Das Klackern der Tasten und das ständige Klingeln der Telefone machten mich beinahe wahnsinnig. In dem Moment, wo Harry und ich die Polizeistation betreten hatten und unsere Namen an der Anmeldung genannt hatten, war auf der Polizeistation komplettes Chaos ausgebrochen. Ich war eine vermisste Person und nach Wochen wieder aufgetaucht. Anscheinend ist das in der Polizeistation das Signal um einfach alles stehen und liegen zu lassen und wild in der Gegend herum zu telefonieren und die Tastatur seines Computers zu bearbeiten.
Immerhin hatte man uns gesagt, dass sich zwei Kommissare schnellst möglich unserem Anliegen annehmen würden.
Harry und ich saßen auf zwei unglaublich unbequemen Metallstühlen auf einem Gang und warteten noch schon seit 10 Minuten, dass jemand mit uns sprechen würde. Harry hatte seinen Arm um meine Schulter gelegt und ich spürte, wie mich die Müdigkeit unserer langen Reise langsam einholte.
„Miss Collins", sprach uns eine junge Polizistin mit starkem niederländischem Akzent an.
Ich sah auf.
„Ihre Eltern wurden benachrichtigt. Sie sind auf dem Weg hierher", sagte die Polizistin.
„Dankeschön", sagte ich mit einem aufrichtigen Lächeln.
Der Gedanke meine Eltern bald zu sehen, nahm mir eine unendliche Last von den Schultern. Endlich. Endlich würde ich sie wieder sehen. Seltsam, dass sich sechs Wochen wie eine Ewigkeit anfühlen konnten.
„Mr. Styles, wir habe Ihre Mutter ebenfalls benachrichtigt. Sie nimmt den nächsten Flieger zu Ihnen."
„Kommt meine Schwester auch?"
Die Polizistin nickte.
„Ich glaube schon."
Die Polizistin ging wieder und wir waren allein mit unseren Gedanken. Harry lächelte erleichtert und nahm seine Hand und drückte sie.
„Und du hast noch gesagt, es sei unmöglich, von dort zu verschwinden", grinste ich triumphierend.
Harry verdrehte lachend die Augen und zog mich dichter an sich heran.
„Daran wirst du mich jetzt ewig erinnern, oder?"
Ich kicherte.
„Zumindest eine Weile", antwortete ich schelmisch.
„Das nächste Mal fährst du alleine nach Hause."
„Du würdest mich zu sehr vermissen", grinste ich frech.
„Bist du dir da ganz sicher?"
„Du bist mir bis hierher gefolgt, obwohl du mich erst seit ein paar Wochen kennst. Ich denke, dass ist ein ziemlich starkes Zeichen."
„Du hast Glück, dass ich dich mag", murmelte Harry und vergrub sein Gesicht in meinem Haar.
„Schon klar, Styles."
Harrys Nähe und Wärme sorgten dafür, dass ich nach nur ein paar Minuten mit dem Kopf auf seiner Schulter eindöste. Und was soll ich sagen, auch wenn diese Position ungünstig war, am liebsten wäre ich niemals mehr aufgestanden.
Und obwohl ich bestimmt zehn Minuten an Harry gekuschelt döste, kam es mir wie ein paar Sekunden vor, als ich plötzlich eine vertraute Stimme hörte.
„Avery?"
Ich öffnete die Augen und blickte in die Richtung aus der die Stimme gekommen war. Meine Mutter stand nur ein paar Meter von mir und Harry entfernt. Hinter ihr konnte ich Dad erkennen. Sofort war ich hellwach und sprang auf die Beine. Meine Eltern kamen mir entgegen und dann umarmte mich Mom so fest, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Zwar waren die blauen Flecken an meinem Körper schon gut verheilt, aber sie taten an einigen Stellen immer noch ziemlich weh. Ich ignorierte es. Ich war so unendlich froh meine Eltern wieder zu sehen, dass ich beinahe weinte.
„Oh mein Gott, Baby. Wo warst du denn? Wir haben uns solche Sorgen gemacht", sagte meine Mutter und klang dabei unendlich erleichtert und gleichzeitig so, als müsste sie jeden Moment weinen.
„Mom, das ist..."
„Geht's dir gut? Bist du verletzt? Was ist passiert?"
„Ich bin okay", fing ich an, obwohl das nicht ganz stimmte.
Ich befreite mich sanft aus ihrer Umarmung, lächelte sie sanft an und wandte mich Dad zu, der mich wortlos umarmte.
„Hey Dad", murmelte ich, während ich meine Arme um seinen Oberkörper schlang.
„Hey Kletteräffchen, du hast uns gefehlt", murmelte er ebenfalls und ich lächelte, über den vertrauten Spitznamen.
Das hatte mir gefehlt.
„Ich hab euch auch vermisst. Sehr sogar", antwortete ich Dad.
Langsam löste ich mich wieder von ihm. Ich sah, seine Augen verdächtig feucht werden. Mein Dad weinte nie.
„Avery, was ist denn nur passiert? Wo bist du gewesen?", fragte mich meine Mom mich, während sie meine Hand nahm und mich eindringlich ansah.
„Ich war in Dänemark", antwortete ich dann ehrlich.
„In Dänemark? Was wolltest du denn da?"
„Ich wurde in eine Erziehungsanstalt gebracht. Von...Tante Lucy", den letzten Teil brachte ich nur zögernd über die Lippen.
Meine Eltern warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Offenbar verstanden sie, dass ich bereits etwas bemerkt hatte.
„Und wieso hast denen nicht erklärt, dass das alles ein Missverständnis ist und du nach Hause willst? Warum hast du uns nicht einfach angerufen?", fragte meine Mutter nun vollkommen verwirrt.
„Mom, die Möglichkeit hatten wir dort nicht. Deshalb bin ich auch hier bei der Polizei aufgetaucht. Wir sind von dort geflüchtet."
„Wer ist wir? Und warum? Ich verstehe nicht."
„Dieses Camp, in das man mich gebracht hat, soll straftätige und schwer erziehbare Jugendliche eigentlich wieder auf die richtige Bahn bringen. Aber dort passiert eigentlich was ganz anderes. Die Erzieher dort misshandeln die Kinder und Jugendlichen und kümmern sich einen Dreck darum, wie es uns geht. Sie machen jedem einzelnen Angst, zwingen anderen Kids zu schwerer körperlicher Arbeit und erpressen Sie sogar damit ihre Strafen zu verlängern", erklärte ich ernsthaft.
Meine Eltern starrten mich an. An ihren Gesichtern konnte ich ablesen, dass sie versuchten zu begreifen, was ich ihnen eben erklärt hatte.
Meine Mutter öffnete ein paar Mal den Mund und schloss ihn wieder, als suchte sie nach den richtigen Worten. Dann stellte sie doch eine richtige Frage.
„Wie bist du dann hierher zurückgekommen?"
„Wir sind geflohen", antwortete ich.
„Wir?"
Ich drehte mich zu Harry um, der etwas verloren mit seinen Händen in den Hosentaschen hinter uns stand und die Szene bisher nur stumm beobachtet hatte.
„Mom, Dad, das ist Harry. Er und ein paar andere haben mir dabei geholfen zu fliehen."
Meine Eltern sahen etwas verunsichert zu Harry. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Harry hingegen streckte ihnen höflich seine Hand entgegen und lächelte so locker es ihm in dieser bizarren Situation möglich war.
„Harry Styles. Freut mich Sie kennen zu lernen, auch wenn ich wünschte die Umstände angenehmer wären."
Meine Mutter brauchte eine Sekunde, ehe sie Harrys Hand ergriff und sie schüttelte.
„Diane Collins. Das ist mein Mann Mark", stellte sie sich und Dad freundlich vor.
Mein Vater nickte ihm lediglich zu. Harry blickte zu mir und ich grinste ihn nur mit einem Schulterzucken an.
„Miss Collins, Mr. Styles. Die Kommissare wären jetzt bereit für Ihre Befragung", erklärte die Polizistin, die plötzlich hinter uns auftauchte.
„Können Sie noch warten?", fragte meine Mutter.
„Leider nicht. Aber keine Sorge, wir werden immer wieder Pausen machen und Sie werden genug Gelegenheit haben, mit ihrer Tochter zu reden und Sie können Sie heute noch mitnehmen", versuchte die Polizistin uns zu beruhigen.
„Avery..."
„Mom, ich komme bald wieder. Ich weiß, ihr habt Fragen und die hab ich auch, aber keine Sorge, ich werde nicht wieder verschwinden."
****************************
Ich dachte, dass die Fotos die man von uns machten schlimm waren. Man musste sich ausziehen und alle behandelten einen, als wäre man ein Stück Fleisch und nicht wie einen Menschen. Und immer dieses helle Blitzen den Kamera, wenn es einen neuen blauen Fleck fotografierte. Aber ich hatte mich geirrt. Die Befragung bei der Polizei war schlimmer, als ich es mir ausgemalt hatte. Natürlich wusste ich, dass die Polizei nur ihren Job machte, aber die ganzen Details aufzählen zu müssen, was wir durchgemacht hatten, war mehr als nervenaufreibend. Vor allem hatte ich nach etwa einer Stunde das Bedürfnis beiden Hauptkommissaren mit einem Brett auf den Kopf zu schlagen, da sie manche Fragen doppelt stellten und wir immer wieder einzelne Details wiederholen mussten.
„Damit ich das ganze Mal zusammenfassen kann: Sie waren zusammen mit 7 anderen Teenagern auf einer Insel in Dänemark, wo die Betreuer Sie körperlich und sexuell misshandelt haben und ein Betreuer Ihnen zur Flucht verholfen hat. Ist das soweit richtig?", fragte mich der Kommissar abschließend.
„Im Groben ja", antwortete ich erschöpft.
„Sie sagten, das dieses Camp für Jugendliche Straftäter und schwer Erziehbare ist. Weshalb waren Sie dort?"
Ich zögerte. Genau so wie Harry.
„Müssen wir darauf antworten?"
„Falls Sie an einer Straftat beteiligt waren, müssen Sie darüber nichts sagen, falls Sie sich und andere nicht belasten wollen, aber wir müssen nachvollziehen können, weshalb Sie dort gewesen waren."
„Ich wurde als schwer Erziehbare dorthin geschickt. Fälschlicherweise", antwortete ich.
„Ich war wegen einer Straftat dort", antwortete Harry knapp.
„Hm", das war alles was der Kommissar sagte und sich dazu notierte.
Ich wischte mir mit der Hand über das Gesicht.
„Wie haben Sie es eigentlich geschafft, diese ganzen Beweise zu sammeln?", fragte mich Kommissar Visser.
„Verdeckte Kameras und Mikros, die wir von dem Betreuer bekommen haben und dann angeschaltet haben, wenn es wirklich zur Sache ging."
„Und diese Kameras hatte niemand bemerkt?"
„Es waren Kugelschreiber und Uhren, niemandem ist das aufgefallen", antwortete Harry selbstbewusst.
„Und diese Flucht, haben Sie die auch mit diesem Ed geplant?"
„Ja, wobei Ed eigentlich nur über seine Aufgaben informiert wurde. Den größten Teil haben wir alleine geplant", warf ich ein.
„Und woher wussten Sie dass Ihr Plan funktionieren würde? Dass Sie nicht gefasst werden würden?"
„Wussten wir nicht. Zumindest nicht sicher, aber eine andere Möglichkeit hatten wir nicht", war meine wahrheitsgemäße Antwort darauf.
„Von dem, was Sie bisher alles erzählt haben, klingt einige Sachen aber mehr als riskant. Zumindest hätten Sie ihre Planung besser ausbauen können."
Das war die einzige Sorge der Polizei? Das unser Fluchtplan bessere Strategie erfordert hätte? Ich sollte erwähnen, dass ich großen Respekt vor der Polizei habe, aber in diesem Moment überlegte ich tatsächlich für einen Moment, ob es lohnte für eine Ohrfeige in U-Haft zu gehen. Gott sei Dank, behielt ich die Nerven und entschied mir lieber für eine verbale Ohrfeige.
„Jetzt hören Sie mal zu: Der Großteil unserer Gruppe war über ein Jahr in dieser Einrichtung und hat nicht mal über einen Ausbruch nachgedacht. Und unser ursprünglicher Fluchtplan hat auf dem Film „Oceans Eleven", basiert. Wir sind keine Schwerverbrecher oder kriminelle Supergenies, sondern haben einfach mal einen Fehler gemacht. Aber wir sind uns alle einig gewesen, dass keiner von uns so eine Behandlung verdient hat und niemand jemals wieder so von Anthony Hempton behandelt werden sollte. Aber eins sage ich Ihnen, wenn Sie uns nicht glauben, dann gehen Sie einen scheiß Kaffee trinken und schicken Sie uns jemanden, der unsere Aussage ernst nimmt. Denn wir sind definitiv nicht über 10 Stunden hierhergefahren, um der Polizei eine lustige Geschichte zu erzählen, die wir uns im Urlaub ausgedacht haben!"
Hätte jemand in diesem Moment auch nur eine Seite der Tageszeitung umgeblättert, wären alle zusammengezuckt, so still war es im Raum geworden. Ich kochte vor Wut, während alle Blicke auf mich gerichtet waren. Ich war aufgestanden und im Spiegel des Verhörraums, sah ich meine Augen zornig funkeln.
„Okay", sagte Kommissar Visser und ich setzte mich langsam wieder hin.
„Sollen wir eine Pause machen?"
Das war die klügste Entscheidung der Beiden bisher.
******************************************
Meine Mutter bestand darauf mich mit nach Hause zu nehmen und da Harrys Mutter erst am nächsten Tag nach Amsterdam fliegen konnte, bat ich, dass Harry bei uns übernachten konnte. Meine Mutter stimmte sofort zu, mein Vater schien nicht begeistert, legte allerdings keinen Wiederspruch ein.
Bereits auf der Fahrt vom Polizeirevier nach Hause fielen mir immer wieder die Augen zu. Trotzdem schaffte ich es irgendwie wach zu bleiben, bis wir zu Hause ankamen.
Es war seltsam nach Wochen an diesem schrecklichen Ort nun wieder in meinen vertrauten vier Wänden zu sein.
Aber insgesamt fand ich es beruhigend. Ich war zuhause. Ich war bei meinen Eltern. Ich war bei Harry. Ich war sicher.
Sicher. Ein Wort, dass ich in den letzten Wochen nur wenig verwendet hatte. Zumindest nicht in einem guten Kontext.
Das Essen verlief schweigsam, obwohl ich eigentlich gedacht hätte, dass meine Eltern mich mit Fragen überschütten würden. Ich fühlte mich seltsam taub. Aber ich war dankbar, dass sie anscheinend bemerkten, dass mir momentan nicht wirklich nach Reden zu mute war.
Danach halfen Harry und ich meiner Mutter beim Abwasch, während Dad netterweise das Sofa im Wohnzimmer für Harry herrichtete. Im Anschluss nahm ich eine Dusche und setzte mich auf den Balkon, wo ich den Kanal vor unserem Haus mit den Grachten beobachtete. Harry setzte sich zu mir. Er ergriff er meine Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Ohne ein Wort beobachteten wir das Treiben auf dem Wasser und den Straßen. Alles war normal und wirkte so seltsam unwirklich.
„Wird es jemals wieder normal sein?", fragte ich schließlich, ohne meinen Blick von allem abzuwenden.
„Ich weiß nicht. Irgendwann sicher...ich meine, wir müssen lernen mit all dem zu leben", antwortete leise.
„Können wir das denn?", fragte ich fast schon emotionslos.
„Wenn wir es nicht tun, wozu dann die ganze Aktion?"
Ich schnaubte freudlos.
„Ich hab Angst, Harry."
„Wovor?"
„Als Wrack zu enden. Das diese letzten Wochen, mein weiteres Leben bestimmen. Ich will das nicht", sagte ich beunruhigt.
Harry schien einen Moment zu überlegen, ehe er schließlich sagte: „Ich schätzte das liegt ganz an uns. Wie wir damit leben. Natürlich wird diese Zeit unser Leben beeinflussen, aber ob es uns zerstört oder uns stärker macht, liegt ganz an uns."
„Du bist sehr weise, Styles", sagte ich frech und grinste.
„Warum bin ich dir nochmal nach Amsterdam gefolgt?", seufzte Harry.
„Weil du mir nicht wiederstehen kannst?", riet ich.
„Mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher", brummte Harry.
Ich küsste seine Wange. Harry lächelte ebenfalls und drückte meine Hand fester.
„Glaubst du meine Mom wird dich mögen?", fragte ich dann plötzlich.
„Willst du mich verarschen? Mädchen wie du sind ihr Alptraum. Das wird morgen für uns alle kein angenehmer Tag werden!", sagte er und ich starrte ihn entsetzt an.
Dann lachte er und ich begriff, dass er mich reingelegt hatte. Ich schlug ihm ebenfalls kichernd auf den Oberarm.
„Mann, du machst es einem nicht leicht dich zu mögen."
„Wieso? Darfst denn nur du Witze auf meine Kosten machen?", fragte er gespielt entrüstet.
„Ja, allerdings."
„Wieso?"
„Weil ich alles angeregt habe."
„Wie war das mit Teamwork und wir haben das alles gemeinsam geschafft?"
„Ja, aber ich hab auch gesagt, dass ich die Weltherrschaft an mich reißen will."
„Richtig, ich vergaß", erneut lachten wir und beobachteten, wie sich die untergehende Sonne auf dem Wasser des Kanals spiegelte.
„Ich bin trotzdem froh, hier zu sein. Du hattest Recht, Amsterdam ist wirklich sehr schön", meinte er und blickte versonnen auf das geschäftige Treiben zu unseren Füßen.
„Wir können euch morgen gerne noch mehr zeigen, wenn ihr wollt", erklang da plötzlich die Stimme meiner Mutter hinter uns.
Wir drehten uns um. Sie und Dad standen an die Balkontür gelehnt und beobachteten uns offensichtlich schon eine Weile.
„Das wäre sehr nett, Mrs. Collins, danke", bedankte Harry sich höflich.
„Bitte, nenn mich Diane."
Überrascht hob ich die Augenbrauen. So schnell hatte meine Mutter noch niemanden von meinen Freunden das Du angeboten.
„Dürfen wir uns dazusetzten?", fragte sie dann und wir nickten.
Diane nahm neben wir Platz, Dad neben Harry.
„Ich weiß, ihr musstet, das bestimmt heute schon hundertmal erzählen, aber würdet ihr uns verraten, was jetzt genau passiert ist?"
Ich seufzte und nickte. Und dann erzählte ich. Von dem Tag, an dem Lucy mich ins Camp schickte, welche Erfahrungen ich dort gemacht hatte, wie ich die Anderen kennen gelernt hatte und wie wir schließlich geflüchtet waren. Mom und Dad hörten mir aufmerksam zu, unterbrachen mich vielleicht ein oder zweimal mit einer Frage, ließen aber ansonsten alles stumm auf sich wirken. Harry saß neben mir, hielt meine Hand und ergänzte die ein oder andere Aussage, ließ mich aber ansonsten komplett alleine erzählen.
Als ich schließlich meine Geschichte beendet hatte, schien meine Mutter sichtlich geschockt und mein Vater stand auf, kniete sich vor mir hin und nahm mein Gesicht in die Hände.
„Mein Kletteräffchen, womit haben wir eigentlich eine so mutige und clevere Tochter verdient?", fragte er dann und ich lächelte, auch wenn es traurig war.
„Tja, ich hab eben tolle Eltern und für die hat sich das alles gelohnt. Ihr wart immer mein Antriebspunkt", erklärte ich und Dad küsste mich auf die Stirn.
„Hör zu, ganz egal, was da drüben passiert ist, wir stehen das durch. Wir kriegen das wieder hin, okay?"
„Ich weiß, Dad. Aber...", ich wollte eigentlich noch nicht über Lucy reden, aber trotzdem drängte sich diese Frage unaufhörlich in meinen Kopf.
„...Aber was, Schatz?", fragte Mom mich besorgt.
„Ich hab auch Fragen an euch. Wegen Tante Lucy."
Mom und Dad warfen sich einen kurzen Blick zu und Mom nickte mir dann zu. Dad setzte sich wieder.
„Du hast Recht. Wir hätten es dir schon vorhersagen sollen und vermutlich werden wir uns das bis an unser Lebensende vorwerfen, weil wir es nicht getan haben, aber bitte versuch uns zu verstehen", sagte Mom behutsam.
„Okay, ich glaube, wir sollten langsam ins Bett gehen und morgen werden wir dann über alles reden", sagte ich da.
Heute war so viel passiert und ich war nicht mehr bereit noch mehr Informationen aufzunehmen.
„Ist ne gute Idee. Ich bin so müde."
„Okay", meine Mutter schien sichtlich überrascht zu sein, da sie wohl erwartet hatte, dass ich alle Antworten sofort wollte.
Trotzdem schien sie doch ein wenig erleichtert.
„Gute Nacht", Harry erhob sich von seinem Sitz und ging zum Sofa, wo sein Rucksack stand.
Meine Mutter folgte ihm und erklärte ihm wo er Handtücher fand und bot ihm an seine Wäsche zusammen mit meiner zu waschen. Harry wollte keine Umstände machen, aber meine Mutter bestand darauf. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen beobachtete ich die Beiden. Mein Dad sah ebenfalls zu den Beiden.
„Und du und dieser Harry...seid ihr beide...zusammen?", fragte er dann und versuchte komplett ungeschickt seine Neugierde und väterliche Sorge zu verstecken.
„Ja...irgendwie schon", erklärte ich unbeholfen.
„Hm", brummte mein Dad und schien offensichtlich die Information, dass seine Tochter nun nicht mehr Single war, für sich zu verarbeiten.
Anscheinend gefiel ihm diese Aussage nicht so sehr.
„Und...behandelt er dich gut?", fragte er dann.
„Dad! Ist das jetzt dein Ernst?", fragte ich halb genervt, halb amüsiert.
„Na ja, ich bereite mich schon seit deiner Geburt auf dieses Gespräch vor. Irgendwann musste dieser Zeitpunkt ja kommen. Ich will nur...", er schien nach Worten zu suchen.
„...ich will nur dass du glücklich bist."
Ich lächelte sanft. Dann wurde mir allerdings bewusst, dass mein Vater noch eine Antwort von mir erwartete.
„Ganz ehrlich, Dad: Die ganzen Wochen in Dänemark und alles was ich dort erlebt habe...das war wohl mit größter Sicherheit, die schlimmste Zeit meines Lebens. Aber Harry...Harry war von erstem Moment an für mich da. Er hat mich getröstet, mich immer wieder zum Lachen gebracht und bei niemand anderem hab ich mich je so geborgen gefühlt. Gott, ich war keine zwei Wochen da, wurde zusammengeschlagen und Harry war sofort da und hat versucht mir zu helfen. Und meinen Geburtstag hab ich in einem fensterlosen Bunker verbracht. Und Harry kannte mich kaum, hat mir aber trotzdem ein Geburtstagsgeschenk gemacht und hinterher dafür gesorgt, dass ich ne coole Party habe. Also, ich hab keine Ahnung, wie es zwischen uns beiden weitergehen wird, aber das mit ihm fühlt sich einfach gut an. Und mehr kann ich dir dazu nicht sagen."
Dad hatte mir aufmerksam zugehört und nickte nun.
„Okay. Danke, dass du's mir gesagt hast."
„Kein Ding. Ich gehe jetzt auch ins Bett. Gute Nacht, Dad."
Ich stand auf, gab ihm einen Kuss auf die Wange und ließ mich noch einmal von ihm in eine feste Umarmung schließen.
„Ich bin so froh, dass du wieder da bist. Wir haben dich so vermisst", murmelte er in mein Haar.
„Ich hab euch auch vermisst", murmelte ich ebenfalls, löste mich dann sanft von ihm und ging rein, um Mom ebenfalls „Gute Nacht" zu wünschen.
Mom umarmte mich ebenfalls lange und fest. Am liebsten hätte sich mich wohl nie mehr losgelassen und als ich mich schließlich von ihr löste, sah ich, wie Tränen in ihren Augen glitzerten. Ich lächelte sie sanft an und gab ihr einen Kuss auf die Wange, ehe ich mich in meinem Zimmer bettfertig machte und ins Bett legte. Doch ich fand lange Zeit keinen Schlaf, bis ich mich schließlich einige Stunden später zu Harry ins Wohnzimmer auf das Sofa schlich und mich dort an ihn kuschelte. Harry schien ebenfalls noch wach zu sein und schloss mich in eine angenehme warme Umarmung. Ich schlang die Arme ebenfalls um seinen Körper und vergrub mein Gesicht in seiner Schulter.
„Meinst du, wir können heute Nacht besser schlafen?", murmelte er leise in mein Ohr.
„Vielleicht, versuchen wir's."
Harry bewegte sich leicht und ich hob den Kopf um ihn anzusehen.
„Ich liebe dich", sagte er und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Bisher hatten wir beide es nie gesagt, aber für mich waren es in diesem Moment genau die richtigen Worte.
„Und ich liebe dich, Harry Edward Styles", flüsterte ich zärtlich und küsste ihn.
„Woher kennst du meinen Zweitnamen?", fragte er überrascht, als wir uns wieder lösten.
„Hat Niall mir verraten. Er dachte, dass ich dich vermutlich nach dem ersten Date heirate", grinste ich und spürte sein Lachen an meinen Lippen.
Und dann schlief ich endlich ein.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro