Damals war das anders...
Er lief die Straße seiner Stadt entlang, dabei sah alles aus wie immer. Die Bäume, die schicken Reihenhäuser mit den passenden Autos in der Einfahrt. Auch er sah aus wie immer. Er trug eine zerschlissene Jeans, die an unzähligen Stellen bereits geflickt war, dazu ein grünes Hemd, welches um den Bauch herum spannte. Sein Gesicht zeugte von seinem langen Leben, all die Falten, die weißen Bartstoppeln, vereinzelte Narben und die strahlend blauen Augen, die vor Weisheit strotzten. Er war alt geworden, das machte sich an seinem Körper bemerkbar. Das Knacken in der Hüfte bei jeder Bewegung, das Ziehen im Rücken beim Aufstehen und der Schmerz in der rechten Hand bei allem was er griff. Alles Zeugnisse der jahrelangen Arbeit als Handwerker und dennoch genoss er das Leben.
Als er so die Straße entlang lief, bemerkte er drei junge Männer, die er auf etwa 20 Jahre schätzte. Sie trugen den Hosenbund beinahe in der Kniekehle, dazu ein weites T-Shirt, welches so lang war, das es auch als Kleid durchgehen könnte und auf dem Kopf trugen sie entweder eine Kappe verkehrt herum oder sie hatten die Haare zu einem einzigen Kamm hochgestellt. Wie ein Hahn sieht das aus, dachte der Mann und schmunzelte bei diesen Gedanken. So imponiert man also heute den Mädchen, wunderte er sich als zwei Mädchen, im selben Alter, sich zu den Jungen gesellten. Die Mädchen trugen ganz enge Hosen, in welche sie sich wahrscheinlich reinzwängen mussten und dazu ein Oberteil, wenn man das kleine Stück Stoff, welches nur die Brust bedeckte, so nennen konnte.
Damals war das anders, überlegte der alte Mann weiter und erinnerte sich zurück.
Zurück in eine Zeit, in welcher als junger Mann auch er für ein Mädchen geschwärmt hatte, welches später seine Frau wurde. Sie war sehr schüchtern und auch er hatte sich erst nicht getraut.Wochenlang hatte er sie in der Musikschule beobachtet, wo sie Klavierunterricht nahm und er nach ihr auf seiner Trompete probte. Während sie am Klavier saß und ganz vertieft in die Melodie war, sodass es schien als ob sie in ihrer eigenen Welt versank, konnte er den Blick nicht abwenden. So hypnotisiert war er von ihrem Können am Klavier, dem langen blonden Haar, welches in Wellen ihren Rücken hinunterfloss, und ihrer zarten, blassen Haut. Doch obwohl er oft die Möglichkeit hatte, konnte er sich nicht überwinden.
Dann eines Tages, beim Tanzabend, nahm er all seinen Mut zusammen und ging nervös auf sie zu. Sie saß dort in in einem himmelblauen Kleid, welches das Dekolleté und ihre Oberschenkel perfekt bedeckte. Sie lächelte ihn schüchtern an, als er endlich vor ihr stand. Einmal noch atmete er tief ein und aus, danach sagte er etwas verlegen: „Darf ich das Fräulein um diesen Tanz bitten?" Leicht errötet hatte sie zugesagt und so hatten sie gemeinsam einen Rumba und einen Foxtrott getanzt. Während des Tanzens hatte er sich so frei und glücklich wie noch nie zuvor in seinem Leben gefühlt, sodass er schon damals wusste, dass er nur sie heiraten wollte. Damals war das eben so: Man gewann die Mädchen, indem man Respekt, gutes Benehmen und einen tollen Tanz zeigte.
Plötzlich wurde er aus seinen Erinnerungen zurück in das Jetzt gerissen, jenes Jetzt in welchem seine Frau bereits seit 10 Jahren nicht mehr auf Erden war. Die jungen Menschen standen vor ihm und einer, welcher wohl der Anführer war, sagte: „Was glotzt du denn so, alter Sack?" Verärgert über dieses unhöfliche Verhalten, erwiderte er: „Sprich nicht so ungestüm du reudiger Hund!" Verblüfft über die Aussage drehte sich der Junge zu seinen Freunden um und wiederholte „Reudig! Habt ihr schon einmal so ein geiles Wort gehört?" Die anderen schüttelten den Kopf. So sagte der Anführer: „Dann wird das unser neues Wort!" Woraufhin es im Chor echote „REUDIG!" Der Junge drehte sich zum alten Mann und sagte: „Du bist echt nice, Respekt." Woraufhin sie von dannen zogen und der alte Mann seinen Weg lächelnd fortsetzte. Vielleicht ist die Jugend doch nicht so anders, dachte der alte Mann und drehte sich ein letztes Mal zu den Jungendlichen um, welche bereits fast am Ende der Straße verschwanden, doch bevor das passierte, sah der alte Mann noch, wie einer der Jungen eine Rose aus einem Garten abriss und sie einem der Mädchen schenkte.
Das wars. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht die Geschichte zu schreiben und auch die bereits vorhandenen Geschichten zu lesen :-) Ich hoffe, dass noch viele weitere Geschichten dazu kommen
Ich nominiere EmmaEstelle eine Geschichte mit dem Wort „Fußgängerüberweg" der Stufe 1 zu schreiben. Die Regeln befinden sich in Kapitel 1.
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