Avery
Ich wollte erstmal kein Aufsehen erregen, weshalb ich den nächsten Tag einfach damit verbrachte, brav meine Arbeit zu machen. Zwar spürte ich Harrys stechende Blicke in meinem Rücken, aber ich ignorierte ihn einfach. Sollte er doch sauer sein und sich mit seinem Schicksal abfinden.
Nachdem ich Daisy dazu gebracht hatte, mit Liam alleine zu reden, begann ich, nun ungestört, mich nach Fluchtwegen umzuschauen.
Erneut besuchte ich die Stelle am Fluss, wo ich das erste Mal über das Fliehen nachgedacht hatte und wo Harry mich ertappt hatte.
Wenn Harry recht hatte und an jedem Ufer Wachen standen, wäre das Wasser wohl kaum eine gute Option.
Er hatte gesagt, dass es an jedem Ufer Wachen sein würden.
Welche Wege gab es noch? Das hier war eine Halb-Insel, so viele Ausgänge konnte es also nicht geben.
Aber war wirklich jeder davon rund um die Uhr überwacht?
„Avery?", Louis tauchte plötzlich hinter mir auf.
„Ja?", fragte ich und versuchte so neutral wie möglich auszusehen.
„Es gibt Abendessen. Kommst du?", fragte er und ich nickte und folgte ihm.
Das erste Stück Weg legten wir schweigend zurück.
Dann ergriff Louis zögerlich das Wort.
„Hey, ich weiß, es geht mich vermutlich nichts an, aber Harry hat das neulich nicht böse gemeint. Er wollte dir nur einiges ersparen. Sei bitte nicht mehr böse auf ihn."
Ich schnaubte verächtlich.
„Gott, hat er es jetzt allen im Camp erzählt, was zwischen uns gelaufen ist?"
„Nein, aber er hat es Niall erzählt und Niall kann sowas nicht für sich behalten."
Gegen meinen Willen musste ich schmunzeln. Das konnte ich mir bei Niall ziemlich gut vorstellen.
„Wieso erzählt er Niall sowas?"
Louis lächelte zunächst sanft, wurde dann aber wieder ernst.
„Sieh mal, Avery, ich verbringe schon seit über einem Jahr Zeit mit diesen vier Chaoten. Sie sind momentan alles was ich habe und sie selber wissen das auch. Und Niall kann normalerweise Geheimnisse für sich behalten, aber wenn es um einen von uns fünf geht und sich nicht alle liebhaben, dann geht ihm das nahe und dann muss es raus."
Ich seufzte. An sich verstand ich ja, was Louis mir damit sagen wollte und auch dass er Harry helfen wollte. Andererseits wollte ich auch nicht, dass die Sache zwischen Harry und mir zum Problem von allen wurde. Zumindest nicht so. Ich wollte gern, dass die Anderen mit mir kamen, aber nicht, dass sie es auf diesem Weg erfuhren.
„Louis, ich weiß, du willst Harry helfen, aber das war eine Sache zwischen uns beiden. Wir waren nun mal nicht derselben Meinung. Auch das kann mal vorkommen", sagte ich deshalb ernsthaft, aber versuchte dabei nicht unhöflich zu klingen.
„Ich weiß und ehrlich gesagt, ich will mich da auch gar nicht groß einmischen, aber...weißt du, wir alle vermissen unsere Familien und wir haben nur einander. Und ich liebe diese vier Chaoten, als wären sie meine Familie. Wenn wir das hier überleben wollen, müssen wir alle zusammenhalten und das geht eben nur, wenn wir alle einander vertrauen und versuchen miteinander auszukommen."
Ich nickte. Das verstand ich sehr gut.
„Ich...ich rede mit ihm, okay?", seufzte ich schließlich ergeben.
Louis lächelte mich sanft an.
„Danke, Avery."
„Lass mich das nicht bereuen", murmelte ich und ging dann die letzten Meter vor zum Camp.
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Daisy weigerte sich das Zelt zu verlassen und zu erzählen, was zwischen ihr und Liam vorgefallen war. Aber da ihre Augen ganz rot und verquollen waren und sie immer schniefte, konnte ich es mir zumindest ansatzweise denken.
Daher ließ ich sie in Ruhe und musste ihr auch versprechen, Liam auch nicht darauf anzusprechen oder ihm irgendwelche Auskunft über ihren jetzigen Zustand zu geben.
Ich versprach es, auch wenn es mir nicht leichtfiel.
Daisy und Niall, die beiden waren der Sonnenschein in unserer Gruppe. Daisy jetzt so unglücklich zu sehen, vor allem, nachdem was sie mir von ihrer Schwester erzählt hatte, zerriss mir das Herz.
Aber da ich nicht genau wusste, was zwischen Liam und Daisy passiert war, hielt ich mich lieber an das Versprechen. Am Ende würde ich alles vielleicht nur noch schlimmer machen.
Als ich das Zelt verließ, sah ich wie Liam an der Feuerstelle stand und zu mir rüber blickte. Offenbar hatte er wohl gehofft, dass Daisy herauskam, denn er wandte sogleich den Blick ab, als er mich erkannte.
Allerdings hatte ich das Schuldbewusstsein in seinen Blicken gesehen. Das schien ja mächtig aus dem Ruder gelaufen zu sein.
Dann sah ich Harry, der mit Zayn das Feuerholz in die Feuerstelle schichtete. Ich zögerte einen Moment, dann sprang ich über meinen Schatten und ging auf ihn zu.
„Harry?", sprach ich ihn an, als ich neben ihm stand.
Harry schaute kurz auf und sah mich an. Ich konnte seinen Blick nicht deuten. Er war durchdringend, allerdings konnte ich nicht sagen, ob er mich gerade in seiner Nähe haben wollte.
„Ja?", kam es neutral von ihm.
„Kann ich dich kurz sprechen?", fragte ich schüchtern.
Harry blickte zu Zayn, welcher ihm zunickte. Dann stand er auf.
„Okay."
Wir gingen ein paar Schritte abseits vom Lager in den Wald. Dabei sprachen wir kein Wort. Ehrlich gesagt, hätte ich auch nicht gewusst, was ich hätte sagen sollen. Smalltalk schien mir in dieser Situation eher unangemessen.
Als ich sicher war, dass wir erstmal außer Hörweite des Lagers waren, blieb ich stehen und drehte mich zu ihm.
„Also, was ist?", fragte Harry beinahe ungeduldig.
Der Tonfall seiner Stimme, verletzte mich, dennoch versuchte ich mir das nicht anmerken zu lassen.
„Harry, ich möchte nicht, dass du denkst, dass ich vergessen habe, was du mir beim ersten Mal geraten hast. Denn das habe ich nicht. Und ich verstehe, dass du mir nur helfen willst, aber da ist etwas, dass ich einfach nicht in meinen Kopf hineinbekomme. Und deshalb kann ich nicht hierbleiben."
„Was bekommst du nicht in deinen Kopf?"
„Dass all das, was ich bis jetzt an diesem Ort erlebt habe, für die nächsten Monate mein Leben sein soll. Ich meine, überleg mal, was allein in den letzten paar Tagen passiert ist. Man hat mich ohne Sicherung einen Baum hochklettern lassen, Linda wurde zum Arbeiten gezwungen, obwohl sie hochschwanger ist. Ich hab sie verteidigt, wurde verprügelt und hab meinen Geburtstag in einem Bunker verbracht, während man dich, Niall und Liam beinahe krankenhausreif geschlagen hat. Und dann hat Hempton mir gedroht mir auch noch was anzutun und Roxanne hat er scheinbar bereits irgendwas getan und so wie er geklungen hat, will ich das gar nicht herausfinden. Und wenn das Camp für mich vorbei ist, soll ich so tun, als hätten die letzten paar Monate nicht existiert? Tut mir leid, Harry, aber das kann ich nicht", erklärte ich und bei dem Gedanken an Hemptons Drohung, wurde mir ganz übel.
„Ich mache das bereits seit 15 Monaten. Es ist nicht leicht, aber irgendwann gewöhnt man sich an alles", antwortete Harry.
Seine Stimme klang rau. Diese Aussage machte mir Angst. Ich konnte und wollte mich nicht daran gewöhnen. Und als ich Harry in die Augen sah, wusste ich, dass er log. Vielleicht nicht bewusst, aber er machte sich selber etwas vor.
„Nein, du hast dich auch nicht dran gewöhnt. Du und die Anderen, ihr erduldet es nur, weil ihr glaubt, dass ihr es verdient so behandelt zu werden. Weil ihr einen Fehler gemacht habt", erwiderte ich.
Harry antwortete nicht, aber als er meinem Blick nicht standhalten konnte und zu Boden sah, wusste ich, dass ich Recht hatte.
„Harry, es war ein Unfall. Niemand verdient es, so behandelt zu werden, wie sie es mit uns tun. Und du weißt das auch. Und ich weiß, dass es bestimmt kein Spaziergang wird von hier zu flüchten, aber ich kann nicht meine vier Monate absitzen und hoffen, dass in dieser Zeit nichts passiert. Das Spiel kann keiner von uns gewinnen. Dieser Hempton ist eine tickende Zeitbombe. Bei dem reicht schon der kleinste Fehltritt und er rastet völlig aus. Und ich will das nächste Mal nicht miterleben. Also bitte, lass uns alle von hier verschwinden", sagte ich sanft.
Mit jedem Satz ging ich näher auf Harry zu. Als ich fertig mit reden war, stand ich nur noch zwei Schritte von ihm entfernt.
Harry biss sich auf die Lippe und schien innerlich mit sich zu ringen. Aber das meine Worte Wirkung zeigten, konnte ich ihm ansehen. Seine Fassade bröckelte. Er zog meine Idee ernsthaft in Betracht.
„Und was soll mit uns passieren, wenn wir rauskommen? Die Jungs, Roxy und Daisy, wir haben immer noch Strafen, die wir absitzen müssen", wandte er dann zweifelnd ein.
„Wenn erstmal an die Öffentlichkeit kommt, was man uns hier angetan hat, dann wird man euch bestimmt nur ein paar Sozialstunden geben oder euch zumindest an einen Ort bringen, wo man richtig mit euch umgeht", versuchte ich seine Bedenken zu zerstreuen.
„Und wenn wir nicht alle rauskommen? Hempton wird jeden von uns vermutlich umbringen und vor Gericht aussagen, dass es ein Unfall war, sobald er davon Wind kriegt."
„Wir überlegen uns was. Sorgfältige Planung und Risikoabschätzung, das wird schon alles."
Harry fuhr sich mir der Hand übers Gesicht. Ihm fielen offenbar keine Gegenargumente mehr ein.
Er hatte Angst. Das verstand ich. Außerdem wollte ich ihn zu nichts zwingen. Behutsam legte ich die Hand auf seinen Unterarm. Seine Haut war angenehm warm und meine Fingerspitzen kribbelten an der Stelle, wo ich ihn berührt hatte.
„Hör zu, wenn es dir lieber ist, hierzubleiben, weil es dir sicherer vorkommt, dann ist das okay. Ich zwinge dich zu nichts. Aber denk wenigstens drüber nach, okay?"
Harry zögerte, dann nickte er schließlich.
„Ich überleg es mir", antwortete er und ich lächelte sanft.
Ich drückte zärtlich seinen Arm, ehe ich losließ.
„Sind wir wieder cool?", fragte ich dann.
Er lächelte. Diesmal mal deutlich unbeschwerter und freier. Es war dieses typische Lächeln, was ich die letzten paar Tage so vermisst hatte.
„Ja, sind wir", grinste er.
Ich lächelte ebenfalls befreit.
„Wollen wir wieder zurück?", fragte ich dann.
„Warte, eine Frage hab ich noch. Was würdest du dir für das schlechteste Date der Welt wünschen?", fragte er mit todernster Miene, aber ich hörte dennoch den Humor in seiner Stimme.
Ich kicherte.
„Nun, Mr. Styles, da ein guter Fluchtplan viel Geduld und Planung erfordert, wirst du genug Zeit haben, alles Erdenkliche in die Wege zu leiten", sagte ich geheimnisvoll grinsend.
„Du bist seltsam, Avery Collins."
„Du auch, Styles."
Und während wir wieder zurück zum Lagerfeuer gingen und uns zu den Anderen setzten, war ich froh auf Louis gehört zu haben. Harry und ich hatten wieder unsere Verabredung und solange würde ich durchhalten. Für ihn.
Guten Abend, gute N...,sorry, soweit sind wir ja noch gar nicht. War ein verrückter Montag für mich. Beinahe hätte ich vergessen das neue Kapitel hochzuladen. Ich hoffe aber trotzdem, dass es euch gefällt, auch wenn es nur ein Lückenfüller ist.
lg eure liz;)
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