Unbalanced conversations
Trotz seiner mangelnden Skills für Themenübergänge gab ich Jeonggukie meine Nummer und er schrieb mich gleich an. Hatte mein Handy nämlich zuhause liegen wie so oft.
"Hey deine Hülle ist voll schön", bewunderte ich sein Handy. Seine Hülle zeigte einen winzigen Ausschnitt des Universums mit unzähligen Sternen, die wie Salzkörner aussahen, vereinzelten bunten Strudeln und diversen Planeten. Wirklich süß.
"Danke, das originale Foto hab ich selbst gemacht", verkündete er stolz auf seine Arbeit und grinste mich breit an.
"Das ist echt cool", gestand ich offen. Mir gefiel es, wenn Leute eine Leidenschaft hatten, wie Jeonggukie offensichtlich das weite Unbekannte da draußen. "Dann kannst du hier ja noch schönere Fotos als in Wien schießen"
"Ach so, nein, das Foto hab ich in einer Sternwarte gemacht, weil die hatten da solche spezielle Kameras. Meine ist nicht so gut, als dass sie den Himmel so präzise einfangen könnte"
"Wie viel kosten solche gescheiten Kameras? Kannst dir ja einfach eine zum Geburtstag wünschen"
"Na ja, unter 2 000 Euro wird das nichts leider"
"Waaas? Das ist ja ur viel, holy shit", rief ich erstaunt aus, was Jeonggukie zum Kichern brachte.
"Ja ja, ich weiß. Wenn ich mal arbeiten geh, hab ich das aber eh schnell beisammen"
"Oho hast du schon Zukunftspläne?", fragte ich weiter. Ich liebte es einfach, Leute kennen zu lernen.
"Nicht wirklich, aber so ein Sommerjob jetzt wär schon nice. Irgendwas Handwerkliches würde mir gefallen. Oder was mit Computern"
"Frag einfach bisserl rum im Dorf, paar könnten sicher Hilfe am Feld gebrauchen. Jetzt ist ja Hauptsaison"
"Voll. Kukuruz entfahnen hast du mir ja schon gelernt gestern"
"Kannst gleich in deinen Lebenslauf schreiben"
Jeonggukie lachte hell mit seiner Simsstimme und wuschelte sich anschließend durch die fluffigen Haare. Seine Augen hatten schon Ähnlichkeiten mit dem Sternenhimmel. Kam wahrscheinlich davon, dass er ihn so gerne und oft anschaute. Die Sterne hatten sich wohl irgendwie in seiner Regenbogenhaut verfangen.
"Jeonggukie! Schau, ich bin fertig!", freute Hanmi sich und zeigte begeistert auf den asymmetrischen Aztekentempel. Na ja, war eher ein komischer Haufen mit Grünzeug, aber hey, jeder Anfang war schwer.
"Schön Hanmi", lobte er sie mit leichtem Lächeln.
Zufrieden drehte sie sich wieder weg und begann erneut, mit ihren Kindshänden im Sand zu wühlen. Hoffentlich stieß sie nicht auf eine der Käferleichen, die wegen meines Bruder und mir versehentlich unter den erdrückenden Körnern begraben worden waren.
"Erzähl mal was von dir. Kommt mir vor, als würde ich die ganze Zeit nur labern", forderte Jeonggukie mich auf und schenkte mir das gleiche Lächeln wie seiner Schwester.
"Keine Ahnung, was willst du denn wissen?", verfiel ich wieder in meine Angewohnheit zu fragen, nur um seiner Bitte auszuweichen.
"Irgendwas. Irgendwas, wo du denkst, ich sollte es wissen über dich"
"Puh...na ja, idk, ich mag Sachen, die ich noch nicht kenne, weißt du? Neues lernen und so"
Nur mit Mühe fanden die Wörter ihren Weg aus meinem Kopf zu Jeonggukie. Keine Ahnung, was ich sagen sollte.
"Dacht ich mir fast, wenn du so viel fragst", kicherte er. Gott, ich war so kacke darin, Sachen einfach so von mir zu erzählen. Mochte das wirklich gar nicht.
"Ugh sorry, war wohl 'ne unnötige Information"
"Was? Nein, nein. Würdest du's nicht sagen, könnt ich mir ja auch nicht sicher sein"
Jeonggukie musterte mich mit einem eindringlichen Blick. Ein eindringlicher Blick, der war es in der Tat. Ich hatte das Gefühl, er wollte in mich hineinschauen. Mir mehr Information aus dem Gesicht ablesen, als mir über die Lippen kam. Schnell schaute ich weg.
"Magst du Sterne?", bohrte er weiter.
"Ja", antwortete ich einsilbig.
Jetzt hoffte ich doch, dass Hanmi die toten Käfer finden würde. Damit würde sie mir vielleicht aus der unangenehmen Situation helfen. Warum war sie mir überhaupt so unangenehm plötzlich? Hatten wir nicht grad noch locker und mit Witz geplaudert?
"Ist okay", meinte der Wiener, "Wir müssen nicht über dich reden, wenn du nicht magst"
Erstaunt schaute ich ihn an. Er hatte es gemerkt? Was hatte mich bitte verraten? Oh man, sicher die unruhigen Augen. Oder meine Hände, die schon wieder dünne Hautfetzen von meinem Nagelbett abzogen. Ach fuck, ich musste doch ein offenes Buch für jeden sein.
"Ja nein, wie spät ist es eigentlich?", brabbelte ich und versuchte meine Nervosität zurückzuhalten. Ja, ich wollte von der Situation flüchten und ja ich wusste, dass ich ein wechselhaftes Weichei war.
Jeonggukie schien auch etwas überfordert wegen meines schnellen Wandels. Nach einer kurzen Gedanken-Ordnungs-Pause checkte er sein Handy und hielt es mir anschließend auch hin. 14:27, gut.
"Shit so spät schon, ich hab echt voll drauf vergessen!", ärgerte ich mich gespielt, während ich mich gleichzeitig innerlich über meine Lügen ärgerte.
"Was vergessen?"
"Muss nochmal aufs Feld. Hätte eigentlich schon um zwei zuhause sein sollen", spinnte ich das Lügennetz weiter. Das Lügennetz, das nur mich gefangen hielt. Man, ich war ja so dämlich.
"Aso, blöd. Dann hüpf mal zu deinen Traktoren", sagte Jeonggukie immer noch verwirrt und kaute an der Innenseite seiner Wange. Der hatte mich sowas von durchschaut, wem machte ich hier eigentlich was vor? Seiner Schwester?
"Na dann, bis irgendwann! Tschüß Hanmi", verabschiedete ich mich schnell, nicht ohne mich über den unabsichtlichen Reim zu ärgern, und sprang vom Reck.
"Bis Sonntag"
Mit jedem Schritt weg von ihm spürte ich förmlich wie die Flüssigkeit in meinen Gelenken davon floss. Meine Bewegungen fühlten sich mechanisch an, als würden Gelenkspfanne und der dazu passende Kopf direkt ohne jegliche Abfederung aufeinander liegen. Starr knirschten sie gegen einander. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich verhakten und nicht mehr lösen ließen.
Jeonggukie der Photograph
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