Kapitel 11
Rostock
Donnerstag Abend
Der normale familiäre Wahnsinn- so kann man es am Besten beschreiben. Spielende und streitende Kinder- pendelnd zwischen Kinderzimmer, Stube und Küche, Frank Hartungs Schwägerin Silke als regulierende Schiedsrichterin zwischen den Kindermeinungen und dem Wunsch, der Familie und dem Gast ein Abendbrot zuzubereiten und sein von der Arbeit ausgelaugt wirkender Bruder.
Die Kinder Svenja und Sören hatten ihn, ihren Onkel Frank, sehr freudig begrüßt. Natürlich musste Frank auch dieses Mal wieder Possen des Polizistenleben vor ihnen in schillernden Beschreibungen abgeben- böse Räuber, die gefangen worden waren und jetzt für immer hinter Gittern sitzen. Solche Schilderungen waren nötig, wenn Frank Hartung sie auch aus der Trickkiste der Fantasie heraus zaubern musste. Er würde wohl nicht als großer Polizist vor den Kindern bestehen, würde er nur von bösen Geschäftsführern erzählen, die Beiträge zur Sozialversicherung in gemeinster Weise unterschlagen und veruntreuen, darum hatte Frank immer mal etwas zu erzählen, was er bei anderen Kollegen auf Arbeit aufgeschnappt hatte. Nur mit der Zusage, nachher noch mit den Beiden zu spielen, wurde Frank Hartung nun seinem Bruder Jens überlassen.
Jens hatte für diese Woche wieder eine Arbeit über die Zeitarbeitsfirma vermittelt bekommen. Schon heute am Donnerstag wusste er jedoch, dass sich auch dieses Mal daraus kein längeres Arbeitsverhältnis anbahnen würde.
„Die haben schon gesagt, dass es bei dieser Woche bleibt. Ich hätte da gerne länger gearbeitet, aber man hat schon gemerkt, dass wir nur ein Krankheiten- Loch stopfen sollen. Schade."
„Und was machst du da so?"
„Na, Paletten packen. Du machst hier Folien ab von den Anlieferungen, verteilst alles auf die Märkte, wo es hinkommen soll und machst neue Folien wieder herum. Dann kommen die LKW und werden beladen, das machen aber dann die Leute von der Firma selbst." Jens streckte sich auf dem Sofa lang aus und schob eine Stoffdecke unter seinen Kopf.
„Und sonst?" fragte Frank.
„Ja hier ist alles beim alten- siehst du ja. Ein paar neue Filme hab ich, wenn es dich interessiert. Was gibt es in Stralsund so neues?" Jens wirkte müde, er gähnte.
„Alles ganz wie immer. Ellen hat vielleicht einen neuen Posten in Aussicht- mal sehen, was daraus wird. Wenn sich ein Externer bewirbt, hat sie wohl schlechte Karten. Den Kindern geht es gut. Na und ich bin grade in Güstrow auf Lehrgang."
„Ach so. Was macht das Haus?"
„Es will abbezahlt werden."
Jens fragte jedes Mal nach dem Haus. Für Jemanden, der in Neubauwohnungen einem Miteinander der Anderen und dem Wohlwollen und einer Toleranz der Nachbarn ausgesetzt ist, musste es eine schöne Vorstellung sein, ein Haus für sich und die Familie zu haben. Kein Gezeter der Nachbarn mitbekommen- niemand, der sich über deine zufrieden spielenden und lärmenden Kinder aufregt- keiner, der sich beschwert, wenn man einmal die Flurwoche nicht erwartungsgemäß erfüllen konnte.
„Ich werde gleich einmal dort Anrufen. „ sagte Frank. „Dann könnt ihr alles live mitbekommen, wie es zu Hause ist. Ich mach auf Freisprechen. "
„Hallo Schatz!" vernahm man aus dem Telefon eine weibliche Stimme. Die Stimme von Ellen Hartung. „Was gibt es neues?"
„Ach nichts!" erzählte Frank. Dann lenkte er das Gespräch auf seinen Besuch bei seinem Bruder und dessen Familie.
Und auch am Freitag gab es aus Frank Hartungs Sicht nichts Neues zu berichten.
Weder in Güstrow- noch daheim in Stralsund.
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