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4/2 Nicholas

„Du bist nicht mehr mein Sohn!", brüllte Magnus von Burghofen. Speichel sprühte aus seinem Mund und traf Nicholas im Gesicht. An der Stirn seines Vaters pulsierte eine Ader, wie immer, wenn er außer sich war vor Zorn. Sein Gesicht war rot angelaufen, sodass es an eine übergroße Tomate erinnerte.

Nicholas schluckte schwer und kämpfte die aufsteigenden Tränen nieder, die bereits in seinen Augen brannten und seine Sicht verschwimmen ließen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich seine Eltern vor Freude überschlagen würden, aber so eine heftige Reaktion hatte er nicht erwartet. „Papa, ich ...", presste er mühevoll und verunsichert hervor, doch sein Vater unterbrach ihn mit lauter Stimme. „Nenn' mich nicht so! Ich meine, was ich sage! Du bist nicht mehr mein Sohn!"

Mit erhobenem Kopf, ballte Nicholas die Hände zu Fäusten und drückte das Rückgrat durch. Aber der Versuch stark und gefasst zu erscheinen, blieb eben genau das, ein Versuch. Das Gefühl in seinem Magen, als habe ihn jemand mit voller Wucht hineingeboxt, gepaart mit der, vor Scham brennenden Haut und dem unangenehmen Prickeln im Nacken, vereinnahmten ihn nach und nach; breiteten sich wie eine Krankheit aus und erfüllten ihn schließlich mit reiner Verzweiflung. Die ersten Tränen liefen seine Wangen hinab, als er den Kopf zu seiner Mutter drehte und diese hilfesuchend ansah.

Die kühlen, blauen Augen der Frau, die ihn über alles auf der Welt lieben sollte, waren auf ihn gerichtet, als begutachte sie ein besonders hässliches Exemplar einer Riesenspinne. „Mein Sohn ist nicht schwul!", beschied sie ihm mit kalter Stimme, während sie an ihrer langen, aristokratisch anmutenden Nase hinabstarrte. „Mein Sohn treibt sich nicht mit Gesindel herum. Mein Sohn wird eine Frau heiraten und beruflich in die Fußstapfen seines Vaters treten. Mein Sohn weiß, was die Etikette von ihm verlangt. Also? Bist du mein Sohn?"

Nicholas fühlte sich, als ziehe jemand ein dickes Seil immer enger um seinen Hals zusammen. Das Atmen fiel ihm schwer und es lag ein unglaublicher Druck auf seiner Brust. Das blasse Gesicht Elenas von Burghofen verschwamm hinter dem Nebel des Tränenschleiers. Abermals schluckte er schwer, dabei fühlte sich sein eigener Adamsapfel wie ein brennender Fremdkörper an. „Nein", haucht er leise. „Dann bin ich wohl nicht mehr dein Sohn."

Er wurde von seinen Eltern weggezogen. Oder sie von ihm. Sie entfernten sich immer weiter, versanken mit verzerrten Gesichtern in der Dunkelheit.

Nur sehr langsam und dabei orientierungslos, tauchte Nicholas aus den Tiefen seines Albtraums auf und wunderte sich über das grelle Sonnenlicht, das plötzlich in seinen Augen stach. Er blinzelte, spürte die Reste ungeweinter Tränen an seinen Wimpern kleben und blinzelte erneut.

„Ey Nick, du Schnarchnase!" Lennarts Stimme drang quengelnd und nervtötend an sein Ohr.

„Mmmh?!", brummte Nicholas und richtete sich auf die Ellbogen auf, um seinen besten Freund verschlafen anzuzwinkern.

Sie befanden sich im Freibad der kleinen Stadt Heiligenberg und genossen die letzten freien Tage der Sommerferien. Von den Becken, drang das Platschen des Wassers und das übermütige Kreischen der Kinder und Jugendlichen zu ihnen herüber. Die Sonne brannte heiß auf Nicholas' gebräunter Haut und trieb die letzten Wassertropfen aus seinen schwarzen Haaren. Wie lange hatte er auf seinem Handtuch geschlafen?

Träge rappelte er sich auf und blickte in die Runde. Lennart, Kai, Sarah und Katharina saßen auf ihren Badetüchern, in einem Halbkreis um ihn herum, und schauten ihn erwartungsvoll an.

In ihrer elitären Clique hatte Nicholas das Sagen. Vermutlich, weil er den Vater mit der dicksten Kohle und dem höchsten Einfluss hatte. Ein bescheuerter Grund, aber so war es nun einmal. Früher hatte er das als gegeben hingenommen, aber seit einigen Monaten, stellte er die Hierarchie ihrer Gruppe in Frage. Genau wie er überhaupt alles in Frage stellte, was in seinem Leben normal schien. Allerdings nur in seinen Gedanken. Im Stillen, wo rebellisches und gesellschaftlich verwerfliches Verhalten keine Folgen hatte.

„Was wollen wir machen? Den ganzen Tag hier rumzuhängen ist mir echt zu langweilig!", maulte Lennart.

„Du könntest Katta da drüben im Busch flachlegen", meinte Kai trocken und fing sich zwei Schläge gegen die Schulter ein. Einen von Lennart, den anderen von Katharina. Letztere spähte allerdings, unter gesenkten Wimpern, hoffnungsvoll zu dem großen, blonden Anwaltssohn hinüber. Dieser gab vor den Blick zu ignorieren. In ihren Kreisen war es ein offenes Geheimnis, dass Nicks und Kattas Väter bereits eine gemeinsame Zukunft für sie planten. Zwangsheirat, das war in Deutschland zwar offiziell verboten, aber jeder von ihnen kannte die Wenn-du-nicht-enterbt-werden-willst-Drohungen ihrer Eltern. Sehr wirksam, wenn man in den reichen und hochwohlgeborenen Kreisen aufwuchs, in denen ihre Erzeuger sich bewegten.

Nicholas' Laufbahn stand bereits fest. Wenn er sein Abitur, auf einem der renommiertesten Internate Baden–Württembergs absolviert hatte, würde er BWL studieren und anschließend als Juniorchef in das Geschäft seines Vaters einsteigen. Dieser besaß eine Hotelkette, welche sich sogar über das europäische Ausland hinaus behauptet hatte und Standorte in Asien und den USA besaß. Wenn es nach Magnus von Burghofen ging, dann würde sein Sohn, die Tochter seines wichtigsten Geschäftspartners ehelichen und Kinder mit ihr zeugen. Am besten sollte Katharina erst einen Sohn, dann eine Tochter zur Welt bringen.

Nicholas lebte in einer Welt voller Klischees, festgefahrener Etikette und deutlichem Zwang, der als Erziehung getarnt wurde. Bisher hatte er all das nicht in Frage gestellt. Doch seit vier Monaten fühlte er sich gefangen, in diesem oberflächlichen Umfeld.

„Ich hab' keinen Bock irgendwen flach zu legen. Im Schloss rennen sie mir sowieso wieder alle hinterher", witzelte Lennart und erntete daraufhin höhnisches Gegröle der anderen.

In ihrem Internat Schloss Königsstein, von allen nur das Schloss genannt, gehörte Lennart nicht unbedingt zu den Jungs, die sich bei den Mädchen großer Beliebtheit erfreuten.

„Verwechselst dich wohl mit mir", gähnte Nicholas träge und streckte sich. Dann musterte er die erwartungsvollen Gesichter der anderen. „Keine Ahnung. Was hattet ihr denn noch so vor?"

Katharina strich sich eine ihrer schwarzen Haarsträhnen hinter das Ohr und lächelte ihn gezwungen an. „Wir beide müssen in ein paar Stunden im ‚Schwimmenden Schwan' sein, Nick." Als er sie nur verständnislos anstarrte, verdrehte sie die Augen. „Das Essen mit unseren Eltern?!"

Nicholas schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Scheiße!", flüsterte er kaum hörbar. Das bescheuerte Essen hatte er völlig vergessen. Eigentlich hatte er andere Pläne für den Abend gehabt.

„Okay, also Katta muss nachhause, um ihren Barbiepuppenkörper in ein Prinzessinenkleid zu zwängen und Nick spielt, passend dazu, Ken. Was machen wir?", wollte Lennart wissen und blickte die anderen an.

„Kino", schlug Kai vor.

„Oh nee!", stöhnte Sarah auf. „Ich hab' echt keinen Bock auf Actionkram! Wir können doch auch einfach feiern gehen, oder?"

Nick blendete das Geplänkel seiner Freunde aus und überlegte fieberhaft, wie er das, was er mit seiner Gedankenlosigkeit vermasselt hatte, wieder gerade rücken sollte. Hastig stand er auf und griff nach seiner Jeans, die er sich kurzerhand über die noch halb feuchte Badeshorts zog.

„Wo willst du hin?", fragte Kai erstaunt, als er sich anschickte in Richtung der Wasserbecken und dem kleinen Imbiss zu verschwinden.

Nicholas warf ihm, über die Schulter, einen abweisenden Blick zu. „Ich muss pinkeln. Willst du vielleicht mitkommen und ihn halten?" Er ignorierte das abwertende Prusten und Kichern der anderen und schlenderte über die Wiese auf die Toiletten zu.

Sein Weg führte ihn am Schwimmerbecken vorbei. Suchend ließ er den Blick über die badenden Besucher schweifen, das freudige Schreien und Rufen, der Menschen ignorierend.

Dann endlich entdeckte er ihn. Marcel stand am Beckenrand und beugte sich gerade zu ein paar Halbwüchsigen hinunter, die den Spaß im kühlen Nass wohl etwas übertrieben hatten. Mit ernster Miene rügte der Bademeister die beiden, ehe er sich wieder aufrichtete und seinerseits ebenfalls den Blick wandern ließ. Allerdings war er auf der Suche nach Badegästen, die sich nicht an die Regeln hielten und die er zurechtweisen musste. So wie er vor wenigen Stunden Nick zurechtgewiesen hatte, weil dieser Lennart mit dem Kopf unter Wasser getaucht und ihn dort festgehalten hatte. Mit einer unanständigen Intensität im Blick, hatten sich Marcels graue Augen in seine gebohrt, während er sich nahe zu ihm herunter gebeugt hatte, nur um ihm zuzuraunen, wenn er nicht damit aufhören würde, andere Kerle zu umwerben, dann würde er ihn an Ort und Stelle küssen.

Nicholas hatte daraufhin jede weitere Kappelei mit seinen Freunden unterbunden. Undenkbar, wenn jemand erfahren sollte, dass er einen Mann küsste! Gleichzeitig hatte bei der Vorstellung sein ganzer Körper gekribbelt, so als liefen tausende Ameisen unter seiner Haut herum. Eine merkwürdige Mischung aus angenehmem Kitzeln und scharfem Brennen, war das gewesen.

Nun trafen sich ihre Blicke abermals und Nicholas nickte in Richtung der Toiletten. Dann wandte er sich ab und lief zu den Steinhäuschen hinüber, in denen die sanitären Anlagen untergebracht waren. Er warf einen verstohlenen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass seine Freunde ihn von der Liegewiese aus, nicht sehen konnten, dann schlich er um das Gebäude herum. Dort befand sich eine Art kleiner Hinterhof, der von hohen Buchsbaumhecken umgeben war und in dem Mülltonnen und Gartenwerkzeug untergebracht waren.

Nicholas wartete. Dabei schlug ihm das Herz bis zum Hals und ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Und das nur, weil er wusste, dass der Mann, den er liebte, in wenigen Minuten zu ihm stoßen würde.

Er hatte Marcel in den Osterferien kennengelernt. Hier im Schwimmbad, als Nicholas in eine Glasscherbe getreten war und sich die ganze Fußsohle aufgeschnitten hatte. Der junge Bademeister hatte ihn gestützt und ihn in das kleine Kabuff gebracht, das den pompösen Namen Aufsichtshaus überhaupt nicht verdient hatte. Er erinnerte sich, als sei es gestern gewesen.

Der Schmerz in seinem Fuß war beißend und pulsierend und sein Blut tropfte auf die weißen Fliesen des Bodens. Die Pfütze, die sich dort sammelte, wuchs besorgniserregend schnell an. Beim Anblick der klebrigen, roten Flüssigkeit wurde Nicholas übel. In dem Bemühen sich abzulenken, starrte er den Rücken des jungen Mannes an, der gerade einen Verbandkasten aus einem der billigen, weißen Schränke holte. Als er sich wieder seinem Patienten zuwandte, musterten seine grauen Augen diesen eingehend. „Ist dir schlecht?" Seine Stimme war tief und angenehm. Sie klang ruhig und gefasst und bot Etwas, an dem Nicholas sich festhalten konnte, in dem dringenden Bedürfnis, seinen mehr als peinlichen Brechreiz zu unterdrücken.

„Ja", gestand er leise, wobei er den Blick abwandte.

Der Bademeister kam zu ihm herüber und ging vor ihm in die Knie. Er begutachtete den Fuß und schaute dann von unten zu Nick hinauf. „Keine Sorge, du wirst es überleben." Er lächelte und trotz des Schmerzes, der sein Bein hinaufschoss, kribbelte es merkwürdig angenehm in Nicholas' Bauch, als er das Lächeln des Mannes schüchtern erwiderte. Dieses entglitt ihm aber augenblicklich, als der dunkelhaarige Bademeiser damit begann, die Wunde zu desinfizieren.

Es brannte höllisch. „Verdammte Scheiße!", entfuhr es Nick und der andere Mann verzog mitfühlend das Gesicht. Seine Worte waren allerdings weniger einfühlsam. „Vorhin, als du mit deinen Freunden geplänkelt hast, warst du aber noch nicht so zart besaitet, oder?"

„Pfff!", schnaubte Nick empört. „Da tut man sich auch nicht so sehr weh! Willst du meinen Fuß zusätzlich noch verätzen?"

Unbeeindruckt von dem blaffenden Tonfall des Jugendlichen, grinste der Kerl nur. „Klar. Ich verwechsel das Desinfektionsspray öfter mal mit Säure oder Ähnlichem."

„Blödmann!", murmelte Nicholas.

Der Bademeister blickte auf und sah ihm direkt in die Augen, wobei Nicholas abermals dieses flaue Gefühl im Magen verspürte.

„Angenehm. Ich bin Marcel."

„Nicholas von Burghofen."

Der andere Mann nickte bloß und widmete sich wieder der Wunde. „Okay, Blödmann. Ich verbinde den Fuß jetzt."

Nicholas biss die Zähne zusammen und musterte verstohlen das konzentrierte Gesicht des anderen. Das helle Grau seiner Augen erinnerte an einen verregneten Frühlingsmorgen und er blinzelte mehrmals irritiert, wenn eine Strähne seines schwarzen Haares in seine Stirn fiel. Marcels Wangen wurden von einem leichten Bartschatten verdunkelt und er leckte sich über die Lippen, während er einen Mullverband um den Fuß seines Patienten wickelte.

„Soll ich deine Eltern anrufen?"

Nick zuckte bei der unerwarteten Frage regelrecht zusammen und riss seinen Blick mit Mühe von Marcels Lippen los. „Ähm ... Nein. Die sind eh nicht zuhause."

„Okay, aber so kannst du kaum mit dem Rad oder dem Bus fahren. Außerdem sollte da dringend ein Arzt drauf schauen."

„Ja, gut. Ich kann den Vater eines Freundes bitten mich ins Krankenhaus zu fahren."

Marcel nickte. „Gut." Er trat an einen kleinen Tisch und kritzelte etwas auf einen Notizblock. Dann kam er zu Nick zurück und drückte ihm einen Zettel in die Hand. „Ruf' mich an und sag' mir wie es dir geht, Blödmann, ja?"

Nicholas nickte und bedankte sich für die Hilfe. Dann faltete er den Zettel so klein, dass es kaum auffiel, wenn er ihn in der Hand hielt und kehrte zu seinen Freunden zurück.

Spät am Abend desselben Tages, saß er in seinem Zimmer und drehte das Stück Papier, auf dem Marcels Handynummer stand in den Händen hin und her. Sollte er ihn anrufen? Eigentlich verpflichtete ihn nichts dazu sich bei einem einfachen Bademeister zu melden, nur um ihm zu sagen, dass es ihm gut ginge. Aber er verspürte den absurden Wunsch, noch einmal die angenehme Stimme des Mannes zu hören.

Nicholas ahnte schon lange, dass er sich eigentlich nicht für Mädchen interessierte. Schon seit er in die Pubertät gekommen war, schaute er sich insgeheim nach Jungen um. Es waren die Momente, in denen er nach einem anstrengenden Basketballtraining, mit den anderen duschte, oder wenn seine Zimmergenossen, sich vor seinen Augen entkleideten, die sein Herz höher schlagen ließen und seinen Körper in ein haltloses Chaos zu reißen drohten. Nicht jene, in denen er die Mädchen dabei erwischte, wie sie nackt im See baden gingen oder wenn eine der Schülerinnen sich so eng an ihn drückte, dass sich ihre Brüste an ihn schmiegten. Das ließ ihn kalt.

Er hatte sich also damit abgefunden schwul zu sein. Ebenso aber auch damit, dass dies völlig unmöglich war. Er hatte einen Weg zu begehen, der mit Karriere, Frau und Kind verwachsen war. Da war kein Platz für das Ausleben geheimer Fantasien. Aber er war auch noch nie in Versuchung geraten. Bis zu diesem Tag.

Da war ein intensiver Ausdruck in Marcels Augen gewesen, als er ihn gebeten hatte ihn anzurufen. Und bei der Verabschiedung hatte er ihm neckisch zugezwinkert, ehe er seinen nackten Oberkörper gemustert hatte. Nicholas war rot geworden und geradezu geflohen.

Sollte er ihn anrufen?

Noch während er über das Für und Wider nachdachte, entwickelten seine Finger ein Eigenleben. Sie zogen das Handy aus seiner Hosentasche, falteten den Zettel erneut auseinander und tippten die Nummer in den Ziffernblock des Displays ein.

Nicholas lauschte dem Tuten, während sein Herz aus unerfindlichem Grund aus seiner Brust zu springen drohte. War es, weil er etwas Verbotenes tat? Er sollte den Bademeister nicht anrufen! Zumindest nicht aus dem Grund, aus dem er es tat.

„Hallo?" Der tiefe Bass brummte in seinen Ohren und ein leichtes Vibrieren breitete sich über sein Gesicht aus und kroch seinen ganzen Körper hinab. Seine Kehle war wie zugeschnürt, dennoch überwand er sich dazu zu sprechen. Eigentlich war es eher ein Flüstern, als er sagte: „Hi. Hier ist Nicholas."

„Ach! Hi Blödmann!" Augenblicklich klang Marcel wärmer und weniger distanziert. Er schien sich über den Anruf zu freuen. „Wie geht's dem Fuß?"

„Geht. Ich soll nach Möglichkeit kein Basketball spielen, bis die Wunde verheilt ist", hörte er sich sagen. Warum erzählte er das einem Wildfremden? Was interessierte es den Kerl, ob er Basketball spielen konnte oder nicht?

„Und das ist ein Weltuntergang?", wollte der andere amüsiert wissen.

„Nee. Aber ich spiele im Schulteam. Und die werden mich schmerzlich vermissen." Mit jedem Wort wurde die Unterhaltung leichter.

„So gut bist du?" Die Frage, leise und intim ausgesprochen, war wie eine Berührung. Sie setzte Nicholas Wangen in Flammen, die vor Verlegenheit glühten. Flirtete der Typ mit ihm oder wollte er ihn nur ärgern? Er räusperte sich. „Ja, bin ich!", gab er trotzig, aber wahrheitsgemäß zurück.

„So, so. Dann muss ich mal zu einem Spiel kommen, um mich davon zu überzeugen, ob das auch wirklich stimmt."

Nicholas schnaubte. „Ich bezweifel, dass du dafür bis Schloss Königstein fahren willst."

„Du gehst auf das Internat?"

„Ja."

„Oh." War das Enttäuschung in seiner Stimme? Nicholas schüttelte den Kopf. Warum sollte der Mann traurig darüber sein, ihn nicht spielen sehen zu können? Was bildete er sich nur ein? Die Berührungen und die eindringlichen und irgendwie andersartigen Blicke des Bademeisters, während dieser seine Wunden versorgt hatte, verwirrten ihn noch immer.

Es entstand ein kurzer Moment des Schweigens, dann lachte Marcel leise. „Okay. Dann haben wir nur eine Wahl. Wir treffen uns an der alten Sportanlage und werfen ein paar Körbe."

„Wann?", hörte sich Nicholas herausfordernd fragend, obwohl er wusste, dass er dies,nicht nur wegen des verletzten Fußes wegen, nicht tun sollte.

„Jetzt!", kam es ebenso angriffslustig zurück.

„Okay." Es war ja kein Training. Sie würden nur ein paar Körbe werfen.

Wenige Stunden später, lag Nicholas, verschwitzt und angestrengt keuchend, auf dem Rasen, neben dem Basketballfeld der städtischen Sportanlage. Marcel lag neben ihm, nicht minder außer Puste. „Du bist echt gut!", gestand er und Nicholas nickte zufrieden. Den pochenden Fuß ignorierte er.
Der Kerl war eine Herausforderung gewesen, das gab er gerne zu, aber dennoch hatte er ihn am Ende abgezogen.

„Ein alter Mann, wie du, kann konditionsmäßig eben nicht mit mir mithalten", neckte er den sieben Jahre älteren. Marcel streckte die Hand aus und zwickte ihm in die Seite, was Nicholas einen empörten Aufschrei entlockte.

„Sei nicht so frech, du Jungspunt. Ich war auch mal sechszehn."

„Ja, aber so wie du spielst, könnte man meinen das sei schon zwanzig Jahre her!"

„Blödmann!" Abermals streckte Marcel einen Arm nach ihm aus, diesmal begann er aber ihn zu kitzeln. Als Nicholas sich lachend zur Wehr setzte, entstand eine spielerische Rangelei, bis die beiden sich plötzlich so nah waren, dass der Atem des jeweils anderen ihre Lippen streifte.

Sie hielten inne. Das Lachen erstarb. Marcels graue Augen hielten Nicks Blick gefangen, während der Ältere langsam den Kopf in seine Richtung neigte.

Er war wie erstarrt, als er beobachtete, wie der andere ihm immer näher kam. Das Blut schoss ihm heiß in die Lenden, sein Herz klopfte so laut, dass sogar Marcel es hören musste. Ein Prickeln überzog seinen ganzen Körper und setzte seine Haut in Flammen. Er schloss die Augen, weil er die Intensität von Marcels Blick kaum noch aushielt, ohne vor Spannung zu bersten.

Marcels Mund war warm, die Bewegung seiner Lippen sanft und vorsichtig. Nicholas erwiderte den Druck zaghaft. Passierte das wirklich? In seinem Magen führte eine Horde Tausendfüßler einen Stepptanz auf. Eine Region tiefer regte sich ebenfalls etwas, woraufhin er voller Scham zurückweichen wollte. Doch Marcel schien dies erahnt zu haben, denn plötzlich spürte Nick die Hand des anderen in seinem Nacken, die ihn an Ort und Stelle festhielt. Gleichzeitig spürte er die heiße Zunge des Mannes über seine Lippen gleiten. Voll verheißungsvoller Vorahnung öffnete Nick den Mund, ließ zu, dass Marcel ihn intensiver küsste und ihn in einen Strudel der Empfindungen riss.

„Gibt es einen Grund, weshalb du neben der Mülltonne stehst und dümmlich vor dich hingrinst, Blödmann?" Marcels neckische Frage katapultierte Nicholas in die Gegenwart zurück.

„Ich habe an unseren ersten Kuss gedacht", erwiderte Nick wahrheitsgemäß.

Sein Freund grinste durchtrieben, als er näher trat und ihn zu sich heranzog. Warm und fordernd legten sich Marcels Lippen auf seine. Neckisch biss ihm der Ältere in die Unterlippe, um ihn auf diese Weise dazu zu bringen, ihn inniger zu küssen. „Du warst so erregt", erinnerte nun auch er sich an den Tag vor vier Monaten zurück. Stürmisch nahm er Nicholas Mund in Besitzt, erkundete mit der Zunge jeden Winkel und strich dabei über seinen, von der Sonne gewärmten Rücken.

Nicholas söhnte unterdrückt, legte aber seine Hände auf Marcels Brust und schob ihn energisch von sich. „Nicht hier!"

Marcel verdrehte die Augen. „Ehrlich, das nervt", murrte er, ließ aber von Nicholas ab und brachte Abstand zwischen sie beide. „Besser so?"

„Mir macht das auch keinen Spaß, glaub' mir!"

„Es liegt nur an dir, Nicky. Nur du kannst das beenden. Ich verstecke dich nicht und ich schäme mich auch nicht für dich. Du hingegen ..." Er spreizte die Hände und warf ihm einen Blick zu, der besagte, dass völlig klar war, dass allein Nicholas für die Heimlichtuerei verantwortlich sei.

„Mein Vater ...", begann dieser mit dem Versuch sich zu rechtfertigen, aber Marcel winkte energisch ab. Offenbar war er die Ausflüchte seines Freundes allmählich leid.

Eigentlich war ihre Beziehung, trotz der Entfernung, die sie trennte, wenn Nicholas auf Schloss Königstein war, sehr glücklich. Marcel machte sich oft an den Wochenenden frei und kam mit dem Auto zum Internat gefahren. Dort trafen sie sich heimlich, gingen in den Wäldern spazieren, die zum Gelände der Schule gehörten oder im See baden. Sie suchten sich abgelegene und verlassene Orte und genossen ihre Zweisamkeit. Aber ihre Beziehung litt, seit dem Beginn der Sommerferien. Seit Nicholas zuhause war, seinen Freund versteckte und so tat, als kenne er ihn überhaupt nicht, wenn sie sich zufällig auf der Straße trafen. Marcels Verständnis für Nicholas' Angst hielt sich in Grenzen, aber er duldete das Versteckspiel. Was blieb ihm auch anderes übrig?

„Warum wolltest du mich sprechen?"

Nicholas fuhr sich mit der rechten Hand durch die schwarzen Locken. „Es geht um heute Abend. Ich kann nicht. Ich habe total vergessen, dass meine Eltern mich zu diesem Essen mit Katharinas Eltern mitschleifen wollten."

Marcel warf die Hände in die Luft und blickte ihn vorwurfvoll an. „Dein Ernst? Du sagst unser Picknick ab?"

„Ich will es ja nicht absagen. Wir können es doch verschieben. Morgen wäre doch ..."

„Morgen kann ich nicht. Da bin ich mit meinen Eltern essen. Sie hatten dich eingeladen, aber du hattest zu viel Schiss man könnte dich mit der einfachen Familie eines unzulänglichen Bademeisters sehen. Schon vergessen?"

Nicholas wich seinem Blick aus. Er hatte es tatsächlich vergessen, vergessen wollen, weil er sich selbst nicht wohl mit seiner Entscheidung fühlte. „Sorry", wisperte er und trat hilflos von einem Fuß auf den anderen.

„Ach vergiss' es, Nicholas! Ich bin es ja schon gewohnt, nicht wahr? Aber eines würde mich schon interessieren: Wie stellst du dir denn eine Zukunft mit mir vor? Willst du heiraten, Kinder bekommen, mit deiner lieben, kleinen und perfekten Familie in einem schicken Haus wohnen und dich nur mit mir treffen, wenn du gerade Zeit für dunkle, verruchte Stunden mit deinem geheimen, schwulen Liebhaber hast?"

Nicholas rang verzweifelt die Hände. Seit einigen Tagen schon fürchtete er ein Gespräch wie dieses. Es hatte sich angebahnt. Immer häufiger war es zwischen ihnen zu kleineren Auseinandersetzungen und Streitereien gekommen, doch meistens waren sie stillschweigend darüber eingekommen, das Thema einfach ruhen zu lassen. Doch nun schien Marcel endgültig die Schnauze voll zu haben. „Wie soll es weitergehen, Nicky?", bohrte er weiter.

Hilflos den Kopf schüttelnd trat Nicholas einen Schritt näher, wollte diese plötzliche, schmerzende Distanz zwischen ihnen überbrücken, aber sein Freund trat einen weiteren Schritt zurück und hob auffordernd eine Augenbraue.

„Ich weiß es nicht", flüsterte er zaghaft.

Marcel nickte. „Dachte ich mir." Er wandte sich ab. „Ich muss arbeiten."

„Es tut mir wirklich leid", rief Nick ihm nach. Als er keine Antwort bekam, fügte er hinzu. „Ich ruf dich morgen an!"

Dann war Marcel um die Ecke gebogen und ließ Nicholas mit einem bohrenden und ziehenden Schuldgefühl zurück. „Scheiße!", brüllte er und trat mit voller Wucht gegen die Mülltonne.

Der Rest des Nachmittags verlief nicht gut für Nicholas. Seine Freunde blödelten während der gesamten Busfahrt herum, aber er war abwesend. Seine Gedanken waren bei Marcel. Die Fragen, die er in seiner Enttäuschung herausgebrüllt hatte, gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Bisher hatte er es vermieden über die Zukunft nachzudenken. Er hatte sich an seinen Plan gehalten und war fest entschlossen gewesen, den Wünschen und Vorstellungen seiner Eltern zu entsprechen und sie nicht zu enttäuschen. Aber je länger er Marcel kannte, je mehr Zeit er mit ihm verbrachte, ihn küsste, ihn berührte und je öfter er intim mit ihm wurde, desto schwerer war es für ihn, an seinem Vorsatz festzuhalten. Ab und an geschah es ihm sogar, dass er sich dabei ertappte, wie er daran dachte, mit Marcel in eine Wohnung zu ziehen, wenn er mit der Schule fertig war oder wie sie gemeinsam händchenhaltend durch die Stadt liefen. Undenkbar! Und doch traten diese Bilder immer häufiger in seinen Kopf und ließen ihn träumen.

Als Marcel im Schwimmbad hatte wissen wollten, wie es weitergehen sollte, hatte er sogar kurz in Erwägung gezogen, ihm zu sagen, dass er es seinen Eltern sagen werde. Auch auf der Heimfahrt dachte er darüber nach. Es war wie ein Nagen, das ihn innerlich zu zerfressen schien und das keine Ruhe geben wollte, ganz egal, wie energisch er versuchte es zu ignorieren.

Marcel war so verletzt gewesen. So traurig und so angreifbar. Und das war allein seine Schuld.

An der Bushaltestelle verabschiedete er sich von seinen Freunden und lief die letzten Meter zu der riesigen, modernen Villa seiner Eltern allein weiter.

Der Pförtner am Tor erkannte ihn schon vom Weiten und verbeugte sich, als er den Knopf drückte, der das große, gusseiserne Tor mit einem Quietschen aufschwingen ließ. Nicholas nickte ihm geistesabwesend zu und lief die Auffahrt zum Haus hinauf.

Er gab den Sicherheitscode ein, der die Alarmanlage ausschaltete und schloss die Tür auf.

Das Haus roch nach Putz- und Desinfektionsmittel. Offenbar hatte Melissa, die Haushälterin, vor kurzem die Eingangshalle klinisch rein geschrubbt.

„Hallo!", rief Nicholas und lauschte. Das eigene, hallende Echo, war die einzige Antwort. Er ließ seine Tasche auf den Marmorboden fallen und schritt zum anderen Ende des Flures, Richtung Wohnraum. Die Halle war genauso kahl und lieblos, wie der Salon den er nun betrat. Möbel, Wände und Böden waren in schwarz-weiß gehalten. Die einzigen Dekorationen bestanden aus geschmacklosen, aber teuren Skulpturen, die seine Mutter so sehr liebte.

Auf der weißen Ledercouch, saß sein Vater und rauchte eine Zigarre, während seine Mutter am kalten Kamin stand und in einem Buch blätterte.

„Musst du denn ausgerechnet dieses Kleid tragen?", wollte Magnus unzufrieden von seiner Frau wissen.

Ohne von ihrem Buch aufzublicken, verzog die hochgewachsene Schönheit, mit den schwarzen Haaren die schmalen Lippen zu einem süßen Lächeln. „Wieso? Was stört dich an dem Kleid?" Es war ein langes Abendkleid, in dunkelblau, mit einem tiefen Ausschnitt am Rücken, der beinahe bis zur Taille reichte.

„Nun ja. Es ist etwas freizügig, meinst du nicht?"

„Unsinn. Du hast nur Angst, dass du dich nicht mehr auf das Gespräch mit Karsten konzentrieren kannst", erwiderte sie gelassen, ehe sie aufsah und Nicholas erblickte, der noch immer in der Tür stand und seine Eltern unschlüssig anstarrte. Seit er den Raum betreten hatte, waren seine Knie weich und sein Magen aufgewühlt.

„Nicholas, warum stehst du da rum und hältst Maulaffen feil? Wir müssen in einer Stunde im ‚Schwimmenden Schwan' sein. Geh' und mache dich frisch!"

„Zieh' den Frack an, Junge. Karsten und ich haben Wichtiges mit Katharina und dir zu besprechen", beschied ihm sein Vater, ohne ihn dabei anzusehen.

Nicholas drückte den Rücken durch und bemühte sich aufrecht zu stehen. „Ich komme nicht mit."

„Wie bitte?"

„Mir ist nicht wohl. Ich möchte mich lieber ausruhen", versuchte er sich herauszureden.

Sein Vater stand auf und musterte ihn aufgebracht. „Ausruhen? Du kannst dich ausruhen, wenn du in deinem Leben etwas erreicht hast und deine nichtsnützigen Füße nicht mehr unter meinen, sondern unter deinen eigenen Tisch streckst. Verstanden?"

„Aber ..."

„Kein Aber! Am heutigen Abend besprechen wir, wie es mit dir und Karstens Tochter weitergehen wird. Die Kleine hat es sich offenbar in den Kopf gesetzt im Ausland zu studieren. Das ist keine Option für ihren Vater. Du wirst heute Abend deinen Charme spielen lassen und dem Püppchen ein wenig Honig ums Maul schmieren. Die Aussicht auf eine Verlobung mit dir, sollte Anreiz genug für sie sein, um ..."

„Nein!" Nicholas hatte keine Ahnung, woher er die Kraft nahm, dieses eine Wort auszusprechen. Leise zwar und unsicher, aber er hatte Magnus unterbrochen. Vor allem hatte er ihm widersprochen.

Sein Vater hob eine geschwungene Augenbraue. „Wie war das bitte?"

„Ich komme nicht mit." Nicholas Stimme war nur ein raues, krächzendes Flüstern, dennoch sprach er beharrlich weiter. Er durfte jetzt nicht aufhören, sonst würde er womöglich den Mut verlieren. „Ich habe keine Lust mit Katharina zu essen. Ich empfinde rein gar nichts für sie. Und deshalb werde ich sie auch nicht davon abhalten, ins Ausland zu gehen und sich ihren Traum zu erfüllen." Offenbar hatte Katta mehr Arsch in der Hose, als er selbst, wenn sie ihren Eltern ihre außergewöhnlichen Träume bereits mitgeteilt hatte.

Magnus von Burghofens Gesicht lief rot an vor Zorn und an seiner Stirn begann eine Ader zu pochen. „Du wagst es, mir zu widersprechen? Ich bezahle dein Essen, deine Kleider, deine Bildung. Einfach alles, was du besitzt und was du bist, hast du mir zu verdanken! Mir ganz allein! Du schuldest mir Gehorsam!"

Nicholas spürte, wie sich Kälte um sein Herz legte und von dort durch seinen ganzen Körper kroch. Gleichzeitig fühlte es sich so an, als drücke ihm jemand auf den Brustkorb und versuche ihm die Luft zum Atmen zu nehmen. Angst.

Mit aller Macht beschwor er Marcels Gesicht vor seinem inneren Auge herauf. Die Liebe zu ihm, die Leidenschaft, das reine Gefühl von Glück; das hatte er nicht seinem Vater zu verdanken. Und niemals war er mehr er selbst gewesen, als in den Momenten, in denen er in Marcels Armen gelegen und die Nähe des anderen genossen hatte.

„Es tut mir leid, Vater. Aber ich kann nicht. Ich habe jemanden kennengelernt. Und ich liebe ihn."

Sein Vater verschluckte sich am Rauch seiner Zigarre und seine Mutter ließ das Buch zu Boden gleiten. Fassungslos starrte sie ihn an und legte dabei in dramatischer Geste ihre Hand auf ihr Dekolleté.

„Das nimmst du sofort zurück!", polterte sein Vater.

Wäre die Situation nicht so verdammt ernst gewesen und hätte er nicht entsetzliche Angst gehabt, hätte Nicholas laut aufgelacht. Stattdessen schüttelte er betont ruhig den Kopf. „Das kann nicht. Hier geht es um Gefühle und die kann man wohl kaum zurücknehmen. Ich liebe Marcel und ich werde heute Abend mit ihm picknicken gehen."

Sein Vater trat einen Schritt auf ihn zu und starrte ihn aus wässrigen Augen hasserfüllt an. „Du liebst einen Mann? Hast du dich etwa von ihm anfassen lassen? Hast du ... bist du..." Angewidert suchte Magnus von Burghofen nach den richtigen Worten.

Nicholas zwang sich dazu seinem Blick standzuhalten, dachte mit aller Macht an Marcel und die Möglichkeit einer freien Zukunft mit ihm.

Er nickte. „Ja, ich habe ihn geküsst. Und ich habe auch ..." Die Ohrfeige traf ihn unerwartet und mit voller Wucht. Er taumelte ein paar Schritte zur Seite und legte in ungläubigem Entsetzen eine Hand auf seine brennende Wange. Sein Vater schaute ihn an und wies mit der Hand zur Tür. „Verschwinde!", sagte er leise. Er brüllte nicht. Und kein Speichel traf Nicholas im Gesicht. Aber die Worte waren deshalb nicht weniger verletzend. „Du bist nicht mehr mein Sohn. Ich will dich nicht mehr sehen."

„Aber Vater, ich ..."

„Raus!" Magnus drängte ihn zur Tür, schob ihn unsanft in die Halle und knallte ihm vor der Nase die Tür zu.

Wenige Minuten später, nachdem er sich einen Hoodie übergezogen hatte und ein paar Sachen aus seinem Zimmer in eine Reisetasche gestopft hatte, weinte Nicholas noch immer.

Er konnte die heißen Tränen nicht zurückhalten, war unfähig gegen den Schmerz in seinem Innern anzukämpfen. Er fühlte sich ungeliebt, verachtet, verlassen. Noch niemals in seinem Leben hatte er sich so verzweifelt gefühlt.

In seinem Elternhaus war er nicht mehr willkommen. Er kannte seinen Vater und dieser würde nicht zurücknehmen, was er gesagt hatte. Selbst wenn er irgendwann bereuen sollte, was er seinem Sohn an den Kopf geworfen hatte, würde er das niemals zugeben. Dazu war er zu stolz.

Seine Füße trugen ihn an den Stadtrand und auf die Felder hinaus, zu dem großen Apfelbaum, unter dem Marcel und er sich bereits mehrere Male geliebt hatten. Mal stürmisch und mal zärtlich, aber jedes Mal innig. Dort hatten sie picknicken wollen und insgeheim hoffte er, dass Marcel ebenfalls herkommen würde. Er hatte versucht ihn anzurufen, kurz nachdem er die Villa verlassen hatte, doch es war nur die Mailbox drangegangen.

Er verspürte Erleichterung, als er Marcel tatsächlich entdeckte. Er stand im hohen Gras und zog sich soeben das schwarze T-Shirt über den Kopf. Dann beugte er sich vor und Nicholas stockte der Atem. Für einen kurzen Augenblick hatte er das Gefühl zu fallen. Der Boden unter seinen Füßen schien keinen Halt mehr zu bieten, seine Beine wollten ihn nicht mehr tragen und seine Knie wurden weich. Eine kalte Faust, schien nach seinem Herzen zu greifen und es mit aller Macht zerquetschen zu wollen, so sehr schmerzte der Anblick des fremden Mannes, der nun nach Marcels Hosenbund griff und ihn zu sich ins Gras zog.

Marcel kniete sich über den Blonden und Nicholas war gezwungen die wilde Knutscherei mit anzusehen.

Erst nach endlosen Sekunden, in denen sich der Verrat seines Freundes wie tausend Klingen in seinen Versand bohrte, drehte er sich auf dem Absatz um und ging. Er wusste nicht wohin er wollte. Nur weit weg von seinen Eltern. Und auch weit weg von Marcel, der ihm eine Lüge vorgeworfen hatte, obwohl er es gewesen war, der ihn betrog.

Irgendwann blieb er schluchzend an einem Bach sitzen und starrte ins Leere, während die Sonne sank und die hereinbrechende Nacht den Himmel über ihm in ein ungnädiges Schwarz tauchte.

Nicholas weinte und schluchzte haltlos, bis keine Tränen mehr übrig waren, die er vergießen konnte. Zurück blieb eine unendliche Leere. Niemals wieder würde Nicholas sein Leben nach anderen Personen richten. Und schon gar nicht der Liebe willen. In Zukunft würde er selbst über sich bestimmen. Und ganz bestimmt würde er sich niemals wieder so verletzen lassen.

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