja, man ließt doch immer so viel, dass grade in der Urlaubszeit bevorzugt eingebrochen wird, und so."
Frank hoffte Ellens Besorgnis zu zerstreuen, darum wollte er weiter beruhigend argumentieren. „Alles nur Sommerloch- Presse. Die wissen halt nicht, was sie schreiben sollen."
„Vielleicht hätten wir wenigstens die Rollo's oben lassen sollen?"
„Ach was. Wer es sieht, denkt sich sicherlich nur, dass wir die Kühle im Haus halten wollen."
„Naja. Vielleicht hast Du ja recht." Ellen entspannte sich in ihrem Lehnstuhl und rekelte sich zufrieden. Dann drehte sie ihren Kopf weg, um die Kinder ins Blickfeld zu bekommen.
„Es scheint ihnen hier zu gefallen- alles neu und viel Platz zum Entdecken." sagte Frank.
„Ja, mir gefällt es auch. Haben uns ein schönes Häuschen ausgesucht.", merkt Ellen zufrieden an.
„Find ich auch."
„Morgen nach Billund?"
„Aber ja." Sagt Frank, „Das wird bestimmt gleich ein Highlight. Und Montag früh kaufen wir erstmal richtig ein hier, damit die Leere aus dem Kühlschrank kommt."
Ellen war es zufrieden, dennoch sagte sie, „Ich denke, wir hätten vielleicht eine Nachricht hinterlassen sollen, wo wir hin sind."
„Ach wozu. Lass uns hier einfach mal abschalten."
Frank rekelte sich auch in seinem Lehnstuhl und lächelte Ellen entspannt an.
Seine Gedanken kreisten auch um ihr gemeinsames Haus in Stralsund.
Was Ellen nicht wusste, Frank hatte ganz bewusst die Rollos blickdicht zugemacht.
Und er war es auch, der ganz bewusst dem Günther und seiner Frau nur den Schlüssel zum Briefkasten gegeben hatte.
Auch ganz bewusst hatte Frank Hartung die Telefone zu Hause gelassen und alles, was gegebenenfalls eine Spur hinterlassen könnte, wo die Familie Hartung gerade im Urlaub ist.
Nicht, um Familie Hartung komplett von der Zivilisation oder Bekannten fern zu halten.
Nicht, weil er Günther nicht vertraute.
Nicht, weil Frank Hartung Sorge hatte, angerufen zu werden.
Frank hatte schlichtweg Angst.
Angst ausgespäht zu werden.
Dieser Konzius, dessen seltsam anmutendes Zimmer mit den Fotos von ihm und Franks kleiner Familie gespickt war und der entweder sein oder Ellens Leben ausgespäht und gestalkt hatte, lief noch irgendwo herum.
Und Frank hoffte, das er irgendwo in Deutschland herumläuft.
Wenn er uns sucht- und Frank Hartung ging davon aus- würde er nur geschlossene Rollläden am Haus vorfinden. Frank hoffte einfach keine Spuren für diesen Andreas Konzius hinterlassen zu haben.
Soll dieser unbekannte Verrückte ruhig ins Leere laufen. Verrückt muss man wohl sein, wenn man sich so etwas aufbaut, wie dieser Typ. Wer ist schon so krank im Kopf, sich alten Kram von unbekannten Personen- egal ob es Ellen oder ihn betraf- zu horten, zu sammeln und zielgerichtet im Dunkeln alles Erdenkliche zu der Person und dessen Umfeld zusammen zu tragen. Wozu macht man denn so etwas nur?
Frank Hartung hatte Sorge um Ellen und auch um die Kinder.
Sagen konnte und wollte Frank ja nichts von dieser Geschichte, welche sich am Mittwoch ereignet hatte- von all dem was er dort wahrgenommen hatte und auch nicht von der toten Frau. Es würde Ellens Nervenkostüm womöglich in Gänze zerrütten. Oder sollte Frank die Sache anschneiden? Und was sollte er ihr dann erzählen, und wie viel?
Frank Hartung kann diese Sache doch nicht einfach nur so mit sich herumschleppen. Vielleicht war Ellen ja die Zielperson von diesem Konzius?
Ellen hatte immer Verständnis, wenn Frank auf Arbeit stark belastende Situationen erlebt hatte. Beide waren schon so lange zusammen, dass Frank denkt, Ellen ist die einzigste Person, die ihn versteht- mehr als Jeder andere. Aber auch Ellen Hartung hatte Grenzen der Belastbarkeit. Ganz offen ist dies vor gut 6 Jahren aufgetreten, noch vor der Hochzeit. Da hatte sie einen sehr bösen Burn-Out erlitten, war auf Arbeit einfach zusammengebrochen, musste zur Beobachtung mit Verdacht auf Schlaganfall ins Klinikum. Danach war sie 7 Monate krankgeschrieben, suchte Halt bei einem Psychiater. Der Psycho- Doktor hat ihr geholfen, wieder auf die Beine zu kommen, sich dem Leben wieder zu stellen, sich der Arbeit in der Stadtverwaltung wieder zu stellen. Das war eine sehr schwere Zeit für sie Beide. Natürlich gab es dann doch noch einmal einen kleinen Rückfall- Burn- Out, aber dieser Rückfall war nicht mehr so heftig. Das war kurz vor der Hochzeit. Frank und Ellen waren kurz davor, alles abzublasen. Dann hatte sich Ellen zu Hause doch ein Herz gefasst und für sich entschlossen, dass es richtig sei, zu heiraten und nichts zu verschieben. Sie kennen sich ja nun auch schon so lange. Frank war sehr stolz auf seine Frau und auf seine Kinder.
Diesen Stolz zeigte Frank hier in seinem Lehnstuhl nun durch ein breites und sehr zufriedenes Lächeln.
Vielleicht bietet sich hier in dieser Ruhe und Abgeschiedenheit einmal ein Moment, um Ellen doch mit diesem Geschehen von Mittwoch und all den Schlechtigkeiten dieser Welt zu konfrontieren.
Aber dieser Moment sollte gut gewählt werden.
Aber jetzt nicht nur daran denken, was dort in Deutschland war.
Jetzt erstmal entspannen und alles wegschieben.
Jetzt war erstmal Urlaub.
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