Duschgedanken
Die langgezogenen Tropfen prasselten auf meine sensible Haut, tanzten vergnügt am warmen Asphaltboden. Dunkle regenschwangere Wolken bauschten sich über meinem Kopf auf. Der Geruch vom Himmel, den der Regen mit sich brachte, lag in der Luft. Lächelnd hüpfte ich mit meinen schönen Schuhen in eine glasklare Wasserlacke. Sollten sie ruhig nass werden, war ja nur Stoff.
Wenn ich um mich herum schaute, wirkten alle Farben gleich intensiver. Die Blätter der Bäume schimmerten tiefgrün, schupften das herunterfallende Wasser vom einem zum nächsten. Der Mühlbach reflektierte die düsteren Töne des wolkenverhangenen Himmels. Es war schön. Und mir selbst lief der Regen über den ganzen Körper, dass ich das Gefühl hatte, gereinigt zu werden.
Nachdem ich mich alles andere als beeilt hatte auf meinem Heimweg, stand ich schließlich doch vor unserem Haus und sperrte die Tür auf. Würde Jeonggukie sich nicht Sorgen um mich machen, wäre ich jetzt fix noch nicht rein gegangen. Aber ich hatte ihm ja versichert, gleich warm duschen zu gehen. Ey, Genius Einfall, ich konnte ja einfach duschen und dann nochmal raus. Boah, war ich gescheit.
"Oh, hallo Taehyungie", begrüßte meine Mutter mich vom Sofa im Wohnzimmer aus. Es lief grad Sturm der Liebe im Fernsehen, ein Fixpunkt ihres Tagesablaufs.
"Hi"
Ich zog die klitschnassen Schuhe von meinen Füßen und drückte das Wasser aus meinen Haaren, um nicht den Holzboden feucht zu machen. Dann schaute ich bei meiner Mutter vorbei, ich war ja irgendwie viel unterwegs, seit Jeonggukie da war.
"Und wie war's gestern am Festl?", fragte sie, Tannie schlief mit raushängender Zunge auf ihrer Brust.
"Ur geil, Jeonggukies Freunde aus Wien sind auch gekommen und wir haben so Karten gespielt"
"Schön, schön, hat's wieder den Fasanentanz gespielt?"
"Natürlich, hab ich mit Bea getanzt, Jeonggukie mit Mara und Theo mit Nico. War echt lustig"
"Freut mich, man hat die Musik eh bis hierher gehört"
"Ihr hättet ja mittanzen können"
"Puh, du kennst den Hansi", meinte sie nur lächelnd und zuckte mit den Schultern. Tannie wachte von der plötzlichen Bewegung auf und blickte verwirrt hin und her. Armes Bebi. Ich trat zu ihm und kraulte ihn hinter den Ohren, was er besonders gern hatte.
"Wo ist er jetzt eigentlich?", fragte ich nach meinem Vater.
"Bei der Omi und dem Opi oben, sie reparieren irgendwas bei der Heizung"
"Ach so, soll ich helfen?"
"Glaub nicht. Wie läuft's eigentlich zwischen euch? Oder ist das peinlich, weil ich die Mama bin?", kicherte sie und scheuchte damit unseren kleinen Tannie endgültig auf. Empört trappelte er aus dem Wohnzimmer.
"Pf, nein is' eh cool. Trotzdem ist das Gespräch hier beendet, ich geh duschen"
Damit überließ ich sie wieder dem Liebesdrama vom Fürstenhof und tapste rauf ins Badezimmer. Bisschen kalt war mir schon, aber das hielt mich nicht davon ab, den Regen zu genießen. Der war sonst sicher auch traurig, wenn jeder vor ihm flüchtete und nur mit Schirm raus ging. Da wollte ich wenigstens mit ihm befreundet sein.
Die warmen Strahlen des Duschkopfs flossen angenehm an mir herab. Und wie ich so da stand und mich abduschte, tat ich das, was für jedes Hirn in der Duschkabine die einzig mögliche Tätigkeit war: Ich dachte nach. Und an was anderes hätte ich denken können, als an Jeonggukies und meinen ersten richtigen Kuss?
Oh man, here we go, ich grinste schon wieder fett. Wie könnte ich auch nicht, Gukie war einfach so niedlich, I wanna cry. Aber wie ich mich da beim Kuchen essen überwunden hatte, ihn zum ersten Mal zu küssen, hätte ich echt geglaubt, ich würde sterben an Nervosität. Komische Mischung, dieses Nervöse und Schöne. Einerseits fühlte ich mich wohl bei ihm wie bei keinem anderen und andererseits überforderten solche Aktionen mich und meinen Kreislauf erheblich. Aber okay, sowas machte ich ja auch nur mit ihm und viel Erfahrung hatte ich nicht im Geringsten in diesem Gebiet. Virgin speaking.
Er hatte ja gemeint, er hätte schon drei Freundinnen gehabt, aber dass es mit denen voll anders gewesen war. Na ja, mit einem Boy oder Girl zusammen zu sein, ist dann halt doch ein Unterschied vielleicht. Oder er mochte mich halt wirklich auf einem anderen Level. Hoffentlich/Wahrscheinlich Letzteres ;)
Aber die letzte Berührung beim Umziehen jetzt erst war eine ganz neue Dimension, holy shit. Ein kurzer Streicher über meinen Rücken und zack, Elektroschock vom Feinsten. Ich wusste ja, dass meine Haut sehr empfindsam reagierte, aber das war neu gewesen. Würde mich interessieren, ob das umgekehrt bei ihm genauso passierte. Haha ja, richtig gehört, ich wollte Jeonggukie anfassen. Better get ready, honey.
(っಠ‿ಠ)っ
Na, Spaß beiseite, wir wussten alle, wir schüchtern ich bei solchen Annäherungsversuchen war. Ich sollte ihn einfach fragen, das konnte ich ja gut. Ich würde so fragen: "Yo, Jeonggukie, würd's dich stören, wenn ich dich mal berühr?" Bei einem Nein war's das dann halt und bei einem Ja brauchte ich mir dann keine Sorgen mehr zu machen. Ein sicheres Spiel.
Da bekam ich irgendwie gleich Lust, gleich wieder rüber zu gehen zu ihm. Weird, nach solch aufregenden Erlebnissen brauchte ich sonst immer Zeit zum Verdauen und zog mich zurück. Aber so nochmal mit Jeonggukie kuscheln, ja das konnte ich mir durchaus vorstellen. Wir könnten in seinem weichen Bett mit den pastellfarbenen Kuscheltieren chillen und dem Regen beim Prasseln auf die Fensterscheibe zuhören. Raus gehen wollte er bei dem Wetter ja nicht so.
"Oi, Taehyungie!", riss mich die aufgebrachte Stimme meines Bruder aus den fluffigen Gedanken an Jeonggukie, "Dusch nicht so lang!"
Wir hatten nämlich eine Art Abkommen in der Familie, nie länger als zehn Minuten zu duschen. Wasser sparen und so.
"Ja ja!", beschwichtigte ich ihn und stellte das Wasser ab. Wenn man an Jeonggukie dachte, konnte die Zeit schon schnell vergehen.
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