Kurzes Grusel Intermezzo
Orientierungslos wachte ich aus einem zufälligen Traum auf. Es ging um irgendwas mit Ananas. Keine Ahnung.
Um mich herum lag die Welt in Finsternis. Ich war bei Jeonggukie, ja, aber war er noch da? Vorsichtshalber spähte ich auf seine Seite des Betts rüber (okay eigentlich war jede Seite seine, denn es war sein Bett) und erblickte ihn tief schlafend, den Mund halb geöffnet, sodass die weißen Zähnchen rausschauten. Beruhigt wandte ich den Blick wieder ab und scannte den Rest des Raums, da sich meine Augen so langsam an die Dunkelheit anpassten. Da waren sein Schreibtisch, der PC, der Schrank, ja alles normal.
Doch dann schweifte mein Blick zum Fenster und grüß Gott, hinterm Glas versteckte sich eine tiefschwarze Gestalt, die Augen unnatürlich groß und es waren nicht mal richtige Augen, es waren zwei dunkle Strudel, in deren Mitte ein grell leuchtender Lichtpunkt saß. Mund sah ich keinen, jedenfalls nichts, was an einen erinnern konnte.
Ich schluckte. Warum war der hier? Ich lag doch hier neben Jeonggukie, ich war hier sicher und er war nicht real, nicht real. Eine Ausgeburt meiner Phantasie, das war er, aber nicht real.
Tja, auch wenn ich mir das einredete, versteifte sich mein Körper merklich und ich bemühte mich, die Brust beim Atmen flach zu halten. Meine Kehle wurde enger, ich schloss meine Lippen, um nur mehr durch die Nase zu atmen. Nur keine Aufmerksamkeit erregen, ich durfte ihn nicht stören. Einfach wieder die Augen zu machen und weiterschlafen.
Doch, big surprise, das mit dem Schlaf haute nicht mal annähernd hin. Ich konnte meine Augen keine zwei Sekunden geschlossen halten, immer wieder musste ich nachsehen, ob die Gestalt eh noch hinterm Fenster war und sich nicht auf unnatürliche Wege hier eingeschlichen hatte. Es war alles so irrational, aber wenn dein Kopf dir mitten in der Nacht solche Wesen in die Landschaft malte, gab es keinen Platz mehr für Rationalität.
Sollte ich Jeonggukie aufwecken? Nein, nein, er durfte hier nicht involviert sein, das würde die lauernde Gestalt rasend machen. Ich könnte vielleicht seine Hand unter der Bettdecke nehmen. Aber was, wenn diese Strudelaugen durch den Stoff hindurch sehen konnten? Dann hieß es aus die Maus für mich.
Erstarrt lag ich also da, wagte es kaum, einen Muskel zu bewegen. Bis mir Felix in den Sinn kam. Sein imaginärer Freund Bono war freundlich, er jagte dem Wiener keine Angst ein. Und Felix hatte mir geraten, einfach mal meine nächtlichen Wegbegleiter anzusprechen. Oh Gott, allein der Gedanke jagte mir eine Gänsehaut über die Oberarme. Gesprochene Worte, wie laut die waren, die mussten ihn doch stören.
Aber andererseits, warum dachte ich eigentlich, dass ich ihm ja nicht auffallen durfte? Geredet hatten wir ja schließlich noch nie, er hatte mich immer nur angestarrt, ich hatte immer nur regungslos da gelegen. Ein einfaches Hallo würde ja schon genügen, vielleicht zerfleischte er mich dann, vielleicht freute er sich aber auch, keine Ahnung. Ok, einfach machen, einfach machen, nix nachdenken, einfach begrüßen und fertig. Oof, wie heftig mein Herz schlug.
"Hi"
Einsam stand das Wort im Raum, ich wagte es nicht, zu atmen, die Augen hatte ich zu gekniffen. Doch als nichts weiter geschah, öffnete ich zaghaft meine Lider und siehe da, die Gestalt hockte noch immer auf der anderen Seite der Glasscheibe, keine Anzeichen von Bewegung oder irgendeiner Reaktion. Es war dasselbe erbarmungslos fixierte Starren wie vorhin. Nicht die kleinste Änderung. Außer das mein Puls auf Hochtouren lief und das Blut in meinen Ohren rauschte. Ich lebte also noch, lol.
Sollte ich nochmal was sagen? Vielleicht fragen, wie es ihm ging oder so. Bisschen Smalltalk. Oh man, das war schon verrückt hier, ich wollte mit diesen Viechern reden, die mir schon jahrelang Schlaf stahlen und mich wach hielten. Aber bis jetzt sah die endlos starrende Gestalt nicht wütend oder genervt aus, stand einfach wie immer da. Fuck it, raus mit den Worten.
"Wie geht's dir?", fragte ich, wobei meine Stimme mittendrin fast abgebrochen wäre.
Gespannt wie ein Bogen kurz vorm Zerreißen wartete auch auf eine Antwort oder auch nur eine kleine Reaktion. Doch nichts kam. Ich war verwirrt. Konnte er mich vielleicht durchs Fenster nicht hören? Nein, für imaginäre Beobachter galten andere Naturgesetze als für mich. Aber vielleicht konnte ich seine Antwort nicht hören. Shit, das konnte natürlich sein, immerhin hatte ich nur ein menschliches Gehör. Ja toll und was sollte ich jetzt machen? Fenster öffnen oder was? Na sicher nicht, da konnte ich ja gleich in einen Fleischwolf springen. Aber ich könnte weiter reden. Vielleicht wurde ich ihm dann auch sympathischer haha und er wollte mich nicht mehr auseinanderreißen ha HA ha.
"Ich kann dich nicht hören", sprach ich vorsichtig, "Gib irgendein Zeichen, wenn ich dich stör. Bitte"
Und noch immer keine Reaktion. Komisch. Ich räusperte mich leise und bereitete mich mental auf meine nächsten Worte vor.
"Wir könnten reden, wenn du willst. Ist unterhaltsamer als einfach nur anstarren, denke ich. Aber wenn du nur schauen willst, können wir das auch machen"
Ich wartete ab. Nichts. Obwohl, wirklich nichts war es nicht. Es kam mir vor, als würden seine Konturen weicher werden, der stechende Blick verlor etwas an Intensität. Aber eine Antwort blieb aus. Na ja, dann halt weiter.
"Ich bin Taehyung. Wie heißt du? Das ist Jeongguk, mein Freund, ich schlaf heut bei ihm. Hast du auch Freunde?"
Keine Antwort. Nur die Umrisse, die deutlich schwächer wurden. Weird. Aber okay, die ganze Situation war weird in höchsten Graden, also sollte mich die Stille seinerseits nicht wundern.
"Was machst du?", grummelte Jeonggukie auf einmal neben mir und ich hatte schon fast geglaubt, der Fenstertyp war es gewesen. Sad, leider nicht.
Ängstlich, wie die Gestalt auf Jeonggukie reagieren würde, schaute ich schnell zur Glasscheibe, doch er war weg. Da war nur mehr Dunkelheit draußen.
"Taehyungie?", fragte mein Freund erneut verschlafen.
"Schlaf weiter, es ist nichts", versicherte ich ihm, den Blick noch immer aufs Fenster fixiert.
"Warum bist du wach?"
"Da war wer am Fenster"
"Was? Wer bitte?"
"Also in meiner Phantasie"
Jeonggukie gähnte ausgiebig und drehte sich dann zu mir auf die Seite, die Augen halb geschlossen.
"Keine Angst", murmelte er träge und robbte näher zu mir.
"Hab ich nicht mehr"
"Nur keine Angst"
Halb träumend schlang er beide Arme um meine Brust, zog sich seitlich an mich heran, sodass meine Schulter gegen seine Brust gepresst wurde. Er nuschelte irgendwas in meine Haare, kein Plan, ob das überhaupt Worte waren, aber mir wurde gleich wohler zumute. Ja, ich lag hier neben Jeonggukie, ich war sicher, diese Gestalten waren nicht real.
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