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6/2 Der Weihnachtsball

»Du trägst aber dick auf, von Burghofen. Meinst du nicht?« Tobias war aus dem Badezimmer getreten und musterte ihn überrascht. Der hochgewachsene Blondschopf trug eine schwarze Anzughose und ein burgunderfarbenes Seidenhemd. Damit war er also selbst nicht unbedingt underdressed für einen offiziellen Weihnachtsball auf Schloss Königstein.

Das Internat mochte inzwischen mit einigen steifen Formen gebrochen haben, doch zu manchen Anlässen riet man immer noch zur Etikette. Daran hielt sich auch Nicholas mit seinem schwarzen Anzug und dem weißen Hemd. Gut, er trug noch eine Krawatte und das passende Sakko. »Hallo? Es soll ruhig jeder sehen, wer der bestaussehndste Kerl der ganzen Schule ist«, erwiderte er grinsend, ehe er sein Spiegelbild im Fensterglas prüfte. Draußen war es bereits dunkel, so dass das durchaus möglich war.

»Du meinst, Losian soll das sehen, damit er nicht vergisst, zu stottern und dir an den Hals zu fallen«.

Nicholas war nicht ganz klar, ob sein bester Freund ihn oder Losian aufzog. Vielleicht sie beide. So oder so musste er bei dem Gedanken schmunzeln, dass es ihm zuweilen immer noch gelang, Losi vollends aus dem Konzept zu bringen.

Hinter dem Fensterglas konnte er die Dächer des Hauptgebäudes und des Mädchentrakts sehen, die, ebenso wie die Wiesen und Wege, mit Schnee bestäubt waren. Die Flocken tanzten noch immer vom Himmel. Bei Einbruch der Nacht würde eine dicke Schneedecke über dem Gelände liegen.

Tobi trat neben ihn und ließ ebenfalls den Blick über die hellerleuchteten Fenster des Schlosses schweifen. Wie tröstende Wächter warfen sie ihr Licht in das Gestöber in der Dunkelheit. Als wollten sie ihnen den Weg weisen. Hier findet das Leben statt, schienen sie zu rufen.

»Wirst du tanzen?«, fragte sein bester Freund.

Nicholas kannte die Antwort auf diese Frage nicht, daher zuckte er mit den Schultern. Er konnte tanzen. Als Kind hatte er es beigebracht bekommen, damit er auf den ganzen Banketts, Bällen und Feiern, die sein Vater veranstaltete, stets einen guten Eindruck machte. Schon mit dreizehn war er es gewohnt gewesen, bei einem Walzer höfliche und charmante Konversation mit den Töchtern der Geschäftspartner seines Erzeugers zu betreiben. Aber konnte Losian tanzen? Wollte er es überhaupt? Und wenn, wie würden die anderen Schüler reagieren? Der Infotag über Akzeptanz lag zwar erst eine Woche zurück, aber wer wusste schon, ob die Botschaft nachhaltig hängen geblieben war?

»Und ihr? Triffst du heute Julia oder Pascal? Wie ist xier denn drauf?«

»Wusste xier noch nicht.« Diesmal war es Tobias, der ahnungslos mit den Schultern zuckte, ehe sich ein liebevolles Lächeln auf seine Lippen schlich. »Ich lasse mich überraschen.«

»Irgendein Wunsch? Langes, schulterfreies Abendkleid mit Schlitz bis hoch zur Hüfte? Oder doch lieber Anzug und Krawatte?«

»Weißt du, Nicky, das ist mir so scheißegal. Hauptsache Pascal oder Julia in xieser Vollkommenheit.«

»Schnulzig, aber süß. Und wahr.« Ihm blieb eine eventuell rüffelnde Erwiderung seines besten Freundes erspart, da es in diesem Moment an der Tür klopfte. Offenbar schien ihr Gast nichts davon zu halten, eine Antwort abzuwarten, denn schon im nächsten Moment wurde die Klinke hinunter gedrückt und Pascal streckte den Kopf ins Zimmer. Eindeutig Pascal, denn auch er steckte in Anzughose und einem grauen Hemd.

Es fiel Nicholas inzwischen nicht mehr schwer, vom geschlechtsneutralen zum geschlechtsspezifischen Pronomen zu wechseln, sobald er erfasst hatte, was gerade den Wünschen seines Gegenübers entsprach. Nicht immer war das an der Kleidung festzumachen, doch Pascal (oder Julia) nahm kein Blatt vor den Mund und scheute sich glücklicherweise nicht, zu sagen, wie er angesprochen werden wollte. Das, und die Übung machten es Nicholas nach knapp drei Monaten leicht, die richtige Ansprache zu verwenden.

»Die Herren, seid ihr so weit?", wollte Pascal wissen, während er Tobias von oben bis unten musterte. Mit demselben Hunger, der oft in Losians Blick lag, wenn er Nicholas ansah, wie dieser belustigt feststellte. »Die anderen sind längst unten«, fügte Pascal ungeduldig hinzu, als sich keiner von ihnen rührte.

Schließlich war es Tobias, der ihrer beider Starre löste, indem er nickte und auf seinen Freund zutrat. »Na dann, auf ins Getümmel.«

Nicholas folge ihnen durch die hellbeleuchteten und weihnachtlich dekorierten Korridore und das verwaiste Treppenhaus nach unten. Sie nahmen keine Mäntel mit. Auf dem kurzen Weg zum Hauptgebäude war es zwar kalt, aber niemand von ihnen würde sich in Sekundenschnelle eine Erkältung einfangen.

Schon auf den Stufen zum Portal drang ihnen die Musik aus der großen Halle entgegen. Pascal öffnete die hohen Flügeltüren und sie schlüpften aus der Kälte des Abends in eine wohlige Wärme. Die Kronleuchter an der Decke hüllten die Marmorhalle in ihren Glanz und sogar die Kerzenleuchter an den Wänden waren entzündet worden. An den Seiten standen runde Tische mit roten Decken in Zweierreihe, an denen bis zu sechs Personen Platz fanden. In der Mitte des Saals hatte man die Tanzfläche freigelassen, doch bis auf einige Paare, die tatsächlich zum Takt der Musik über den Boden glitten, rannten dort eher Fünft- und Sechstklässler umher.

Nicholas hielt nach Heli Ausschau. Sie würde er vermutlich nicht albern kichernd einem Jungen hinterherrennen sehen, der ihr Haargummi stibitzt hatte. In den letzten Wochen war Losians Schwester gereift. Ihre kindliche Art war noch immer bestechend, aber das Leben im Internat hatte sie trotzdem ein Stück erwachsener gemacht. Im Getümmel konnte er sie nicht ausmachen, aber auch am Buffet entdeckte er sie nicht. Daher folgte er Pascal und Tobi zu einem der Tische am Rand. Die beiden hatten ihre Freunde ausgemacht.

Losian stand auf, als er sie kommen sah und zu Nicks Überraschung stellte er fest, dass ihm beim Anblick seines Freundes der Mund ganz trocken wurde. Der cremfarbene Anzug mit den schwarzen Nadelstreifen zu dem dunklen Hemd – eine Kombination, die Nicholas im Laden geflissentlich ignoriert hätte – standen ihm ausgezeichnet und verliehen ihm einen Schneid, der ungewohnt, aber durchaus anziehend war. Das Lächeln, das Losi ihm schenkte, war allerdings die typische Mischung aus liebevoll, sanft und fröhlich. »Na, habt ihr es doch noch geschafft, eure Hintern aus dem Zimmer zu bekommen? Ich dachte schon, ich muss ewig auf meinen Prinzen warten.«

Nicholas erwiderte das heitere Zwinkern seines Freundes, ehe er ihn an sich zog und ihn zärtlich küsste. »Auf das Beste muss man immer am längsten warten. Hast du das denn nicht gewusst?«

Wie erwartet wurde Losians Grinsen durchtrieben. »Ich weiß das sehr gut, Herr von Brughofen. Nur du, musstest das erst lernen, wenn ich dich dran erinnern darf."

Durfte er, denn das Warten hatte sich so was von gelohnt. Nichts an Losians erstem Mal war perfekt gewesen. Beim ersten Mal hatte Nick sich dermaßen unter Druck gesetzt, dass in der Tat gar nichts gegangen war – eine Erfahrung, die ihm bis dahin fremd gewesen war. Wenn es aber etwas gab, das Losian konnte, wie kein anderer, dann war es, die Gabe, den schwierigsten Situationen noch etwas abzugewinnen. Verständnis, Liebe, Vertrauen und eine gehörige Portion Humor auf beiden Seiten, hatte ihnen dann schließlich doch noch eine erlebnisreiche Nacht beschert, die sie noch enger zusammengeschweißt hatte. Und die Nicholas ein weiteres Mal gelehrt hatte, dass er nicht perfekt sein musste; dass Losian ihn mit seinen Fehlern und Schwächen liebte und dass er niemand anderen wollte, als diesen Kerl, der jetzt in diesem Moment vor ihm stand und ihm prüfend ins Gesicht schaute. »Danke, dass du hier bist, obwohl du Bälle hasst.«

Ungezwungener, als ihm zumute war, zuckte Nicholas mit den Schultern. »Ich kann dich doch nicht hängen lassen. Entweder würden ständig irgendwelche Typen versuchen, dich zum Tanzen aufzufordern oder Attila würde dich dermaßen dissen, weil ich dich versetzt habe, dass du ihm am Ende noch eins auf die Nase gibst.«

Losian lachte. »Klar, ich vor allem.«

In dem Versuch, den vorlauten Halbungar in ihre Plänkelei einzubeziehen, schaute Nicholas sich am Tisch um. Attila entdeckte er allerdings nirgends.

Tommy und Marie saßen inzwischen mit Tobias und Pascal zusammen. In kürzester Zeit war eine angeregte Unterhaltung entstanden und wenn Nicholas sich nicht täuschte, ging es bei Marie und Pascal mal wieder um die Theater-AG, während sich ihre beiden Freunde über die bevorstehenden Weihnachtsferien austauschten.

Lasse und Pia erblickte Nick auf der Tanzfläche, wo der Schwede sich eher unbeholfen, aber klar ersichtlich von seiner begeisterten Partnerin führen ließ.

Charry kam gerade vom Buffet, in der einen Hand ein Glas Orangensaft, in der anderen eine Flasche Malzbier. Sie sah umwerfend aus. Das dunkelblaue Kleid war hochgeschlossen; der Saum am Hals, an den Schultern und knapp über dem Boden mit Silberstickereien verziert. Es verbarg einiges und versprach doch viel. Wie eine Prinzessin aus Tausend und eine Nacht, schoss es ihm durch den Kopf.

Charifa grüßte ihn mit einem Küsschen auf jede Wange, ehe sie sich zu den anderen setzten.

»Der erste Schulball seit zwei Jahre, auf dem ich dich sehe, von Burghofen«, bemerkte sie mit einem Augenzwinkern. »Losian sei Dank. Auf diese Weise weiß ich wenigstens, dass es hier einen guten Tänzer gibt.« Erschrocken weiteten sich ihre Augen, als sie eilig hinzufügte: „Also abgesehen von Tobi, versteht sich.«

Ihr Klassenkamerad winkte ab, sein Lächeln war unbekümmert, auch wenn Nicholas der Schatten nicht entgangen war, der sich für einen Sekundenbruchteil über Tobis Augen gelegt hatte. »Mach dir keinen Kopf, Charifa. Basketballspielen klappt zwar noch nicht so, wie ich mir das vorstelle, aber das wird mich nicht dran hindern, heute Abend das Tanzbein zu schwingen. Und bei Pascal weiß ich, dass es nicht schlimm ist, wenn ich ihm mal auf den großen Zeh latsche.«

Die Abiturientin warf Tobias einen entschuldigenden Blick zu, während sie nach seiner Hand griff, um sie liebevoll zu drücken. »Du darfst auch mir gern auf die Füße treten, das weißt du.« Ihre Augen wanderten über die Menschen am Tisch zu jenen auf der Tanzfläche. »Generell habe ich das Gefühl, das meine Auswahl dieses Jahr deutlich attraktiver ist, als die letzten Jahre. Die schlimmsten Idioten fehlen« Sie zwinkerte aufmunternd.

Nicholas grinste. »Stimmt. Ich sehe Attila auch nirgends. Wo ist er?«

Charry lachte, schaute ihn aber gleichzeitig tadelnd an. »Den habe ich zwar nicht gemeint, aber jetzt, da du es sagst: Ich habe ihn noch nicht gesehen. Du Losi?«

Neben ihm schüttelte Losian besorgt den Kopf. »Nein. Seit er sich zurückgezogen hat, um sich umzuziehen nicht mehr.«

»Vielleicht hat er wieder ein Hemdenproblem«, mutmaßte Pascal amüsiert, woraufhin Charfia flüchtig lächelte.

»Ich mache mir Sorgen«, gestand sie. »In den letzten Tagen ist er mir aus dem Weg gegangen.«

»Das hat sicher nichts mit dir zu tun«, versuchte Nicholas sie zu beruhigen. Selbst Menschen, die mit der Liebe nichts am Hut hatten, konnten mit Leichtigkeit erkennen, dass der Kerl absolut vernarrt in sie war.

Losian bestätigte das mit einem Nicken. »Kann ich mir auch nicht vorstellen. Aber wenn du willst, werde ich mal nach ihm schauen, ehe ich Prinz Charming hier« – er deutete auf Nicholas – »zum Tanzen auffordere.«

»Das trifft sich, denn ich habe deiner Schwester den ersten Tanz versprochen.« Mit diesen Worten schenkte Nick Charry ein aufmunterndes Lächeln, klopfte Losi auf die Schulter und erhob sich, um nach Heli zu suchen.

Er fand sie an einem der hohen Bogenfenster, die einen Blick auf die Wiese und das Gelände hinter dem Schloss gewährten. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und schaute in das Schneegestöber hinaus.

Nicholas gesellte sich zu ihr. Der Wald war in der Dunkelheit nur als düsterer Schatten hinter der blassblauen Schneedecke zu erkennen. Die Brücke, die über den kleinen Bach führte, war nur zu erkenne, weil der Zucker, mit dem der Himmel die Erde benetzte, die Nacht hell erscheinen ließ. Dort stand jemand an das Geländer gelehnt. Zweifellos der Grund dafür, weshalb Heli hier verweilte; den melancholischen Blick in die Richtung der Person gerichtet, die sich lieber in der Kälte aufhielt, statt sich ins Getümmel des Ballsaals zu werfen.

»Na«, grüßte er die Fünftklässlerin. »Bläst du Trübsal?«

»Ich nicht.« Ohne ihn anzusehen, deutete sie auf die kleine Brücke. »Aber er.«

»Und weißt du, warum?«

Heli schüttelte den Kopf. »Er wollte nicht mit mir reden.«

Das musste schmerzhaft sein. Die Familie Becker war es gewohnt, Probleme aus der Welt zu schaffen, indem man über sie sprach. Heli selbst hatte mit ihrer offenen Art maßgeblich dazu beigetragen, dass Nicholas begonnen hatte, über sich und seine Zukunft nachzudenken. Immer noch erstaunlich, wenn er das rückblickend betrachtete.

Nachdenklich beobachtete er ebenfalls den jungen Mann, der am Brückengeländer lehnte. Er trug keinen Mantel. Ein rötliches Glimmen in der Dunkelheit verriet, dass Attila sich offenbar eine Zigarette anzündete.

»Das ist die Dritte«, kommentierte Heli.

Nicholas legte ihr eine Hand auf die Schulter, während er sich zu dem Tisch umdrehte, an dem seine Freunde saßen. Er gab Losian ein Zeichen; deutete nach draußen und dann auf Charifa, in der Hoffnung Helis Bruder würde verstehen. Und das tat er offenbar, denn er erhob sich, nickte ihm dankbar zu und begab sich zum Hinterausgang.

Kurz darauf sah Nicholas ihn durch den Schnee stapfen.

»Vielleicht will er ja mit deinem Bruder reden, mh?«

Heli nickte. »Hoffentlich. Er sah traurig aus, weißt du?«

»Manchmal bedrücken einen eben ein paar Dinge, Heli. Mach du dir keine Sorgen darum. Losi kümmert sich um Atti, in Ordnung?«

Sie nickte und sah lächelnd zu ihm auf. »Ich mag es nicht, wenn einer von euch traurig ist.«

»Und ich mag es nicht, wenn du traurig bist.« Er hielt ihr auffordernd eine Hand hin. »Erweist du mir die Ehre eines Tanzes?«

Heli kicherte, ehe sie ihre Finger bedächtig in seine legte. »Sehr gerne.«

Als er sie zu einem Slowfox auf die Tanzfläche führte, wirkte sie bereits wieder unbekümmert.

***

Die Kälte biss scharf in sein Gesicht, doch Attila bemerkte es kaum. Seine frierenden Finger umklammerten den Filter der Zigarette, die er zwar angezündet, aber seit dem unberührt gelassen hatte. Sie glomm sich alleine auf, verzehrte sich selbst, so wie er.

Hinter ihm knirschten Schritte im Schnee. Man hatte ihn also gefunden. Vermutlich Losian, da ging er jede Wette ein. Für einen Wimpernschlag zog er in Erwägung, sich grinsend zu seinem besten Freund umzudrehen; so zu tun, als wäre nichts, doch er verwarf den Gedanken sofort wieder. Es wäre Losi gegenüber nicht fair. Abgesehen davon, glaubte er nicht, dass er ihm etwas vormachen konnte.

»Willst du hier draußen zum Schneemann werden?«, eröffnete Losian das Gespräch ungezwungen, ehe er sich neben ihn an das Brückengeländer lehnte. Sein bester Freund fror. Das konnte Attila nicht nur daran sehen, dass er wie Espenlaub zitterte. Er hörte es auch am unterdrückten Beben in der Stimme des anderen.

Attila selbst war zwar schweinekalt, aber er hatte den Punkt, an dem er das noch wahrnahm, irgendwann in den letzten Minuten überschritten.

»Iceman fand ich schon immer cool«, witzelte Attila, ohne den gewohnten Schalk. Eigentlich war ihm nicht nach scherzen.

»Was ist los?« Losian kam sofort zur Sache. Unumwunden ehrlich, wie immer.

Attila schätzte das, auch wenn er sich gelegentlich schwer tat, mit derselben Selbstverständlichkeit über seine Gefühle zu sprechen. Das war nicht gerecht, denn mit seiner eigenen Direktheit forderte er das von anderen nur allzu oft, das war ihm bewusst. Offenbar haderte er auch dieses Mal zu lange mit einer Antwort, denn Losian setzte nach, wobei er ihm forschend ins Gesicht blickte.

»Wieso kommst du nicht rein? Charifa macht sich Sorgen. Sie meint, du gehst ihr seit einigen Tagen aus dem Weg.«

Attila schnaubte und zog nun doch an seiner Zigarette. Es schmeckte nicht. Frustriert ließ er die Kippe in den Schnee fallen. »So? Meint sie das?« Zeit schinden. Das war sonst eigentlich eher Nicks Spezialität oder Pascals.

Prompt zog Losian erstaunt die Augenbrauen hoch. »Tust du das denn?«

Attila nickte.

»Stimmt etwas nicht zwischen euch? Du hast gar nichts gesagt.«

Sein erster Impuls war es, Losian an den Kopf zu werfen, dass es auch äußerst schwierig sei, ihm irgendetwas zu sagen, wenn er quasi an von Burghofens Seite festgewachsen schien – oder alternativ ständig die Zunge im Hals des anderen stecken hatte. Doch auch das wäre nicht fair, wie er sich eingestehen musste. Es hatte durchaus Momente gegeben, in denen er mit Losian allein gewesen war. Abgesehen davon, wusste er, dass Losian alles stehen und liegen ließe, wenn Attila ihn bitten würde ein paar Minuten für ihn zu erübrigen.

Seufzend gab er sich einen Ruck. »Seit Tagen redet sie nur noch von diesem verfluchten Ball. Sie scheint gar kein anderes Thema mehr zu kennen.«

»Echt? Ist mir gar nicht so aufgefallen. Ich fand Marie viel schlimmer.« Das liebevolle Lächeln verriet, dass Losian es nur halb so böse meinte, wie man es hätte auffassen können. »Sie hat ständig davon gequatscht, welches Kleid sie anziehen will, welches Make-Up am besten dazu passen würde und welche Schuhe. Und ...«

»Das meine ich gar nicht.« Attila schüttelte den Kopf. »Über ihr Kleid hat sie kein Wort verloren. Dabei ...« Er verzog anerkennend den Mund. »Ich meine: Hast du sie gesehen, Alter?«

Losian nickte. »Traumhaft schön.«

»Jap.«

»Und wo liegt dein Problem?«

»Sie ist perfekt!«, platzte es aus ihm heraus. »Sie ist wunderschön, bezaubernd, intelligent, schlagfertig und ... sie kann tanzen. Und sie tanzt gerne. Weißt du, wie oft sie mir erzählt hat, dass sie in den vergangenen Jahren am liebsten mit Tobi oder Nick getanzt hat, weil ... Warte, ich glaube ihre exakten Worte waren: Weil die beiden es echt drauf haben.« Er fuhr sich verzweifelt mit der Hand über das Kinn, versuchte, das bittere Lächeln auf seinen Lippen wegzuwischen. Ersetzt wurde es allerdings bloß durch ein verzweifeltes Lachen. „Ich kann nicht tanzen, Losi."

Einen Moment herrschte Schweigen. Es waren unendlich lange Augenblicke, in denen sich Attila alle möglichen Antworten von »Und das ist alles?« über »Wieso um Himmelswillen kannst du nicht tanzen?« bis zu »Du bist am Arsch, Alter!« ausmalte.

»Atti, ich glaube nicht, dass das ein Problem für Charifa ist«, entgegnete Losian stattdessen.

Attila musste zugeben, dass die Dankbarkeit darüber, dass sein bester Freund ihn nicht auslachte oder seine Ängste runterspielte, unermesslich war. Und das ausgerechnet ihm – dem König des Spotts – diese Gnade gewährt wurde, schien ihm fast schon wieder unheimlich.

»Ich denke, wenn du ihr das sagst, wird sie im schlimmsten Falle ein paar Tänze mit Nicholas aufs Parkett legen. In der Zwischenzeit können wir die beiden ja anhimmeln und uns wünschen, wir beide könnten so elegant das Tanzbein schwingen.« Losian klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter, ehe er seine Hand nahm und ihn durch den Schnee zum Schloss zurückführte.

Mit jedem Schritt spürte Attila mehr, wie sich ihm die Kehle zuzog und wie weich seine Knie wurden, doch er wehrte sich nicht. Ihm war klar, dass Losi recht hatte. Er musste es Charifa sagen. Schließlich wollte er nicht, dass sie sich Sorgen machte oder am Ende dachte, es habe etwas mit ihr zu tun.

Als sie die Halle betraten, war sein Hemd feucht vom Schnee, ebenso wie die Beine seiner Anzughose. Er musste einen erbärmlichen Anblick bieten. Nichts, was sein ohnehin schon angekratztes Ego aufpolierte, aber da musste er jetzt durch.

Sie waren kaum in das goldene, warme Licht getreten, als Nicholas an ihrer Seite erschien. Er musterte Attila prüfend und schien zu dem Schluss zu kommen, dass alles zumindest so weit in Ordnung war, dass er sich seinem Freund zuwenden konnte. »Ich habe mein Versprechen Heli gegenüber eingelöst. Wenn du es mir erlaubst, würde ich jetzt gern dich zum Tanzen auffordern.«

Trotz seiner eigenen Nervosität nahm Attila amüsiert zur Kenntnis, dass Losian errötete, während er sprachlos nickte.

Kurz darauf waren die beiden Richtung Tanzfläche verschwunden und Attila sah sich Charifa gegenüber, die in diesem Moment zu ihm herüber kam. Ihre mandelförmigen, dunklen Augen scannten ihn mit einer Mischung aus Unsicherheit und Sorge. »Wo warst du denn?«

»Draußen.« Kratzig und heiser. Er räusperte sich.

Ihr Schweigen sprach laut von Ängsten, die er gepflanzt hatte. Ein Umstand, der ihn schmerzte.

Wütend auf sich selbst, gab er sich einen Ruck; atmete tief durch. »Ich hatte Schiss reinzukommen«, gestand er ihr.

Ihre Überraschung war ihr ins Gesicht geschrieben, doch sie blieb still; ließ ihm den Raum, den er brauchte.

»Du hast dich so sehr auf den Ball gefreut; hast vom Tanzen geschwärmt und ich ... ich hatte Angst ... Ich kann nicht tanzen, Charifa.« Er zwang sich, ihr in die Augen zu schauen. In Augen, die sich erstaunt weiteten. In Augen, die nicht die leiseste Spur Verachtung oder Spott im Blick trugen. »Ich wollte dich nicht enttäuschen. Ich möchte, dass dieser Abend schön wird und ...«

Sie brachte ihn zum Schweigen, indem sie ihm den Zeigefinger auf die Lippen legte. Dann küsste sie ihn zärtlich. »Atti, weißt du, dass du mich immer wieder überraschst? Im Traum hätte ich nicht daran gedacht, du könntest dich fürchten, weil du nicht tanzen kannst.«

Unsicher, ob das etwas Gutes oder Schlechtes war, zog er es vor, zu schweigen.

»Weißt du was? Es ist mir egal, ob wir heute tanzen. Du bist hier. Ich bin hier. Und unserer Freunde sind es. Ich kenne dich. Du wirst mir keine Szene machen, wenn ich mit einem anderen einen Tanz wage, weil du dafür eigentlich viel zu selbstbewusst bist.« Lächelnd strich sie ihm über die Wange. »Aber wenn du möchtest – wenn du mir den Wunsch gewährst, dann lass es uns machen wie Losi und Nick. Oder wie Pascal und Tobi.«

Sie deutete zur Mitte der Halle, wo ihre Freunde sich im Takt zur langsamen Musik engumschlungen hin und her wiegten. Keine Spur von komplizierten Tanzschritten, Drehungen oder Figuren. Einfach nur ein inniges miteinander im Kreis drehen, während sie langsam von einem Fuß auf den anderen traten. Sie sahen glücklich aus. Tobi und Pascal schauten einander lächelnd tief in die Augen. Losian hatte seinen Kopf auf Nicks Schulter gelegt und der Ältere schien schlicht die Nähe zu seinem Freund zu genießen.

»Das bekommen wir hin, oder?« Charifa lächelte aufmunternd.

Sie wartete sein Nicken kaum ab, ehe sie ihn in die Mitte der Halle führte.

Seine Hände auf ihren Hüften, ihre ein seinem Nacken. Ihr Körper dich an seinem und die Sicherheit, die sie ihm gab, indem sie ihn unauffällig in den Takt und durch den Saal führte. Nichts war ihm schwerer vorgekommen, als heute diesen Ballsaal zu betreten. Nichts war leichter, als mit Charifa in seinem Arm zu vergessen, wovor genau er solche Angst gehabt hatte.

Als er die Augen schloss und sein Kinn auf ihrem weichen Haar bettete, wusste er, was Glück war.

Sie war es.

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