12. Erkenntnis & Verlegenheit
Am Tag vor dem Festival saß das ganze Backteam nach dem Unterricht im Klassenzimmer, um die letzten Feinheiten zu besprechen.
Es hatte bereits jeder ein Teigrezept für Kekse oder Muffins ausgesucht. Das würde jeder bei sich daheim vorbereiten und mitbringen, damit sie in der Bäckerei bereits Teig hatten, mit dem sie arbeiteten, während ein Teil der Gruppe neuen Teig machen würde.
"Wann könnt ihr alle ungefähr kommen?", erkundigte sich Shuumei und blickte in die Runde.
"Ich schaffe es wahrscheinlich erst so um 11", meldete sich jemand. "Wenn ich noch den Teig machen muss, dauert es ein bisschen und ich brauche schon lange zur Schule. Bis zu dir dauert es dann nochmal länger. Und ich will mich eigentlich nicht so stressen, wir haben ja bis nachmittags Zeit."
Ein paar andere nickten zustimmend.
"Wir haben eine Entschuldigung, dass wir nicht in der Schule erscheinen müssen", warf jemand anderes ein. "Also sollten wir uns deshalb auch keinen Stress machen. Solange wir zu Beginn des Festivals alles fertig haben, passt das."
Shuumei nickte verständnisvoll. Er würde auch lieber länger schlafen, als sich unnötig zu beeilen.
Nachdem sie auch zwei Autos organisiert hatten, mit denen sie alles zur Schule transportieren würden, war die kleine Versammlung aufgelöst.
"Ich kann schon um 7 Uhr da sein", wandte sich Akari an Shuumei, als sie zur Haltestelle liefen.
Er lächelte automatisch.
"Das wär super, danke."
Akari lächelte ihn kurz vor der Seite an.
"Wir sollten vermutlich die Keksteige und Torten als erstes backen. Die Torten müssen ja noch verziert werden und abkühlen, oder?" Akari blickte ihn neugierig an und er nickte, während sie das Schulgebäude verließen.
"Sollten wir nicht erst die Kuchen machen und danach die Kekse?", erkundigte er sich.
Akari verstummte einen Moment. Hatte er vielleicht zu abwehrend geklungen?
"Viele Kekse brauchen die gleiche Temperatur und Zeit, wir könnten sie gleichzeitig backen. Und wenn wir sie verzieren wollen, sollten sie besser abgekühlt sein", erklärte Akari.
"Stimmt ... Und einige Teige müssen auch in den Kühlschrank für etwa eine Stunde, also sollten sie besser früh fertig sein."
Akari nickte zustimmend.
"Echt danke für deine Hilfe!"
In den letzten Wochen hatten sie sich oft getroffen und darüber geredet, wer welche Zutaten besorgen konnte und welche Kuchen backen würde.
Er selbst kannte sich zwar mit Torten besser aus, aber Akari würde das Dekorieren übernehmen. Nachdem er sie mehrfach danach gefragt hatte, hatte sie ihm endlich Fotos von alten Backwerken gezeigt. Vor allem beeindruckte ihn, dass sie das alles in ihrer Küche gebacken und dekoriert hatte, ohne die Möglichkeiten, die sie in einer richtigen Bäckerei hatten.
Als er sah, dass Akari leicht rot wurde und lächelnd den Blick abwandte, konnte auch er ein Lächeln nicht mehr unterdrücken.
Für einen kurzen Moment hatte er das Verlangen, seine Hand auszustrecken und ihre Wange zu berühren. Aber im selben Moment wusste er auch, dass er das nicht konnte.
Also liefen sie weiter nebeneinander her zur Haltestelle.
Wenn er ehrlich war, wusste er nicht so richtig, worüber sie eigentlich redeten. Er freute sich einfach, dass sie überhaupt so viel sprachen.
Die letzten Wochen hatten unglaublich viel Spaß gemacht. Er war fast schon ein bisschen traurig, dass das Schulfestival bereits kurz bevorstand.
Er wollte weiter mit Akari über Gebäck reden und sehen, wie ihre Augen funkelten, wie ihr kein einziges Mal die Worte fehlten und wie sie jedes mal rot wurde, wenn er ihr ein Kompliment machte. Dabei machte es keinen Unterschied, wie oft er sich wiederholte und irgendwann hatte er vielleicht auch immer mehr Komplimente eingestreut, nur um ihre Reaktion öfter zu sehen.
Am Anfang hatte er es witzig, vielleicht ein bisschen niedlich gefunden. Dann hatte sein Herz jedes Mal schneller geschlagen. Und mittlerweile musste er sich selbst zusammenreißen, damit er nicht selbst auch rot wurde, wenn er sie so sah. Sie war so unglaublich süß, wenn sie verlegen wurde oder sich freute. Wie sollte er damit umgehen?
In der Bahn war es sehr voll, also überließ er Akari einen Platz und stellte sich vor sie, mit einer Hand an den Haltegriffen an der Decke. Die Fahrt verbrachten sie schweigend, es war zu laut und zu voll, um sich unterhalten zu können.
Also stiegen sie nach ein paar Minuten wieder aus und liefen einige Meter zusammen, bis sie sich voneinander verabschiedeten.
"Ich bin morgen dann um etwa 7 Uhr da." Akari strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte ihn kurz an. Shuumei nickte.
"Danke nochmal." Er lächelte ebenfalls, wollte ihr zeigen, wie dankbar er für ihre Hilfe war.
"Gerne. Ich ... freue mich, wenn ich helfen kann." Sie sah einen Moment wirklich glücklich aus und Shuumei wollte sie umarmen oder ihre Hand nehmen. Aber er riss sich zusammen und grinste.
"Machst du doch schon die ganze Zeit. Ohne dich hätte ich das alles nicht hinbekommen!"
Akaris Wangen färbten sich leicht rosig und sie bedankte sich.
Dann winkte sie ihm zu und ging davon.
Shuumei winkte ihr einen Moment ebenfalls zu und blickte ihr dann lächelnd nach. Ihre dunkelroten Haare wehten in der leichten Brise.
Während er nach Hause lief, wurde ihm klar, dass er sich langsam etwas eingestehen musste.
Bisher hatte er einfach akzeptiert, dass Akari süß war und das nichts mit ihm zu tun hatte. Aber eigentlich hatte er es längst gewusst.
Er hatte sich in sie verliebt.
Er sprach es erneut in Gedanken aus und spürte, wie er leicht rot wurde.
Er war wirklich in Akari verliebt.
***
Am nächsten Morgen stand Shuumei genauso früh auf wie immer, um alles vorzubereiten. Außerdem musste er seiner Mutter ja trotzdem noch für den Laden helfen, denn sie konnten nicht einfach schließen. Zumindest morgens und vormittags fand also der normale Verkauf statt.
Sein Eingeständnis am Vortag hatte tatsächlich dafür gesorgt, dass er sich entspannter fühlte. Er freute sich sogar. Denn es war ein schönes Gefühl, das Akari in ihm hervorrief. Der Gedanke, dass sie heute noch ein letztes Mal ein paar Stunden zu zweit arbeiten würden, gab ihm die nötige Motivation, schnell aufzustehen.
Nachdem er kurz geduscht hatte, zog er sich ein weißes Shirt und die Hose seiner Schuluniform über und begann dann, Tortenböden vorzubereiten.
Da Satoko für ihn eingesprungen war, musste er sich nun doch nicht um den Laden kümmern, sondern konnte sich voll und ganz auf das Festival konzentrieren.
"Deine Freundin kommt doch schon gleich, oder?", fragte sie ihn, während sie nebeneinander Teig kneteten und betrachtete belustigt, wie sich seine Ohren rosa färbten.
Lachend stieß sie ihn in die Seite.
"Na komm, läuft da was zwischen euch, oder nicht?"
Shuumei konzentrierte sich wieder auf den Teig, bevor er zögerlich antwortete: "Eigentlich nicht."
"Eigentlich?" Damit hatte er nun die Aufmerksamkeit seiner Schwester.
"Ich würde mich nicht beschweren, wenn da was wäre", gab er zu und konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie sich ein Grinsen auf Satokos Gesicht ausbreitete.
Bevor sie etwas sagen konnte, steckte allerdings seine Mutter den Kopf zur Tür herein.
"Sato, hilf mir mal bitte hier und bring die Kekse mit! Shuu, Akari-chan ist da!"
Die Geschwister nickten brav.
Shuumei staunte, als Akari eine riesige Tasche auf den Boden fallen ließ, sobald sie die Bäckerei betrat.
"Ich ... hab noch ein paar andere Keksteige gemacht", erklärte sie verlegen und strich den Rock ihrer Schuluniform glatt.
Shuumei lachte und hob die Tasche für sie auf einen Tisch. Dann breiteten sie die Dosen und Schüsseln aus und sortierten danach, was sie als erstes Backen würden.
Tatsächlich waren sie damit mit den Keksteigen bereits fertig. Alle weiteren würden ihre Teammitglieder noch vorbeibringen.
"Die Tortenböden sollten auch gleich soweit sein", erklärte Shuumei und Akari nickte zufrieden.
Sie suchte kurz in ihrer Tasche und holte dann eine violette Schürze heraus, die sie sich umband.
Sie passte gut zu ihren violetten Augen, stellte Shuumei fest und lächelte kurz, bevor er sich schnell umdrehte und begann, den Teig zu kleinen Kugeln zu rollen und auf den Blechen zu verteilen.
"Sasaki-san?"
"Ja?" Er drehte sich neugierig um.
"Kannst du mir vielleicht helfen?" Akari blickte ihn verlegen an. "Meine Haare hängen im Knoten fest."
Shuumei lief schnell zu ihr und sie drehte sich um.
Ein paar ihrer Haare hatten sich in der Schleife der Schürze verfangen.
Vorsichtig öffnete er den Knoten und hob dann ihre Haare hoch. Sie waren unglaublich weich, aber auch schwer, stellte er erstaunt fest. Wahrscheinlich weil sie so lang waren.
Er legte sie ihr über die Schulter nach vorne und griff dann nach den Schnüren der Schürze, um eine neue Schleife zu machen.
Als er fertig war, blieb er einen Moment einfach stehen, ohne etwas zu sagen. Er könnte jetzt zumindest für einen kurzen Moment die Arme um sie legen ... Sie war so viel kleiner als er und so zierlich, als würde sie unglaublich leicht kaputt gehen. Und gleichzeitig war sie so schön, mit ihren dunkelroten Haaren und der blassen Haut.
"Fertig?", fragte Akari leise und riss Shuumei damit aus seinen Gedanken.
"Ja, hab einen neuen Knoten gemacht", antwortete er schnell und lief wieder zurück zum Backblech.
Akari stellte sich neben ihn und rollte Teig aus, aus dem sie dann mit Ausstechern Figuren formte. Zwischendurch kam Satoko herein, durchbrach die Stille der beiden allerdings nicht.
Sobald sie genug Bleche für eine Ofenladung gefüllt hatten, hob Shuumei sie hoch und schob sie in den Ofen.
Akari beobachtete ihn staunend dabei.
"Willst du auch mal eins hochheben?", bot Shuumei ihr grinsend an. Tatsächlich nickte Akari zögerlich und versuchte es. Mit Mühe hob sie es kurz an, stellte es dann hastig wieder ab. Es war nicht nur schwer, sondern auch sehr groß, weshalb es ihr schwer fiel, das Gleichgewicht zu halten.
"Du ... du bist wirklich stark", stellte sie fest und lächelte ihn an. Ihre großen Augen funkelten vor Bewunderung.
In diesem Moment hätte Shuumei beinahe das Blech fallen gelassen. Shit, shit, shit!
Er drehte sich hastig mit dem Rücken zu ihr und schob das Blech auf eine der Schienen.
Wieso machte ihn so eine simple Aussage so glücklich, dass er lachen wollte und so rot anlief?
"Was jetzt?", hörte er Akari fragen und atmete tief durch. Sie hatten noch einiges zu tun, darauf sollte er sich jetzt eher konzentrieren.
"Machst du die nächsten Kekse? Dann bereite ich ein paar Teige für die Kuchen vor."
Akari nickte und sie machten sich weiter an die Arbeit.
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