Avery
Ich hatte fest damit gerechnet, dass Hempton innerhalb von Stunden nach uns verlangen würde, aber nichts und niemand kam. Es fühlte sich ein wenig an, wie die Ruhe vor dem Sturm. Einerseits war ich erleichtert, dass Daisy und Liam in Sicherheit waren, andererseits hatte ich auch Angst, was uns nun bevorstehen würde.
Was man uns antun würde?
Trotzdem folgte ich weiterhin dem Plan, oder wie Roxy es genannt hatte, dem Protokoll. Ich vergrub das Feuerzeug unter einem Baum in der Nähe unserer Zelte und schob Laub darüber, damit niemand die aufgewühlte Erde sah.
Auch unsere Handys, versteckte ich in der Nähe. Linda hatte mir ihres auch gegeben und mir somit einen Vertrauensbeweis geliefert, dass sie dabei war. Wir hatten es allerdings so geregelt, dass einer aus unserer Gruppe ein Handy am Tag bei sich tragen würde, um so nötige Beweise zu sammeln. Ein kleines Video hier, ein paar Fotos da. So würde sich alles, nach und nach ergeben.
Während Roxanne und Niall gemeinsam schwimmen übten, gingen Louis und Zayn bereits ins Zelt, aber bereits an ihren Gesichtern konnte ich sehen, dass sie dieselben Sorgen hatten wie ich und auch vermutlich auch keinen Schlaf finden würden.
Harry hingegen stand auf um sich neben mich zu setzen. Gedankenverloren sahen wir ins Feuer, welches dunkle Schatten auf unsere Gesichter malte.
„Ein Penny für deine Gedanken?", sagte Harry dann zu mir.
Ohne ihn anzusehen, gab ich meine Gedanken preis.
„Ich fürchte, ich werde gerade nicht schlau aus meinen Gedanken. Da ist alles gerade komplett durcheinander. Da ist Erleichterung, dass Zwei von uns sicher sind, Überraschung, dass wir es überhaupt soweit geschafft haben und...", ich stockte.
„Und was?", fragte Harry nach.
„...Angst", gab ich schließlich zu.
„Ich meine, wir wissen nicht, was morgen passieren wird. Was Hempton...tun wird. Ich hab Angst, dass jemand von uns sich verrät. Ich hab Angst, dass niemand mehr von uns nach Hause kommen wird. Ich hab Angst, dass ich meine Eltern nie wieder sehen werde."
Harry antwortete nicht. Stattdessen legte er den Arm um mich und drückte mich sanft an sich. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter und genoss seine Nähe. Wenn er gekonnt hätte, hätte er bestimmt irgendwelche aufmunternde Worte gefunden. Aber es gab keine. Denn alles, was ich ihm gerade aufgezählt hatte war durchaus begründet und würde vermutlich sogar eintreten. Wir hatten keine Garantie, dass unser Plan weiterhin funktionierte.
„Avery, wir waren immer nicht immer einer Meinung, aber wir waren immer ehrlich zueinander. Und ich will dass das weiterhin so bleibt, okay?", hörte ich ihn sagen und ich nahm den Kopf von seiner Schulter um ihn anzusehen.
„Okay?", antwortete ich ein wenig verwirrt.
„Also um bei der Wahrheit zu bleiben...ich würde dir sehr gerne versprechen, dass unser Plan in jedem Fall weiterhin funktionieren wird und wir bald wieder zuhause sind und alles gut wird. Aber wir beide wissen, dass das nicht wahr ist. Denn wir können nicht wissen, ob es wirklich klappt. Aber was ich dir versprechen kann, ist dass ich alles dafür tun werde, dass du wieder nach Hause kommst. Dass wir wieder nach Hause kommen. Und dass...wir danach alles tun können, worüber wir gesprochen haben", sagte er dann schon fast feierlich.
„Das finde ich gut", murmelte ich und lehnte meine Stirn erneut gegen seine Schulter, während er den Arm fester um mich legte.
„Vielleicht sollten wir gar nicht so viel darüber nachdenken, was alles passieren kann", murmelte er.
„Vielleicht."
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Am nächsten Morgen kam der Sturm. Wir traten wie üblich zur Morgenrunde an und versuchten uns nichts anmerken zu lassen. Als ob wir völlig ahnungslos wären. Uns war natürlich klar, dass Hempton nicht glauben würde, aber wir sollten ihm besser keine Angriffsfläche bieten.
Hempton trat schweigend in die Mitte. Sein Gesicht war so finster, dass ich schon glaubte, dass er den Weltuntergang heraufbeschwören wollte.
„Ich weiß nicht, wie viele von euch es bisher mitbekommen haben, aber tatsächlich haben es gestern zwei von euch geschafft aus dem Camp auszubrechen. Ich gratuliere ihnen zu diesem Schachzug und wünsche ihnen viel Glück bei der weiteren Partie, denn sie werden es brauchen", sagte Hempton spöttisch grinsend.
Er deute eine Verbeugung an. Keiner von uns verzog auch nur die Miene.
„Ich hoffe, dass sich Abernathy und Payne Gedanken gemacht haben, was als nächstes passiert. Denn wie ist das so schön beim Schach. Hat einer seinen Zug gemacht, ist der Andere dran. Und jetzt bin ich dran. Und in diesem Fall, hat dass auch Konsequenzen für euch. Mein Camp hat nicht ohne Grund, den Ruf, dass hier niemand einfach dann geht, wann es ihm passt, sondern wenn ich es für richtig halte. Und diese Ansicht habe ich nach wie vor noch. Also, da ich der festen Überzeugung bin, dass die Beiden den Ausbruch nicht alleine geplant haben, werde ich jetzt jeden einzelnen von euch dazu befragen. Wer irgendwas dazu weiß oder etwas mitbekommen hat, soll mich ansprechen. Wenn ihr mir die ganze Wahrheit erzählt, ist alles okay. Ihr habt nichts zu befürchten. Aber wenn ich mitbekomme, dass jemand mich belügt oder bewusst Informationen zurückhält, dann werden die Konsequenzen für euch sehr unangenehm werden."
Es gab keinen Zweifel daran, dass er meinte was er sagte.
„Euer Tagesablauf wird ganz normal weitergehen, aber ich werde im Laufe des Tages immer wieder einzelne Leute heraussuchen und sie zu all dem befragen. Also, ich rate euch nochmal in aller Deutlichkeit eure Antworten gut zu überdenken."
Seltsamerweise berührte mich die Drohung nicht so sehr, wie ich gedacht hätte. Vielleicht weil ich schon wusste, was mich in etwas erwarten würde, vielleicht aber auch, dass wir durch Daisys und Liams Flucht ein kleines Stückchen Freiheit zurückbekommen hatten.
Auch wenn du nicht stark oder alt genug bist, um dich zu verteidigen, bedenke stets, dass dein Feind nur so stark ist, wie du ihm die Macht über dich gibst."
Das hatte ich irgendwo mal gelesen und in diesem Moment wurde mir bewusst, dass es stimmte. Hempton war stark, weil er durch unsere Angst und dem daraus folgendem Schweigen und Gehorsam seine Macht bezog. Jede war ihm ein Stück dieser Macht entrissen worden und er musste die Kontrolle wieder erlangen. Aber wir würden ihm den Gefallen nicht tun und weiterhin Angst haben. Wir würden weiterkämpfen. Und solange wir diesen Gedanken im Hinterkopf behielten, hatten wir eigentlich schon gewonnen.
„Fangt mit dem Unterricht an. Und Malik, du bist der Erste", er deute auf Zayn.
Ich warf Zayn einen Blick zu, welcher aber stur zu Boden starrte und dann Hempton folgte. Während sich die Runde um uns auflöste und in Richtung Schulgebäude ging, warfen wir vereinzelt besorgte Blicke in Richtung Zayn.
Ich hoffte, dass ihn nicht so hart erwischen würde. Das verdiente er nicht.
„Ich hab alles", murmelte Roxy mir, während wir nebeneinander her gingen.
„Was meinst du?", fragte ich leise.
„Ich hab alles aufgezeichnet. Hemptons Drohung. Und wenn Zayn zurück kommt, werden wir ihn auf Verletzungen untersuchen und diese abfotografieren", erklärte sie mir.
„Gute Idee", murmelte ich.
„Ich bin dafür bekannt gute Ideen zu haben", grinste sie.
„Glaub mir, ich habe zwischendurch noch nicht vergessen, dass du genial bist", brummte ich.
„Da bin ich mir bei dir nicht so sicher."
„Halt die Klappe, Roxy!", sagte ich halb beleidigt, halb amüsiert.
„Was denn? Erträgst du die Wahrheit etwa nicht?"
„Das sagt die Richtige!"
Und so neckten wir uns gegenseitig, bis wir im Klassenzimmer unsere Plätze einnahmen. Und ich war froh darüber, denn es vertrieb uns die Angst, vor dem was noch kommen würde.
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Zayn kehrte zum Mittagessen zurück. Man musste ihn nur ansehen um zu wissen, was passiert war. Er hatte ein blaues Auge, hielt sich den Bauch und sein Hals wies einige rote Male auf, was mich vermuten ließ, dass er von Hempton gewürgt worden war.
„Er sagt, er will dich nach dem Mittagessen sehen", sagte er zu Harry.
Harry sagte nichts und nickte nur. Wir fragten Zayn was passiert war.
„Er hat mir immer wieder dieselben Fragen gestellt. Wo sind sie? Was weißt du? Wer hat ihnen geholfen? Wer weiß noch davon? Ich hab ihm immer wieder gesagt, dass wir Liam und Daisy verletzt gefunden haben und sie zur Krankenstation gebracht haben. Irgendwann hat er dann angefangen auf mich einprügeln. Er hat überhaupt nicht mehr aufgehört. Ich glaube, wenn ich nichts gewusst hätte, wäre es egal gewesen. Er glaubte nur noch, was er glauben wollte."
„Umso besser für uns: So kriegen wir mehr Beweise", murmelte Roxy.
„Vorausgesetzt, der Nächste überlebt Hemptons Prügel. Wenn er Linda holt, haben wir ein ernsthaftes Problem", meinte Louis zweifelnd.
„Wir dürfen jetzt bloß nicht den Kopf verlieren. Wir müssen nur ein paar Tage abwarten, bis Liam und Daisy das Floß fertig haben. Dann ist Linda außer Gefahr und es sind nur noch vier von uns übrig. Das schaffen wir", versuchte ich die Anderen zu beruhigen.
„Hoffen wir einfach, dass alles gut geht", meinte Harry.
„Ich werde mit Ed sprechen, vielleicht kann er uns noch ein paar Sachen besorgen, die uns hier weiterhelfen", meinte Roxy.
Sie kratzte ihren Teller leer und stand auf, während sie ihr Tablett nahm. Sie nickte Zayn zu.
„Komm, wir müssen deine Wunden versorgen und abfotografieren."
Zayn nickte brummend und richtete sich stöhnend auf. Dann nahm er sein Tablett und folgte ihr. Während wir schweigend weiter aßen, schaute Niall besonders finster auf seinen Teller, als hätte er dort gerade seine Zukunft gelesen.
„Was ist denn, Niall?", fragte ich verwirrt.
„Nichts, ist schon gut. Ich hab sowieso keinen Hunger mehr", murrte dieser und stand ohne weiteres auf, wobei er sein Tablett gröber als nötig vom Tisch anhob.
Verwirrt blickten wir ihm nach. Was hatte er denn auf einmal? Bisher hatte ich Niall immer als typischen Sonnenschein erlebt und jetzt sah er aus, als hätte man ihm Vanillepudding mit Salz und Essig serviert.
„Was ist denn mit ihm los?", fragte ich verwundert.
„Vermutlich liegt es an Roxy. Ich glaube, sie hat ihn gestern abblitzen lassen", meinte Louis.
„Was meinst du damit?", fragte ich verwundert.
„Na ja Niall hat mir gestern anvertraut, dass er sie um ein Date bitten wollte. Und ich schätze mal, dass es wohl nicht so gut gelaufen ist. Und jetzt ist sie einfach mit Zayn weggegangen. Ich schätze mal, er ist einfach eifersüchtig", erklärte Louis uns.
Mitleidig sahen wir Niall hinterher, wie er aus dem Raum rauschte, ohne sich auch nur nach uns umdrehte.
„Hoffentlich macht er jetzt nichts Dummes, weil sie ihm einen Korb gegeben hat", meinte ich ein wenig besorgt.
„Das ist Niall", war Harrys Antwort.
„Und was soll das bedeuten?"
„Er macht immer irgendwas Dummes. Sonst wäre er nicht unser Niall", erklärte Harry.
Ich grinste ihn freudenlos an.
„Das ist nicht gerade beruhigend in unserer Situation", meinte ich säuerlich.
„Er wird schon nichts ausplaudern. So gut kennen wir ihn nun schon. Vertrau Niall ein Geheimnis an und er nimmt es mit ins Grab."
„Hoffentlich muss er das nicht."
„Styles!", einer der Betreuer kam zu unserem Tisch.
„Steh auf, Hempton will mit dir reden", sagte er dann zu ihm.
Ohne ein Wort stand er auf und warf mir einen letzten Blick zu, ehe er dem Betreuer folgte.
Ich blickte ihm hinterher, bis er aus der Tür verschwunden war. Ich wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis man auch mich holte. Aber ich unterdrückte die aufsteigende Angst. Harry und ich hatten noch ein schlechtes Date vor uns und wir alle wollten zu unseren Familien. Dafür war es wert, dass wir weiterhin kämpften. Und Hempton würde uns das nicht kaputt machen.
Auch wenn er das momentan noch glaubte. Seine Fassade der Macht begann so langsam zu bröckeln.
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Guten Abend, Ladys und Gentlemen,
Ein weiteres Kapitel ist hier. Ich hoffe, dass es euch bis hierhin gefällt und es euch ein wenig den Alltag vertreibt. Ich würde mich sehr freuen, wenn ab und zu jemand mal eine Rückmeldung oder einen Vote da lassen würde, damit ich weiß, dass euch die Story immer noch gefällt.
Wenn ihr gerne über etwas anderes lesen oder euch austauschen wollt, schaut doch mal in mein neues Projekt "Das Buch der Träumer" rein. Ich bin mir sicher, dass für jeden etwas dabei ist.
Alles Liebe, Liz;)
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