Kapitel 13
Stralsund
Ein Mittwochmorgen -1-
Mittwoch, am 25. Juni, 06:35 Uhr.
Das schöne am Sommer ist, dass es hell, warm und zugleich freundlich in den Tag gehen kann. Auch der Pendler- und Berufsverkehr hielt sich heute in Grenzen und bis auf einige Ampelstop kam Frank Hartung schnell und gut gelaunt auf seine Dienststelle. Sogar ein guter Parkplatz war schnell gefunden. Frank nahm noch das letzte Lied aus dem Radio im Kopf mit auf die paar Meter zu Fuß.
Zumeist brennt sich so ein Morgensong gleich für den ganzen Tag ein. Wenn es heute auch wieder so war, hatte Frank Hartung Glück, denn es war wirklich einmal ein guter Song, der von Sonne und guter Laune gespickt war.
Schnell eingestempelt, hoch in das erste Obergeschoss über die Treppe, Büro aufschließen, Tasche hinstellen und Fenster auf. Frank wollte so viel als möglich von der frischen Morgenkühle noch in den Raum gelangen lassen. Irgendwann am Vormittag wurde es dann wieder unerträglich warm und stickig. Die Morgenluft tat den Lungen gut. Er nahm einen tiefen und befreienden Atemzug.
So nun kurz hingesetzt, den Computer hochfahren. Nebenbei hörte Frank Hartung schon das fröhliche Klappern eines Teelöffels in einer leeren Kaffeetasse auf dem Flur. Untrügerische Anzeichen dafür, nicht allein um diese Zeit im Haus zu sein. Schritte von Hacken- oder Absatzschuhen krochen über das andere Ende des Flures. Irgendwo vernahm Frank ein „Moin, Moin" einer tiefen männlichen Stimme- ohne Resonanz auf die Begrüßungsanrede.
Frank Hartung drehte mich zu seiner Aktentasche um. Zielgerichtet angelte er seine Brotdose aus ihr hervor. Der Computer spielte die typische und bekannte Begrüßungsmelodie. Schnell die Tasse geschnappt und rüber in die Geschäftsstelle, um dort am kleinen Tisch noch einen guten Platz zu ergattern.
„Morgen" sagte Frank beim Eintreten dort- ohne sofort zu wissen, wer hinter der Tür alles schon saß.
„Morgen!" Die Geschäftszimmer- Angestellte Karin hatte schon ein Lächeln für die wenigen Ankömmlinge, die noch nicht im Genuss eines Urlaubes sind.
„Moin, Moin" kam es müde klingend vom Tisch. Neben Paul, der sich diesen Morgengruß entriss, saß auch schon sein Chef Wilfried am Tisch.
Frank Hartung schüttelte Hände, erst Karin, dann Paul und mit dem Wort „Chefchen?" auch Wilfried.
Sein Chef „Willi" war in Gedanken schon bei er allmorgendlichen Frühbesprechung. Diese Besprechung war zwar erst um 08:00 Uhr, aber dieses täglich neue und –wie er es empfand „überflüssige, antiquierte Refugium" schien ihm jeden Tag zu verderben. So war er über die Papier- Tageslage vom Vortag vertieft, drehte den Textmarker in der Hand.
„Und, gab's was?"
„Naja, nur Schnulli- Kram. Nichts für uns. Unfälle und solches Zeug."
„Viel Lesestoff?"
„Es geht so."
Dabei wollte es Frank Hartung an Nachfragen auch bewenden lassen. Da er nicht zu den Lagebesprechungen musste, reichte es ihm vollkommen aus, diese spärlichen Informationen abgeschöpft zu haben.
„Oh Mann." Sagte Paul. „Gestern war es wieder mal extrem voll beim Einkaufen. Und wenn du dann auf die Kennzeichen siehst? Berliner, Chemnitz, Potsdam. Haben die denn alle kein Zuhause?"
„Die haben Urlaub!" sagte Karin und nippte vorsichtig an ihrem heißen Teeglas.
„Ja." sage Frank Hartung, „Manch einer hat den Urlaub auch schwer verdient und sicherlich bitter nötig." Mit dieser in den Raum geworfenen Bemerkung spielte er zielgerichtet seine Trumpfkarte aus, denn ab nächster Woche würde auch er in den Reihen der Urlauberströme mitschwimmen. Seine Frau Ellen hatte schon Urlaub genommen- wegen dem Ferienbeginn. Und nun war es an ihm selbst, sich auch ab nächsten Montag abzumelden. Drei lange Wochen würde er dann nicht hierher kommen.
„Ja, Du hast es gut." sagt Karin.
„Lasst uns ruhig hier alleine." grummelte Wilfried. „Wir hängen unten ein Schild aus und dann ist hier Schicht im Schacht. 'Keine Anzeigenannahme. Bis dann, Anfang September. Ihre Polizei'."
„Ach komm schon," -na wenigstens war Karin auf der Seite von Frank Hartung- „der Jungsche hat sich's doch verdient, oder was. Sonst packst du ihm auch immer die unmöglichsten Sachen ohne zu Fragen in's Fach. Soll er sich jetzt ruhig mal von dir erholen." Mit dem letzten Satz zwinkert sie Frank wohlwollend zu.
„Hmm."
„Ach Chef, ich wollte heute vielleicht eher gehen. So ab 13:00 Uhr. Rasen mähen und so."
„Hmm."
„Habe ich da ein zustimmendes Wohlwollen im Klange deiner freundlichen Stimme gehört?"
„Jaja. Bummel ruhig noch etwas ab. Das sieht dann besser aus auf dem Monatsjournal. Sonst liegen die mir wieder im Ohr- von wegen Stunden scheffeln und so."
„Danke schön!" Frank war es zufrieden.
„Hmm."
Auf dem Flur nimmt die Betriebsamkeit zu. Türen fallen ins Schloss. Vernehmlich klingt die Stimme eines Kollegen: „Und Siggi? Startklar?"
Der junge Kollege dort auf dem Flur mit der elanreichen, freundlichen und fordernden Stimme ist ohne Zweifel Jan Holscher. Jan ist der leitende Sachbearbeiter in der „Zwei". Jan Holscher ist trotz seines jungen Alters, ich denke er ist so vierzig Jahre- Hauptkommissar. Dort in der „Zwei" landet alles auf den Tisch, was groberer Deliktnatur ist. Und bei Jan landet wirklich viel, was kein normalsterblicher Mensch jemals im Leben sehen möchte.
„Und Karsten? Startklar?"
„Jo."
„Siggi?"
„Ja, nur noch die Formular- Tasche."
„Starklar? Startklar? Alles klar? Und los."
Schritte auf dem Flur verraten, dass nun auch Siggi startklar war und der freundlichen, elanvollen Stimme seines Leiters folgte. Man hörte noch, wie eine Bürotür abgeschlossen wurde.
„Was haben die denn?" fragt Paul in die Runde.
„Durchsuchung." -sagt Wilfried kurz angebunden und in die Lageausdrucke vertieft. „Irgend eine Durchsuchung."
„Ach so."
Ja, denkt Frank Hartung so bei sich. Eine ganz alltägliche Durchsuchung also. Start kurz vor 07:00 Uhr und bis zum Mittagessen wieder ran. So soll es sein.
Der Kaffee tut seinem Hals gut.
Ein wunderschöner Morgen.
Wie schön.
Ein kurzer Arbeitstag, keine geplanten Vernehmungen, nur ein wenig Auswertungen, den Urlaub greifbar nahe und vielleicht zu Hause ein Mittagschläfchen in der sturmfreien Bude. Das wird gewiss ein schöner Tag.
Vielleicht mähe ich ja tatsächlich noch Rasen heute.
Mal sehen.
Jedenfalls fängt dieser Mittwoch doch sehr gut an.
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