Siebter Eintrag - Glockenklingeln oder Zeichen von Feen?
Nach einem Frühstück mit herzerwärmenden und amüsanten Gesprächen lief die Gruppe durch den Wald, bis die Meerjungfrau nicht mehr konnte. Auf zwei Beinen Gehen erschöpfte sie allmählich, aber Senga gab sich Mühe, sich darüber keine Sorgen zu machen.
,,Wenn wir bald anhalten und du deine Beine den restlichen Tag ausruhst, sollte morgen alles wieder in bester Ordnung sein", erklärte sie der angestrengt atmenden Brünette.
Obwohl sie unter Wasser im kalten Teil Schottlands lebte, sah ihre Haut wie von der Sonne geküsst aus und der dunkle Braunton ihres Haares war ebenfalls warm. All das Salzwasser, das ihre Mähne schon abbekommen haben musste, verursachte viele kleine Löckchen in ihr.
Sengas Haar dagegen hatte einen kühlen, gräulichen Unterton und ihre Haut war schneeweiß.
,Ob die Meerjungfrau gar nicht aus Schottland kommt? Oder ihre Eltern es nicht tun? Theoretisch könnten Meerjungfrauen auch mit giftgrünen oder pflaumenblauen Haaren auf die Welt kommen...'
Senga hätte sie gerne mit Fragen überhäuft, aber in Douglas' Gegenwart konnte sie das nicht. Er sah die Meerjungfrau verwundert an, weil sie vollkommen gesund ausschaute und er nichts von ihrer eigentlichen Gestalt wusste.
Als sie eine schöne Waldlichtung fanden, stellte Senga ihren Rucksack ab. Douglas zog den Reißverschluss seiner Jacke noch weiter hoch, wobei Senga die Röte seiner Finger bemerkte. Kurzerhand reichte sie ihm einen Handwärmer. Ihr Freund drückte auf das Plättchen in dessen Inneren und schloss dann seine Hand darum.
Da tippte die Meerjungfrau Senga an. Die Aschblonde hob fragend eine Augenbraue.
,,Ich habe eine lustige Idee, glaube ich! Du möchtest doch Fabelwesen anlocken, oder?"
Senga nickte vorsichtig.
,,Sicher hast du schon mindestens einmal davon gehört, dass Feen winzig klein sind und in kleinen Häusern aus Steinen, Ästen oder Pilzen leben. Wir könnten ihnen doch wunderschöne Häuser selbst bauen! Das wird Spaß machen und wir können kreativ werden."
,Steckt denn so viel Kreativität in mir?', zweifelte Senga gedanklich.
,Menschen, die an Fabelwesen glauben, müssen zumindest ein bisschen davon haben, denke ich...'
,,Na gut. Möchtest du mitmachen, Douglas?", fragte Senga. Ihr Freund mit den schwarzen Haaren winkte ab und antwortete: ,,Nein, Danke. Erlebt ihr ruhig alleine eure Märchengeschichten. Ich baue solange das Zelt auf."
,,Gute Idee! Aber stelle es an den Rand der Lichtung, hier geht zu starker Wind", warnte Senga. Douglas nickte und hockte sich hin. Mit den Händen öffnete er den Rucksack.
Die Meerjungfrau interessierte sich nicht dafür, wie geschickt er das machte, wenn man seine dünne Körperform bedachte. Stattdessen zog sie Senga mit sich.
Am Rand der Lichtung hatte sie Pilze gefunden. Jene waren recht groß und sahen aus wie Fliegenpilze ohne die typischen weißen Punkte. ,,Birken-Rotkappen", murmelte Senga. ,,Hübsch."
,,Die nehmen wir mit." Die Dunkelhaarige drehte am Stiel, bis sie den Pilz in der Hand hatte. Senga rief Douglas zu, dass er ihnen einen Korb oder einen Stoffbeutel bringen sollte. Das war rasch erledigt.
Ein paar Blütenkronen, die Senga weiter Richtung Mitte der Lichtung entdeckte, kamen in den Beutel. Begeistert suchte die Meerjungfrau nach weiteren bunten Blumen. Dadurch hatten sie bald viele verschiedene Farben zusammen.
Um beim Basteln noch mehr Variation zu haben, gingen Senga und ihre Freundin tiefer in den Wald hinein. Senga suchte an Büschen nach Beeren und wurde fündig, pflückte rote, blaue, schwarze, weiße und violette Früchte.
Währenddessen holte sich die Meerjungfrau Tannen- und Kiefernzapfen von den niedrigsten Ästen oder hob heruntergefallene vom Boden auf. Anschließend sammelten sie gemeinsam allerhand Äste und Stöcke, denn das ganze Gerüst würde daraus bestehen. Auch größere Stücke Rinde warfen sie in den beigen Stoffbeutel.
Die Meerjungfrau bat Senga: ,,Kannst du bitte auf den einen Baum da klettern? Der hat so schöne herzförmige Blätter!"
Die Abenteurerin half ihr gerne. Der gemeinte Baum war eine Linde, die nur noch wenige Blätter trug, die im Herbst nicht schon zum Boden gesegelt waren.
Als Senga wieder unten am Baumstamm stand, nahm sie sich einige Eicheln und sowohl essbare als auch ungenießbare Kastanien mit. ,,Wie heißt du eigentlich?", fragte sie so beiläufig wie möglich.
,,Greta. Das heißt so viel wie Perle."
Wow, das passte gut. Schließlich bestand ihre erste Begegnung daraus, dass Senga einer Spur aus den Perlen-Tränen der Meerjungfrau gefolgt war.
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Auf der Lichtung stand bereits das aufgebaute Zelt. Douglas hatte außerdem bei einem umgestürzten Baumstamm einen Kreis aus Steinen gelegt und so ein Lagerfeuer vorbereitet.
Die Meerjungfrau und ihre Entdeckerin beschlossen, die Feenhäuser neben einer Pfütze zu bauen. ,,Ihr eigener See", sagte die Meerjungfrau zufrieden.
Sie nutzten die Äste als Wände und Rindenplatten als halbe Dächer. Diese verzierten sie mit Unmengen an Blüten. Greta bevorzugte die blauen und weißen, während Senga violette und rosane Blumen benutzte. Ein Glück, dass sie im Winter noch so viele finden konnten.
Wie Statuen in einem Garten oder die Markierung eines Einganges stellte Senga zwei Pilze vor ihr Haus. Greta griff sich in der Nähe ein paar Steine und formte diese wie einen Weg zur Tür.
,Woher weiß sie, wie Häuser aussehen?' Wahrscheinlich hatte sie vom Wasser aus schon mehrere gesehen.
,,Wir erkennen, ob sie darin geschlafen haben, wenn wir ein Ge-"
,,-schenk hineinlegen und am nächsten Morgen nachsehen, ob sie noch da sind oder die Feen sie weggenommen haben", beendete Senga den Satz der Meerjungfrau und zwinkerte ihr zu. Sie hielt ihr den Stoffbeutel offen und Greta suchte sich einen Zweig weißer Mistelbeeren und einen schlichteren Tannenzapfen aus und legte alles in ihr Häuschen.
Senga nahm den Hut einer Eichel und eine Blaubeere dafür. Dies war der letzte Schliff und sie kehrten schnell zu Douglas und dem Zelt zurück.
Der fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. ,,Und ihr glaubt wirklich, dass das funktioniert?" Er schien verzweifelt über die Besessenheit der beiden. Senga wollte nicht, dass er es bereute, mitgekommen zu sein.
,,Selbst wenn nicht, war es lustig."
Senga ging in das Zelt und verfasste einen weiteren Tagebucheintrag.
Liebes Tagebuch,
ich kenne jetzt den Namen der Meerjungfrau; Greta. Sie hatte heute die Idee, Häuser für Feen zu bauen und wir haben dafür viel in der Natur gesammelt. Aus Pilzen, Ästen, Rinde, Blüten, Früchten und vielem mehr haben wir diese gebastelt.
Das hat ziemlich viel Spaß gemacht und ich bin gespannt, ob die Geschenke, die wir hinein gelegt haben, morgen Früh fort sind. Das waren übrigens Mistelbeeren und eine Blaubeeren zum Färben von etwas, ein Eichelhut zum Tragen und ein Tannenzapfen zum... Bauen oder Verstecken Spielen vielleicht?
Douglas fand unsere Begeisterung nicht so gut. Deswegen mache ich gleich das bisher beste Abendessen dieser Reise. Er liebt Süßes nämlich genauso sehr wie ich.
Allein beim Gedanke daran lief der Schottländerin das Wasser im Mund zusammen. Bevor sie sich an die Vorbereitung machte, kritzelte sie noch einen Fun-Fact ins Buch.
Wusstest du schon, dass Feen klingeln wie Glocken, wenn sie sich bewegen? Sie sind nur so klein und die Geräusche so leise, dass man sie nie bemerkt.
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Am Abend nutzte Senga ihr Feuerzeug und die vom Bauen übrig gebliebenen Stöcke, um ein Lagerfeuer zu machen. Sie hatte den perfekten Plan fürs Aufmuntern von Douglas.
,,Douglas, Greta!", rief sie. Schnell erschienen die beiden und sahen auch schon die große Tüte Marshmallows. Sie bekamen große Augen, obwohl der Meerjungfrau das Feuer zuerst sehr suspekt war und sie sich nur langsam herantraute.
Jeder nahm sich einen guten Stock und befestigte das größte Marshmallow, dass er finden konnte, daran. Douglas garte geduldig ein paar der Birken-Rotkappen, die sie sich danach auch teilten.
Selbst, als es schon dunkel war, drehten sie noch die süßen Zylinder über den hellen Flammen und lachten ausgelassen miteinander.
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