Phönix-Kapitel: Zuhause, aber irgendwie doch nicht
"Habt ihr sie?" Saya blickte zu den anderen beiden. Sie nickten und der Junge enthüllte eine goldene Münze. "Lief es reibungslos?",
"Ja." Er legte die Hand auf den Kopf des Feelinara neben sich. "Es konnte sich problemlos in die Schatzkammer der Miyamotos schleichen.",
"Gut gemacht, Yuri. Und danke, Feelinara." Das Pokémon kicherte. Saya nahm vorsichtig die Münze an sich und legte sie auf ein Podest vor sich. "Diese Kämpfe müssen aufhören. Es sind zwecklose Akte der Gewalt, um etwas zu bekommen, das weniger Wert ist als das Leben...",
"Da hast du Recht, Saya." Die ältere Frau trat vor. Neben ihr stand ein Arkani. "Diese Goldmünze ist das Band, das Ho-Oh an den Boden bindet, während es in den Winden schwebt. Wenn keiner sie jemals finden kann, dann würde niemand mehr in der Lage sein können, es aus unrechten Gründen auf die Erde zurück zu rufen.",
"Wie Recht du hast, Enyu..." Saya wandte sich ihren Geschwistern zu. "Bei meinem Namen als Phönixpriesterin... und unserem Blut der Saito... müssen wir dieses Artefakt verbannen.",
"Wohin?" fragte Yuri.
"Wo niemand es auch nur zufällig finden kann..." Saya verschränkte die Finger ineinander. "Wo niemand es wagen würde, danach zu suchen."
Enyu schloss die Augen. "Ein Ort, an den niemand gelangen kann... Wie wäre es mit dem Silberberg?"
Saya lächelte. "... Ausgezeichnete Idee... Wo im Osten der Schein des Mondes hinab fällt, in silbernes Licht gehüllt die Dunkelheit umschlossen bleibt. Dieser Ort ist weit weg an den Grenzen zwischen Johto und Kanto... ein Ort so verlassen und einsam, dass keine Seele ihn je erreichte... Ein Ort so rau und umhüllt von Gefahr, dass jene, die es je versucht hatten, einen Fuß auf die Hänge dieses Berges zu setzen, niemals wiederkehrten. Ein Ort von den Göttern behütet und verteidigt.",
"Mit Verlaub." Yuri hob die Hand. "Ich will dir nicht ins Wort fallen, liebe Schwester... Aber sie einfach dort hinzubringen, wird mitnichten reichen...",
"Nein." Enyu stimmte ihm zu. "Sie muss versiegelt werden.",
"Wir spalten ihre Seele..." sagte Saya. "Einen Teil von ihr werden wir zum Silberberg bringen. Auch, wenn jemand nur einen Teil fände, ohne den anderen kann Ho-Oh nicht gerufen werden.",
"Und wo verbergen wir den anderen Teil?" wollte Yuri wissen.
"... In den Alph-Ruinen", sagte Enyu. "Ein Erinnerungsstück eines Kampfes von vor langer Zeit... Als ein verheerendes Event es dem legendären Pokémon Giratina ermöglichte, die Zerrwelt zu verlassen. Um Rache dafür zu nehmen, dass es in dieser Welt eingesperrt wurde, wütete es in der Welt, die Arceus erschuf. Die Zerstörung war immens... Giratinas Rachefeldzug vernichtete viele Pokémon, deren Überbleibsel nur noch als Fossilien aufzufinden sind... bis Dialga und Palkia einschritten und es schafften, Giratina zurück in die Zerrwelt zu schicken, aus der es kam. Dabei wurden sie schwer verwundet... Die Menschen, die zu der damaligen Zeit lebten, fanden sich in einer zerstörten Welt wieder und wanderten von Sinnoh nach Johto, wo es um einiges lebenswerter war. Bevor sie Sinnoh hinter sich ließen, errichteten sie die Sinjoh-Ruinen als Monument, das beide Regionen miteinander verband. Man sagt, die Alph-Ruinen wären ein Gegenstück zu den Sinjoh-Ruinen... Ein Denkmal, das dafür errichtet wurde, um sich daran zu erinnern. Und man sagt, dass Ho-Oh über es wache. In diesen Ruinen wurden alte Platten gefunden, deren Oberflächen Muster von den Pokémon zeigen, die einst lebten. Dort sollten wir den zweiten Teil verbergen. Sie sind weit auseinander und niemand wird sie finden..." Saya nickte. "Einverstanden." Sie positionierten sich um das Podest herum und Feelinaras Kräfte brachten die Münze zum Schweben. Ein Durengard erschien neben Saya. Das Arkani neben Enyu spie Flammen auf die Münze, bevor diese zu Glühen anfing. Durengards Klinge zertrennte sie mit einem Hieb und die zwei Teile fielen auf den Stein unter ihnen. "Nur Feuer wird sie wieder vereinen können", sagte Enyu. Sie nahm einen Teil an sich nachdem es zureichend abgekühlt war. "Ich werde zum Silberberg aufbrechen.",
"Möge Ho-Oh dich schützen, Schwester..." Saya legte sich eine Hand auf die Brust. Yuri schnappte sich den anderen Teil der Münze. "Dann gehe ich zu den Alph-Ruinen." Die beiden nickten sich zu und verschwanden. Saya seufzte und trat zum Steg, wo sie auf den Weißen See hinaus blickte. "Möge dein heiliges Feuer niemals für das Böse brennen, Regenbogenbringer..." Sie sprach ein leises Gebet, als plötzlich der Himmel über ihr erstrahlte in einem hellen Feuer und das Schlagen von Flügeln über dem stillen Wasser laut wurde. Eine Gestalt senkte sich herab und ein Wesen landete vor ihr auf dem Steg. Ein riesiger Vogel mit bunten Federn, die orange und grün schimmerten. Sie drehte sich um und verneigte sich sofort. "Ho-Oh... Was bringt dich hierher? Du wurdest nicht gerufen.",
"Nein, das wurde ich nicht. Aber ich weiß, was ihr getan habt. Der Saito-Klan hütet den Schrein schon seit Jahrhunderten, doch noch nie hat mir einer von ihnen solche Treue bewiesen wie du, Saya Saito. Du und deine Geschwister, Yuri Saito und Enyu Saito." Saya schloss die Augen. "Es ist meine Pflicht als Phönixpriesterin, Regenbogenbringer.",
"Das ist mir bewusst. Die Relikte, die in dieser Welt gelassen wurden, um den Menschen in der Not zu helfen, werden stets für böse Zwecke verlangt. Manchmal ist das Vertrauen in die Menschen unser größter Fehler. Aber bei dir scheint dies nicht der Fall zu sein. Mein Vertrauen in euch wurde nie zerbrochen. Deshalb möchte ich euch etwas geben." Eine Feder löste sich aus Ho-Ohs Gefieder und schwebte in der Luft. Saya streckte die Hände aus und fing sie in der Handfläche auf. Ihre Haare schimmerten für einen Moment in einem goldenen Licht. "Eine deiner Federn..." sagte sie. Ho-Oh nickte. "Ja. Dies ist mein Geschenk an euch für diese mutige und selbstlose Tat, mein Relikt zu schützen. Behaltet sie... auf ewig."
Der Rest des Frühstücks verlief eher schweigend. Soleil war resigniert bis zum geht nicht mehr, auch wenn sie wusste, dass die anderen natürlich wieder mal Recht hatten. Gefallen tat ihr das trotzdem nicht. Mari und Jacky nutzten den Tag für etwas Training und Nael spazierte am Strand entlang, wo er über Kuraiko stolperte. Das Mädchen trainierte mit Schlapor und wehrte Hiebe und Tritte ihres Pokémon ab. "Hraaaahhh!" Kuraiko holte zu einem Tritt aus, den Schlapor mit seinem Arm blockte. Sie sprang zurück und stoppte die Faust ihres Partners mit der Hand. Dann bemerkte sie Nael. "... zu viel Freizeit oder hast du den Strand vermisst?",
"Beides", antwortete er und ließ die Arme baumeln, als er zu ihr aufschloss. "Hmh... Und ich dachte, du hast Angst vor mir. Du traust dich wirklich so nah an mich heran?",
"Ich habe immer noch Angst. Ein bisschen. Aber ich bin eher begeistert!",
"Mhm." Sie blockte einen Schlag ihres Partners ohne hinzuschauen. "Lektion Drei: Lasse niemals deinen Rücken ungeschützt. Danke, Schlapor." Sie rief ihr Pokémon zurück.
"Ich bin nie ungeschützt!" rief Nael. Kuraiko verschränkte nur die Arme. "Jeder kann das sagen und aus dem Nichts vermöbelt werden.",
"Ich nicht. Ich bin stark! Ich trainiere schließlich nicht für nichts!",
"Ringen ist was anderes als Kampfsport.",
"Ich weiß! Trotzdem!",
"Beim Ringen ist es verboten, dem Gegenüber weh zu tun. Schlagen, Treten, Würgen... Alles, was im Kampfsport trainiert wird. Es geht beim Ringen um pure Kraft.",
"Das stimmt nicht! Das ist nicht fair! Du weißt nicht mal, was ich mache und du degradierst mich direkt!",
"Ich degra- Ugh. Tschuldigung, ich hatte nicht vor dich zu degradieren. Ich habe bloß gesagt, dass Ringen mehr Kraft als alles andere ist.",
"Was nicht wahr ist! Es geht auch um Technik! Entschuldigung, aber ich bin bei dem Thema etwas empfindlich... Ich will nicht als jemand dargestellt werden, der nur für seine Muskeln gut ist. Naja, ich... bin nur gut dafür. Trotzdem. Ich bin nicht nur Muskelmasse und wenig Hirn!",
"Das hab ich... Ugh. Wie auch immer... Das habe ich nie behauptet und es tut mir Leid, wenn es so rüber kam. Entschuldige diesen nicht beabsichtigten Angriff.",
"Hey, Kuraiko, es tut mir Leid! Vielleicht hab ich's auch einfach nur missverstanden... Sorry.",
"Hm. Vielleicht können wir etwas vom jeweils anderen lernen. Ich kann dir was von meinem Kampfstil beibringen und zu zeigst mir ein bisschen was von deinem, wie klingt das?",
"Gute Idee! Lass uns das machen!",
"Soll ich anfangen?",
"Jup! Leg los!",
"Okay. Also, am besten fangen wir damit an, wo du hinzielen solltest, wenn du angreifst. Ich empfehle immer, zu versuchen, die Augen oder den Bauch zu treffen... oder die Ohren. Ersteres erschließt sich, glaube ich, von selbst. Zweiteres ist einfach zu erklären: Zwischen Bauch und Rippen hast du das Zwerchfell, was dir beim Atmen hilft. Wenn du es erwischst, verkrampft es sich und dein Gegner wird Schwierigkeiten beim Atmen und extrem viel Schmerzen haben. Selbst die größten Muskelprotze können damit extrem gepeinigt werden, weil du über der Stelle keine Muskeln entwickeln kannst. Auch solltest du probieren, möglichst nicht mit der Faust auf deinen Gegner einzuprügeln, sondern eher deine Ellenbogen oder Knie benutzen. Hand, Finger und Knöchel können sehr schnell brechen, wenn du auf eine harte Oberfläche einhämmerst.",
"Das ist mir einmal passiert. War nicht schön.",
"Kann ich mir vorstellen. Tritt dem Gegner gegen die Knie mit genügend Kraft und du brichst sie ihm. Ellbogenstöße auf gegen den Nacken, Kiefer oder Hinterkopf sind auch sehr hilfreich. Im Nahkampf ist es essenziell, schnell und präzise zu sein. Wenn du das nicht bist, kannst du ganz einfach geblockt und, was noch blöder wäre, ausgeknockt werden. Du musst immer auf die Schwachpunkte deines Gegners zielen. Finten sind auch hilfreich. Wenn du blindlings auf jemanden zu rennst, machst du's ihm viel zu einfach und ein vernichtender Konter ist die Konsequenz.",
"Okay. Versuchen wir's!",
"Alles klar. Versuche, meinen Bauch zu erwischen." Nael nickte und versuchte einen Angriff von vorn. Sie blockte seine Faust und warf ihn über ihre Hüfte wie eine Stoffpuppe. "Was habe ich eben gesagt?",
"Nicht blindlings los rennen...",
"Glückwunsch, du hast ja doch zugehört. Du musst die Bewegungen des Gegners beobachten, um Öffnungen in ihrer Defensive zu finden. Wenn du das getan hast, ziele und greif an. Nochmal."
Nael rappelte sich grinsend auf und versuchte, Kuraiko in den Nahkampf zu zwingen. Er suchte nach potenziellen Schwachstellen in ihrer Defensive und versuchte, ihre Knie sanft zu erwischen. Sie blockte ihn mühelos ab. Er machte weiter, bis er es schaffte, ihre Hüfte zu treffen.
"Gut." Sie nickte. "Du hast die Fähigkeit, schnell zu lernen.",
"Hehe. Danke! Und du bist eine gute Lehrerin! Du brennst dafür! Das ist cool.",
"Hm. Danke. Okay, dann bist du dran.",
"Okay, aber ich schaue mir erst die Wellen an." Er setzte sich in den Sand. "Es ist gerade schön.",
"Okay..." Sie klopfte sich Sand von den Klamotten und ihre Stiefel knirschten im Sand.
"Setz dich doch! Das ist angenehmer!",
"Ich mag keinen Sand auf meinen Klamotten.",
"Komm schon...",
"..." Sie seufzte, gab nach und setzte sich. "Okay, Ring-Meister.",
"Hehe!" Er grinste breit.
"Was ist an den Wellen so interessant? Beruhigen sie dich?",
"Sie erinnern mich an etwas.",
"An was denn?",
"Egal wie stark man wird, kein Mensch auf dieser Welt wäre in der Lage, die Natur zu besiegen. Sie beschützt uns, solange wir sie beschützen.",
"Das... stimmt. Irgendwie.",
"Nicht wahr? Das tröstet mich irgendwie. Ich kann so stark werden, wie ich möchte, die Naturgeister würden mich trotzdem platt machen. Darum werde ich aus einem Grund stärker.",
"Ihr Alolaner habt eine total andere Denkart. Das ist interessant.",
"Ihr Ausländer habt eine andere Sicht auf die Natur. Einall ist voll mit größen Gebäuden und so was und ich bin mitten in der Natur aufgewachsen.",
"Einall ist nicht nur Hochhäuser und Großstädte. Die Städte sind von Wäldern umgeben. Ich möchte irgendwann Natur- und Pokémon-Schützerin werden. Irgendwann... Wenn ich mit meinem Studium an der Kampf-Akademie fertig bin.",
"Die Kampf-Akademie?",
"So was wie eine zusätzliche Trainer-Schule. Eine Art Hochschule für Trainer. Nur auf Kampfstile, Taktiken und so was spezialisiert.",
"Cool!",
"Ja. Einall hat ein großes Naturschutzgebiet in seinem Zentrum... Niemand, der nicht autorisiert ist, darf es betreten.",
"Klingt cool! Ich will helfen.",
"Huh? Wieso?",
"Weil es wie etwas Gutes klingt! Also warum nicht?",
"... Hm... Verstehe... Du bist vielleicht nicht der größte Denker, aber du hast das Herz am rechten Fleck.",
"Heh... Danke."
Kuraiko legte das Kinn auf ihre Knie.
"Beruhigen die Wellen dich?",
"Nein. Sie machen mich nachdenklich.",
"Worüber denkst du denn nach?",
"Zuhause. Ich denke an Orion City...",
"Warum?",
"Es ist friedlich dort. Wie hier.",
"Also... siehst du Alola als eine Art zuhause?",
"Ja. Es ist ein neuer Ort, aber gleichzeitig sind die Leute hier allesamt so freundlich, dass man sich willkommen fühlt.",
"Ihr seid definitiv willkommen! Die meisten Alolaner sind so. Ich bin in der Hinsicht nicht speziell.",
"Alolaner sind lustig. Mari hat mir erzählt, dass Kukui sie dafür gescholten hat, dass sie ihn gesiezt haben.",
"Klingt total nach Kukui. Wir sind wirklich offen. Alola ist mein zuhause... Ich würde es nicht tauschen wollen." Nael ließ sich in den Sand fallen.
"Alola war mal eine Kolonie von Einall... bis einer der Präsidenten der Unabhängigkeitserklärung zugestimmt hat. Einall und Alola waren einander schon immer freundlich gesinnt... vielleicht fühlt es sich deswegen nicht so fremd an, hier zu sein.",
"Glaube ich dir. Du bist cool. Unter der eisernen Rüstung ist das Herz einer guten Seele.",
"... Danke? Ich beabsichtige aber, die Rüstung größtenteils an zu lassen.",
"Hehe... dachte ich mir. Okay, bereit? Jetzt bin ich mal der Lehrer.",
"Tu dir keinen Zwang an." Kuraiko nickte ihm zu und die beiden kehrten zum Training zurück.
Laslow stand in seinem Zimmer am Fenster und sah nach draußen, als die Sonne unterging. In seiner Hand lag eine Kette, an der eine bunte Feder in allen Farben schimmerte, als das schwindende Licht der Abenddämmerung auf sie fiel...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro