11. Besuch & Schwester
"Guten Morgen, Akari-chan!"
Akari lächelte und begrüßte Frau Sasaki mit einer leichten Verbeugung. Die Frau war mittlerweile dazu übergangen, sie Akari-chan zu nennen, schließlich sah sie das Mädchen jeden Morgen.
"Shuu! Akari-chan ist da!", rief die Frau im nächsten Moment hinter sich und ignorierte kurz die übrigen Kunden.
Sofort steckte Sasaki seinen Kopf durch die Tür und winkte Akari zu.
Das Mädchen lächelte, als sie sah, dass Sasaki ein rosafarbenes Kopftuch mit einer dazu passenden Schürze trug.
Leicht verunsichert lief sie um die Theke herum, an Sasakis Mutter, die schon wieder Kunden bediente, vorbei und folgte dann Sasaki in den hinteren Teil des Ladens. Hier war sie noch nie gewesen.
"Ich muss kurz noch die letzten Croissants aus dem Ofen holen", erklärte Sasaki und wandte sich zu einem der riesigen Backöfen um.
Akari stand etwas verloren daneben und sah zu, wie er mehrere Bleche herausholten und zum Abkühlen in ein Regal schob.
Dann drehte er sich wieder zu seiner Mitschülerin um und zog sich das Kopftuch ab. Als er es an einen Haken hängte, blieb sein Blick ein paar Sekunden daran hängen und wanderte dann an seiner Schürze hinab.
Sobald er wieder Akari ansah fing er an zu lachen und zog die Schürze hastig aus.
"Ist von meiner Schwester, meine ist momentan in der Wäsche", erklärte er.
Akari nickte nur und lächelte erneut, als sie sah, dass seine Ohren leicht rot angelaufen waren.
"Wir können dann hoch gehen", schlug er vor und verließ den Raum durch einen weiteren Ausgang im hinteren Bereich. Draußen führte neben ihnen an der Hauswand eine kleine Treppe nach oben, zum eigentlichen Hauseingang.
Akari folgte ihm neugierig nach oben, durch die Haustür und stand in einem hübschen, kleinen Flur mit hölzernem Boden.
Dort zog sie ihre Schuhe aus und stellte sie ordentlich an den Rand der kleinen Stufe, der den Flur vom folgenden Gang abgrenzte.
Rechts und links reihten sich einige Türen aneinander. Direkt als erstes auf der linken Seite konnte Akari in Küche und Esszimmer blicken. Genau wie bei ihr daheim war das Wohnzimmer im gleichen Raum. Auf der rechten Seite waren alle Türen geschlossen, gegenüber der Küche befand sich allerdings wahrscheinlich die Toilette und daneben das Bad, denn es waren die einzigen Türen mit einem Lichtschalter außen.
Am Ende des Ganges befand sich ein großes Fenster, das den Holzboden und die cremefarbenen Wände beleuchtete.
"Hier ist mein Zimmer." Sasaki öffnete die letzte Tür auf der rechten Seite und ließ Akari hinein.
Schüchtern blickte sich das Mädchen um. Auf der linken Seite gegenüber der Tür stand ein großes Bett unter einem Fenster, daneben ein Schreibtisch. Neben dem Bett, an der Stirnseite des Zimmers, befand sich ein weiteres großes Fenster mit einer kleinen Kommode und Unmengen an CDs.
Der Großteil aller Holzmöbel war schwarz lackiert und die offenen Vorhänge dunkelviolett, aber dennoch machte der Raum einen gemütlichen Eindruck.
Es war nur ein normales Zimmer, nichts besonderes, aber trotzdem wurde Akari leicht rot, als sie sich auf seinen Schreibtischstuhl setzte.
Sie hatte noch nie das Zimmer einer anderen Person betreten, mit Ausnahme von Nori natürlich.
Sasaki suchte einen Block und einen Bleistift von seinem Tisch und setzte sich damit auf seine Bettkante.
"Was schlägst du vor, was wir backen könnten?"
Akari überlegte einen Moment. Sie hatte nicht erwartet, dass Sasaki so direkt zum Thema kommen würde.
"Also ... Touma-san hat ja gesagt, dass wir ... Kekse backen sollen und als Belohnung für Rätsel verteilen."
Sasaki nickte und schrieb als Überschrift »Kekse« auf sein Blatt.
"Für das Café machen wir eine Mischung aus Torten, Kuchen und Muffins", entschied Sasaki.
Er starrte kurz auf sein Blatt, auf dem bereits »Kekse« stand. Kurzerhand riss er es heraus und reichte es Akari.
"Warte, du brauchst noch einen Stift", fiel ihm ein. Er stand auf und durchsuchte kurz einige Schubladen seines Tisches, bis er einen Bleistift gefunden hatte.
Akari musterte ihn unauffällig von der Seite. Er war ihr so nah ...
In diesem Moment drehte er kurz seinen Kopf zur Seite und blickte ihr in die Augen. Akari lief augenblicklich rot an und zuckte zurück.
Das brachte den Jungen dazu, leise zu lachen.
"Hier." Er reichte ihr den Stift und ließ sich wieder auf sein Bett fallen. Dann machten sie sich daran, alles aufzuschreiben, was ihnen einfiel. Akari alle Kekse und Muffins und Sasaki alle Torten und Kuchen.
"Sollen wir dann tauschen?", schlug er nach ein paar Minuten vor.
Akari nickte und stand auf, um mit ihm die Blätter zu tauschen.
Der Junge löste auch sein Blatt kurzerhand aus dem Block, da er ihn als Schreibunterlage brauchte.
"Wow, das sind echt viele!" Sasaki blickte sie mit leicht offenem Mund an und grinste dann.
"Willst du was zu den Keksen sagen oder sollen wir einfach alles fertig machen und dann entscheiden?"
"Alles ... fertig machen", brachte Akari hastig hervor und Sasaki lächelte.
Sie hatte doch eigentlich normal mit ihm reden können. Also warum machte es nun einen so großen Unterschied, dass sie in seinem Zimmer saßen?
In diesem Moment fiel dem Mädchen auf, dass er das Aufschreiben wahrscheinlich für sie tat, damit sie nicht alle Ideen aufzählen musste. Aufschreiben war viel einfacher.
Augenblicklich wurde ihr warm und sie lächelte leicht. Welche Kuchen konnte sie noch ergänzen?
Auf einmal öffnete sich die Tür und eine junge Frau platzte herein.
"Hey Shuu, Mum meinte, du hast ..."
Ihr Blick blieb an Akari hängen und sie verstummte. Ein paar Sekunden herrschte Stille, in der sich die Frau ihre blassrote Brille hochschob und dann endlich ihre Sprache wiederfand.
Sie hatte warme, braune Haare genau wie Frau Sasaki. Dann musste sie wohl Sasakis Schwester sein, überlegte Akari. Gleichzeitig spürte sie, wie sie nervös wurde, als die Fremde sie weiter neugierig musterte.
"Ich dachte, du hättest Ogasawara-kun zu Besuch. Ich war schon verwirrt, warum mich das interessieren sollte ... Wartet kurz."
Sie verschwand kurz vor die Tür und kam dann mit einem Tablett mit zwei Croissants und zwei Tassen Kakao wieder herein.
"Ah, danke." Sasaki nahm ihr das Tablet ab und stellte es auf die Kante des Schreibtisches, damit es Akari nicht im Weg war.
"Das ist meine große Schwester Satoko", stellte er die Frau vor und sie lächelte Akari fröhlich an.
"Und das ist Akari-san, sie ist in meiner Klasse."
Satoko lächelte freundlich. "Du kannst mich gerne Satoko nennen, Shuu nennst du ja Sasaki, oder? Dann wird es nicht verwirrend. Ist es für dich okay, wenn ich dich Akari-san nenne?"
Sie schien einen Moment zu überlegen, dann hellten sich ihr grauen Augen auf.
"Moment, bist du das Mädchen, das Shuu morgens immer abholt?"
Akari nickte vorsichtig.
"Oh, wie süß! Mum hat schon erzählt, dass du echt lieb bist!" Sie schien Akari am liebsten umarmen zu wollen, diese fühlte sich allerdings etwas unwohl.
"Sato, hör auf damit", murrte Sasaki und schob seine große Schwester aus dem Zimmer. Auch wenn er der jüngere war, war er deutlich größer als sie.
"Jaja, viel Spaß euch!" Sie zwinkerte Akari zu, dann schloss Sasaki die Tür.
"Sorry, sie flippt gerne ein bisschen aus. Denk besser nicht drüber nach. Willst du weitermachen oder erst essen?"
Akari zuckte mit den Schultern und senkte den Blick. Klar, Satoko war ein bisschen aufgedreht. Aber sie schien davon auszugehen, dass zwischen ihr und Sasaki etwas war und das störte sie eigentlich nicht.
"Dann essen wir erst was", entschied Sasaki, dem es nichts ausmachte, dass Akari keine Meinung geäußert hatte.
Die Croissants waren wirklich lecker und auch noch leicht warm. Zusammen mit dem Kakao schmeckten sie perfekt.
Sasaki schien es genauso zu gehen, denn er leckte sich als sie fertig waren, genüsslich die Lippen.
Akari wandte schnell ihren Blick auf die Zettel. Sie hatte sich direkt vorgestellt, wie es wohl wäre, Sasaki zu küssen. Aber solche Gedanken konnte sie gerade gar nicht gebrauchen.
"Machen ... machen wir weiter", entschied sie und nahm sich wieder einen Stift.
Nach etwa zehn Minuten waren sie fertig und erklärten dem jeweils anderen, was sie sich bei ihrer Auswahl gedacht hatten.
Einige Kuchen und Torten strichen sie wieder, denn der Aufwand war zu groß oder sie mussten die ganze Zeit gekühlt werden, was in der Sporthalle schwierig war.
Die Auswahl an Keksen schrumpfte ebenfalls stark zusammen, aber hauptsächlich, weil sie viel zu viele Ideen hatten. Sasaki war noch immer beeindruckt, als er Akari bat die einzelnen Namen zu erklären und ihm grob zu sagen, was die Zutaten waren.
Letztendlich hatten sie aber 8 Arten an Keksen, 4 Torten, 12 Kuchen und 10 Muffinsorten ausgesucht.
"Geht das alles bei euch unten?", fragte Akari, die sich in der Zwischenzeit entspannt hatte. Sie dachte gar nicht mehr daran, wo sie war und dass sie allein mit Sasaki war, ihre Aufmerksamkeit galt allein dem Backprojekt, das vor ihnen stand.
"Sollte gehen, also an Backöfen reicht das, wenn wir morgens anfangen. Wir müssen aber echt viel Teig machen, soll ich den anderen schreiben, dass sie alle schon daheim einen oder zwei machen sollen, damit wir weniger hier zu tun haben?"
Akari nickte. "Ich schick dann noch alle Rezepte rein, dann kann jeder aussuchen, was er vorbereiten will."
Sasaki lächelte und holte direkt sein Handy heraus.
***
Shuumei warf sich auf sein Bett und scrollte noch einmal durch den Chatverlauf der Gruppe. Akari war vor einer halben Stunde gegangen und das wichtigste war besprochen, alle warteten nur noch auf ihre Rezepte.
Letztendlich hatten es deutlich mehr von Akaris Ideen in die Endauswahl geschafft, stellte er fest, als er die Blätter erneut durchlas. Lediglich alle seine Torten hatten sie angenommen, da Akari gar keine aufgeschrieben hatte.
Er lächelte leicht, als er ihre winzige Handschrift betrachtete. Sie schien beim Schreiben genauso wenig Platz wegnehmen zu wollen wie beim Sprechen.
Obwohl sie beim Thema Backen aufzublühen schien. Sie kannte sich wirklich gut aus.
Schon kurze Zeit später vibrierte sein Handy. Akari hatte 22 Fotos in die Gruppe geschickt. Erstaunt stellte Shuumei fest, dass alle Rezepte handschriftlich geschrieben waren und neben jedem einzelnen klebte ein Foto.
Sein Lächeln wurde breiter. Es würde mit Sicherheit Spaß machen, mit Akari zu backen.
Er freute sich sehr auf die kommenden Wochen.
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